Geschichten:Das Pferderennen

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Das Pferderennen

Der Tag war von Praios Antlitz verwöhnt. Bereits früh an diesem Morgen war die Sonne kräftig und sendete ihre wärmenden Strahlen auf das von ihr so verwöhnte perricumer Land.

Die Adelsgesellschaft hatte den gestrigen Tag genutzt um sich auf den Heutigen vorzubereiten, politische Diskussionen in den Thermen oder bei einer Massage in Rashia’hal zu führen oder die letzten Wetten auf den Ausgang des heutigen Tages zu schließen.

Voller Erwartungen begaben sich die hohen Damen und Herren zu ihren Plätzen, denn bald schon sollte der erste Wettkampf, das Pferderennen, beginnen.

Es war die einzige Disziplin, die räumlich getrennt auf einem für diese Zwecke präparierten Areal statt fand. Die Tjost, das Bogenschießen und der Buhurt konnten weitaus näher am Heiligtum statt finden.


Während sich die Edlen auf einer überdachten Tribüne auf ihre Sitzplätze begeben konnten, waren rechts und links davon einige Bretterreihen aufgebaut worden, auf denen das einfache Volk stehen und zuschauen konnte.

Beginnen sollte das Rennen direkt an der Ehrentribüne, sodass dem Adel bereits die erste Möglichkeit geboten wurde, ihren jeweiligen Favoriten in Augenschein zu nehmen. Dann ging es über mehrere Hindernisse, wie künstlich angelegte Teiche, besonders gestutzte Hecken, oder herbeigeschaffte Baumstämme hinab auf eine weite Ebene. Hinter dieser Ebene würden die Reiter für kurze Zeit aus dem Blick der Zuschauer entschwinden, da sie in ein kleines Wäldchen eindringen würden. Hinter dem Wäldchen gab es eine kurze Zwischenstation, an der die ankommenden Teilnehmer ein Unterpfand erhalten würden, dass zeugen sollte, dass sie diese Station erreicht hatten und nicht bereits früher abgebogen waren. Danach ging es in einem Bogen um das Wäldchen wieder herum und über die Ebene zurück in Richtung Zuschauertribüne, in deren Richtung die Rösser erneut einige Hindernisse zu überwinden hatten, bevor sie über die Ziellinie, die wiederum erneut direkt an der Ehrentribüne lag, gehen sollten.

Ra’oul von Brendiltal saß auf Shir'ay’dayschin (Hengst des Sturms), auf eben jenem Hengst auf dem er noch vor wenigen Götterläufen fast sämtliche Pferderennen der südlichen Regionen, von Perricum über Baburin, Kunchom und Fasar bis durch die Wüste Khom gewonnen hatte, und sollte der Schiedsrichter dieser Disziplin sein.

Stolz und würdevoll saß der Baronet zu Brendiltal, in seiner nebachotischen Rüstung, auf seinem feurigen Ross und hielt den Stab des Herolds in die Höhe. Die Teilnehmer hatten sich derweilen in einer Linie vor der Ehrentribüne versammelt und harrten nun dem Zeichen des Beginns.

Fast 30 Kontrahenten konnte man zählen. Dabei waren nicht nur Nebachoten wie die Gebrüder Zollenstein, Amir und Abdul auf ihren besonderen Rennpferden angetreten, sondern auch Raulsche wie Aldron von Firunslicht auf seinem ausdauernden und erfahrenen Schlachtroß. Stille trat langsam auf dem Platz ein. Alle Augen waren auf den Heroldsstab gerichtet, den Ra’oul noch immer in die Höhe hielt. Spannung und Nervosität lag in der Luft und so manches der Rennpferde fing an der Linie zu tänzeln an, so dass Ra’oul immer wieder warten mußte, bis die Reiter ihre Rösser wieder unter Kontrolle und in der Reihe zurück hatten.

Dann stieß er den Heroldsstab hinab, das Rennen war eröffnet.

