Benutzer:Robert O./Briefspiel: Unterschied zwischen den Versionen

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Gramhild (D | B)
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Einige Stunden später, es war bereits Nacht geworden, saß [[Hauptdarsteller ist::Greifenfurt:Wulfhart von Keilholtz|Wulfhart]] mit einem Humpen Zwergenbräu vor sich bei seinem Sohn [[Hauptdarsteller ist::Greifenfurt:Ardo von Keilholtz|Ardo]] im Kaminzimmer. Eine Zeit lang unterhielten sie sich über die neuen Geschäftskontakte nach [[Garetien:Königlich Neerbusch|Neerbusch]] die Ardo auf seiner Reise dorthin geknüpft hatte und beschlossen, dass Wulfhart zu dem bald anstehenden Fest nach [[Garetien:Baronie Bärenau|Bärenau]] reisen sollte. Die lange umstrittene Baronin [[Garetien:Iralda von Ochs|Iralda]] war vom neuen Grafen von Hartsteen endlich offiziell bestätigt worden und wollte dies mit einer Tjost feierlich begehen. Da man freundschaftliche und verwandtschaftliche Beziehungen zum Bärenauer Adel pflegte sollte ein Keilholtz bei den Feierlichkeiten nicht fehlen und Wulfhart bekam als Familienoberhaupt diese Ehre zugesprochen. Als der junge Baron alles besprochen hatte was ihm wichtig erschienen war, kam man endlich auf die Reise gen Wandtleth und zurück zu sprechen.
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Einige Stunden später, es war bereits Nacht geworden, saß [[Hauptdarsteller ist::Greifenfurt:Wulfhart von Keilholtz|Wulfhart]] mit einem Humpen Zwergenbräu vor sich bei seinem Sohn [[Hauptdarsteller ist::Greifenfurt:Ardo von Keilholtz|Ardo]] im Kaminzimmer. Eine Zeit lang unterhielten sie sich über die neuen Geschäftskontakte nach [[Garetien:Königlich Neerbusch|Neerbusch]], die Ardo auf seiner Reise dorthin geknüpft hatte, und beschlossen, dass Wulfhart zu dem bald anstehenden Fest nach [[Garetien:Baronie Bärenau|Bärenau]] reisen sollte. Die lange umstrittene Baronin [[Garetien:Iralda von Ochs|Iralda]] war vom neuen Grafen von Hartsteen endlich offiziell bestätigt worden und wollte dies mit einer Tjost feierlich begehen. Da man freundschaftliche und verwandtschaftliche Beziehungen zum Bärenauer Adel pflegte, sollte ein Keilholtz bei den Feierlichkeiten nicht fehlen und Wulfhart bekam als Familienoberhaupt diese Ehre zugesprochen. Als der junge Baron alles besprochen hatte, was ihm wichtig erschienen war, kam man endlich auf die Reise gen Wandtleth und zurück zu sprechen.
  
 
"Hattet ihr auf dem Weg irgendwo Schwierigkeiten", begann Ardo zu fragen. "Ich sah deinen Knappen mit einem Verband am Kopf herumlaufen."
 
"Hattet ihr auf dem Weg irgendwo Schwierigkeiten", begann Ardo zu fragen. "Ich sah deinen Knappen mit einem Verband am Kopf herumlaufen."
  
"Nur ein paar Wegelagerer am Rande des Reichsforstes." Wulfhart winkte ab als wäre die Sache eigentlich nicht erwähnenswert. "Zwei von ihnen hängen jetzt an den Bäumen, die anderen gaben Fersengeld. Außer ein paar Schrammen bei Leuthardt und mir ist uns nichts passiert. [[Greifenfurt:Igor Wasjeff|Magister Wasjeff]] hat sich bereits alles besehen und gemeint es gäbe für ihn nichts mehr zu tun. Ich habe veranlasst, dass dein Majordomus [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Rahjamunde Praioslieb von Schroffenstein-Grünfels|Rahjamunde]] der beste Gästezimmer zur Verfügung stellt, ich hoffe das ist in deinem Sinne. Bis sie ihren neuen Lehrmeister hat sollte sie hier auf der Burg Travias gastrecht genießen."
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"Nur ein paar Wegelagerer am Rande des Reichsforstes." Wulfhart winkte ab, als wäre die Sache eigentlich nicht erwähnenswert. "Zwei von ihnen hängen jetzt an den Bäumen, die anderen gaben Fersengeld. Außer ein paar Schrammen bei Leuthardt und mir ist uns nichts passiert. [[Greifenfurt:Igor Wasjeff|Magister Wasjeff]] hat sich bereits alles besehen und gemeint, es gäbe für ihn nichts mehr zu tun. Ich habe veranlasst, dass dein Majordomus [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Rahjamunde Praioslieb von Schroffenstein-Grünfels|Rahjamunde]] das beste Gästezimmer zur Verfügung stellt, ich hoffe das ist in deinem Sinne. Bis sie ihren neuen Lehrmeister hat, sollte sie hier auf der Burg Travias Gastrecht genießen."
  
"Da hast du Recht getan Vater und ich entschuldige mich, dass ich mich nicht persönlich darum gekümmert habe. Immerhin ist dies hier mein Heim und ich hätte sie längst willkommen heißen müssen. Leider schien sie von der Reise doch etwas mitgenommen zu sein und ließ sich für heute Abend entschuldigen. Aber [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Praiadne Leuinherz Keilholtz|Praiadne]] hat nach ihr gesehen und sich erkundigt ob es ihr an nichts mangelt." Der Baron machte eine Pause und trank einen Schluck bevor er weitersprach. "Aber ich habe in der Zwischenzeit einen Lehrmeister gefunden der gewillt ist die junge Dame zu unterrichten. [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Durac, Sohn des Dugramm|Durac]] selbst hat sich bereit erklärt! Er meinte er schulde den Kressenburger Baronen noch ein paar Gefallen dafür, dass sein Freund [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Ulfried von Kressenburg|Ulfried]] ihm damals erlaubte seine ganze Sippe hierher zu bringen und sie dadurch zu Wohlstand gekommen seien. Außerdem spürt er die Last des Alters und will keinen zwergischen Lehrling mehr nehmen. Angroschs Feuer scheint dieser Tage schwächer in ihm zu brennen."
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"Da hast du Recht getan, Vater, und ich entschuldige mich, dass ich mich nicht persönlich darum gekümmert habe. Immerhin ist dies hier mein Heim und ich hätte sie längst willkommen heißen müssen. Leider schien sie von der Reise doch etwas mitgenommen zu sein und ließ sich für heute Abend entschuldigen. Aber [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Praiadne Leuinherz Keilholtz|Praiadne]] hat nach ihr gesehen und sich erkundigt, ob es ihr an nichts mangelt." Der Baron machte eine Pause und trank einen Schluck, bevor er weitersprach. "Aber ich habe in der Zwischenzeit einen Lehrmeister gefunden, der gewillt ist, die junge Dame zu unterrichten. [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Durac, Sohn des Dugramm|Durac]] selbst hat sich bereit erklärt! Er meinte, er schulde den Kressenburger Baronen noch ein paar Gefallen dafür, dass sein Freund [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Ulfried von Kressenburg|Ulfried]] ihm damals erlaubte, seine ganze Sippe hierher zu bringen und sie dadurch zu Wohlstand gekommen seien. Außerdem spürt er die Last des Alters und will keinen zwergischen Lehrling mehr nehmen. Angroschs Feuer scheint dieser Tage schwächer in ihm zu brennen."
  
 
"So sehr mich sein Angebot freut, so betrübt es mich doch zu hören, dass die Last des Alters über ihn kommt." Wulfhart hob den Krug zu Durac's Ehren und nahm einen langen Zug. "Er hat Kressenburg viel gegeben und hätte dir noch eine wichtige Stütze sein können."
 
"So sehr mich sein Angebot freut, so betrübt es mich doch zu hören, dass die Last des Alters über ihn kommt." Wulfhart hob den Krug zu Durac's Ehren und nahm einen langen Zug. "Er hat Kressenburg viel gegeben und hätte dir noch eine wichtige Stütze sein können."
  
"Nun ja, noch ist er ja nicht zum Stein gegangen und wenn er sich noch nicht zu alt dafür fühlt einen Lehrling zu nehmen, dann wird er uns wahrscheinlich trotzdem beide überleben. Doch erzähl einmal von der jungen Dame. Wird sie Meister Duracs Anforderungen überhaupt gerecht werden?"
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"Nun ja, noch ist er ja nicht zum Stein gegangen und wenn er sich noch nicht zu alt dafür fühlt, einen Lehrling zu nehmen, dann wird er uns wahrscheinlich trotzdem beide überleben. Doch erzähl einmal von der jungen Dame. Wird sie Meister Duracs Anforderungen überhaupt gerecht werden?"
  
 
"Ohne Frage", antwortete Wulfhart mit dem Brustton der Überzeugung. "Ich habe das Werkstück gesehen, das sie zum Abschluss ihrer Lehre in Wandtleth angefertigt hat und das hätte jedem Gesellen der Angroschim gut zu Gesicht gestanden."
 
"Ohne Frage", antwortete Wulfhart mit dem Brustton der Überzeugung. "Ich habe das Werkstück gesehen, das sie zum Abschluss ihrer Lehre in Wandtleth angefertigt hat und das hätte jedem Gesellen der Angroschim gut zu Gesicht gestanden."
  
Ardo pfiff leise anerkennend durch die Zähne. "Wenn sie wirklich so gut ist dann ist es fast schade, dass sie Kressenburg eines Tages verlassen wird um Dreihügeln zu verwalten."
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Ardo pfiff leise anerkennend durch die Zähne. "Wenn sie wirklich so gut ist, dann ist es fast schade, dass sie Kressenburg eines Tages verlassen wird, um Dreihügeln zu verwalten."
  
"Bis dahin fließt aber noch viel Wasser die Ange herunter." Wulfhart dachte kurz nach und fand dann, dass es an der Zeit war seinem Sohn die eigentlich wichtige Neuigkeit näherzubringen. "Weißt du Junge, ich habe mich gefragt, ob wir ihr nicht in einem der Gesindehäuser auf der Burg eine Werkstatt für Rahjamunde einrichten könnten."
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"Bis dahin fließt aber noch viel Wasser die Ange herunter." Wulfhart dachte kurz nach und fand dann, dass es an der Zeit war, seinem Sohn die eigentlich wichtige Neuigkeit näherzubringen. "Weißt du Junge, ich habe mich gefragt, ob wir nicht in einem der Gesindehäuser auf der Burg eine Werkstatt für Rahjamunde einrichten könnten."
  
 
"Warum das?" Ardo blickte seinen Vater völlig verständnislos an. "Durac wird sicherlich darauf bestehen, dass sie ihre Ausbildung an seiner Esse erhält."
 
"Warum das?" Ardo blickte seinen Vater völlig verständnislos an. "Durac wird sicherlich darauf bestehen, dass sie ihre Ausbildung an seiner Esse erhält."
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"Natürlich wär es das. Aber [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Edelgunde Gramhild von Schroffenstein|ihre Mutter]] hatte nichts davon geschrieben, dass die junge Dame bereits unter der Haube ist und ihren Ehemann mitbringt." Der Baron war ein klein wenig erbost über diese unerwartete Überraschung. Platz war auf der Kressenburg sicherlich genug, aber er ließ sich ungerne überraschen.
 
"Natürlich wär es das. Aber [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Edelgunde Gramhild von Schroffenstein|ihre Mutter]] hatte nichts davon geschrieben, dass die junge Dame bereits unter der Haube ist und ihren Ehemann mitbringt." Der Baron war ein klein wenig erbost über diese unerwartete Überraschung. Platz war auf der Kressenburg sicherlich genug, aber er ließ sich ungerne überraschen.
  
"Das konnte die ehrenwerte Junkerin auch gar nicht wissen mein Junge. Denn Rahjamunde ist erst seit kurzem verlobt und konnte es ihrer Frau Mutter somit schlechterdings schon mitteilen."
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"Das konnte die ehrenwerte Junkerin auch gar nicht wissen, mein Junge. Denn Rahjamunde ist erst seit kurzem verlobt und konnte es ihrer Frau Mutter somit schlechterdings schon mitteilen."
  
"So? Seit wann denn? Und wer ist der Glückliche? Praiadne meinte die junge Dame sei gebildet und durchaus hübsch anzuschauen." Im Geheimen befürchtete er, dass die junge Maid auf der Reise dem Charme eines dahergelaufenen Stallburschen erlegen sei. Wie sollte er das bloß der Junkerin erklären, der er versprochen hatte ihre Tochter unbeschadet nach Greifenfurt zu bringen?
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"So? Seit wann denn? Und wer ist der Glückliche? Praiadne meinte, die junge Dame sei gebildet und durchaus hübsch anzuschauen." Im Geheimen befürchtete er, dass die junge Maid auf der Reise dem Charme eines dahergelaufenen Stallburschen erlegen sei. Wie sollte er das bloß der Junkerin erklären, der er versprochen hatte, ihre Tochter unbeschadet nach Greifenfurt zu bringen?
  
"Das Versprechen gab sie heute in etwa um die Mittagsstunde und der Glückliche bin in diesem Fall ich." Fast genüsslich sah Wulfhart zu, wie seinem Sohn die Gesichtszüge entglitten. "Schau mich nicht so an. Auch ein Schlachtross wie ich darf doch wohl auf seine alten Tage noch einmal Freude am Leben erfahren."
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"Das Versprechen gab sie heute etwa um die Mittagsstunde und der Glückliche bin in diesem Fall ich." Fast genüsslich sah Wulfhart zu, wie seinem Sohn die Gesichtszüge entglitten. "Schau mich nicht so an. Auch ein Schlachtross wie ich darf doch wohl auf seine alten Tage noch einmal Freude am Leben erfahren."
  
"Ja, natürlich. Ich hatte nur nicht gedacht, dass..." Ardo fehlten schlicht die Worte und so trank er hilflos ein paar Schlucke um das gehörte zu verdauen.
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"Ja, natürlich. Ich hatte nur nicht gedacht, dass..." Ardo fehlten schlicht die Worte und so trank er hilflos ein paar Schlucke, um das Gehörte zu verdauen.
  
"Du dachtest", vollendete der ältere Ritter den Satz für ihn, "dass ich den Rest meines Lebens deiner [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Holdwiep von Gugelforst|seligen Mutter]] hinterhertrauern werde, bis ich mich schließlich eines lieben Tages in den Speer eines dahergelaufenen Orks werfe um endlich an ihrer Seite in Alveran zu weilen?"
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"Du dachtest", vollendete der ältere Ritter den Satz für ihn, "dass ich den Rest meines Lebens deiner [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Holdwiep von Gugelforst|seligen Mutter]] hinterhertrauern werde, bis ich mich schließlich eines lieben Tages in den Speer eines dahergelaufenen Orks werfe, um endlich an ihrer Seite in Alveran zu weilen?"
  
