Geschichten:Baron von Puleth - Rückkehr in der Nacht

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Dramatis Personae:

10.Peraine 1033 BF, Stadt Kaiserhain bei Nacht


Es mochte vielleicht die 2. Nachtstunde sein. Ganz sicher mochte er sich nicht sein, während er das Haupt aus der Senke hob und über den Rand hinweg in Richtung der Ausfallpforte in der niedrigen Stadtmauer Kaiserhain hinübersah. Es war vollkommen finster, Madamal und Sterne von Wolken verdeckt, so als wolle der Herr Phex ihnen den Segen schenken, den sie benötigen würden um ihren Plan erfolgreich umzusetzen. Auf der Mauer patrouillierten Wachen, Blutige Sensen wohl, der Abschaum der Söldner aus der Wildermark, deren Fackeln auch den Erdboden vor der Mauer zu erhellen vermochten. Sie mochten Haderlumpen und Bastarde sein, doch ihre Pflicht schienen sie sehr zum Leidwesen des rechtmäßigen Herrn der Stadt, sehr ernst zu nehmen. Doch weiter als die zehn Schritt vor der Mauer konnten sie nicht sehen, zumal sie sich mit den Fackeln auch selbst blendeten und sich der Nachtsicht beraubten.

So konnte der Baron von Puleth seine Mannen bis auf 100 Schritt an die Mauer heranführen, ohne überhaupt wahrgenommen zu werden. Waffen und Rüstungen waren durch Stoffumwicklungen gedämpft, Metallteile wie offen getragene Rüstung oder Klingen mit Ruß geschwärzt worden, um nicht verräterisch zu blinken, falls doch der Mond durch die Wolken brechen sollte. Der Herr Phex mochte sie beschirmen, doch vergab er keine Nachlässigkeit. Felan ballte die Faust und öffnete sie wieder, sich selbst zur Ruhe mahnend. Sein ganzer Körper entsprach der Entspannung, die ihm die Situation fühlen ließ. Da! Ein mattes Licht an der Pforte blinkte auf. Eine Laterne, deren Licht in einem bestimmten Rhythmus auf- und wieder weggeblendet wurde. Felan stieß den neben sich hockenden Wulfger an und der gab das Signal weiter. Es ging los.

In kleinen Grüppchen von sechs Mann sollte die Entfernung zur Mauer in kürzester Zeit überbrückt werden. Genug Herzschläge, um durchs Tor zu kommen, ohne von den auf und ab gehenden Wachen bemerkt zu werden. Felans Truppe lief als erste los. Er stemmte sich aus der Hocke empor, überwand den Senkenrand und lief in gebückter Haltung hinüber zur Mauer, bemüht keinen unnötigen Lärm zu machen. Dafür hatte er auch auf einen Teil seiner Rüstung verzichtet und den Rest eng an den Körper gegürtet und mit Wollstoff verhindert, dass Kettenglieder scheppernd aneinander schlugen. In weniger als zwanzig Herzschlägen waren sie an der Pforte angekommen. Es erwartete sie ein sichtlich nervöser Gernbrecht Weizschrot, die Lampe in der Hand, in einen dunkelgrauen Umhang gewandet. Mit wenigen Handzeichen machte er deutlich sich zu beeilen und durch die Pforte zu treten. Nach einem Augenblick erkannte er auch Felan und nickte diesem entschlossen zu, als hätte er seinen Mut gesammelt und wolle sich vor dem Baron als tapferer Verbündeter beweisen. Zwei weitere Vermummte standen hinter ihm, eine bewusstlose oder tote Söldnerin der Sensen lag mit dem auf den Brustkorb gesacktem Gesicht gegen einen Pfortenpfeiler gelehnt. Felan trat näher zu Weizschrot, um Platz an der Pforte zu machen, während schon die nächste Truppe die Stadt betrat. Weizschrots Helfer wiesen den Soldaten und Rittern bereits Stellen zu, um sich günstig zu positionieren, um noch aus dem Blick der Wachen zu bleiben. Es lief alles wie geplant.