Sogleich sprengten die Kontrahenten davon. Kian Ramin von Peirrish, ein talentierter Jungkrieger und Reiter, nebachotischer wie raulscher Ausbildung ritt einen Baruntaler, der vor Kraft nur strotzte und beim Start zunächst auf die Hinterbeine stieg, nur um dann mit einem riesigen Satz nach vorne zu preschen.

Doch bereits am ersten Hindernis trennte sich augenscheinlich die Spreu vom Weizen. Ein Ritter wollte mit seinem Pferd zum Sprung ansetzen, wurde dabei jedoch vom Reiter neben sich behindert und sprang daher viel zu kurz. Als der Reiter seinen Kopf wieder aus dem Wasser hob, war sein Ross bereits weit weg und das restliche Feld sogar noch weiter.

Besonders die Gebrüder Zollenstein wurden bereits im Vorfeld als Favoriten für das Rennen gewettet, da sie herliche Rösser aus der regionalen Zucht ritten. Beide setzten sich auch Kopf an Kopf an die Spitze des Feldes und bereits auf der Ebene, wo besonders die schnellen und kräftigen Pferde, weit ausholen konnten, konnte man drei Gruppen ausmachen. Die Gruppe, die noch am nächsten zu den Zuschauern war, bestand zum größten Teil aus Reitern die nur aus Spaß mitmachten, aber ohne wirkliche Aussichten auf Erfolg. Die zweite Gruppe dagegen bestand meist aus guten Reitern auf ausgebildeten Pferden, wie zum Beispiel Oswin von Firunslicht, der einen sportlichen Wettkampf mit seinem Freund Jarin Leomar von Birkenbruch auszutragen schien, doch ritten sie allesamt eben keine wirklichen Rennpferde.

Die Spitzengruppe dagegen bestand aus jenen Reitern die ein eigens für dieses Rennen mitgebrachte Pferd ritten und den Sieg dieser Disziplin unbedingt für sich beanspruchen wollten. Überraschenderweise befand sich sogar die Baronin von Gnitzenkuhl unter diesen Reitern. Besonders von den Nebachoten abschätzig belächelt und ansonsten eher in einem parfümierten Salon anzutreffen, zeigte Geshla von Gnitzenkuhl, wer ihr Vater gewesen ist und warum man diesen „Wolfszahn“ genannt hatte.

Abdul von Zollenstein verschwand als erster im Wäldchen, gefolgt von Kian von Peirrish und dessen Mutter Janiha von Peirrish, einer überraschend guten Reiterin auf einem schnellen Südländer. Dann folgte Amir von Zollenstein, dicht gefolgt von der Baronin von Gnitzenkuhl. Wenig später ritten Aldron von Firunslicht, Quanion von Isenbrunn und Oswin von Firunslicht, sowie Jarin Leomar von Birkenbruch zwischen die Bäume, bevor auch endlich das übrige Feld außer Sicht geriet.

Während die Reiter durch den Wald ritten eilten einige Gaukler vor die Tribüne und vertrieben die Zeit mit Possen reißen, Lieder trällern oder Späßen machen, so dass die Zuschauer – solange sie auf die Rückkehr der Reiter warteten - etwas zu lachen hatten.


Derweilen hatte sich im Wald die Reihenfolge der Kontrahenten deutlich verändert, konnten doch gerade die schnellen Pferde hier nicht ihre größte Stärke ausspielen und Reiter mit eher ausdauernden Rössern wieder aufholen.

Schließlich sah sich Quanion von Isenbrunn um. Er hatte sich die Regeln dieses Wettkampfes genau erläutern lassen. Dabei hieß es, dass nur derjenige gewertet wird, der durch das Ziel ritt und dabei das Zeichen der Zwischenstation bei sich führe….. Führte dachte er sich boshaft grinsend, es hieß nicht, wer dies persönlich bei der Zwischenstation abholte. Der Junker von Kaltengrund ärgerte sich, dass er nicht im Vorfeld heraus bekommen hatte, wie jenes Zeichen aussah, so dass er keine Kopie hatte anfertigen können, aber er war sich recht sicher, dass es auch einen anderen Weg gab, daran zu kommen.