"Nun, ja..., so etwas in der Art habe ich immer befürchtet." Beschämt schlug der Jüngere die Augen nieder. "Mutters Tod jährt sich im Winter zum zwölften Mal und die schienst als die Jahre nicht gewillt das Leben auf Dere ohne sie als sinnvoll zu erachten. Verzeih mir bitte, dass ich so über dich dachte."
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"Nun, ja..., so etwas in der Art habe ich immer befürchtet." Beschämt schlug der Jüngere die Augen nieder. "Mutters Tod jährt sich im Winter zum zwölften Mal und du schienst als die Jahre nicht gewillt, das Leben auf Dere ohne sie als sinnvoll zu erachten. Verzeih mir bitte, dass ich so über dich dachte."
  
"Da gibt es nichts zu verzeihen mein Sohn." Begütigend legte Wulfhart seinen Hand auf Ardo Arm. "Denn im Grunde liegst du mit deiner Einschätzung gar nicht so falsch. Ich habe mich lange wegen Holdwiep Tod gegrämt und auch wenn ich euch Kindern eine treusorgende Mutter schuldete, so konnte ich mich doch nie dazu durchringen mich erneut zu binden. Es schien mir stets, als würde ich Holdwiep damit verraten."
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"Da gibt es nichts zu verzeihen, mein Sohn." Begütigend legte Wulfhart seine Hand auf Ardo Arm. "Denn im Grunde liegst du mit deiner Einschätzung gar nicht so falsch. Ich habe mich lange wegen Holdwiep Tod gegrämt und auch wenn ich euch Kindern eine treusorgende Mutter schuldete, so konnte ich mich doch nie dazu durchringen mich erneut zu binden. Es schien mir stets, als würde ich Holdwiep damit verraten."
  
 
"Und bei Rahjamunde ist das nun anders?"
 
"Und bei Rahjamunde ist das nun anders?"
  
"Oh ja! Warte, bis du sie morgen früh kennenlernst. Ich bin mir sicher du wirst sie mögen." Wulfharts Stimme wurde schwärmerisch. "Sie ähnelt in so vielem deiner Mutter, dass ich zu Anfang dachte einen Geist vor mir zu haben."
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"Oh ja! Warte, bis du sie morgen früh kennenlernst. Ich bin mir sicher, du wirst sie mögen." Wulfharts Stimme wurde schwärmerisch. "Sie ähnelt in so vielem deiner Mutter, dass ich zu Anfang dachte einen Geist vor mir zu haben."
  
 
Das Schreien eines Säuglings scholl plötzlich durch die stillen Gänge der Burg und unterbrach das Gespräch. Nach wenigen Augenblicken ebbte es ab und es kehrte wieder Ruhe ein. Ardos kleiner Sohn hatte offensichtlich Hunger und sein Recht bei seiner Amme eingefordert.
 
Das Schreien eines Säuglings scholl plötzlich durch die stillen Gänge der Burg und unterbrach das Gespräch. Nach wenigen Augenblicken ebbte es ab und es kehrte wieder Ruhe ein. Ardos kleiner Sohn hatte offensichtlich Hunger und sein Recht bei seiner Amme eingefordert.
  
"Meine Stiefmutter ist jünger als ich," stellte der junge Baron sachlich fest und machte dann eine Pause. Als sein Vater dazu nichts sagte fuhr er fort. "Ich nehme an, dass wir das Erbe neu werden regeln müssen?"
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"Meine Stiefmutter ist jünger als ich," stellte der junge Baron sachlich fest und machte dann eine Pause. Als sein Vater dazu nichts sagte, fuhr er fort. "Ich nehme an, dass wir das Erbe neu werden regeln müssen?"
  
"Nein, das denke ich nicht mein Junge. Rahjamunde ist zwar jung und gesund und ich bin noch nicht zu alt. Dementsprechend hoffe ich, dass Tsa unsere Verbindung segnen wird wenn es soweit ist. Doch wenn wir Kinder haben sollten, werden diese in der Erbfolge der Dreihügeler Junker stehen. Die [[Greifenfurt:Herrschaft Neue Gerbaldslohe|Neue Gerbaldslohe]] bleibt das Erbe deiner [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Lisande von Keilholtz|Schwester]] und sollte mich Boron vor ihrer Mündigkeit zu sich rufen, so wirst du das Gut für sie verwalten. Dir und deinen Brüdern aber ist das Rüstzeug für Euer Leben bereits gegeben und ich habe nichts weiter was ich verteilen könnte. Auch mein Schwertarm bleibt dir erhalten, zumindest solange wie Rahjamunde in Kressenburg verweilt. Sollte sie jedoch den Wunsch verspüren eines Tages zu ihrer Mutter nach Dreihügeln weiterzuziehen, so werde ich sie begleiten, denn nun da sie mein Werben erhört hat, möchte ich im Leben nicht mehr von ihr getrennt sein. Ich hoffe du kannst diesen Wunsch verstehen und wirst deinen Vater zu gegebener Zeit von seinem Eid entbinden."
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"Nein, das denke ich nicht mein Junge. Rahjamunde ist zwar jung und gesund und ich bin noch nicht zu alt. Dementsprechend hoffe ich, dass Tsa unsere Verbindung segnen wird, wenn es soweit ist. Doch wenn wir Kinder haben sollten, werden diese in der Erbfolge der Dreihügeler Junker stehen. Die [[Greifenfurt:Herrschaft Neue Gerbaldslohe|Neue Gerbaldslohe]] bleibt das Erbe deiner [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Lisande von Keilholtz|Schwester]] und sollte mich Boron vor ihrer Mündigkeit zu sich rufen, so wirst du das Gut für sie verwalten. Dir und deinen Brüdern aber ist das Rüstzeug für Euer Leben bereits gegeben und ich habe nichts weiter, was ich verteilen könnte. Auch mein Schwertarm bleibt dir erhalten, zumindest solange Rahjamunde in Kressenburg weilt. Sollte sie jedoch den Wunsch verspüren, eines Tages zu ihrer Mutter nach Dreihügeln weiterzuziehen, so werde ich sie begleiten, denn nun, da sie mein Werben erhört hat, möchte ich im Leben nicht mehr von ihr getrennt sein. Ich hoffe, du kannst diesen Wunsch verstehen und wirst deinen Vater zu gegebener Zeit von seinem Eid entbinden."
  
"Natürlich doch Vater." Ardos Stimme war belegt, denn die Lebensfreude die Wulfhart ausstrahlte ließ dem Sohn warm ums Herz werden. Gerade nachdem er mit Praiadne selbst die Freude einer eigenen Familie erfahren hatte und erahnen konnte wie sehr ihr Verlust ihn treffen würde, gönnte er seinem Vater dieses späte Glück um so mehr. Seine Gedanken kreisten jedoch auch schon voraus und begannen wie von selbst mit der Planung der Feierlichkeiten. "Ich befürchte zwar, dass Lisande nicht aus Hundsgrab wird kommen können, aber deine vier Söhne werden dich vor den Travia-Geweihten führen. Und wenn wir dich tragen müssen, alter Mann!" Fröhlich prostete Ardo seinem Vater zu. Der versuchte zwar einen Moment lang streng zu schauen, doch schließlich stimmte er in das ausgelassene Lachen mit ein. Noch über ein Stundenglas saßen sie zusammen um Pläne zu schmieden bevor die Aufregung des Tages und der letzten Wochen sie zu borongefälliger Ruhe trieb.
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"Natürlich doch, Vater." Ardos Stimme war belegt, denn die Lebensfreude, die Wulfhart ausstrahlte, ließ dem Sohn warm ums Herz werden. Gerade nachdem er mit Praiadne selbst die Freude einer eigenen Familie erfahren hatte und erahnen konnte, wie sehr ihr Verlust ihn treffen würde, gönnte er seinem Vater dieses späte Glück um so mehr. Seine Gedanken kreisten jedoch auch schon voraus und begannen wie von selbst mit der Planung der Feierlichkeiten. "Ich befürchte zwar, dass Lisande nicht aus Hundsgrab wird kommen können, aber deine vier Söhne werden dich vor den Travia-Geweihten führen. Und wenn wir dich tragen müssen, alter Mann!" Fröhlich prostete Ardo seinem Vater zu. Der versuchte zwar einen Moment lang streng zu schauen, doch schließlich stimmte er in das ausgelassene Lachen mit ein. Noch über ein Stundenglas saßen sie zusammen, um Pläne zu schmieden, bevor die Aufregung des Tages und der letzten Wochen sie zu borongefälliger Ruhe trieb.
  
 
=== Hochzeit auf Dreihügeln ===
 
=== Hochzeit auf Dreihügeln ===

Version vom 22. Februar 2013, 14:21 Uhr

Wiederaufnahme der Geschäfte

Stänkereien

Stänkereien auf Burg Gnitzenkuhl
Baronie Gnitzenkuhl, Ingerimm 1035 BF

Teil 1

Fassungslos starrte Geshla auf das Missgeschick, das sich soeben ereignet hatte. Sie war an einen der Eimer gestoßen, in dem die Windeln zuerst in Wasser eingeweicht wurden bevor man sie auskochte. Entsetzt starrte sie auf die teuren Schuhe, auf denen sich langsam ein unfeiner Fleck ausbreitete, unfähig auch nur ein Wort zu sagen.

„Bitte sagt nicht, dass dies nun auch wieder meine Schuld sei Hochgeboren!“ kam trocken von ihrem Gegenüber, die gerade dabei war ihre zweitgeborene Tochter zu betten. „Ich war wirklich nicht vorbereitet, dass Ihr Euch zu so später Stunde in unsere Räume gesellen möchtet. Und natürlich riecht es hier streng, wenn wir gerade damit beschäftigt sind…“

Energisch hob die Baronin zu Gnitzenkuhl ihre Hand, und gebot damit Stille. Erstaunlicher Weise verstummte dabei sogar der einjährige Greifwart, der soeben von seiner Amme frisch gemacht worden war und lautstark dagegen protestiert hatte, war es doch empfindlich kalt. Doch nun erwartete er von der dunkelhaarigen Frau wohl eines der Spiele, die Unswin, sein Vater, sonst mit ihm trieb.

„So kann das hier nicht weiter gehen!“ presste die Baronin hinter vorgehaltenem Spitzentuch hervor, was Greifwart zum Glucksen brachte, hielt er es doch für eine neue Variante des „Guckucks- DA“ Spieles seines Vaters und grinste erwartungsvoll Geshla von Gnitzenkuhl an. Seine Amme musste sich ein Schmunzeln verkneifen.

Leomara von Keilholtz, die erste Ritterin am Hofe brachte nur ein müdes „Ganz wie ihr meint!“ hervor und hoffte, dass man ihr endlich ihre Ruhe ließ. Erst dieses früh morgendliche Malheur mit der zerstörten Vase Olmergas von Gnitzenkuhls. Greifi konnte wirklich nichts dafür, dieser Tisch war einfach schon in die Jahre gekommen und hatte dem Ansturm des Jungen nichts entgegen zu setzen gehabt. Da war die Vase eben polternd zu Bruch gegangen. Angeblich ein Geschenk Olmergas an Geshla. Häßlich war sie trotzdem- die Vase! Dann hatte sie für die Landwehr die Waffenkammern inspiziert und eine Inventur mit dem Waffenmeister erstellt, sowie gemeinsam mit dem Vogt besprochen wie man vorzugehen gedachte, beim Erfassen der Wehrfähigen. Die Schulzen und ansässigen Adligen würden dabei eine Rolle spielen und bald hier vorstellig werden müssen. Immer, wenn sie sich mit dem Gemahl ihrer Mutter auseinander setzen musste, war es anstrengend. Doch seine Sachlichkeit führte allmählich dazu, dass sie einfach zusehends vergaß, dass er einmal eine Rolle in ihrem Leben gespielt hatte. Jetzt noch dieser unangemeldete Besuch in Räumen, die kaum für eine Familie ausreichten.

„Ich gedenke am morgigen Abend mit Hochwürden Travidan von Firunslicht, Hochwürden von Wasserburg sowie einigen Adligen, dem Vogt und Eurer Frau Mutter zu speisen. Wir haben uns lange nicht gesehen.“ Leomara nickte desinteressiert, waren ihr diese Verpflichtungen einer Baronin doch meist eher notwendiges Übel, denn eine Freude. „Ich erwarte Euch nebst Unswin ebenfalls!“

„A…!“ Leomaras Widerrede blieb ihr im Halse stecken, als sie in Geshlas Miene blickte. Darin stand zu lesen, dass es keine Einladung, sondern ein Befehl gewesen war. Nach einem Moment der Stille kam ein gepresstes „Sehr wohl!“ aus ihrem Munde. Die Baronin nickte nur kurz und entfernte sich dann schleunigst. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, erhob sich sogleich wieder enttäuschtes Gebrüll, war doch der kleine Keilholtzer um sein neckisches Spiel gebracht worden und forderte es nun lautstark ein.

Teil 2

Torandir von Darben-Dürsten stand hoch aufgeschossen hinter seiner Schwertmutter und hatte bereits Leomara von Keilholtz sowie deren Gemahl Unswin bedient, da Chaantrea am heutigen Abend frei hatte. Nun blieb ihm die Zeit in aller Ruhe den Blick schweifen zu lassen. Es war eine Weile her, dass die Tafel in Geshlas Burg derart gefüllt gewesen war. Wie immer war der alte Oblodor von Mistelstein mit seiner Gemahlin für ihn ein Ereignis der besonderen Art. Er kannte sonst keinen, dessen Temperament mit dem seiner Schwertmutter mit halten konnte. Allerdings bedauerte er sehr, dass Hochwürden von Wasserburg nicht zugegen war. Seine übertriebene Fürsorge gegenüber der Baronin wirkte bisweilen derart belustigend auf ihn, dass er sich auf den Abend mit dem Tempelvorsteher des hiesigen Praiostempels gefreut hatte. Doch jener hatte sich bereits am Nachmittag durch seinen Novizen wegen Unpässlichkeit entschuldigen lassen. Als die Baronin dies kundt getan hatte, war vom Mistelsteiner so etwas wie „…aus der Ferne glänzt sie am meisten!“ zu hören gewesen. Zu schade aber auch!