"Zwei Wachen sind zu unserer Linken auf der Mauer, zwei weitere zur Rechten auf Rundgang. In der Stadt bereiten sich die Bürger darauf vor euch zu unterstützen. Am Zeughaus stehen nur zwei Schergen, um es zu bewachen.", flüsterte er.

"Wo ist Landolf von Kallerberg?", verlangt Felan leise zu wissen.

"Er ist im Rathaus. Er hat den Ratssaal zu einer Art ...einer Art Orgienhalle umfunktioniert."

Felan nickte grimmig.

"Wulfger?"

"Ja, Hochgeboren?", flüsterte Wulfger von Schallenberg fragend zurück, wobei dessen Aufgeregtheit in der Förmlichkeit seiner Anrede an seinen Vetter zum Tragen kam.

"Du und dein Trupp werdet euch zum Zeughaus aufmachen und die Tore den Bürgern öffnen, um sich zu wappnen und uns zu helfen. Ulfwin.", wendete sich Felan zum gerade eingetroffenen Ritter um. "Du wirst mit deinem Trupp die Mauer rechts und links hier einnehmen und von den Söldnern reinigen, um im Fall der Fälle den Rückweg zu sichern und zu verhindern, dass wir eingekesselt werden. Ich selbst werde dem Kallerberg einen Besuch abstatten..."

Eine der vermummten Gestalten hob die Kapuze von ihrem Kopf. Felan griff zu seinem Schwert, doch die darunter zum Vorschein kommende Frau hob die unbewaffneten Hände und Felan ließ seine Hand wieder sinken. Voltana von Kallerberg sah Felan mit einem gepeinigten Gesichtsausdruck an.

"Hochgeboren, ich will mich euch anschließen und Sühne leisten für meinen missratenen Neffen. Bitte gewährt mir das Recht euch zu beweisen, das wir Kallerbergs nicht nur Verbrecher, sondern auch ehrenhafte Ritter hervorbringen."

Nur einen Augenblick musterte Felan sie, doch er konnte in ihrem Gesicht die tiefe Verzweiflung ablesen, die es mit sich gebracht hatte von Raubrittern und Mördern in der Familie umgeben zu sein. Helmar, Geldor, Landolf...es war nur zu verständlich, dass sie dies leiden ließ und er konnte den Wunsch nachfühlen zu beweisen, dass das eigene Blut auch ritterliche Vertreter des eigenen Namens hervorbringen konnte. So nickte er. "Volatana von Kallerberg, ihr begleitet bitte meinen Vetter Wulfger. Ihr kennt euch hier besser aus und könnt ihn gewiss gut führen."

Ihr Blick war mit geradezu schmerzlichen Dankbarkeit erfüllt. "Ich bin euch zutiefst dankbar, Hochgeboren. Ich werde mich würdig eures Vertrauens erweisen", versprach sie mit mühsam gehaltener Stimme während sie die Kapuze wieder hochhob und sich zu Wulfger gesellte.

"Niemand kann ermessen, welchen Schmerz euch eure Verwandten zugefügt haben. Doch ich erkenne eine wahre Ritterin Hartsteens, wenn sie vor mir steht."


Der Ratssaal war hell erleuchtet. Üppig viele Kerzen erleuchteten und erhitzten den Raum und gaben den Blick frei auf eine Szenerie der völligen Zügellosigkeit. Vier Söldner standen an den Wänden und bewachten den Raum, in dessen Mitte ein Gelage stattfand, dessen Höhepunkt schon lange überschritten war. Leichte Weiber wie bürgerliche Töchter spielten ebenso eine Rolle wie zuviel geistvolle Getränke und große Braten, deren Reste auf silbernen Tellern zu sehen waren, die niemand abgeräumt hatte. Die einst blütenweiße Tischdecke der Tafel war mit Bratenfett, rotem Wein, Blut und Schlimmerem befleckt. Answulf Waghold, Ratsherr der Stadt, lag schnarchend mit auf dem Tische ruhenden Kopf da, während Firunia Gneisdorp, ebenso Ratsfrau in Kaiserhain, mit einem anderen neuernannten Ratsherren in eine lebhafte Diskussion vertieft war, die eher der Herrin Rahja als der Herrin Hesinde Ehre gemacht hätte.