So bog der Isenbrunner nachdem er sich versichert hatte, dass er unbeobachtet war, bereits im Wald seitlich ab und zügelte sein Pferd, damit dies seine Kräfte schonen konnte. Die Route, wo die übrigen Reiter wieder zurück kommen würden, war ihm bekannt und so ritt er gemächlich darauf zu. Als er die Stelle erreicht hatte, die er in der Nacht bereits für seine Zwecke präpariert hatte, versteckte er sich zwischen den Bäumen und wartete geduldig.

Geduld war zwar nicht seine Stärke, aber er musste auch nicht lange ausharren. Schon hörte er den ersten Reiter herannahen. Quanion hielt Ausschau nach ihm, da ihm nur ein kurzer Augenblick bleiben würde um sein Vorhaben erfolgreich umzusetzen. Sein Versteck lag direkt hinter einer kleinen Biegung , womit auch sein Vorhaben zunächst vor eventuellen Verfolgern unbemerkt bleiben würde. Angestrengt konzentrierte sich der Isenbrunner auf die sich schnell nähernden Geräusche. Nur ein Reiter, kein Zweifel. Die Verfolger waren etwas zurückgeblieben.

Da, jetzt kam er um die Ecke. Quanion erkannte in ihm Abdul von Zollenstein während er schon seinen Plan umsetze. Der Junker grinste boshaft, während er das Seil zerschnitt, dass einen langen, kräftigen Ast zurückgehalten hatte, dessen Baum nahe am Wegesrand stand. Mit unbarmherziger Kraft schnellte der Ast an seinen ursprünglichen Ort – direkt am Wegesrand – zurück und knallte Abdul direkt an die Stirn. Der Zollensteiner sah noch überrascht auf, als er die Bewegung aus den Augenwinkeln wahr nahm, doch blieb ihm keine Möglichkeit noch zu reagieren, bevor er getroffen zu Boden stürzte. Geschwind eilte Quanion aus seinem Versteck und beugte sich über den Bewusstlosen. Das Zeichen der Zwischenstation mußte irgendwo direkt an ihm sein. Und richtig, direkt an dem am Bauch überschlagenen Hemd fand der Isenbrunner ein buntes und besonders Geknotetes Tuch auf dem in stilisierten Zeichen ein Pferd, ein Storch und eine Echse eingestickt waren, dass er sogleich an sich nahm. Dann rollte er Abdul zur Seite und unter die Büsche, sprang in den Sattel seines eigenen Pferdes, und trieb dies an. Keinen Moment zu spät, schon waren die Verfolger zu hören und annähernd gemeinsam mit Kian und Amir von Zollenstein preschte Quanion aus dem Wald.

Überrascht den gnitzenkuhler Adligen bei sich zu wissen, trieben die beiden anderen ihre Rösser noch mehr an und unter normalen Umständen wären sie dem Junker von Kaltengrund einfach davon geprescht. Doch sein Pferd war noch gänzlich ausgeruht und konnte daher mit den wendigen Rössern mithalten. Kopf an Kopf preschten sie über die Ebene und auf die ersten Hindernisse vor der Zuschauertribüne zu. Es schien so, als würde keiner den Sieg für sich beanspruchen können. Doch eben, nachdem sie über den riesigen Baumstamm hinweg sprangen, lehnte sich der Zollensteiner nach vorne und sprach ein Wort in das Ohr seines Rosses. Dieses edle Tier schnellte daraufhin nochmals nach vorne, als hätte es die ganze Zeit nur mit halber Kraft gestritten. Bereits bei der Hecke war der Zollensteiner einen halben Pferdekopf vorne und beim Teich sogar eine ganze Pferdelänge. Quanion von Isenbrunn konnte dies kaum glauben und wollte den Zollensteiner noch zurückhalten – denn auch dies war erlaubt – doch überhastete er sich dabei und fiel geradewegs vornüber in den Teich, so dass auch von Peirrish an ihm vorbei und nach dem Zollensteiner ins Ziel kam. Dann folgte Geshla von Gnitzenkuhl, die noch am Ende Janiha von Peirrish eingeholt hatte, bis dann das Mittelfeld angeführt von Aldron von Firunslicht, gefolgt von Oswin von Firunslicht und Jarin von Birkenbruch eintrafen.