Hamardan von Rotfurt hatte man leider ans andere Ende der Tafel gesetzt, wo er neben Wohlgeboren Ginaya von Alxertis kaum Schaden anrichten konnte. Die beiden kannten sich scheinbar gut, zumindest wirkte ihr Gespräch recht vertraut und wortreich. Ganz anders Derendan von Zillingen, der als Vertreter seiner Familie zugegen war, und mit seinem Nachbarn aus der Familie Bergstamm jediglich ein paar wenige Worte zur Begrüßung gewechselt hatte.

Während der Knappe so schaute, fiel sein Blick auf das noch wenig vertraute Gesicht eines jungen Knaben- der Novize des neu erbauten Travia Tempels. Konzentriert hatte dieser den noch vollen Krug zwischen seinem Tempelvorsteher Travidan von Firunslicht-Oppstein und der Herrin Palinai von Isenbrunn hindurch bugsiert, in Richtung des Kelches. Doch dann begann seine Hand auch schon zu zittern. Ob der Krug zu schwer, oder der Bursche zu aufgeregt war, beides war möglich dachte Torandir so bei sich. Jaja, aller Anfang war schwer. Wenn sie entlassen wurden, weil die Herrschaften alleine sein wollten, würde er sicher Gelegenheit haben den Knaben einmal näher kennen zu lernen. Über seine Familie wusste er nichts. Wie sein Alltag wohl im Vergleich zu dem eines Knappen aussah? Seine schier zügellose Neugier begann sich zu regen, und so wartete er ungeduldig die Zeit ab, zu der man sie entlassen würde.

Teil 3

„…darum möchte ich am heutigen Abend, nachdem wir ein so gedeihliches Beisammensein verleben durften, verkünden, dass ich mich entschlossen habe, meiner ersten Ritterin Leomara von Keilholtz für ihre herausragenden Dienste um die Belange in Gnitzenkuhl - ich erinnere hierbei nur um den wagemutigen Einsatz bei dem Kampf wider das sogenannte Untier am Darpat - ein Rittergut als Lehen zu überlassen.“

Gut gelaunt, und scheinbar gänzlich unempfänglich für das frostige Schweigen von Seiten ihres Vogtes, lächelte die Baronin in die Runde und erhob ihren Kelch in Richtung der soeben ernannten nun lehnspflichtigen Leomara von Keilholtz. Travidan kam ihr sogleich nach, konnte er es doch nur gut heißen, dass die junge Familie endlich ein eigenes Heim bekommen würde. Die Baronin war eben eine wirklich götterfürchtige Frau. Der Ruf, der ihr im hiesigen Raum nachgesagt wurde war völlig haltlos. Oblodor grunzte ein „..das hat se verdient, bei Rondra!“, während sein Sohn Anshelm von Mistelstein Leomara über die Tafel hinweg nur zuzwinkerte.

Unsicher, was Geshla damit im Schilde führte, räusperte sich die Rittfrau kurz, bevor auch sie überrascht lächelnd den Kelch erhob. Ihre Frau Mutter, Palinai von Isenbrunn, hatte noch vor ihr sogleich strahlend den Kelch erhoben und lächelte, als hätte man ihr persönlich den Dank ausgesprochen.

‚Von welchem Lehen spricht sie bloss?‘ grübelte die Rittfrau in Gedanken weiter. ‚Stadtritter vielleicht? Welches Gemäuer wollte sie mir damit nur zukommen lassen? Innerhalb der Stadt gab es keine Gebäude welche aufgrund mangelnder Erben wieder in Geshlas Besitz gefallen wären. Auch habe ich seit dem Bau des Travia Tempels kein Wort davon gehört, dass Aurentian von Feenwasser weitere Aufträge erhalten soll…!‘

„Auf die Hohe Dame Leomara, möge das Rittergut Mittstätten von nun an ihr, und ihrer Familie ein neues Zuhause sein, so wie es uns Travia gebietet.“ Kam dann schließlich von Seiten Geshlas, die zu diesem Augenblick die Aufmerksamkeit aller auf sich wusste. Überrascht riss Leomara die Augen auf. ‚Das Erbe der Familie der Roten Hand. Diese Schlange…!‘

Kurz herrschte Schweigen, und alle Ortskundigen bis auf Geshla blickten aus unterschiedlichsten Gründen auf den Tisch, bis Palinai in die Stille hinein sprach was vermutlich einige dachten: „Aber Hochgeboren, ihr wisst doch so gut wie jeder hier in der Gegend, dass man sich sagt, dass die Geister der Alten nicht ruhen, und das Gemäuer noch immer heim suchen! Nicht umsonst steht es seit… damals leer.“

Kühl musterte Geshla die in die Jahre gekommene Frau, und ehemalige Geliebte ihres Vaters, des Barons Seraminor von Gnitzenkuhl. Was nur hatte er an dieser blassen, farblosen Frau gefunden? Sie konnte nicht aus Ihrer Haut heraus. Nie würde sie Freundlichkeit für diese Person aufbringen können, derentwegen so viel Unheil entstanden war. Ihre besten Jahre waren vorüber, verblüht wie eine Primel, oder am falschen Platze um weiter zu gedeihen.

„Uuuund? Wer, wenn nicht Eure rondragefällige Tochter, nebst ihrem wackeren Gatten, seines Zeichens Mitglied im Orden des Zorns, sollten es schaffen diese dummen Gerüchte zu zerstreuen. Wäre an dem Gemäuer wirklich etwas götterlästerliches, so hätte das zweifellos Hochwürden von Wasserburg ausgemerzt. Oder zweifelt ihr etwa an …?“

„Sicher nicht Hochgeboren!“ Fiel ihr Leomara da ins Wort und funkelte streitlustig ihre Mutter an. „Wir sind wirklich außerordentlich erfreut, geradezu sprachlos, ob dieser Großzügigkeit Eurerseits.“ Leomara hatte sich wieder gefangen, und war sich sicher, dass egal was dieses Gemäuer für Geheimnisse barg, kaum Grund sein konnte, das Lehen auszuschlagen! Sie schubste Unswin an, damit auch jener seinen Dank bekunden konnte…

Das schwer vernarbte Gesicht des Ordensritters zeigte ein Lächeln, dass je nach Blickwinkel süffisant, freundig oder nachsichtig wirken konnte, und wohl in diesem Moment tatsächlich eine Mischung all dieser Facetten war. Bedächtig griff der junge Mann mit der Linken zu seinem Kelch, erhob sich und strich dabei mit der Rechten sein Wams zu recht. Dann hob er das Glas mit ernstem Blick in Richtung der Baronin.

"Euer Hochgeboren! Frau Travia wünscht von uns Mildtätigkeit und Gastfreundschaft. Ich bin in Eurem Hause häufig Gast gewesen. Ihr habt Euch mir, meinem Orden und nicht zuletzt meiner Familie so freigiebig gezeigt, wie man es sich nur wünschen kann. Nun gebt Ihr meiner Familie ein eigen Heim, einen Platz zum Leben und zum Wachsen. Dafür gebürt Euch Travias Dank." Er machte eine Pause und die Baronin setzte gerade ein strahlendes Lächeln auf, im Begriff dem Ritter zu antworten, als Unswin mit ruhiger Stimme fortfuhr. "Herr Praios fordert von uns aber auch Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit. Deshalb kann ich nicht verhehlen, dass ich ob des schlechten Leumunds des Gemäuers in Sorge bin, dessen Herrin meine Frau nun ist und das meine Kinder zukünftig beherbergen wird. Auch ist mir Euer wachsender Unmut über die derzeitige Situation in Eurer Burg bewusst, der mich zuletzt fürchten ließ Eure Gastfreundschaft über die Gebühr beansprucht zu haben." Das Lächeln Geshlas schmolz sichtbar dahin, doch Unswin hatte noch immer nicht geendet. Er spürte wie Leomara neben ihm unruhig auf dem Stuhl herumrutschte und legte ihr die freie Hand auf die Schulter. "Frau Rondra verlangt zudem von uns sich den Aufgaben aufrecht und mutig zu stellen die Dere für uns bereit hält. Ich werde meine Frau also mit Freuden und nach Kräften dabei unterstützen, sich den Herausforderungen zu stellen die dieses Lehen mit sich bringt. Ganz so wie Ihr es gesagt habt." Unswin führte seine Rechte nun zum Herzen während er in seiner Rede zum Ende kam. "Nicht zuletzt aber will ich meiner Freude Ausdruck verleihen, dass Ihr, Euer Hochgeboren, meine Frau als würdig befunden habt dieser Aufgabe gewachsen zu sein. Denn dieses Lehen bedeutet nicht nur Heim und Herd für unsere Familie, sondern auch Verantwortung. Den Menschen gegenüber deren Herrin Leomara von nun ab sein wird, aber auch Euch gegenüber, der sie fortan nicht nur Waffentreue sondern auch Rechenschaft schuldet. Ich entbiete euch daher meinen aufrichtigen, von Herzen kommenden, Dank." Unswin hob sein Glas noch ein Stück höher, nahm einen Schluck des köstlichen Weines und setzte sich dann zufrieden wieder auf seinen Platz.

Nervös nahm Leomara einige tiefe Schlucke. Das war knapp, doch er hatte noch den rechten Ton getroffen wie sie unschwer an Geshlas Miene sehen konnte. Sie griff nach seiner Hand und sah ihn liebevoll an. Unswin erwiderte den Blick, legte dann die Hand auf ihren Bauch und küsste sie zärtlich auf die Stirn, was ihm einen säuerlichen Blick seines Schwiegervaters einbrachte. Seit er den Rahjabund mit seiner Frau geschlossen hatte, beugte der Ordensritter die Regeln der Etikette gerne einmal, was die körperliche Nähe zueinander in Gesellschaft anging.

"...nachdem wir das also geklärt haben, die Formalitäten werden wir wann anders erledigen, würde ich sagen, dass wir nun hinüber gehen ins Kaminzimmer!"

Teil 4

Auf dem Weg dorthin sprach sie jemand von hinten an. Es handelte sich um den Führer der hiesigen Nebachoten, Hamardan von Rotfurt.

"Mögäh Rondrra waita eurer baida Schwärrtarm führen! Isch bin froh, dass nun ändlich ainä starke Hand wieder das Sagen übernähmen wird in Midstätten. Es wird ja auch Sait, nicht wahr! Oirä Tochter wird sicher ebenfalls eine wackere Streiterin werden." Bei diesen Worten schaute er allerdings vor allem Unswin und nicht Leomara an.

Der Ritter war von der ungewohnten Aufmerksamkeit einen Moment überrascht, ergriff dann aber das Wort, als Hamardans Blick auf ihm hängen blieb. "Kor mit Euch, Mar'olum han Rohd'far." Unswin führte zum Gruß die rechte Faust an seine Brust und sah dem einen halben Kopf größeren Nebachoten fest in die Augen. In den Götterläufen die er nun schon zwischen den Nebachoten Perricums zugebracht hatte, hatte er gelernt dieses kämpferische Volk zu respektieren und bemühte sich ihren Sitten zu entsprechen wenn er mit ihnen verkehrte. Lediglich mit diesem unsäglichen Kelsensteiner aus Wasserburg, der seiner Meinung nach mehr Ferkina als Nebachote war, hatte der Ordensritter bisher nicht warm werden können. "Ich danke Euch für Eure Worte. Wenn die Kleine später einmal so kämpft wie sie diese Nächte über schreit, dann wird sie dereinst wohl als große Kriegerin gelten." Er verzog bei diesem Gedanken amüsiert das Gesicht, was seine Narben beunruhigend in Bewegung brachte. "Doch was die Zukunft für uns bereit hält wissen allein die Götter. Diese plötzliche Belehnung zum Beispiel ist nicht unbedingt das Naheliegendste womit wir gerechnet hätten. Ich denke wir werden eine gewisse Zeit brauchen um in Mittstätten alles herzurichten bevor wir endgültig übersiedeln können. Zumal Ihro Hochgeboren keine Eile mit dem Lehnseid zu haben scheint." Fragend sah der Ritter zu Leomara um zu erfahren, was diese wohl zu dem Verlauf der Dinge zu sagen hatte.

Die ignorierte aber einfach den Blick ihres Gemahls, funkelte statt dessen aber Hamardan an, der nun endlich auch die Güte hatte ihr einen Blick zu schenken.

"So, EINE starke Hand wird Mittstätten bald führen." Sie lächelte den imposanten Mann keineswegs schüchtern an. Ihr stand momentan zwar nicht der Sinn nach Streit, aber wenn er sie, oder Unswin schon mit den ohnehin nicht ernst gemeinten Worten behelligte, würde sie sicher nicht dazu schweigen.

"Schön, dass ihr erkannt habt, dass wir beide eine Einheit bilden." Verwundert musste sie fest stellen, wie sich ein Lächeln in des Mannes Züge schlich, der bislang kaum ein freundliches Wort für sie übrig gehabt hatte. Er blickte ihr geradewegs in die Augen und senkte auch nicht beim weiter sprechen den Blick.

"Nachbarschafltliche Bande sind in den jetzigen Zeiten wichtig zu pflegen- einerlei ob es sich nun um das Nachbargut handelt, oder um eines im Raschtullswall..." er legte hier eine kleine Pause ein und trank einen Schluck aus dem Kelch, den er noch immer mit sich führte. "...darum hoffe ich, dass wir unsere kleingeistigen Dispute der Vergangenheit überlassen und statt dessen im Hier und Jetzt leben. Feinde bedrohen unsere Heimat, ist es da nicht Zeit gewissen Unstimmigkeiten zu vergessen?"

"Das ist ein Gedanke den ich nur gutheißen kann", ergriff Unswin wieder das Wort. "Die zwölfgöttliche Gemeinschaft beschäftigt sich schon viel zu lange mit den Streitereien untereinander, im Kleinen wie im Großen. Unser Widerstand gegen unsere wahren Feinde wird dadurch geschwächt, brauchen wir doch Einigkeit um erfolgreich gegen ihre verderbte Macht zu bestehen." Wieder blickte er seine Frau an. Er wusste um ihre Vorbehalte und ihre offene Art mit Streitereien umzugehen. Hier und jetzt bot sich aber eine Gelegenheit zur Versöhnung mit einem nebachotischen Nachbarn, eine der ersten Aufgaben die ihm vom Orden damals mit auf den Weg nach Perricum mitgegeben worden waren. "Du weißt, ich war nie ein Freund der Nebachoten, Leomara, und ich bin mir sicher, dass wir die Aufgaben in Mittstätten allein lösen können. Doch wir haben ohnedies genug Feinde denen wir uns zu stellen haben. Niemand verlangt herzliche Freundschaft, doch ein vernünftiges Miteinander kann uns alle nur stärker machen." Der Ordensritter wusste, dass er seiner Frau nur einen Rat geben konnte. Es war ihr Lehen, Perricum ihre Heimat, wo er nach nur wenigen Götterläufen für viele noch immer ein Fremder war. Er würde ihre Entscheidung in dieser Sache bedingungslos akzeptieren, doch hoffte er, dass seine Worte auf fruchtbaren Boden gefallen waren.

