Geschichten:Krieger des Wassers - Staub der Erkenntnis

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Bei Nesselingen, Ende Phex 1043 BF

Bleischwer drückte eben noch das Gewicht der ganzen Welt auf Helmbrecht und ließ ihm schwarz vor Augen werden. Mit rasselnder Lunge rang er gurgelnd um Atem, während ihm das Blut in Stößen aus dem Mundwinkel rann. Doch von einem Moment auf den anderen wich der Druck. Leicht, leichter als eine Feder fühlte sich Helmbrecht vom Wind gepackt und in die Luft gehoben. Verwundert sah er nun auf sich selbst herab und wie der blutige Strom aus seinem Mundwinkel versiegte, während sein bleiches Gegenüber ihn mit starren Augen zu mustern schien. Das Kampfgetümmel um ihn her war verebbt und sonderbar unbeteiligt bemerkte er, dass die Schlunder Angreifer die Oberhand behalten und das Treffen für sich entschieden hatten. Nun verfolgten sie die sich zurückziehenden Hartsteener, doch dies alles schien ihm nunmehr nichts mehr als gleichgültig.

Höher und höher zog ihn der Hauch, fort von der Walstatt, und wirbelte ihn einem Staubkorn gleich durch die sonnendurchflutete Luft, wobei alles um ihn herum immer klarer und durchscheinender zu werden schien, bis sich die Konturen der Welt mehr und mehr vor ihm auflösten und in ein schillerndes Farbenmeer überging, das sich immer weiter verdichtete und schließlich nur noch helles weißes Licht übrig ließ, in das er tauchte. Während Helmbrecht so schwebte, fragte er sich, was das hier mit dem zu tun haben sollte, was die Priester gelehrt hatten und erzählten. Wo war der Seelenrabe? Die große Waage? Borons Reich? Die Zwölfgöttlichen Paradiese?

Jäh spannte sich eine pechschwarze Barriere vor ihm auf, die sich von Unendlichkeit zu Unendlichkeit zu ziehen schien. Doch noch immer hob ihn jener Hauch unablässig weiter, die Schwärze zog sich langsam zusammen und Helmbrecht erkannte Weiß jenseits der Dunkelheit, je weiter er stieg. Und dahinter wieder einen schwarzen Streifen, nicht gerade, sondern gebogen in einer irgendwie vertrauten markanten Form. Je weiter er driftete, desto deutlicher erkannte er weitere schwarze unregelmäßige Muster in dem weißen Meer, deren einzelne Elemente sich mehr oder weniger häufig zu wiederholen schienen. Und mit einem Mal traf ihn die Erkenntnis: Waren das vielleicht Buchstaben? Riesige Schrift auf einem riesigen Bogen Pergament? Eine ungeahnte Neugier ergriff Helmbrecht, als er jenseits der weißen See noch andere Formen und Farben erspähte.

Er sah sich in einem Raum, durch geradezu riesige Fensterscheiben mit Licht geflutet. Eine Unmenge an Büchern füllte die Regale an den Wänden und stapelte sich selbst auf den Fensterbänken. Auf einem Schreibtisch lagen noch mehr Papiere und Schreibgerät wild durcheinander. An diesem Tisch saß ein schmächtiges bärtiges Männlein in seltsamer Kleidung auf einem abgewetzten Polsterstuhl und trommelte mit seinen Fingern unrhythmisch auf ein metallisch schimmerndes Brett, während er auf eine von innen her leuchtende Kiste vor sich starrte. Draußen jenseits der Fenster erstreckte sich das Panorama einer Helmbrecht unbekannten Stadt. Gleich drei Brücken überspannten elegant einen breiten Strom und über den roten Ziegeldächern der steinernen Häuser erhoben sich auf einem Bergsporn die mächtigen Mauern einer prächtigen Burg, gekrönt von einem Paar gen Himmel strebender eleganter Türme.

Helmbrechts Aufmerksamkeit wurde zurück auf das Geschehen in dem Zimmer gelenkt, als dessen einzige Tür sich öffnete und ein kleines blondhaariges Mädchen in einer purpurnen Hose hereingestürmt kam.

„Papa, komm endlich, du hattest doch versprochen, mir noch etwas vorzulesen", forderte die Kleine ohne Zögern.

Der Mann drehte sich langsam um und nickte. „Stimmt.“

„Ich will die Eiskönigin!“, verkündete sie und hielt dem Mann einen farbigen dünnen Band entgegen.

„Nee du, die hab ich dir schon so oft vorgelesen“, wehrte der ab.

„Ich will aber!“

„Pass auf. Ich hab hier noch eine andere Geschichte. Sie heißt ‚Nazmeya und der Ritter des Wassers’.“

„Pff. Wer ist denn das? Kann die zaubern?“, fragte die Kleine ein wenig unsicher.

„Oh, Nazmeya ist das schönste Mädchen von ganz Thalusa. Und zaubern kann sie irgendwie schon, nur halt keine Eisblitze. Aber sie erlebt ein großes Abenteuer und das ist mindestens genauso spannend wie die Eiskönigin. Sie hat zwei Brüder und eine kleine Schwester namens Yaira. Und einmal rettet sie sogar einen echten Ritter....“

Und Helmbrecht - verstand. Hatte der verrückte Reichsrichter am Ende tatsächlich Recht gehabt?



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25. Phe 1043 BF spät am Morgen
Staub der Erkenntnis
Das Versprechen


Kapitel 7

Autor: Steinfelde