Landolf von Kallerberg lag mehr als das er saß auf dem Stuhl des Ratsmeisters, eine junge Frau mit einem leicht verzweifelten Gesichtsausdruck auf den Schoß gezogen und nestelte an ihrem Ausschnitt herum. Er war offenbar so betrunken, dass er kaum noch in der Lage schien, sich zu artikulieren und koordinierte Bewegungen auszuführen. Hinter ihm stand mit einem finsteren Gesicht Marbron, der Hauptmann der blutigen Sensen in seiner schwarzen Rüstung. Ihm misshagte der Kallerberger. Ein großes Maul und nichts darinnen. Ohne seine Söldner wäre nichts erreicht worden. Die angebliche Ablehnung unter den Bürgern der Stadt war gegen den Schallenberger niemals so groß gewesen, wie man es hatte weis machen wollen, oder durch Landolfs grausame Herrschaft gänzlich untergegangen. Wenn es nicht den Befehlen seines Meisters entgegengesprochen hätte, hätte er Landolf selbst festgesetzt und die Herrschaft übernommen. Aber mit Tharleon wollte er es sich lieber nicht verscherzen, auch wenn es kaum fraglich war, dass er Landolfs Vorgehen missbilligt hätte. Die Vernichtung des Schallenbergers stand zudem noch aus, nach dem letzten Scharmützel schien der Baron wie vom Erdboden verschwunden. dass er wohl zudem Verstärkung erhalten hatte, wie die aus Beteiligten, die aus dem letzten Gemetzel hatten fliehen können, ihm berichtet hatten. Vermutlich würde er sich bei Burg Aldengrund sammeln wollen, wo er noch einige Soldaten hatte, oder...

Von draußen klang Lärm herauf. Alarmiert trat Marbron ans Fenster und öffnete es, um auf die Straße zu sehen.

"Heda, Fenster zu, es zieht!", lallte Landolf, doch der Hauptmann beachtete ihn gar nicht. Aus den entfernteren Straßen drangen Waffengeklirr und die Schreie sterbender Sensen heran. Die Bürger hatten sich gegen ihre Besetzer erhoben? Gerade noch konnte er sehen, wie dunkel gewandete Personen unten im Rathaus eindrangen. Doch ein Gesicht erkannte er. Kampflärm wurde im Treppenhaus laut und Marbron zog seinen Streithammer, dessen Hammerseite wie ein schreiender Mantikorkopf und der Dorn schmal und scharf wie eine Sense geformt war. Zu Landolf tretend packte er diesen am Kragen und knurrte ihn an, der Frau nicht achtend, die sich eilig entfernt und in einer Ecke zusammenkauerte.

"Das ist alles eure Schuld, ihr mieser Versager. Jetzt holt euch der Luchs. Glaubt nicht, dass ich für euch sterben werde. Seht zu, wie ihr selbst aus dieser Sache herauskommt." Landolf hatte ihn verständnislos und mit weit aufgerissenen Augen angesehen, halb aus seinem Stuhl herausgezogen. Marbron ließ ihn los und Landolf plumpste wie ein Mehlsack zurück in seinen Sitz.

"Aber, was..."

Marbron aber hatte sich schon abgewandt und stürmte aus dem Saal gefolgt von den vier Saalwachen, denen er Handzeichen gegeben hatte, über eine Tür die dem Treppenhaus abgewandt war. Er ließ Kallerberg und seine Kumpane zurück. Diese Niederlage würde ihm Tharleon sicher nicht vergeben und er würde nur noch versuchen zu retten, was zu retten war und sich mit so vielen seiner Leute zurückziehen wie es möglich war.