Haltung bewahren! Nur keine Miene verziehen... Die Gedanken der Rittfrau überschlugen sich fast. Was im Namen der Götter wusste dieser Fuchs? Oder wusste er nichts und der Vergleich mit dem Gut im Raschtulswall war ein Zufall? Warum sprach er Unswin ausgerechnet auf Yppolita an? Warum nicht auf den Erstgeborenen, der traditionell mehr Gewicht hatte? Ihr wurde ganz übel beim Gedanken daran, dass Marnions Bote unter Umständen bei Hamardan genächtigt haben mochte, und das Schriftstück...! Aber nein, es war doch gesiegelt gewesen, und das Siegel ungebrochen. Um Zeit zu gewinnen täuschte sie einen Husten vor, der ihr ein wenig Zeit verschaffte ihre Fassung wieder zu finden, zumindest nach aussen hin.

"Sicher, ich werde alle unsere Nachbarn mit gleichem Maß messen, oder", sie setzte ein Lächeln auf, "...vielmehr die gleiche Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Als erste Ritterin der Baronin war ich es, die ihren Willen nach draußen trug, und damit ihr Sprachrohr. Diese Aufgabe wird vermutlich nun jemand anders übernehmen." Sollte er glauben, sie würde sich erpressen lassen, hatte er sich mächtig getäuscht. Geshla würde an ihrer Meinung fest halten, die sie zu den Nebachoten hatte. "Doch ich denke, dieser Abend sollte allen Adligen aus Gnitzenkuhl zeigen, dass Hochgeboren die Bedrohung ernst nimmt, und sich nun zuallererst den Aufgaben stellt, die wichtig sind um dem Feind zu trotzen und ihn zu besiegen."

Der passionierte Pferdezüchter nickte nur kurz zustimmend Leomara zu, ehe er dann zu Unswin gewandt sprach: "Wohl gesprochen. Ein gelungener Abend, und es freut mich ausserordentlich zu hören, dass ihr erkennt, dass Perricum mit seinem bunten Bild an Völkern und Meinungen erhalten werden muss, und nicht eine der Sichtweisen die allein Rechte ist! Wenn ihr mich nun entschuldigt?"

Unswin ließ dem Nebachoten mit einem höflichen Nicken den Vortritt. So recht wusste er Harmardan und sein Verhalten nicht einzuordnen, aber die für Feinheiten der Gesellschaft, seien es die der Nebachoten oder die der Raulschen, hatte er nie viel Sinn gehabt. Im Grunde hatten sie nur einige belanglose Nettigkeiten ausgetauscht. Das Einzige was er sich davon erhoffte war ein entspanntes Verhältnis mit den zukünftigen Nachbarn, damit er und seine Frau sich den wichtigen Dingen widmen konnten ohne in kleinliche Streitereien verwickelt zu werden. Mit einem Blick auf Leomara erkannte er im von Kerzen erhellten Halbdunkel, dass ihr einige Schweißperlen auf der Stirn standen obgleich es an diesem Abend weder zu warm noch zu schwül war. Sofort gewann seine Besornis wieder die Oberhand.

"Ist dir nicht wohl mein Herz? Soll ich uns bei Geshla entschuldigen? Die Gesellschaft ist ja groß genug, da wird sie es sicherlich verschmerzen können, wenn wir den Abend etwas früher ausklingen lassen."

"Danke, ... es geht schon. Diese unerwartete Neuigkeit will erst einmal verdaut werden." Deutlich leiser fügte sie hinzu: "...und glaube nicht, dass es ein Leichtes wird das Gut wieder zu alter Blüte zu führen! Man sagt sich sogar die Böden wären verdorben von der Brut die dort hauste!" Entschlossen blickte sie aber in Richtung ihrer Frau Mutter, die unterdessen ein paar Worte mit dem jungen Tempelvorsteher der Travia wechselte, derweil der Medicus und Alchemist Geshlas mit weingeschwängertem Blick unverholen der Zofe Fiorella nachstierte. "Aber ich bin aus anderen Holz geschnitzt als meine verzagte Frau Mutter. Wir werden das schon schaffen, wenn auch" sie blickte hinab auf den leicht gewölbten Bauch, "die Zeit etwas ungünstig ist um in ein marodes Gemäuer zu ziehen. Ich hoffe ja, dass uns ein wenig Unterstützung zuteil wird beim Umzug."

"Geshla wird uns sicherlich nicht gleich vor die Tür setzen", versuchte Unswin sie zu beruhigen, "zumal der Lehnseid formal noch gar nicht geleistet wurde. Bis das Kind geboren ist werden wir sicherlich noch hierbleiben können und in der Zwischenzeit lassen wir das Gut von den Handwerkern herrichten. Wenn wir erst einmal ein stabiles Dach über dem Kopf haben, können wir uns den anderen Problemen widmen die das Gemäuer bereiten sollte." Eherne Zuversicht sprachen aus der Stimme des Ordensritters. Seit er in Warunk nur knapp Golgari von den Schwingen gesprungen war, ließ er sich nicht mehr so leicht wie früher aus der Ruhe bringen. "Wenn es dann soweit ist wird Chaantrea auf jeden Fall mit zupacken und ich wenn Alfred in der Nähe ist, wird er es sich sicherlich auch nicht nehmen lassen zu helfen. Zudem kannst du auch ein paar deiner zukünftigen Untergebenen mit Karren zur Friedburg bestellen und unsere Sachen abholen lassen."

Reise mit Yppolita

Reisestrecke: Kuslik – Punin – Gerbaldsberg – Gareth – Perricum – Seereise nach Festum

Dramatis Personae:

Von Kuslik nach Punin

Auf einem Flußschiff auf dem Yaquier, Ende Ingerimm 1034 BF

Balrik saß in seiner Kabine und blätterte in einem grüneingebundenen Hesinde-Büchlein, das er sich in Kuslik besorgt hatte.

Vor einigen Tagen war er mit dem gerbaldsmärker Pfalzgrafen und dem Magier Anaxios von Ochs aus Kuslik abgereist und begleiteten die Schwester der Kaiserin, Yppolita von Gareth, nach Punin. Dort wolle sie endlich ihre Adeptenprüfung ablegen, wie sie auf dem Magierkonvent verlauten ließ, und anschließend wieder zurück in ihren Exil nach Festum reisen.

Sie beschloßen bis nach Punin auf einem Flußschiff zu reisen, das den Yaquier flußaufwärts fuhr. Der Kapitän war ein stämmiger Mittvierziger namens Phedro Neander, ein Horasier, der sich sehr umgänglich und von der Anwesenheit der Kaiserinschwester sehr geehrt zeigte. Zu seiner Mannschaft aber war er streng und er ließ keinen Zweifel daran, daß er hier das Sagen hatte.

Eigentlich wollte auch der greifenfurtener Baron Ardo von Keilholtz Yppolita auf der Reise begleiten. Doch hatte er kurz vor der Abreise den Zorn eines Magiers auf sich gezogen, der ihn kurzerhand mit einer Art Teleportzauber verschwinden ließ – zumindest war das Balriks erster Gedanke.

Erst nachdem Anaxios sich mit diesem Magier auseinander setzte, erfuhren sie, daß dieser Magier Thargelion von den Nebelwassern war, ein Zeitmagier, der Ardo einfach kurzerhand einige Monate in die Vergangenheit setzte!

Balrik hatte schon während seiner Zeit an der Kriegerakademie viele Sagen von einem Magier gehört, der in einem Turm in Weiden wohnte, dem sogenannten Nachtschattenturm, der in der Lage war durch die Zeit zu reisen – und da war auch der Name dieses Zeitmagiers gefallen.

Nachdem Anaxios ihnen versichert hatte, daß Ardo kein Leid zugefügt wurde, und derzeit wohl wieder in Greifenfurt weilte, und Balrik und Giselbert geraten hatte, den Magier nicht weiter zu behelligen, gaben sie sich mit der Antwort zufrieden. Dennoch hatte sich Balrik vorgenommen, eine Nachricht ins Kressenburgsche zu schicken um sich zu vergewissern. Auch Yppolita hatte ihnen später geraten, den Magier in Ruhe zu lassen. Auch sie vertraute hier Anaxios' Rat.

Es klopfte an der Tür.

"Hoher Herr", hörte Balrik die Stimme eines Matrosen. "Wir erreichen bald Punin."

"Danke. Ich komme gleich."

Balrik steckte das Büchlein weg und packte seine Sachen. Auf dem Deck angekommen sah er bereits die almadanische Fürstenstadt vor ihnen auftauchen. Es war ein sonniger Tag und die Eslamidische Residenz ragte auf dem Goldacker in einem strahlenden Weiß reinsten Eternienmarmors hervor. Auch die Magierakademie der Stadt, ihr Ziel, ragte über die Häuser der Stadt empor und war gut zu erkennen. Vor nicht einmal einem Jahr, hätten sie es sich nicht erlauben können, so offensichtlich durch das Fürstentum zu reisen. Als noch Selindian Hal die Kaiserkrone beanspruchte und von Punin aus Hof hielt, war es nicht ungewöhnlich, daß Adlige, die zu Kaiserin Rohaja standen, als Geiseln genommen wurden.

Doch nun war Selindian Hal tot und Almada wieder unter der Kontrolle Rohajas, und diese hatte Gwain von Harmamund zum neuen Fürsten von Almada ernannt.

"Eyne bejachtliche Stadt, njecht wahr?", sagte Igor Wasjeff im bornischen Aktzent und trat neben ihn. Auch er war beim Magierkonvent zugegen gewesen und reiste mit ihnen seit Kuslik auf dem Schiff. "Und das Wissen erst, das hier zu finden ist! Eier Schützling hat eyne jute Wahl jetroffet, hier ihre Prüfung abzulegen."

Balrik sagte nichts darauf. Der Grund warum Yppolita Punin wählte, war nicht das Wissen das hier zu finden war, sondern weil diese Magierakadmie die einzige Graue innerhalb des Reiches war. Andererseits, wenn es sich Balrik recht überlegte, Yppolita hätte trotz allem wohl kaum eine Akademie gewählt, in der sie nichts erlernen könnte ...

Allmählich kamen auch die anderen an Deck, die in Punin aussteigen wollten. Giselbert hatte seinen Lederhut auf dem Kopf und einen Rucksack geschultert. Anaxios war in einer Lektüre vertieft, die er in Händen hielt, und halb abwesend aus dem Schiffsinneren kam.

Nur Yppolita war bereits an Deck gewesen und betrachtete die Landschaft.

Auch ein fünfzehnjähriges Mädchen und ein neunjähriger Junge kamen auf das Deck; ebenfalls mit Rucksäcken geschultert. Das Mädchen trug sogar ein Kurzschwert.

"Habt ihr alle Eure Sachen?", fragte Balrik.

"Ja, wir haben alles", antwortete das Mädchen.

Das Mädchen und der Junge waren Mechthild von Kieselhom und Firnwulf von Hirschfurten, die Knappin und Page Ardos von Keilholtz. Balrik hatte sich den beiden angenommen, nachdem Ardo auf solch übernatürliche Weise verschwand.

Schließlich machte das Schiff an der Pier fest und Yppolita bezahlte den Kapitän für die Reise aus. Anschließend begaben sie sich in die Magierakademie.

Ein Stein im Nebel - Südgruppe

Aufruhr auf dem Marstall

Markgräflicher Marstall, Ende Phex 1034 BF

In diesem Götterlauf waren die Fohlen früh geboren. Lediglich zwei Stuten sollten noch im Peraine ihren Nachwuchs bekommen. Es war die arbeitsreichste Zeit für die Reiffenbergs und auch auf Gut Rosskuppe, welches erst im letzten Herbst hatte fertiggestellt werden können, gab es mehr Arbeit als der Tag Stunden hatte. Urion und Renzi hatten sich die Aufgaben aufgeteilt und auch Urions Geschwister Rondrian und Meran, die wieder mal auf dem Gut weilten, packten an, wo es nötig war.

Meran war vor drei Tagen ohne ihren Gatten aus Perainefurten eingetroffen. Rondrian hatte sich nun endgültig von seiner schweren Verletzung erholt und würde in den nächsten Monden wieder gen Warunk aufbrechen.

Es dämmerte bereits, difuses Licht warf bereits lange Schatten über den Innenhof, als Urion und Rondrian das Herrenhaus des Marstalls betraten. Sie wusche sich in den bereitgestellten Wasserschüsseln und legten die Stallkleidung ab. Beide trugen im Alltag darunter lediglich ihre schlichten Leinenhemden und enganliegende Hirschlederhosen.

Sie saßen beim Abendessen, als plötzlich der Zwergenschmied Artog den Raum betrat. „Urion, es riecht nach Ärger, gerade sind zwei Reiter eingetroffen, Boten des Prinzen, wie sie behaupten, der jüngere gibt sich als Berhelm von Dunkelsfran aus, des Prinzen Bannerträger. Der Zweite ist unser alter Bekannter Rosco Falkenblick.“

„Nun Artog, lasse sie eintreten und sorge bitte dafür, dass sich die Knechte ihrer Pferde annehmen.“

Artog wand sich zur Tür und öffnete sie. Auf seinen Wink betraten zwei Männer den Raum. Sie waren in Reiseumhänge gehüllt, die die Spuren eines schnellen Rittes erkennen ließen. Urion erkannte Bernhelm und Rosco auf den ersten Blick und erhob sich von seinem Platz. Er trat mit einer einladenden Geste auf sie zu: „ Bernhelm von Dunkelsfarn, Rosco Falkenblick, Travia zum Gruße, die Zwölfe mit Euch. Nehmt Platz. Euer Erscheinen ist schon deshalb eine Überraschung, weil er in dieser Konstellation erfolgt. Aber fiel mehr wurdet ihr als Boten des Prinzen gemeldet, deshalb tragt schnell vor wie die Meldung lautet.“

Nachdem sich beide verneigt hatten, nahmen alle Platz und Bernhelm begann seinen Bericht. Schließlich endete er mit den Anweisungen die der Prinz ihm für Urion aufgetragen hatte. „ Ihr mögt umgehend alle Waffenfähigen um Euch sammeln und Euch darauf vorbereiten, dass die Greifin mit ihrem Gefolge in wenigen Tagen über Hesindelburg und Hexenhain zum Marstall kommt. Ihr sollt euch ihr dann mit den Truppen anschließen.“

Urion war ob des Berichts des Bannerträger wie vor den Kopf geschlagen. Der Meister der Mark ein Verräter, der den Prinzen hatte festsetzen lassen. Ein Umstürzler. Nun erschienen es ihm im Nachhinein durchaus logisch. Der meister der Mark hatte ihm befohlen die Schwadronen der Grenzreiter sämtlich im Süden und vor allem im Osten der Mark zu stationieren. Ferner hatte der Nebelsteiner den Heermeister der Mark Reto von Schattenstein abgesetzt, eine Tatsache, die Urion als eher als notwendige Umstrukturierung innerhalb der märkischen Wehr betrachtet hatte. Zudem war Urion ja dadurch selbst in der märkischen Administration mit der zusätzlichen Aufgabe des Rittmeisters der Mark beauftragt worden. Ein perfides aber wie sich jetzt zeigte erfolgreiches Ablenkungsmanöver des Nebelsteiners. Und jetzt kamen ihm auch einige Gespräche mit dem Meister der Mark in den Sinn. Hatte dieser nicht immer gesagt er solle sich nicht den Kopf zerbrechen übe Dinge, die Meister und Prinz zu verantworten hätten. Nun standen auch seine letzten Missionen außerhalb der Mark in Frage. Hatte der Meister der Mark ihn nur deshalb gesandt, um ihn aus den Rennen zu haben. All diese Gedanken liefen blitzartig durch seinen Geist und er bemühte sich um seine innere Ruhe. Er sammelte sich und räusperte sich.

