Geschichten:Ausgehändigt

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Nahe der Festung Oberkreuth an einem stürmischen Efferdtag 1040 BF

„Warum setzt Ihr hier über?“, fragte der alte Mann den Adligen und seinen Begleiter, die mit ihm am Ufer warteten. Die Stelle war nicht so leicht einzusehen, was ganz im Sinne des Fährmannes lag, der tagsüber seinem Gewerbe als Flussschiffer nachging, nächtens hingegen zwischen dem garetischen und dem darpatischen Ufer des Flusses verkehrt, um Waren und Personen zu befördern, die ihre Geschäfte nicht unter Praios‘ Sonnenscheibe abwickeln wollen. Die Reichsvögtin von Darpatwacht hätte den Fährmann schlicht einen Schmuggler genannt oder einen Verbrecher, aber sie wusste nichts von dessen nächtlichem Betrieb und nichts von dieser geschützten Anlegestelle.

Die Angesprochenen sahen einander an, dann den Fragenden: „Wegen der guten Aussicht“, scherzte der Adlige, dessen Gesicht allerdings einen eher leidenden Ausdruck trug, der gar nicht nach einem Witzbold aussah. Der alte Mann betrachtete den Adligen genauer: Unter seinem Mantel war er sehr dünn, hager … und es fehlten ihm beide Arme!

Der Begleiter des Armlosen, ein ebenfalls nicht mehr junges Männlein, dem man ansah, das es seine Ärmelschoner eben erst ausgezogen hatte, hüstelte gekünstelt: „Das werden wir Euch wohl kaum sagen, oder? Ihr seid doch auch nicht hier, weil Ihr jedem erzählen wollt, was Euch so umtreibt, hm?“ Der alte Mann verzog das Gesicht, denn das Offensichtliche sollte nicht so dümmlich vorgetragen werden, wie er fand.

Endlich hörten die drei Wartenden das Plätschern der Ruder: Der flache Nachen des Fährmanns schob sich im Zwielicht der Dämmerung an den Gebüschen des Ufersaums vorbei zur Anlegestelle. Offensichtlich hatten bereits einige die Dienste des Schmugglers in Anspruch genommen, denn im Boot saßen neben den vier Ruderern drei Passagiere.

„Verbergt lieber Euer Gesicht“, wisperte das Männlein dem Adligen zu, krümmte seinen Buckel dabei aber in derartig übertriebener Verschwörergeste, dass dem alten Mann sogleich klar wurde, dass hier etwas Geheimnisvolles vorging und dass der Mann ohne Arme kein Unbekannter sein konnte. er räusperte sich, den Blick unverwandt au den näherkommenden Nachen gerichtet: „Seid Ihr vielleicht Lanzeslaus von Ruchin?“

Der Angesprochene nickte nach kurzem Zögern, während das Männlein erschrocken zusammenzuckte, als wäre es mit der Hand in der Zuckerdose ertappt worden. Es rief: „Woher wisst Ihr …?“

Ruchin lächelte beschwichtigend: „Es sind wohl meine unveränderlichen Kennzeichen, die einen Fingerzeig gegeben und mich verraten haben, Flötritzler. Geheimniskrämerei ist eben nur mit Hand und Fuß möglich, nicht ohne.“

„Es tut mir Leid“, erwiderte Flötritzler, „vielleicht sollten wir das Treffen lieber verschieben?“

„Ach was“, gab Ruchin zurück, „die da hätten mich sowieso erkannt. Seht Ihr es nicht: Eberhelm von Garnelsand ist dabei, der kennt mich gut genug aus Gareth.“