Gerade als er hinaus war schlugen die Hauptportaltüren scheppernd rechts und links an die Wand. Ein in Schwarz gewandeter Söldner fiel rücklings durch das geöffnete Portal und hielt sich eine Bauchwunde, während ihm die eigene Waffe aus den Händen glitt, bevor er schreiend sein Leben aushauchte. Über die Leiche hinweg stieg Felan in den Saal, gefolgt von Yalinda von Streitzig und einer Hand voll seiner Gardisten. Der Kopf war unbehelmt, das vom Kampf mit Schrammen gezeichnete Gesicht war in tiefstem Zorn gerötet, als er mit einem kurzen Blick die Lage im Raum erfasste und seine Augen sich starr auf Landolf richteten. Von seinem Schwert tropfte Blut und bildete eine Pfütze auf dem Boden.

Firunia Gneisdorp war erschreckt aufgesprungen, Waghold hob ob des Lärms müde das Haupt, um sich umzusehen was denn los wäre. Landolf hingegen hatte sein eigenes Schwert gezogen, schlotterte und zitterte jedoch sich gegen seinen Stuhl lehnend unter dem blutrünstigen Blick Felans. Der Alkohol tat sein übriges ihm die Knie weich werden zu lassen.

"Landolf von Kallerberg, ich verhafte euch und eure verräterischen Freunde hiermit wegen schlimmster Verbrechen wider Götter, Krone und Reich. Lasst euer Schwert fallen oder gebt mir einen Grund euch hinzuschlachten, wie das Schwein, dass ihr seid, bei Praios und Rondra!", donnerte Felans Stimme durch den Raum, scheinbar mühsam von Yalinda zurückgehalten nicht seine eigenen Worte Lügen zu strafen, in dem er sich einfach auf Landolf stürzte, um ihn an Ort und Stelle zu strafen. Landolfs Fingern entglitten gewollt oder nicht gewollt die Waffe und über Felans Gesicht glitt ein kurzer Ausdruck des Bedauerns, bevor er einfach nur eine Handbewegungen machte und seine Gardisten hinter ihm in den Raum strömten und den vor Schrecken wortlosen Kallerberger packten, ebenso wie sie die freiwilligen Teilnehmer der Orgie zusammentrieben und festsetzen.

"Vater!" Eines der offensichtlich zu Liebesdiensten gezwungenen Mädchen stürzte an Felan vorbei und dem gerade in den Saal kommenden Weizschrot in die Arme. "Vater, oh Vater..." Mehr als diese Worte waren ihr nicht zu entlocken, als sie sich heftig schluchzend an die Brust des Mannes drückte, der Felan geholfen hatte. Er hatte seine Arme um seine Tochter geschlungen und streichelte ihren Schopf, während sie sich an seiner Brust ausweinte. Weizschrot hatte gekämpft. Er hatte sich ein Beil genommen und hatte gekämpft, wie nur Väter kämpfen, wenn ihre Familie in Gefahr war. Als er einmal den Kopf hob und in Felans Richtung blickte nickte dieser dem Mann zu und bedeutete ihm so, dass er es gesehen hatte. Er würde nicht vergessen, aber er würde vergeben und in diesem Fall Milde walten lassen, denn ein Adliger zu sein bedeutete sowohl in Härte wie auch in Gnade zu regieren. Sein Jähzorn war zunächst beruhigt, sein Rachedurst mit der Einkerkerung Landolfs versiegt. Es würde ein ordentliches Gericht geben. Ebenso wie die Bürger belohnt werden würden, die ihm auch weiterhin treu zur Seite gestanden hatten.

Mittlerweile hatte man ihm mitgeteilt, dass der Hauptmann der Sensen und ein guter Teil seiner Söldner geflohen waren, als deutlich schien, dass sie sich nicht würden halten können. Felan verbot die Verfolgung, denn zu leicht konnten sie in einen Hinterhalt geraten. Und zuviel musste jetzt noch geschehen. Die Ordnung würde wieder hergestellt und danach war immer noch Zeit sich um diese wie andere Probleme endgültig zu kümmern. Doch nun musste er ruhen. Er war so unsagbar müde.