„Ihr bringt wahrlich schlechte Kunde Bernhelm von Dunkelsfarn. Der Verrat des Nebelsteiners trifft mich im Mark. Nichts desto weniger gilt es jetzt schnell und entschlossen zu handeln. Was ist Euer weiterer Auftrag?“

„Nun der Prinz sandte uns aus, um euch und den Kressenburger Baron zu alarmieren. Danach reiten wir schnellstmöglich in den Kosch, um den Fürsten zur Lage vorzutragen und ihn im Namen des Prinzen um Unterstützung zu bitten.“

Nun machte sich bezahlt, was Urion in unzähligen Stunden an der Wehrheimer akandemie und auf den Schlachtfeldern gelernt hatte. Sein Verstand erfasste augenblicklich die Gesamtsituation und in seinen Gedanken sortierte er Truppenstärken, Möglichkeiten des Handelns sowohl des Gegners als die eigenen, mögliche Marschrouten, Logistische Fragetstellungen und letztlich auch der Ort einer konfrontation mit dem Nebelsteiner, der, wie Urion bereits wusste, selbst ein erfahrener Truppenführer war.

„Nun gut, ans Werk, die Zeiten werden nicht besser, in dem man beklagt wie schlecht sie sind. Wir gehen ab jetzt wie folgt vor. Ich werde noch heute Nacht Boten aussenden, welche die umliegenden Barone alarmieren und in Kenntnis setzen. Das betrifft auch den Kressenburger, zu dem ihr noch hättet reiten müssen. Ihr bleibt heute Nacht hier und ruht.“ Urion wischte den Versuch eines Einwandes Berhelms zu Seite und fuhr fort. „Keine Diskussion, ich befehle das als Rittmeister der Mark. Morgen früh statte ich Euch mit den besten Botenpferden der Mark aus. Damit kommt ihr auf schnellstem Wege zum Fürsten und so die Götter es fügen, auch genau so schnell mit Koscher Verstärkung zurück. Bernhelm und Rosco, ein koscher Verstärkung kann das Zünglein an der Waage sein, denn wir sind den Truppen des Nebelsteiners deutlich unterlegen. Deshalb führt sie schnell und auf sicheren Wegen heran. Ich hinterlasse auf unserem Weg in den Osten der Mark in den großen Siedlungen Anweisungen, dass man Euch mit dem notwendigsten versorgt und Euch unterstützt wo es geht. Egal wo ihr her kommt, von Westen oder Süden, der Marstall aber auch die Baronien Hexenhain und Hesindelburg werden Euch die notwendige Unterstützung gewähren. Und noch etwas, schaut auf Eurem Marsch unter die Meilensteine auf dem Fürstenweg, dort werde ich unsere aktuellen Marschziele hinterlegen, damit ihr nicht fehlgeht. Und jetzt bekommt ihr erst mal was anständiges zum Essen und einen Humpen Bier. Dann geht es ins Bett.“

Rosco Falkenblick erhob sich und es war das erste mal, dass Urion ihn mehr als einen Satz sprechen hörte. „Habt Dank, Herr Urion. Es erleichtert uns unseren Auftrag immens, dass ihr uns den Ritt nach Kressenburg erspart. Wir werden dem Fürsten die Botschaft so schnell wie möglich zustellen.“

Urion nickte , verließ kurz den Raum und kam wenig später zurück. Er drückte Bernhelm ein Kupferstück in die Hand. „Hier ist mein Abzeichen des Kupferkeilers. Als Mitglied der Gesellschaft der 42 trage ich es seit der Queste des Prinzen zur Rettung seines Bruders. Es sollte Euch den Zugang zum Fürsten erleichtern und Beleg für die Dringlichkeit unseres Ansinnens sein.“

Bernhelm schloss die Hand um das Emblem. „Ich werde es sicher verwahren, dessen seid gewiss.“

Nachdem die beiden den Raum verlassen hatten, wandte sich Urion an Artog und Rondrian: „Artog, sorge dafür, dass in einer halben Stunde Meldereiter für die Baronien Hesindelburg, Donfanger, Feldharsch, Nardesfeld und Zalgo bereit gemacht werden. Ferner möchte ich eine Reiter nach Hexenhain zu Hesindiane und Alrik schickst du verdeckt nach Greifenfurt zu Reto von Schattenstein. Reto ist der erfahrenere Stratege und muss jetzt wissen, mit wem er rechnen kann. Ich setze jetzt sofort die Botschaften auf. Die Süd- und Westbaronien sollen ihre verfügbaren Truppen sofort hier her in Marsch setzen. Wenn die Greifin hier eintrifft, möchte ich eine Großteil der Kräfte vor Ort haben.“ Artog nickte und stürmte zur Tür heraus.

„Die Nachricht an Ardo überbringst du ihm bitte selbst, Rondrian. Er muss schnellstmöglich seine Landwehr mobilisieren und bereithalten. Reite hin und setze ihn ins Bild. Er soll nicht zu früh losschlagen, weil wir nicht wissen, wo der Nebelsteiner derzeit ist und er muss auf jeden Fall auf die Befehle der Greifin warten. Am besten nähert ihr Euch vorsichtig der Stadt und bezieht Versteck bis weitere Order kommt. Wenn Ardo neue Erkenntnisse hat, lasst sie uns zukommen. Und Rondrian, Ardo ist ein Keilholtzer, aber er ist auch mein Freund und Garafanist und deshalb über jeden Zweifel erhaben. Wenn sein Onkel gefehlt hat, hat das nicht Ardo zu verantworten. Wenn er es einrichten kann, soll er hier her kommen. Ach und bevor ich es vergesse, sag ihm ich bräuchte seine Reiterei umgehend hier im Marstall. Wenn die Greifin marschiert, dann brauche ich zur Flankendeckung und Avantgarde alles, was ich an Kavallerie aufbieten kann.“

Rondrian erhob sich ebenfalls und drückte seinem Bruder die verbliebene Hand auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen, Urion, ich weiß, die Herrin wird an unserer Seite sein. Und seit ich Ardo kenne, hat er immer Wort gehalten. Nur schade, dass Vater auf diese Wallfahrt in den Schlund ziehen musste.“

„Wenn da nicht auch der Nebelsteiner seine Finger im Spiel hat. Vater war kurz vor seiner Abreise noch in Greifenfurt. Aber es hilft nichts, wir brauchen jetzt jede Klinge und jede Lanze. In Vaters Abwesenheit ist Hesindiane in der Pflicht. Sie muss die Hexenhainer Wehr führen. Ich werde alle mitnehmen, die Kämpfen können. Rudebrecht wird es allein schwer haben, aber es geht nicht anders. Denn glaubst du im Ernst, ich könnte Renzi hier halten, wenn die Greifin zu den Fahnen ruft. Die beiden pflegen einen regen Briefwechsel, seit die Greifin bei unserer Hochzeit war. Auch das Exil im Kloster Rabenhorst hat daran nichts geändert, zumal nach der Geburt unserer Zwillinge. Doch nun reite schnell zu Ardo und bringe Ihm die Botschaft. Sei aber vorsichtig, wer weiß, wo der Meister der Mark überall seine Spitzel hat. Möge die stürmische Göttin dir beistehen.“

Als Rondrian den Raum verlassen hatte, begab sich Urion in die Schreibstube und entzündete eine Öllampe. Im Sekretär fand er leeres Pergament, Tinte und Federkiel. Er machte sich daran, die Botschaften zu verfassen, als plötzlich sein Verwalter Rudebrecht von Jungsalm hinter ihm stand. „Ah, Rudebrecht, entschuldige, ich wollte dich nicht wecken.“ „Ist schon gut, Urion. Ich hörte Pferde im Hof und dachte mir, ich werde vielleicht gebraucht?“

Urion berichtete dem Verwalter alles, während er seine Botschaften zu Ende schrieb. „Lass mich eben die Meldereiter losschicken, dann müssen wir planen.“

Er griff die gesiegelten Botschaften, eilte durch den Raum und den Flur zur Haustür hinaus. Im Hof warteten bereits sieben Reitknechte auf eilig gesattelten Pferden. „Männer zuhören, hier sind Botschaften für die umliegenden Baronien und überbringt sie persönlich an die Barone. Reitet schnell und seid vorsichtig. Haltet nicht an und meidet es, gesehen zu werden, bis ihr an Eurem Ziel seid. Nur so viel, die Mark ist in großer Gefahr und der Feind kommt von Innen. Wenn Euch die Barone fragen, was es mit der Botschaft auf sich hat, dann sagt ich hätte euch aufgetragen, alles wichtige stünde in der Botschaft. Wenn man euch festsetzt, dann verzagt nicht.“

Er verteilte sechs Pergamentrollen und wies den Reitern die Ziele zu. Gerade als die sechs Reiter auf das Tor zuritten, schloss sich Ihnen Rondrian auf seinem Schlachtross an. Urion wandte sich nun seinem Vormann zu. „Alrik, du reitest nach Greifenfurt. Du kennst den Edlen von Schattenstein, den ehemaligen Heermeister der Mark. Nimm vorsichtig zu ihm Kontakt auf. Sag ihm ich würde dich schicken und wenn er einen Beweis verlangt, dann nenne das Kennwort: Finsterwacht. Dann weiß er, dass ich dich schicke. Sag ihm, ich wäre über den Verrat des Meisters der Mark im Bilde und hätte meine Aufträge vom Prinzen erhalten. Ich warte auf die Greifin und schließe mich ihr an. Wir stellen alles unter Waffen, was laufen kann. Ardo kommt mit seiner Landwehr von Süden bis vor die Stadt und bezieht dort Versteck, bis die Lage klar ist. Bernhelm ist bereits auf dem Weg zum Fürsten des Kosch! Sag dem Edlen, du könntest eine Antwort sofort mitnehmen, und kommst dann so schnell wie möglich zurück.“

Jetzt, da die Meldereiter unterwegs waren fiel ein Teil der Last von Urions Schultern. Dennoch lag der größte Teil der Arbeit noch vor ihm. Bis zum frühen Morgen besprach er sich mit seinem Verwalter, plante und organisierte. Sollten die Truppen vor der Markgräfin eintreffen, musste sie untergebracht und verpflegt werden. Aber auch für den weiteren Feldzug mussten sie genügend Proviant mitführen. Die Scheunen des Gutes und des Marstalls waren relativ gut gefüllt, und Urion wusste, dass er einen Teil würde hierlassen müssen, wollte er die Zucht nicht gefährden. Das gleiche traf die Bewohner zu. Er konnte mit drei Reitknechten eine Rumpfbetrieb sicherstellen. Der Rest wäre eine willkommene Verstärkung der leichten Kavallerie. Sowohl in den Reitkünsten als auch im Kampf mit Lanze und Schwert würden sie es mit durchschnittlichen Kämpfern aufnehmen können, den sie hatten jahrelang, tagein tagaus nichts anderes getan. Viel wichtiger waren Sie für Urion aber als flinke Botenreiter und Späher.

Noch bevor die Dämmerung einbrach ließ er Bernhelm und Rosco wecken. Mit Proviant und Pferden versorgt preschten sie durch das große Tor und waren alsbald im Südwesten verschwunden.

Kurze Zeit später verließ auch eine berittene Patrouille den Marstall gen Hesindelburg, um möglichst früh den Zug der Greifin auszumachen und zu melden.

Mit dem wichtigsten Auftrag jedoch betraute Urion seine Schwester Meran. Sie würde sich in den Osten an die Grenze zur Wildermark begeben, um in Erfahrung zu bringen, was die Absichten des Nebelsteiners waren und wo er sich befand.

An diesem Tag wurde nach den Planungen Rudebrechts und Urions die Arbeit auf dem Marstalls umgestellt. Über Nacht war der Krieg in die Mark zurückgekehrt. Erst jetzt wurde Urion erschreckend klar, dass es nicht die Schwarzpelze waren, sondern ein Fall, den er für eigentlich unmöglich gehalten hatte. Die Einheit der Provinz stand auf dem Spiel. Wenn es der Götter Wille ist, dass wir den Sieg davontragen, werden wir nicht nur einen Krieg gewinnen. Dann werden wir alle auch einen hohen Blutzoll zu entrichten haben. Bruder gegen Bruder. Und schon dachte er daran, dass sie derart geschwächt eine leichte Beute für die Schwarzpelze sein würden.

Mobilmachung in Kressenburg

Kressenburg, Ende Phex 1034 BF

Rondrian war schnell und hart geritten und hatte dabei weder sich noch sein Ross geschont. Bei tiefster Nacht hatte er die Breite an einer Furt überquert, nachdem er sich und dem Pferd eine einzige kurze Rast gewährte, danach ritt in den ganzen Morgen durch Königsgau und erreichte kurz vor der Mittagsstunde schließlich die Stadttore Kressenburgs. Die Büttel ließen ihn ohne zu zögern passieren und er sprengte wort- und grußlos an ihnen vorbei den Burgberg hinauf. Erst auf dem Burghof hielt er sein Ross vor dem lieblich angelegten Brunnen an und war schneller an der Tür zum Palas, als die Pferdeknechte aus der Scheune kommen konnten um zu sehen wer es denn da so eilig hätte.

Die erste Person die Rondrian begegnete war ein rundlicher Zwerg mittleren Alters mit gepflegtem, kunstvoll geflochtenem Bart und feiner Kleidung. In der rechten Hand den Stab des Majordomus haltend kam er dem Geweihten aus einem seitlichen Gemach entgegen. Nach einem kurzen Blick auf die Insignien verbeugte sich der Zwerg artig und machte eine einladende Geste in Richtung des Burginneren.