In der Tat winkte der geschniegelte Stadtritter bereits; sein Knappe war dabei sowie ein wohlbeleibter Mann in den Sechzigern. Als das Boot auf den Sand schmirgelte, sprangen zwei Ruderer heraus, Knappe und Garnelsand erhoben sich: „Seid gegrüßt, Ruchin, was für eine Überraschung! Kommt herein, hier ist noch ausreichend Platz für die Überfahrt!“ Leutselig streckte er Ruchin die Hand entgegen, besann sich aber sogleich und wies seinen Knappen an, Räuberleiter zu machen. Einwände des Schmugglers, der Nachen sei zu klein und die Strömung zu stark, verbat Garnelsand sich: „Dann bleibt Alrik eben hier mit dem Mann da und kommen mit der nächsten Fuhre mit!“ Der Alte verzog das Gesicht: „Hört mal, edler Herr, ich bin durchaus auch von Stand. Volper von Hirschenrode mein Name, und ich muss da jetzt ebenfalls einsteigen. Ich habe eine Verabredung um Mitternacht.“

„Jetzt nicht mehr, Hirschenrode“, beschied Garnelsand, der seinem älteren Begleiter zunickte und ihm ernst und für einen konzentrierten Moment in die Augen blickte. Hirschenrode gab klein bei und sah zu, wie auch Flötritzler einstieg, wie der Nachen ins Wasser geschoben, von der Strömung erfasst und von den Ruderern wieder auf Kurs gebracht wurde. Dann wand der Alte sich an den Aussteiger: „So ist das mit dem Alter, man wird immer hintangestellt.“

„Keineswegs“, lächelte Alrik von Königslinden maliziös, „Ihr kommt sogar vor den beiden an die Reihe.“ Ohne Widerstand glitt der Dolch in den Hals des Alten, der gurgelnd zu Boden sank.

An Bord des Bootes plauderten Garnelsand und Ruchin miteinander, während sich Flötritzler und Knappe Fanderich missmutig in die Augenstarrten.

„was für ein Zufall, dass wir zwei Garether uns hier auf dem Darpat treffen“, sagte Ruchin, als das Boot die Mitte des Flusses erreicht hatte.

„Von Zufall kann eigentlich keine Rede sein, Ruchin“, antwortete Garnelsand und gab seinem Knappen einen Wink. der packte Flötritzler und hielt ihn fest wie in einem Schraubstock.

„Was soll das? Erhebt Ihr die Hand gegen uns?“, entrüstete Ruchin sich.

„Ihr solltet diese Hand- und Armmetaphern lassen, Ruchin, sonst muss ich noch lachen.“ Er zig einen Dolch und ließ ihn im Dämmerlicht blinken.

„He, helft uns!“, rief Flötritzler verzweifelt, doch Ruderer und Fährmann reagierten nicht auf ihn. Sie schienen seine Anwesenheit gar nicht zu bemerken.

„Nein, sie werden euch nicht helfen“, zischte Garnelsand.

„Was wollt Ihr?“, gab sich Ruchin geschlagen.

„Alles, was Euer Schreiber über die Steine in Eslamsgrund geschrieben hat. Alles, was Ihr über die Stein der Ruchins wisst.“

„Wozu?“

Korgond, Ruchin, Korgond. Das werden wir uns nicht entgehen lassen.“ Garnelands Meine was eisern und kalt.

„Alles in meiner Tasche hier! Lasst uns gehen“, flehte Flötritzler. Der Knappe langte in die Ledertasche und zog einige Büchlein heraus. „Vollgeschrieben“, brummte er verächtlich.

„Gut“, Garnelsand grinste breit, „wir lassen euch gehen.“ Mit diesen Worten stieß er Ruchin heftig an, der das Gleichgewicht verlor und noch kurzem Taumeln über Bord ging. Flötritzler schrie vor Entsetzen, während Garnelsand höhnte: „Nicht vergessen: Eine Hand für dich und eine Hand fürs Boot!“ Als er sich dem Schreiber zuwandte, verstummte dieser.

„Gleiches Recht für alle, Schmierfink.“ Damit packte er den Schreiber und warf ihn über Bord, allerdings erst, nachdem er ein Seil um dessen Füße geschlungen hatte. Das Männlein wurde so hilflos durch die Strömung gezogen. Immer wenn es prustend und nach Luft schnappend an die Oberfläche kam, lachten Garnelsand und sein Knappe: „Da zappelt er wie an der Angel!“ Als er nicht mehr zappelte, schnitten sie ihn ab.

Es war alles gut gelaufen.