Geschichten:Abgründe - Knack!

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
The printable version is no longer supported and may have rendering errors. Please update your browser bookmarks and please use the default browser print function instead.

Ritterherrschaft Ostbrisken am Fuße des Wachturms Hohenbrisken am 9.Travia 1042BF

„Erste Aufgabe: Steine schleppen. Davon stand aber nichts in deinem Brief Herr von und zu!“ Carl hatte eine amüsierte Miene aufgesetzt und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Mit der Hilfe der beiden neuen Gruppenmitglieder ging die Räumungsaktion am gestrigen Nachmittag und am heutigen Vormittag äußerst gut voran. Carl packte tüchtig mit an, während Magnus hier und da kurz verweilte um entweder einen kritischen Blick in Richtung Brache zu werfen oder im Keller nach Anhaltspunkten zu forschen, was die Steine noch für sie bereithalten könnten.

„Das ist ja nur der Anfang Carl. Pass auf, ich verspreche dir, du wirst schon bald Schädel einschlagen dürfen! …wenn du Glück hast, gibt es auch irgendwo ein beschädigte Wagenachse die du neu schmieden darfst... oder Nägel… wir haben auch jede Menge Bedarf an Nägeln in näherer Zukunft. Der Spaß wird kein Ende nehmen Carl, verlass dich drauf!“ Hane ließ den Mann lachend stehen und schleppte einige Steine die Treppe hinauf um sie an Tello weiterzugeben. Draußen kümmerte sich Rico darum die Steinberge zu sortieren und passende Steine herauszusuchen, aus denen er einen Bäckerofen würde mauern können.

„Vorsicht jetzt Carl, da oben ragen wieder die Enden von Gitterstäben in die Decke. Und da hinten auch. Wenn du mich fragst, haben wir noch zwei weitere Käfige hier unten.“ Magnus‘ Miene beäugte misstrauisch die Decke und deutete auf die zwei halb hinter Steinen verborgenen Stellen an denen die Gitterstäbe in die Deckenkonstruktion eingelassen waren.

„Magnus, auf deine Augen ist wie immer Verlass. Jetzt gib mir mal den Hammer, ich hab meine Ronja lieber bei mir wenn wir diesen nächsten Käfig ausgraben… Falls das nächste Skelett sich rührt, dann gibt’s ein Rauschen und ein Knacken und dann kann Hane Knochensplitter untersuchen. Da scheiß ich drauf zu welchem Tier die Knochen gehören – wenn sich die Dinger bewegen, lass ich Ronja einige Verse drüber dichten.“ Carl spannte seine Muskeln an und machte ein paar Probeschwünge mit dem riesigen Kriegshammer. Anschließend wischte er liebevoll mit dem Finger ein wenig Steinstaub vom Hammerkopf, bevor er die Waffe an die Wand lehnte und sich wieder dem Schüttwerk zuwandte.

„Carl, hast du es dir mit den Steinen schon nach so kurzer Zeit verscherzt, dass du Ronja Freilauf gönnst?“ Hane war gerade die Treppe heruntergekommen und nahm nun ebenfalls die Enden der Gitterstäbe wahr, auf die Magnus deutete.

„In der Liebe braucht man seinen Freiraum Hane – weißt du doch, oder?! Diese Freiheit gönne ich Ronja von ganzem Herzen!“, erwiderte Carl begleitet von schallendem Gelächter.

Gemeinsam legten sie den dritten Käfig des Kellergewölbes zügig frei. Die Menge der Steine hier im Keller war merklich geschrumpft, sodass nun womöglich noch der fünfte Teil des Bodens mit Steinen bedeckt war. Vorsichtig schafften sie alsbald die Steine aus dem Innenraum der Zelle hinaus, immer Acht darauf gebend Knochenteile oder andere Fundstücke nicht zu beschädigen. Doch Knochen fanden sich in diesem Käfig nicht…

„Was ist das denn? Sagt mir bitte, ihr beiden Herren der Wildnis, hochgeschätzte Tierflüsterer, dass das nicht das Ei ist nach dem es aussieht…“ Carl starrte ungläubig auf das eiförmige Etwas im Inneren des Käfigs. Es mochte etwas länger als der Unterarm des Hünen sein und hatte die typisch ovale Form eines Vogeleis. Von allen Farben des Regenbogens gesprenkelt, wirkte das Ei wahrlich wie eine Ode an die Junge Göttin. Doch daran wollte Hane nicht so recht glauben…

„Ich habe mal ein Ei von einem aranischen Rennvogel gesehen – Strauß nennen sie den. Irgendein exotischer Händler in Grambusch hat das Teil als Delikatesse für einen unverschämten Preis angeboten. Damals habe ich das Ding für riesig gehalten, weil mein Vater mit seiner großen Hand nicht einmal die Hälfte des Eis umfassen konnte. Jetzt schaut euch das hier an… Wie groß soll das Tier sein, was aus diesem Ei schlüpft?... geschweige denn ein solches Ei legt… Und guck dir die Färbung an… wenn wir nicht in Sichtweite der verdammten Dämonenbrache wären, würde ich das Ding zum nächsten Tsa-Tempel bringen und hoffentlich die Belohnung für den Fund eines Tempelschatzes bekommen…“ Hane runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf und schritt soweit wie möglich um den freigelegten Käfig herum um das vermeintliche Ei von allen Seiten zu betrachten.

