Geschichten:Aidaloê - Teil 18

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[ Im Stadthaus Angarad ]


Es war dunkel geworden, die Nacht lag drückend über dem Lande Ferinstein. Die Tore der Ortschaft waren geschlossen, die zwar vorhandene, aber wenig starke Stadtmauer war auf Befehl Ritter Ailgrimms bemannt worden. Man wollte nicht noch einmal überrascht werden.

Draußen vor den Mauern in einigen hundert Schritt Entfernung hatten die Maarblick in aller Hast etliche Gräber ausgehoben, in die sie die Leichen der Söldner gelegt hatten. Dieser Anger war von seiner Hochwürden Lorderin Halburg eingesegnet worden durch den Segen Borons, des Herrn des Totenreiches. Die Leichen der gefallenen Maarblicker waren aufgebahrt worden im Perainetempel und sollten am nächsten Tage in einer feierlichen Zeremonie auf dem traditionellen Boronanger beigesetzt werden. Traviadane sah aus dem Fenster des kleinen Stadtpalais.

Dunkel war es nicht nur draußen auf dem lande, sondern auch in der Stadt selber – die Menschen hatten sich hinter ihre mit Vorhängen und Läden geschlossenen Fenster zurückgezogen und begingen den Sieg über die Vorhut der dunklen Horden in aller Stille ihrer eigenen Familie. Auch die Nordmärkerin saß im Salon zusammen mit Greifmar und Ailgrimm, die ihr in dieser Nacht Gesellschaft leisteten.

Während die Alt-Junkerin ihren Blick über Maarblick gleiten ließ, murmelte sie unvermittelt und scheinbar ohne jemanden anzusprechen etwas vor sich hin. Greifmar hob den Kopf und nahm so die Aufmerksamkeit von seinem Buch: „Bitte, Tante? Hast du etwas gesagt?“ fragte er sorgenvoll.

Die alte Frau wandte sich um und sah die beiden Männer einen Moment lang an. Dann raffte sie ihr dunkles Gewand und mit rauschender Schleppe begab sie sich zu dem schweren Ohrensessel an der Wand.

„Wir leben in dunklen Zeiten, meine Lieben“, begann sie mit einer merkwürdigen Erklärung, die weder Greifmar noch Ailgrimm verstanden.

Sie griff mit den alten Händen an den Saum ihres Schleiers und warf ihn zurück auf die Schultern, wodurch sie ihre immer noch vollen silbergrauen Haare entblößte, die ordentlich geflochten und zu einem Kranz auf dem Haupt zusammengelegt worden waren.

„Das Gorsinger Haus hat eine lange Tradition, stets lebten hier die Junker von Ferinstein und es hielt sogar den Orks stand. Doch die Zeiten ändern sich und die Feinde auch – Gareth ist gefallen. Vielleicht ist es an der Zeit, das Gorsinger Haus – so sehr mein verstorbener Gemahl Reto und mein Sohn Carolan es auch liebten – zu verlassen und dauerhaft hierher in das Haus Angarad zu ziehen?“ fragte sie die beiden Adligen, die im Raume saßen.

Greifmar war verwundert. Solche Reden hätte er von seiner Tante nicht erwartet. „Und das Gorsinger Haus?“

Traviadane richtete wieder den Blick aus dem Fenster, doch sie betrachtete nicht etwas dort draußen, sondern starrte einfach. „Wir werden es hegen und pflegen und wenn die Zeiten wieder sicher sind, dann gehen wir dorthin zurück. Doch jedesmal, wenn ein Feind naht, alle Personen, alles Hab und Gut erst nach Maarblick bringen, ist zu aufwändig und kostet zu viel Zeit.“

Langsam drehte sie das Haupt und im Licht der flackernden Kerze wurde nur zu deutlich ihre scharfe rothammer'sche Hakennase betont, die so sehr das Gesicht der Greisin auszeichnete.

„Wir leben nicht auf einer sicheren und starken Burg wie das Baronsgeschlecht. Ich halte es für richtig und ich werde es Aidaloê nahelegen.“

Greifmar verstand – es war allein Aidaloês Entscheidung. Sie war die Herrin des Gutes, die Herrin Maarblicks und auch die Herrin des Gorsinger Hauses. Doch Greifmar wusste auch, dass sich für Maarblick noch einiges ändern würde. Denn die Junker hatten der Ortschaft viele Freiheiten gewährt – lebten sie doch außerhalb der Ortschaft mitten im Felde. Doch nun würde Aidaloê sicherlich die Verwaltung und Gerichtsbarkeit Maarblicks direkt an sich ziehen – und der Schultheiß oder Ratsherr würde zu einem Berater abgewertet werden. Würden die Maarblicker dies mit sich machen lassen?


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