Geschichten:Das Phexensstück

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Darrenfurt, in der Nacht vor der Kontoreröffnung (13.Travia 1026 BF)

Kalt war es in der großen Kontorhalle, an den Wänden gespiegeltes Mondlicht hüllte den Raum gespenstisch ein. Laut hallten Ludovigs Schritte an den Wänden wider. Er, Edler des Gutes Hügelwacht, war gespannt und aufgeregt, beinahe kindlich entzückt, schließlich trug er etwas sehr wertvolles um seinen Hals. Ein Blick durch die hohen Fenster verstärkte dieses Gefühl nur. Tausendfaches Funkeln erhellte den Himmel. Heute war fürwahr eine schöne Nacht.

In der Kemenate erwartete ihn Sherizeth bereits. Anders als er war sie aufwendig gekleidet, so wie es ihre Art war. »Sehr schön, du hast es also gebracht. Ich hoffe, niemand hat dich auf der Straße bemerkt.« Mit gespielter Empörung erwiderte Ludovig die Frage. »Mich bemerken? Ganz sicher nicht. Das wäre ja noch besser, wenn mich jemand gesehen hätte. Nein Sherizeth, ich bleibe unbemerkt, wenn ich es will. Nur verstehe ich noch immer nicht, warum solch eine Geheimhaltung nötig ist.« Die zukünftige Mondsilberwesira setzte ein Lächeln auf. »Den Wert der Kette, die du am Hals trägst kennst du, ihre Geschichte und Bedeutung für den Kult sind dir bewusst. Was du nicht weißt ist wie ich an diese Reliquie gelangt bin. Ich habe sie gestohlen.« Auf diesen Satz hin nahm Ludovigs Erstaunen sichtlich zu. »Was sagst du? Gestohlen? Ein wahrlich gefälliges Werk, das du da vollbracht hast. Aber warum? Ist es kein Geschenk der Modsilbersultana?« Sherizeth machte um den Effekt Willen eine kurze Pause, bevor sie antwortete. »Seit vielen Götterläufen pflege ich eine Tradition, die in meiner Heimat weit verbreitet ist. Du wirst vielleicht davon gehört haben, ich spreche vom Mubaraza Al’Feqz Abdinim.« In der Tat hatte er davon gehört »Du redest von diesem Duell, das zwei der unsrigen ein Leben lang führen.«

»Eben davon. Ich wurde seinerzeit mit Chedim ibn Zaburqua geweiht. Über viele Jahre lieferten wir uns einen heftigen Wettstreit. Ein ums andere Mal stach er mich aus. Schließlich wurde er Hochgeweihter in Palmyramis. Den Tag werde ich nicht vergessen, war er mir doch eine große Schmach. Es war sein ganz persönlicher Triumph über mich.« Sie machte eine kurze Pause, ihr Blick war gesenkt. »Dieses Ereignis trug aber gleichzeitig die Möglichkeit in sich, mich doch zu beweisen. Doch wartete ich erst einmal. Erst jetzt, wo ich zur Mondsilberwesira berufen wurde, wagte ich den Diebstahl. Ich entwendete Erizans Schmuckstück aus dem Haus unseres Gottes in Palmyramis. Nur wenigen Menschen der Geweihtenschaft war bekannt, dass sie im Tempelschatz versteckt war. Mit deiner Hilfe fand mein Plan Vollendung. Ich danke dir, daß du die Kette für mich versteckt hielst. Morgen werde ich dieses wertvolle Stück der Öffentlichkeit präsentieren. Dieses Kontor wird die neue Heimstatt der Kette des Erizan sein!«

Ludovig schaute sich die Kette noch einmal an, bevor er sie der Wesira in die Hand legte. In der Tat, heute war eine schöne Nacht. Phex der Listige hatte seinen Weg nach Darrenfurt gefunden.


Anmerkungen

Die Kette des Hl. Erizan

Eine einfache Kette mit vielen kleinen Medaillons, die aus verschiedenen Metallen gefertigt sind. Auf ihnen abgebildet sind verschiedene Alltagsszenen, die Anspielungen auf phexgefälliges Handeln beinhalten. Die Kette gilt als einzige Hinterlassenschaft des Erizan von Arkossabad, einem einfachen Dieb, der dem (mittelreichschen) Fürsten von Baburin seine Krone stahl und sich auf der Flucht vor dessen Häschern von einem Felsen in den Tod stürzte.

Mubaraza Al'Feqz Abdinim (gar.: Wettstreit der Diener Phexens)

In einigen aranischen Phextempeln ist es Brauch, dass zwei Novizen zu einem Wettstreit antreten, der sich meist um den Diebstahl eines Gegenstandes dreht. Nur wer sich dabei als phexgefällig erweist wird letztendlich geweiht. Sollten beide Novizen erfolgreich sein, müssen sie mitunter dieses Duell ein Leben lang weiterführen: das Mubaraza Al’Feqz Abdinim. Im Gegensatz zur Novizenzeit gibt es dafür keine festen Regeln, hoch gewichtet wird aber ein Diebstahl aus dem Besitz seines geweihten Konkurrenten.


Autor: J. Marioulas