„Euer Gnaden, bitte tretet näher. Euer Besuch ehrt unser Haus. Darf ich mich nach Eurem Namen und nach Eurem Begehr erkundigen?“

„Mein Name ist Rondrian von Reiffenberg. Ich bin hier um Baron Ardo eine persönliche Nachricht meines Bruders Urion zu überbringen,“ sagte er mit lauter aber nicht schroffer Stimme. „Ist er zu sprechen? Es eilt und duldet keinen Aufschub.“

„Natürlich. Wenn Ihr mir bitte ins Arbeitszimmer folgen wollt. Seine Hochgeboren von Keilholtz wird erfreut sein Euch zu empfangen.“

Der Majordomus drehte sich auf den Hacken um und schritt Rondrian so schnell es seine Zwergenbeine zuließen voraus. Am Ende des Ganges ging es über eine Wendeltreppe einen Turm hinauf bis der Zwerg schließlich vor einer schweren Eichentür stehen blieb und mit dem Knauf seines Stabes dreimal gewichtig daran klopfte. Von drinnen erklang ein gedämpfter Ruf woraufhin er ohne weiteres Zögern die Klinke ergriff, die Tür aufschob und eintrat.

„Ugrimm! Was gibt es?“ Am schweren Arbeitstisch saßen sich Ardo und sein Vogt Phexian gegenüber. Diversen Pergamentrollen und ein schwerer Foliant lagen offen auf dem Tisch und schienen bis eben das Gesprächsthema gewesen zu sein.

„Ich bitte die Störung zu verzeihen Euer Hochgeboren, aber Ihr habt wichtigen Besuch. Ihro Gnaden von Reiffenberg wünscht umgehend ein Gespräch.“

„Wer? Ach, Rondrian! Willkommen auf der Kressenburg!“ Der Baron sprang sogleich auf um den Reiffenberger freudig zu begrüßen. Die ernste Miene des Geweihten ließ ihn jedoch innehalten. „Ist mit Urion und Renzi alles in Ordnung? Es wird doch den Kindern nichts zugestoßen sein.“

„Nichts dergleichen.“ Rondrian hob beschwichtigend die rechte Hand und trat näher. „Dennoch komme ich mit schlimmer Botschaft und dringlicher Bitte von Urion. Die Mark und das Reich sind in großer Gefahr.“

Mit wenigen Sätzen erklärte der Geweihte der Leuin den erstaunten Zuhörern was sich zugetragen hatte und was von ihnen erwartet wurde. Ardo schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf als könne oder wolle er das Gehörte nicht begreifen. Schließlich hatte Rondrian geendet und sah Baron und Vogt erwartungsvoll an. Der Keilholtzer wirkte noch immer wie vor den Kopf gestoßen und es bedurfte eines lauten Räusperns des Kieselholmers um ihn zu sich zu bringen.

„Ja was soll man dazu sagen? Der Meister der Mark ein Verräter an Greifenfurt und dem Reich. Das hätte ich ehrlich niemals erwartet. Wenn ich nur daran denke wie ich ihm gegenüber vor zwei Götterläufen den Lehnseid auf die Mark geleistet habe. Die Landwehren habe ich in seinem Namen geübt und nun wird er sie gegen das Reich verwenden. Und dazu Verräter in den Reihen meiner eigenen Familie! Praiossanctus, gib mir Kraft oh Götterfürst!“ Donnernd krachte Ardos Faust auf den massiven Eichentisch. „Das werde ich nicht zulassen!“

„Niemand bezweifelt deine Loyalität zur Greifin und zur Mark, ganz gleich welche Verfehlungen man anderen deiner Familie vorwerfen kann.“ Rondrian nahm den Eifer des jungen Barons mit einem Lächeln zur Kenntnis, beschwichtigte ihn jedoch sogleich. Gerechter Zorn mochte im Kampf hilfreich sein, aber bei den anstehenden Planungen hieß es einen kühlen Kopf zu bewahren um dem Verräter auch mit unterlegenen Kräften einen guten Kampf zu liefern. „Urion hat mich persönlich geschickt um dir das zu sagen und um dich an seine Seite zu bitten sobald es dir möglich ist. Der Bund des Garafan soll an der Seite der Markgräfin in den Kampf ziehen. Zusätzlich zieht mein Bruder alles an Reiterei zusammen was er in der Kürze der Zeit bekommen kann.“

„Natürlich werde ich sobald als möglich aufbrechen. Ginge es nur um mich würde ich sofort und durch die NAcht reiten und wäre morgen früh in Rosskuppe. Aber ich fürchte das hier bedarf größerer Vorbereitung.“ Der Baron überlegte wohl eine Minute lang und fing dann schließlich an Befehle zu geben.

„Ugrimm, geh in den Hof und schick die Pferdeknechte mit Nachricht zu meinen Vasallen. Kieselbronn, Praiostann, Immingen. Schicke auch nach meinen Großvater, er möge sich hier einfinden. So gern ich ihm das auf seine alten Tage ersparen würde, aber wir brauchen jedes Schwert. Sie sollen sofort alles stehen und liegen lassen und noch bis heute Nacht auf der der Kressenburg sein. Dann können wir morgen früh zu Urion reiten. Die restlichen Ritter werden heute Nachmittag mit dem Erztransport aus Sturmhöhe zurückerwartet. Außerdem soll die Landwehr ausgehoben werden. Die meisten kommen sowieso hier aus Kressenburg oder aus Tsanau selbst, aber einige werden von abgelegenen Höfen marschieren müssen. Sie sollen binnen zehn Tagen hier sein und werden dann von Phexian nach Greifenfurt gebracht.“ Mit einem Wink entließ er den Zwerg, der eilfertig davon stob.

„Phexian, du kümmerst dich auch um die Zusammenstellung des Trosses. Ich weiß, die Lager sind nach dem Winter fast leer, aber sieh zu, dass die Truppe gut versorgt ist. Leerer Bauch kämpft nicht gut. Was wir an zusätzlichen Wagen und Karren brauchen wird im Ort requiriert, zur Bespannung nimm die Rückpferde aus dem Forst.“ Mit einem schweren Seufzer blickte Ardo durch das Fenster auf das Land hinaus. „Wo wir bei den Pferden sind, ich werde wohl HIDALGO reiten müssen, den alten Warunker. Mein BOROMIL ist noch mit Mechthild auf dem Weg ins Bornland. Zudem habe ich weder meinen Pagen noch meine Knappin an der Seite. Ich werde wohl wieder beim Stadtkommandanten nachfragen müssen, ob ich mir Hamfast ausborgen kann. Und bei Gelegenheit kümmere ich mich um einen Zweitknappen.“ Mit einer entschlossenen Geste wischte er seine eigenen Bedenken beiseite. „Aber es sei wie es ist. Wir sollten schauen, dass wir weitere Unterstützung bekommen und die Nachbarn warnen, Eslamsroden voran. Praiossanctus, ich muss Greifwin Nachricht senden!“

Hier machte Rondrian eine Geste um ihm das Wort abzuschneiden. „Vielleicht solltest du das besser nicht tun Ardo. Wir wissen nicht wie vertrauenswürdig dieser Zweig deiner Familie ist. Immerhin ist der Finsterkammer einer der Anführer des Verrats. Du bist nur ins Vertrauen gezogen worden, weil du als Garafanist über jeden Zweifel erhaben bist und Urion dich persönlich sehr schätzt. Doch das gilt nicht für alle deine Anverwandten, so schmerzlich das für dich auch sein mag.“

„Greifwin mag mehr als ich auf seinen eigenen Vorteil bei allem bedacht sein, aber er stand immer loyal zur Mark!“ Erregt verteidigte Ardo seinen Vetter und musste sich zusammennehmen den Geweihten nicht ungebührlich anzubrüllen. Zähneknirschend gab er dann jedoch unter dem strengen Blick Rondrians nach. „Zugegeben, er wäre uns im Moment wohl auch keine große Hilfe. Er selbst ist mehr Krämer denn Ritter und seine Position als Baron ist nach wie vor so schwach, dass ihm abgesehen von seinen Geschwistern wohl keiner seiner Vasallen in den Kampf folgen würde. Doch ich fürchte die Entscheidung ihn nicht vor dem falschen Spiel des Nebelsteiners zu warnen, könnte meinen Vetter unwissentlich und ungewollt ins Lager der Verräter treiben.“

„Das ist ein Risiko welches wir eingehen müssen. Wichtiger als wirklich jeden einzelnen Streiter in unsere Reihen zu rufen ist es, den Verräter nicht eher als notwendig davon in Kenntnis zu setzen, dass seine Ränke aufgeflogen sind. Im Moment zieht er mit seinen Truppen vom Finsterkamm in Richtung Wildermark. Wir wissen nicht genau wo er gerade steckt, auch wenn Urion schon Meran auf dieses Problem angesetzt hat. Aber Tilldan schart auf seinem Weg sicherlich die ahnungslosen Vasallen der Greifin und die Landwehren um sich, was ihn Zeit kostet. So lange er sich unentdeckt glaubt, können wir ihn vielleicht noch stellen bevor er die Greifenfurter Gemarkungen verlässt. Ist er aber erst einmal aufgeschreckt wird er jedes weitere Zögern vermeiden und wir werden ihn nicht mehr aufhalten können.“

Ardo nickte einsichtig, wenngleich ihm der Gedanke Greifwin, Praiadne und ihre Brüder im Unwissen zu lassen trotzdem nicht gefiel. „Dann sollten wir trotzdem jene die wir gefahrlos erreichen können möglichst vollzählig unter dem Banner der Greifin versammeln. Zum Beispiel hat Urion Königsgau nicht bedacht. Die Mersingerin, wenn sie denn zugegen ist, aber auf jeden Fall die Königsgauer Junker und Ritter werden mit Sicherheit mit uns ziehen. Auerbach, Waldschatten, die Rübenhainer Ritter, sie alle könnten heute noch alarmiert werden und morgen mit uns nach Rosskuppe reiten.“

„Du hast Recht Ardo, der Gedanke ist uns nicht gekommen. Aber meine vorrangige Aufgabe war es dich zu warnen und an der Greifin Seite zu holen. Dabei bin ich wahrscheinlich sogar an einigen ihrer Höfe vorbeigeritten.“ Jetzt war es an Rondrian sich zu ärgern und er schlug mit Wucht seinen Armstumpf in die rechte Hand. „Du brauchst nicht noch einen Boten schicken, ich werde das auf dem Rückweg persönlich übernehmen und die Königsgauer Ritterschaft nach Niemith rufen. Dort werden wir uns euch anschließen wenn ihr morgen Mittag dort durchkommt. Hier ist alles gesagt und entschieden was ich wissen musste und ich werde es Urion getreulich berichten. Wir sehen uns dann morgen Abend auf dem Marstall.“ Er reichte Ardo und Phexian die Schwerthand und ging eben so schnell wie er gekommen war den Turm hinunter zu seinem Ross. Keine fünf Minuten später hörte man den Geweihten vom Hof traben.

Kressenburger Waffenschau

Kressenburg, Ende Phex 1034 BF

Seit mehr als zwanzig Götterläufen hatte man in dem Marktflecken Kressenburg nicht mehr so viele Bewaffnete auf einmal gesehen. Ein Dutzend Ritter aus der ganzen Baronie samt ihrem Gefolge tummelten sich auf dem Markplatz, und breiteten sich unter dem Banner Ardos darauf vor nach Hexenhain zu reiten.

Der verbitterte Junker Balduin, dessen Bogenschützen aus Kieselbronn einen sehr guten Ruf besaßen und der einst selbst ein begnadeter Bogenschütze gewesen war, bis Waldsteiner Marodeure ihm Anfang des Götterlaufs die Schildhand abgeschlagen hatten. Des Junkers jüngerer Bruder Kasimir und ihr Schwager Alwin, welche den Baron in den letzten Götterläufen schon oft bei anderen Gelegenheiten begleitet hatten. Der grimmige Ritter Wulfhart, der Vater des Barons und in Friedenszeiten Anführer der Kressenburger Ritterschar. Der strenge Ritter Braniborian, dessen praiosfrommer Blick keine Ungerechtigkeit und keinen Müßiggang duldete. Der beleibte Ritter Arnulf, in seiner Jugend ein begeisterter, wenn auch erfolgloser Tjoster, mit dreien seiner Töchter. Isolde, Bärlinde und Wolfhilde, die der alte Imminger selbst zu stolzen Ritterinnen ausgebildet hatte. Der fast greise Ritter Bernhelm, der sein kleines Gut am Rande des Reichsforstes seit beinahe vier mal zwölf Jahren durch allen Unbill der Zeiten seit Kaiser Reto führte. Der junge Eldwin, Gralshüter der Ritter von Korbronn, war ob seiner Aufregung vor dem ersten echten Waffengang seit seinem Ritterschlag wieder so nervös wie dereinst als Knappe. Zum ersten Mal seit dem Orkensturm sah man auch den betagten Vogt Phexian wieder in seiner alten Brünne hoch zu Ross, wenn er auch nur hier war um den Baron und die anderen zu verabschieden. Lediglich Junkerin Faralda fehlte, denn sie weilte mal wieder im fernen Süden, bei einem ihrer dubiosen Bekannten aus ihrer bewegten Jugend.

Zusammen mit ihren Pagen und Knappen bildeten sie eine Streitmacht, die jeden im Ort vor Ehrfurcht staunen ließ und auch dem Baron ging das Herz auf als er seine Vasallen zum ersten Mal vollzählig und kampfbereit versammelt sah. Noch wusste niemand hier worum es eigentlich ging und die meisten Bauern fürchteten sich vor einem erneuten Einfall der Schwarzpelze. Und so sammelte sich viel neugieriges Volk als Ardo vor die in einer Reihe auf dem Marktplatz vor dem Praios-Kloster aufgestellten Ritter ritt und mit lauter, weit tragender Stimme zu sprechen begann.