„Vielleicht ist in dem letzten Käfig ja das Skelett von dem Tier das dieses Ungetüm von einem Ei gelegt hat…“, merkte Magnus an. Der Jäger zeigte sich nicht sonderlich beeindruckt von der Artenvielfalt der Tiere hier im südlichen Teil des Brachenlandes.

Auch die weiteren Gefährten wurden in den Keller geführt um den neuesten Fund im unterirdischen Gewölbe zu präsentieren. Staunen, Angst und Neugierde wechselten sich unzählige Male ab. Auch die Schichten wurden anschließend getauscht. Tello und Carl verblieben im Keller, Hane und Magnus gingen nach oben um die Steine zu Rico weiterzureichen, der sie den richtigen Haufen zuordnete. Zufrieden sah Hane die Größe der aufgetürmten Steinmassen. So wurden weitere Steine nach oben durchgegeben und der Keller leerte sich endlich merklich. Draußen wehte ein kühler Wind, der nur ab und an von einer warm-feuchten Brise aus der Brache unterbrochen wurde. Dazu setzte ein beständiger Nieselregen ein, der langsam aber sicher die Kleidung durchweichen ließ. Es bildete ein sich immer wiederholender Trott… Stein aufnehmen… Stein schleppen… Stein ablegen… Durchatmen…und von vorn… wieder… und… wieder…

„Ich schwöre, ich hab nichts gemacht!!“, drang plötzlich Tellos aufgeregte Stimme durch den Trott.

„Ich hab doch gar nichts gesagt Junge, du hörst schon Stimmen!“, entgegnete Carl mürrisch, während er einen kopfgroßen Brocken hochstemmte.

Hane kam die Treppe hinunter um nachzusehen was genau Tello nicht gemacht hatte. „Was ist los, Tello? Du hast jede Menge gemacht – hast du den Stapel Steine draußen gesehen? Da hast du nen ziemlich fetten Anteil dran – genau wie an dem Duft hier unten übrigens! Wenn die Steine weg sind, wird erstmal gelüftet.“ Tello wollte nicht so recht anspringen auf die Neckereien.

„Die Risse in dem Ei! Ich schwöre bei allen Zwölfen, ich war nicht mal in der Nähe! Ich habe das Ei nicht mal angesehen… also… bis ich es angesehen habe und die Risse gesehen habe halt… Du weißt schon was ich meine, Hane. Ich schwörs!“, stammelte Tello etwas unbeholfen.

„Jetzt beruhige dich erstmal Tello. Ich glaube dir, dass du nichts an dem Ei gemacht hast. Du hast den Riss gerade eben erst bemerkt?“, fragte Hane mit betont ruhiger Stimme um dem jungen Bäcker die Aufregung zu nehmen.

„Ja, ich hab etwas knacken gehört. Dachte erst, einer der Steine sei gerollt oder so… Aber das hätte auch anders geklungen… Das Geräusch kenn ich ja nun in und auswendig… Und dann hab ich geguckt und das da gesehen. Siehst du den Riss im oberen Teil von diesem Monster-Ei?“

„Ja, ich sehe ihn. Ein kleiner Riss…“ Hane blickte kritisch auf das in allen Regenbogenfarben gesprenkelte Ei. Anschließend suchte er langsam den Augenkontakt zu all seinen Kameraden, die sich, angelockt von den lauten Rufen Tellos, mittlerweile im Kellergewölbe versammelt hatten und gebannt auf das Ei starrten, als würde es jeden Moment in Flammen aufgehen. „Folgendes werden wir tun. Carl, du kennst dich mit Stahl aus. Guck bitte ob die Stangen alle in Ordnung sind und ob sie in der Zelle halten können was aus diesem Ei schlüpfen könnte… Nah genug beieinander sollten sie sein, denke ich… Dieser Stein hier drüben… und dieser Stein hier… und dieser dort… niemand betritt den von diesen Steinen eingeschlossenen Bereich rund um den Käfig. Ich möchte gern wissen, ob das Ei diesen Riss von selbst bekommen hat, oder ob irgendetwas geschehen ist, was ihm den Riss von außen zugefügt hat… Trotzdem müssen wir mit der Kellerräumung fertig werden. Daher möchte ich, dass wir alle äußerst vorsichtig sind und unsere Sinne schärfen, damit wir mitbekommen, was um uns herum passiert. Lasst uns nun mit den Steinen weitermachen, für das Ei können wir gerade nichts mehr tun… Und wir wollen doch alle sehen was in dem letzten Käfig ist, oder?“

„…und vor allem wollen wir ja bald mal fertig werden mit der elenden Schlepperei!“, fügte Carl etwas mürrisch hinzu.

„Ach komm schon Carl, Du schleppst erst seit gestern… Stell dich mal nicht so an! Endlich hast du eine Chance wieder in Form zu kommen…“, setzte Hane direkt nach.

„…in Form zu kommen? Ich geb dir gleich mal ne Kostprobe von meiner Form, Herr von und zu!“, donnerte Carl feixend zurück. Dabei schwang er seine flache Hand drohend durch die Luft als würde er ein unartiges Kind übers Knie legen…

Das laute Lachen der Kameraden erfüllte den Raum und hallte von den kalten Steinwänden wider. Das leise, zögerliche Knacken, das von dem Ei ausging, vernahmen sie über das Gelächter hinweg genauso wenig wie das tiefe Grollen von Bellrik II. …