Geschichten:Das Sterben der Götter(diener) - Kraft der Esse

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Lohentempel zu Essental, 24.Phex 1042 BF:

Es war zur Mitternachtsstunde, kurz bevor Rahja zurückweichen und Praios den Vortritt lassen würde, als es die greise Ingraja in den von einer Handvoll Feuerschalen schemenhaft erleuchteten Lohetempel führte. Ihr langes, feuerrotes Haar hing strähnig an ihrem Körper herab. Schweißperlen suchten sich ihren Weg von der Stirn in Richtung Wangen, nur um sich dann im weiten Nachtgewandt der Geweihten zu verlieren.

Unzählige Dekaden lebt Ingraja nun schon im Ingerimm-Kloster Essental, 60 Götterläufe um genau zu sein. Dabei war der Weg des Feurigen nicht der der ihr ursprünglich beschieden war. 962 BF als Trautwine in die kleine Waldsteiner Familie Altensberge hinein geboren, sollte sie dem Ruf der gütigen Travia ins Kloster Gansbach folgen. Doch unbändige Leidenschaft führte sie mit dem ungleich älteren Sequin von Plöch zusammen, so dass ihre Eltern schließlich einer Vermählung zustimmten und von dem Plan sie ins Travia-Kloster zu schicken, absahen.

So schenkte Trautwine ihrem Gemahl drei gesunde Kinder und hätte wohl auf Burg Plöch auch glücklich werden können, als ein schicksalhafte Begegnung ihr Leben in eine andere Richtung lenkte. Bei einem nächtlichen Brand in ihrer Schlafkammer eingeschlossen, vernahm sie im lodernden Feuer die Stimme der alles erschaffenden, urtümlichen Flamme. Vom festen Glauben beseelt, einer Offenbarung zu folgen, schritt sie durch die Flammen ohne verbrannt zu werden. Schon am nächsten Tag verließ sie ihre Familie, nannte sich fortan Ingraja und trat in das Kloster Essental ein um ihren feurigen Herrn im dortigen Lohetempel zu dienen.

Ingraja folgte in ihrem Glauben einer urtümlichen Form ihres Gottes, die an den archaischen Ingra-Kult des Nordens erinnerte, wo Ingra als Herrn des Feuers und Lichtbringer verehrt wurde. Tief tauchte sie, nachdem sie die Weihe erhalten hatte, in die Mysterien ihres Kultes ein.

Von der ersten bis zur zweiten Ingerimms-Stunde eines jeden Tages verbrachte sie an der heiligen Esse, schürte das Feuer oder versuchte in den Flammen den Willen ihres Gottes zu erkennen. Vielen Geweihten und Novizen des Klosters galt sie ob ihrer Standhaftigkeit und Beständigkeit als großes Vorbild. Ihre Sturheit und Härte in ihren Ansichten waren hingegen gefürchtet. Manch einer hielt sie wegen ihrer abweichenden Glaubensauffassung auch für etwas verschroben.

So stand sie nun mit flackernden Augen vor der heiligen Esse. Regungslos. Wie ein Feuersturm brachen Bilder in ihrem Kopf auf sie ein. Es waren düstere, Unheil verkündene Bilder. Die meisten konnte sie nicht einordnen, die ergaben keinen Sinn für sie. So sah sie eine schwarze Kriegerin, die einen Speer warf; drei Frauen, die aus der Erde geboren zu einer verschmolzen. Sie sah Blut, Leid und Tod! Ein Zucken durchfuhr den greisen Körper der Geweihten. Der innere Feuerstum wurde zu heftig, die Eindrücke zu viel. Mit einem letzten Stöhnen fasste sich Ingraja an ihren Brustkorb und sackte schließlich zusammen.

Mit der Gewissheit in diesem Moment ihrem Gott ganz nahe zu sein, hauchte sie ihr Leben aus.