„Ihr tapferen Männer und Frauen Kressenburgs! Großes Unheil zieht über der stolzen Mark Greifenfurt herauf. Der Meister der Mark hat sich als schurkischer Verräter an Reich und Mark erwiesen. Er hat im Geheimen im ergebene Soldaten ausgehoben und ist nun drauf und dran das Land mit Feuer und Schwert zu überziehen. Seit dem Winter hielt er unseren Prinzen Edelbrecht und weitere treue Ritter auf einer Burg im Finsterkamm gefangen, weil sie seinen Ränken auf die Spur gekommen waren. Der Prinz und seine Getreuen konnten jedoch vor wenigen Tagen entkommen und haben uns eine Warnung geschickt. Der Verräter Tilldan aber schart zur Stunde bereits weitere Truppen um sich. Die Landwehren des Nordens und Ritter, so wie ihr, die von seinem Verrat noch nichts wissen und im Glauben wider die Wildermark zu ziehen vom Finsterkamm gen Süden marschieren. Noch wissen wir nicht was seine Ziel ist und wohin er seine Truppen lenken wird, aber eines ist gewiss: Dass wir uns ihm entgegenstellen werden und dabei keinen Fuß breit märkischen Boden preisgeben werden, auf Gedeih oder Verderben!“

In überraschte und erboste Gesichter blickend machte Ardo eine Pause um Luft zu schöpfen. In den Reihen der Bürger um ihn herum kam Unruhe und lautes Gemurmel auf. Seinen Vasallen und Untertanen diese schlechte Nachricht zu verkünden war ihm nicht leichtgefallen, doch war es seine Pflicht und Aufgabe als ihr Baron und Lehnsherr. Er war sehr froh darüber, dass er ihnen wenigstens einen kleinen Hoffnungsschimmer mit auf den Weg geben konnte und wandte sich bei den folgenden Worten nicht nur den Ritter vor ihm, sondern auch den Menschen um sich herum zu.

„Doch verzaget nicht, ihr tapferen Männer und Frauen Kressenburgs, denn es gibt Hoffnung! Wisset, dass in dieser verzweifelten Stunde, wo das Schild des Reiches zu wanken und zu weichen scheint, unsere geliebte Markgräfin nach langer Krankheit endlich zu uns zurückgekehrt ist!“

Lauter Jubel aus hunderten Kehlen unterbrach Rede des Kressenburger Barons, als Ritter und Bürger wie aus einem Mund ihrer Freude und Erleichterung Luft machten. Ardo musste einige Moment abwarten bis sich alle wieder soweit beruhigt hatten, dass man ihn über das allgemeine Gemurmel wieder hören konnte.

„Die Greifin höchst selbst steht an der Spitze der reichstreuen märkischen Truppen und ruft ihre Getreuen zum Kriegsrat! Zu dieser Stunde strömen Ritter und Bewaffnete wie wir herbei, dem Ruf der Greifin folgend. Unter ihrem Banner ziehen wir gegen den Verräter und mit der Götter Segen werden wir ihn niederwerfen!“

Noch lauter war das Gejohle als Ardo geendet hatte. Seiner Ritter schlugen die Schwerter an die Schilde als würde es just in diesem Moment in die Schlacht gehen. Er genoss den erhebenden Anblick seiner Gefolgsleute und gab ihnen dann das Zeichen sich marschbereit zu machen. Während die Ritter sich vorbereiteten, lenkte der Baron sein Pferd neben seinen Vogt, der ihn mit einem aufrichtigen Lächeln begrüßte. „Du verstehst es zu begeistern mein Junge.“

„Motivation ist so wichtig wie die reine Kampfkraft, das lernt man schnell in der Armee. Vor allem bei den öden Nachtwachen. Ich hoffe darauf, dass dieser Kampfeswille uns Stärke und Flügel verleiht. Denn Tilldan wird deutlich mehr Truppen um sich scharen können als wir und er ist uns einige Tage voraus.“ Ardos Miene zeigte Besorgnis und Unsicherheit ob der vor ihnen liegenden Aufgabe. „Wenn wir das Glück haben ihn noch auf märkischen Boden stellen zu können, werden wir Rondras ungeteilte Aufmerksamkeit und ihres ganzen Wohlwollens bedürfen, um den Reichsverräter auf offenem Feld schlagen zu können. Wir müssen darauf vertrauen, dass die Greifin seinen unwissenden Gefolgsleuten die Augen öffnet und sie auf unsere Seite zieht bevor es zum Kampf kommt. Aber die wahren Verräter werden sich wohl kaum kampflos unserer Gnade ergeben, dafür sind sie zu weit gegangen.“

Phexian nickte nachdenklich und sah dann die Straße hinab. „Also brecht ihr nun auf?“

„Das tun wir. Aber ich möchte dich noch einmal bitten die Landwehr so schnell wie möglich nach Greifenfurt zu führen. In neun Tagen sollen alle hier versammelt sein, am zwölften Tag erwarte ich euch in Greifenfurt. Sieh zu, dass der Tross bis dahin steht und ihr nur noch die Nachzügler ausrüsten müsst. Ich hätte die Landwehr gerne selber angeführt wo ich sie schon mondelang ausgebildet habe, aber muss einfach dabei sein wenn die weiteren Schritte entschieden werden. Allein um zu zeigen, dass nicht alle aus meiner Familie Verräter sind. Es ist schlimm genug, dass der Finsterkammer sich als ein solcher erwiesen hat. Deswegen kann ich nicht auf die Landwehr warten.“

„Und ich nehme an diese Ehre wird mir zuteil, weil ich jeden Kressenburger seit Geburt und mit Namen kenne, wie es manches Mal hinter meinen Rücken gesagt wird?“

„Genau.“ Unwillkürlich musste Ardo lächeln. Natürlich kannte Phexian diese Sprüche, auch wenn ihm dies nie jemand ins Gesicht gesagt hätte. So gut wie nichts in Kressenburg blieb dem tüchtigen Vogt verborgen. Manchmal war dem Keilholtzer das fast unheimlich. „Dich kennen die Leute und du bist ihnen seit vielen Götterläufen ein vertrautes Gesicht. So entsteht am wenigsten Unruhe, denn wenn die erste Euphorie in ein paar Stunden verflogen ist, werden bei den Leuten die alten Sorgen wieder aufbrechen. Bring die Truppe vollzählig zur Stadt, damit wir unsere Pflicht für die Mark erfüllen können.“

„Wohlan, dann reite mit meinem Segen Junge. Wir kommen so schnell es geht hinterher.“

Ardo nickte seinen ehemaligen Schwertvater dankbar zu, schwenkte sein Pferd scharf um und setzte sich neben Junker Balduin an die Spitze seiner Ritterschar. Alle senkten die Köpfe für ein letztes Gebet vor dem Praios-Kloster, von dessen Stufen aus Prätor Badilak ihnen Praios’ Segen mit auf den Weg gab. Dann ritten der Baron und seine Getreuen unter dem Jubel der Städter an und folgten dem Verlauf der Hauptsraße den Berg hinab. Hinter den Knappen und Pagen reihte sich Bruder Praiomel ein, den der Kressenburger Lichthüter den Ausziehenden als seelischen Beistand im Feld mitgegeben hatte. Bis zum Stadttor rannten ihnen die Kinder nach und im Zwergenviertel säumten viele Angroschim den Weg um ihnen zuzuprosten. Hinter dem Stadttor bog die Gruppe auf die Straße nach Greifenfurt ein und schon nach wenigen Minuten waren die Ritter hinter der nächsten Hügelkuppe verschwunden.

Die Dorfbewohner aber machten sich nach und nach auf und gingen in ihre Handwerksstuben oder auf die Äcker. Krieg hin oder her, Sensen mussten geschmiedet, Tische gehobelt, Schuhe besohlt und die Felder bestellt werden, bevor in ein paar Tagen die kräftigsten Männer und Frauen für den Baron in den Kampf zogen. Aber so war es schon immer gewesen, ob gegen den Ork, falsche Kaiser oder den schrecklichen Feind im Osten.

Die Kressenburger kommen

Edlengut Rosskuppe, Ende Phex 1034 BF

Die sich nähernde Reitertruppe war durchaus beeindruckend. Wohl zwei Dutzend Ritter und ihr Gefolge ritten in Zweierreihe von Donfanger kommend auf das Gut Rosskuppe zu. Die Panzer und Kettenhemden spiegelten sich im Schein der untergehenden Abendsonne und ab und an sah man eine Lanzenspitze aufblitzen.

Die Neuankömmlinge waren schon lange bevor sie in Sichtweite des Edlengutes gekommen waren von einem umherstreifenden Pferdeknechte entdeckt und gemeldet worden. Nur auf die Wappen hatte der Junge in seiner Aufregung nicht geachtet. Inzwischen war alles auf dem Gut in Alarmbereitschaft versetzt worden, denn es waren unruhige Zeiten und kaum jemand konnte sich dieser Tage über Freund und Feind wirklich sicher sein. Auf der letzten Hügelkuppe vor Gut Rosskuppe hielt der Tross an, denn die Reiter schienen das hektisch geordnete Durcheinander welches sie verursacht hatten bemerkt zu haben. Einer der beiden Reiter an der Spitze schien einen Befehl zu rufen, woraufhin ihm aus den hinteren Reihen eine Stange mit einem großen Banner gebracht wurde. Sorgsam entrollte der Ritter die Fahne und bugsierte die Stange dann in seine Stiefelschaft um sie auf dem Pferd besser handhaben zu können, bevor alle ihre Pferde wieder in Trab versetzten. Über dem Reiter an der Spitze strahlte nun im rötlichen Schein der letzten Sonnenstrahlen auf dunkelgrünem Grund ein Amboss unter zwei gekreuzten Schmiedehämmern in Gold.

Erleichtert lächelnd blickte Urion zu seiner Frau, die mit ihm auf der Wehrmauer stand. „Die Kressenburger kommen!“

Eine starke Truppe

Edlengut Rosskuppe, Ende Phex 1034 BF

Urion gab den Schützen und Speerträgern Befehl wegzutreten und stürmte dann zum schweren Eichentor, das langsam von den Wachen aufgezogen wurde. Er saß auf sein Schlachtross auf und trieb es vorwärts, den Reitern entgegen.

„Bei Rondra, Ardo von Keilholtz, noch nie war ich froher dein Banner wehen zu sehen. Ich grüße auch Euch ihr Edlen der Mark, die Ihr der Greifin Ruf so treu gefolgt seid.“ Er verneigte sich leicht im Sattel und wies in Richtung der untergehenden Praiosscheibe. „Lasst uns zum Marstall reiten. Mein Verwalter wird euch Euer Quartier zuweisen, die Knappen könne die Zelte gleich seitlich vom Tor aufbauen.“

Während die ganze Kavallkade gen Efferd einschwenkte gesellte sich auch Renzi zu ihnen und begrüßte Ardo und die Ritter freundlich.

„Es ist gut, dass du so schnell kommen konntest Ardo, spätestens übermorgen erwarte ich die restlichen Landwehren aus dem Süden und in drei Tagen sollte auch die Greifin hier sein. Meine Späher sind in der ganzen nördlichen Breitenau unterwegs und überwachen jeden Weg. Dazu kommen noch Fußpatrouillen und Jagdtrupps. Einer davon hat deine Annäherung bemerkt und uns gewarnt. Ich freue mich, dass du gleich die schwere Kavallerie zusammengezogen hast. Eine solch starke Truppe werden wir brauchen, denn nach meinen Berechnungen sind wir dem Verräter weit unterlegen. Sag, was konntest du in der Kürze der Zeit noch alles mobilisieren?“

„Rondrian hat zur Eile gemahnt, also habe ich alles stehen und liegen lassen, um zu dir zu eilen.“ Mit ein wenig Stolz zeigte er auf die Reitertruppe hinter ihnen. „Neben der Kressenburger Ritternschaft habe ich noch ein halbes Dutzend aus Königsgau mitgebracht. Die Pfalzgräfin hat sie meinem Befehl unterstellt, zumindest bis ich sie den Truppen der Greifin zu geführt habe, denn die Mersingerin ist keine Frau des Schwertes und wird in Niemith bleiben. Allerdings hat sie zugesagt eine größere Lieferung für die Versorgung von Tross und Truppen zusammenzustellen. Ansonsten wird vor allem noch die Landwehr zu uns stoßen, die Königsgauer und in Greifenfurt meine Kressenburger. Mein Vogt wird sie zur Stadt führen wenn alle Kämpfer beisammen sind.“

„Das ist mehr als ich erwartet habe. Ich hoffe nur, dass Phexian sich mit den Truppen nicht zu früh vor Greifenfurt blicken lässt. Reto und ein paar Getreue sind in der Stadt und ein Banner Langschwerter. Reto ist sich sicher, dass sie auf unsere Seite kommen. Ferner hat der Meister der Mark überall seine Informanten. Er soll so spät wie möglich von unseren Absichten erfahren. Meran ist bereits unterwegs um ihn auszuspähen. Wenn es sein muss auch mittels Magie. Du kennst sie ja.“

„Dann werde ich Phexian noch einmal Nachricht schicken, dass er mit der Landwehr in Tsanau warten soll, bis wir aufbrechen. Ich hoffe Meran findet den Verräter schnell genug, damit wir noch rechtzeitig verhindern können, was immer er auch planen mag.“

Sie hatten den Marstall erreicht und Ardo konnte beiderseits des großen Eichentores viele bunte Zelte erkennen. Überall brannten Lagerfeuer an denen vereinzelt Männer und Frauen herumstanden. Gleich neben dem Tor stand ein großer Leiterwagen, an dem die Mägde des Marstalls aus großen Kupferkesseln Suppe Ausgaben.

Als sie den Innhof erreicht hatten hob Urion die Hand und wandte sich der Rittern zu. „Ardo, ihr edlen Herren und Damen ich bitte Euch mir in die große Halle zu folgen. Ich werden allen Edlen die neusten Informationen geben und dann müssen wir unser Vorgehen in den nächsten Tagen beraten. Wenn die Greifin hier eintrifft, muss alles marschbereit sein.“

Der Keilholtzer gab den Reitern das Zeichen abzusitzen. Die Zügel wurden den Pagen und Knappen übergeben, die die Tiere wegführten, während die Ritter Urion und Renzi folgend das Haus betraten.

Ritter Hagen

Auf dem Ingerimmsturnier zu Eslamsgrund

Eslamsgrund, 1. Ingerimm 1035 BF

Scheppernd schlugen die Schilde der beiden letzten Kontrahenten zusammen. Die Pferde der Reiter wichen keinen Zentimeter zurück und so war es für einige Augenblicke ein stummer Ringkampf purer Kraft. Schließlich setzte sich der größere Kämpfer durch und verschaffte sich eine Lücke in der Deckung seiner Gegnerin. Er zögerte nicht und gleich darauf prallten seine Schläge wuchtig gegen den Helm der jungen Frau, die ihr Schwert zu spät zur Abwehr erhoben hatte. Erschrocken lenkte sie ihr Pferd zur Seite um von dem überlegenen Kontrahenten wegzukommen, doch dieser setzte entschlossen nach um sich den errungenen Vorteil nicht wieder nehmen zu lassen und setzte weitere Treffer. Schließlich ließ das Mädchen als Zeichen der Aufgabe und um sich besser halten zu können ihr Schwert fallen und glitt halb benommen aus dem Sattel.