Dass Abdul fehlte, fiel zunächst noch niemanden auf, da auch weitere Reiter es nicht bis ins Ziel geschafft hatten. Als das Rennen schließlich entschieden war und Amir von Zollenstein von Ra’oul von Brendiltal als Sieger bestätigt wurde, eilten die ersten Knechte los um zu sehen, wo die fehlenden Kontrahenten abgeblieben waren und ob diese Hilfe benötigten.

Amir jedenfalls wurde hoch gefeiert und erhielt von Malina von Niederriet-Brendiltal, stellvertretend für das Preisgeld, einen goldenen Zweig ausgehändigt.


Kopfschmerzen

In seinem Kopf dröhnte es. Abduls erster Reflex nachdem seine Sinne zu ihm zurückgekehrt waren, war gewesen die Augen zu öffnen. Doch der Wald schien sich um ihn herum zu drehen und sofort überkam ihn ein Gefühl der Übelkeit. Er legte die Hände an seine Schläfen und versuchte den Boden um sich herum zum Stillstand zu bringen. Nach einigen Minuten hatte er das Gefühl damit erfolgreich zu sein. Als er die Augen erneut öffnete, blickte er zuerst auf die Blätter und Dornen des Strauches unter dem er lag. Es dauerte einige weitere Augenblicke bis er sich orientieren konnte. Irgendwo in der Nähe hörte er das vertraute Schnauben seines Pferdes. Mühsam drehte er sich auf die Seite und kam auf die Knie. Die Dornen rissen einige Löcher in seine teure Kleidung, doch war ihm das in diesem Moment vollkommen egal. Schwankend zog er sich an einem Baum hoch und sah sich um. Von den anderen Reitern die an dem Wettkampf teilgenommen hatten war weit und breit nichts zu sehen, doch glaubte er aus der Richtung des Festplatzes lautes Geschrei zu hören. Das Rennen war anscheinend bereits vorbei.

Leise pfiff Abdul nach seinem Pferd und erschrak, als es ihn plötzlich von hinten mit der Schnauze anstieß. Er hatte mit seinem beeinträchtigten Orientierungssinn angenommen, dass es von vor ihm kommen würde. Krampfhaft hielt er sich am Sattel fest und überlegte wie er am Besten wieder hinauf kommen sollte. Er spürte wie ihm das Blut aus der Stirn in die Augen lief und auf sein zerfetztes Hemd tropfte. Als er danach tastete merkte er, dass er bei dem Sturz anscheinend auch das Pfand verloren hatte. Noch immer war ihm schwindlig und er wagte nicht das Pferd loszulassen um am Boden danach zu suchen. Er würde das Gespött seiner nebachotischen Brüder sein. Schlimmer als zu Fuß und in diesem Zustand neben seinem Reittier ins Ziel zu kommen würde nur sein, wenn er vor allen Leuten erneuet aus dem Sattel fallen würde. Also nahm er sein Pferd an den Zügeln und führte es zurück zum Festplatz.

Von Weitem sah Abdul bereits wie ihm ein Diener entgegen geeilt kam. Unwirsch wies er jede Hilfe von sich und schleppte sich zum Ziel. Mit knirschenden Zähnen ertrug er die spitzen Bemerkungen der Nebachoten und richtete den Blick stolz nach vorn. Erst als er erkannte, dass sein jüngerer Bruder den Sieg geholt hatte hellte sich seine Miene ein wenig auf. „Wär hättä das gedacht, das mein kleinär Brudär mich einäs Tagäs in einäm Wettreitän besiegän wirde. Mir habän die Gätter einän verphäxten Ast in dän Wäg geställt. Ich freuä mich, dass die Ähre in där Familiä bleibt.“ Das Schulterklopfen fiel um einiges schwächer aus als es der Fall gewesen wäre, wäre er bei Kräften gewesen. Abdul zog sich sehr bald in ihre Unterkunft zurück, während Amir sich noch lange und ausgiebig feiern ließ.