Jubelnd riss sich Hagen den Helm vom Kopf und das stumpfe Kurzschwert in die Luft und machte seiner Freude mit einem lauten Aufschrei Luft. Als letzter der angetretenen Knappenschar saß er noch auf seinem Ross und durfte nun als Sieger des Knappenbuhurts an der Tjost der Ritter teilnehmen. Eine größere Ehre konnte sich der junge Schlunder nicht vorstellen. Mit stolzgeschwellter Brust und pochendem Herzen ritt er zur Ehrentribüne wo er vom warmen Applaus und vereinzeltem Jubel der Zuschauer empfangen wurde.

Nach der offiziellen Ehrung beeilte sich Hagen abzusteigen und zu seinem Schwertvaters zu gelangen. Der hoch hängende Wimpel mit der weißen Hand auf rotem Grund wies ihm den Weg durch das Gewirr der Menschen, die ihm immer wieder anerkennend auf die Schultern klopften und aufmunternd zuriefen. Kurz vor seinem Ziel bildete sich eine Gasse durch die er auf den alten Ritter zuschritt.

„Ich gratuliere dir Hagen. Du hast dich beachtlich gut geschlagen.“ Der Stolz schwang in Ritter Linnarts Stimme unüberhörbar mit. „Keiner meiner Knappen oder der Knappen meiner Schwester hat es bisher geschafft solch ein bedeutendes Turnier für sich zu entscheiden. Noch dazu in so beeindruckender Manier wie du es getan hast. Egal wie du nachher in der Tjost abschneidest, für alle Knappen des Reiches wird diese Saison Hagens Jahr sein!“ Zustimmendes Gemurmel erhob sich aus den Reihen der Umstehenden.

Demütig senkte der Gelobte das Haupt vor seinem inzwischen weißhaarigen Schwertvater. „Alles was ich kann habt Ihr mich gelehrt. Es ist Euer Sieg noch mehr als der meine.“

Der alte Mann lacht jovial. „Zuviel der Ehre mein Junge. Bei deinen Anlagen musste einfach ein guter Turnierreiter aus dir werden. Ich habe nur geformt was Rondra mir gegeben hat. Bei den Zwölfen, die weißt gar nicht wie stolz ich auf dich bin.“ Hagen sah auf doch wandte er den Blick sogleich wieder ab als er die feuchten Augen des alten Ritters sah. „Nun ist als eingetreten wovor ich mich fast ein wenig gefürchtet habe und es bleibt mir nur noch eines zu tun.“ Verständnislos blickte der Knappe zu seinem Ritter auf.

„Knie nieder, mein Sohn.“ Diese Worte aus dem Mund des kinderlosen, ewigen Junggesellen ließen Hagen hart schlucken. Ohne ein Wort folgte er der Anweisung seines Schwertvaters und unter den Umstehenden erhob sich gedämpftes Gemurmel in Erwartung des folgenden Geschehens. Die Stimme des alten Ritters war erst brüchig, wurde jedoch mit jedem Wort fester als er langsam das Schwert aus der Scheide zog und es über dem Kopf des vor ihm knienden Knappen schweben ließ. „Hagen von Hartwalden-Hartsteen, sechs Götterläufe lang warst du mein treuer und gehorsamer Knappe. Vor diesen Zeugen hier entlasse ich dich nun aus meiner Obhut und als Ritter Hagen sollst du fortan bekannt sein.“ Während er sprach ließ Linnart die Schwertspitze langsam auf die Schultern des Knienden sinken. „Sei Schild und Schutz der Schwachen, sei stets ehrenvoll im Kampf und verteidige die Gebote der Zwölfe wo und wann immer es nötig ist.“ Mit einem leisen metallischen Schleifen glitt die Klinge zurück in die Scheide. „Nun erhebe dich Ritter Hagen und erhalte den letzten Schlag den du im Leben ungesühnt hinnehmen darfst und musst.“ Der junge Ritter tat wie ihm geheißen. Festen Blickes wappnete er sich, als er des weit ausgeholten Arms seines Schwertvaters gewahr wurde. Laut klatschte die flache Hand Linnarts auf Hagens linke Wange. Hagen wankte einen Moment und musste kleine Sterne wegblinzeln, aber unter dem Jubel der Umstehenden fing er sich sofort wieder. Mit einem Lächeln trat der alte Hartweiler jetzt heran und schloss seinen ehemaligen Knappen freudig in die Arme.

Auf dem Großen Kabinett zu Grambusch

Grambusch, 25. Ingerimm 1035 BF

Das kaiserliche Turnier war überhaupt nicht nach Ritter Hagens Vorstellung verlaufen. Bereits in der ersten Runde hatte der junge Mann schmerzhaft Bekanntschaft mit dem Boden der Tjostbahn machen müssen. Dabei hatte er sich doch fest vorgenommen seinem Schwertvater Ehre zu machen und auch seine anwesende Greifenfurter Verlobte zu beeindrucken. Stattdessen war er ausgerechnet gegen deren Vater Alwin von Kieselholm ausgeschieden. Den Rest des Turniers hatte er auf der Tribüne neben Linnart von Hartweil inmitten der anderen niederadligen Gäste verbracht, während Mechthild ihrem Schwertvater auf dem Turnierplatz zur Hand ging.

Nachdem der Baron zu Kressenburg dann am ersten Tag der Endrunde auch ausgeschieden war, bekam Hagen die Knappin für zwei Tage überhaupt nicht mehr zu Gesicht. Er versuchte ihren Schwertvater nach dem Verbleib zu fragen, doch wann immer er den Greifenfurter einmal zu Gesicht bekam, war dieser in ernste Gespräche vertieft, die zu stören mehr als unhöflich gewesen wäre. Erst als am Abend des dritten Turniertages der Sängerwettstreit ausgetragen wurde, erschien Mechthild wieder auf der Bildfläche. Nachdem alle gedungenen Barden und Dichter ihre Lobpreisungen für die jeweiligen Marschalls- oder Staatsratskandidaten beendet hatten, trat zu Hagens Erstaunen die Knappin in die Mitte der versammelten Adelsschar. In ihr Praiostagsgewand gekleidet, die langen blonden Haare zu zwei Zöpfen über ihre Schultern nach vorn fallend gebunden, huschte ihr eine leichte Röte der Verlegenheit über das hübsche sommersprossige Gesicht. Dennoch entrollte sie ohne Zaudern eine dicke Pergamentrolle und trug ein 65-strophiges Lobgedicht auf den Greifenfurter Marschallskandidaten Urion von Reiffenberg vor. Die Verse waren eine überraschende Mischung aus Lobgesang, Hoher Minne und mädchenhafter Schwärmerei. Wie bei keinem anderen Vortrag trat die Wahrhaftigkeit der Worte zu Tage und wo die bezahlten Dichter meist nur höflichen Applaus geerntet hatten, folgte auf Mechthilds Vortrag erst gebannte Stille und dann beinahe tosender Jubel. Hagen war sich sicher, dass sie mehr als ein Herz an diesem Abend erobert hatte und er war froh und stolz, dass er der Glückliche sein würde, mit dem die junge Frau bald den Travia-Kreis beschreiten würde.

Die Wahl des zukünftigen Garetischen Marschalls wenige Tage später brachte ein sehr eindeutiges Ergebnis, was Ritter Hagen nicht mehr weiter verwunderte. Er hatte die Greifenfurter, allen voran seine Braut und ihren Schwertvater, beobachtet und hatte gesehen, wie es ihnen mit Geschlossenheit und dem tiefem Glauben den richtigen Kandidaten zu unterstützen gelungen war, einen großen Teil des anwesenden Adels auf ihre Seite zu bringen. Auch Hagen, mochte seine Stimme als landloser Ritter auch wenig gelten, hatte sich ebenfalls für Urion ausgesprochen, woran Mechthilds Gedicht nicht wenig Anteil hatte.

An diesem letzten Abend des Großen Kabinetts gelang es dem jungen Schlunder auch endlich durch die Reihen der feiernden Greifenfurter bis zu Baron Ardo vorzudringen. Zu seiner Freude stand Mechthild direkt hinter ihm und verrichtete mit einem jungen Burschen die Pagendienste bei Tisch. "Euer Hochgeboren. Es ist mir eine große ehre Euch kennenzulernen. Erlaubt mir, dass ich mich vorstelle. Mein Name ist Hagen von Hartwalden-Hartsteen, Ritter aus der Grafschaft Schlund."

"Tretet näher Ritter Hagen." Mit einem Seitenblick auf seine Knappin winkte der Baron den jungen Mann heran. "Ich habe bereits von Euch gehört. Doch war ich mir nicht bewusst, dass Ihr bereits den Ritterschlag erhalten habt, sonst hätte ich Euch dieser Tage eher einmal an meine Tafel geladen. Ich bitte das zu entschuldigen."

"Dass Euch mein Name bekannt ist ehrt mich und es besteht kein Anlass für eine Entschuldigung." Obschon Hagen mit dem Baron sprach, wanderte sein Blick immer wieder zu Mechthild, die ihn neugierig und ohne Scheu ansah. "Ich erhielt meine Sporen erst vor wenigen Wochen auf dem Eslamsgrunder Frühlingsturnier. Es verwundert mich also nicht, dass diese Kunde Euch bisher nicht erreicht hatte."

"Wohlan, gehe ich recht in der Annahme, dass Euch weniger meine Gesellschaft, als vielmehr die meiner Knappin in unseren Kreis gelockt hat?" Ardo hatte ein wenig lauter gesprochen und seine Lippen umspielte ein leichtes Lächeln, als die nahem Gespräche verstummten und der junge Schlunder ob der plötzlichen Aufmerksamkeit für einen Moment verlegen die Augen niederschlug.

"Dies entspricht in der Tat zum Teil der Wahrheit und wenn Ihr erlaubt, würde ich gerne einige Worte an sie richten." Hagen wartet mit festem Blick bis der Kressenburger ihm mit einer Geste zu verstehen gab, dass er nichts dagegen einzuwenden hatte. Dann sah er seiner Verlobte zum ersten Mal direkt von Angesicht zu Angesicht in die Augen. Er spürte wie seine Knie weich wurden und musste sich räuspern bevor er sich getraute erneut zu sprechen. "Edle Dame. Ihr seht mich erfreut, Euch endlich von Angesicht kennenzulernen. Seit dem Tag da mir die Verabredung der Verlobung mitgeteilt wurde, wartete ich voll Ungeduld auf diesen Moment. Nun, da ich während der letzten Tage einige Blicke auf Euch erhaschen durfte und da ihr leibhaftig hier vor mit steht, keimt in mir die Furcht Eurer nicht würdig zu sein. Deswegen bitte ich Euch um die Gunst und Euch, Hochgeboren", wendete er sich an Ardo, "um die Ehre, Euch in Eure Heimat zu begleiten und mich in Eurem Dienste beweisen zu dürfen, damit Ihr, edle Mechthild, am Tage unseres Traviabundes ebenso von Stolz und Glück erfüllt seid, wie ich es bei dem Gedanken daran bereits bin."

Der Schlunder erntete von den nebenbei sitzenden Greifenfurtern anerkennende Blicke und gar einen aufmunternden Zuruf. Am Ende seiner Worte hatte Hagen wieder auf die junge Knappin geschaut und diesmal war sie es gewesen, die mit deutlicher Schamesröte im Gesicht den Blick gesenkt hatte. Die artigen Worte mit denen der Ritter um sie warb, obgleich er ihrer Hand durch die Verabredung der Familien bereits sicher sein konnte, hatten ihr wohl gefallen. Mit einigen Augenblicken Verspätung bemerkte sie den fragenden Blick ihres Schwervaters auf sich ruhen. Mit hochrotem Kopf rang sich sich ein kaum sichbares Nicken ab.

"So sei es denn, Ritter Hagen! Eure Braut wünscht Euch augenscheinlich in ihrer Nähe zu wissen und ich freue mich über jeden Schwertarm der mir hilft Kressenburg und die Greifenfurter Lande sicherer zu machen." Bei diesen Worten zeigte Ardo auf einen freien Schemel am Tisch. "Nehmt Platz und seid willkommen unter Freunden."

Keilholtzer Neuordnung

Alte Streitigkeiten

Kressenburg, Ende Praios 1036 BF

Ardos Bruder Rondwin kommt nach Kressenburg

Dreihügeler Familienzusammenführung

Eine kleine Bitte

Auf der Kressenburg, Mitte Rahja 1035 BF

"Verzeiht die Störung euer Hochgeboren. Ein Bote aus Dreihügeln ist eingetroffen und wünscht Euch zu sprechen." Ugrimms kräftige Stimme war über das laute Hundegebell im Flur vor dem Zimmer fast nicht zu verstehen. Da Ardo annahm, dass es dem Zwerg bei einer mündlichen Antwort ähnlich gehen würde, nickte er nur und deutete mit einem Handzeichen an, das der Bote eingelassen würde. Der Angroscho verneigte sich kurz und kam kurz darauf mit einem Bauern in seinem Praiostagsgewand zurück. Dieser führte einen großen zottigen Hütehund an einem festen Seil mit sich, der wiederum für den ohrenbetäubenden Lärm verantwortlich war. Mit einiger Mühe gelang es dem unglücklich dreinschauenden Boten das Tier soweit zu beruhigen, dass aus dem lauten Gebell ein ergebenes Winseln wurde, dessen Lautsstärke es zuließ sich im normalen Ton zu unterhalten.

"Ich bitte um Verzeihung Euer Hochgeboren. Raul ist noch sehr jung und der Widerhall der steinernen Gänge Eurer Burg hat ihn verwirrt." Er machte einen tiefen Diener bevor er erschrocken aufsah und eilig ergänzend fortfuhr. "Henner ist mein Name und ich komme im Auftrag der Junkerin von Dreihügeln zu Euch."

"Was genau führt Euch zu mir guter Mann? Welche Botschaft lässt Eure Herrin mir übermitteln?" Ardo war leicht ungeduldig ob des merkwürdigen Auftretens von Mann und Tier.

"Oh, natürlich Euer Hochgeboren, wie dumm von mir." Hastig zog der Bote einen gesiegelten Brief aus seinem Beutel hervor und reichte ihn demütig dem Baron. "Meine Herrin entbietet Euch die herzlichsten Grüße und dieses nachträgliche Geschenk zu eurer Vermählung als Zeichen ihrer Freundschaft."

Der junge Baron erbrach das Siegel nach kurzer Betrachtung und überflog die an ihn gerichteten Zeilen der Nardesfelder Junkerin.

An Seine Hochgeboren

Ardo von Keilholtz
Baron zu Kressenburg
 
 
 
 
Euer Hochgeboren, werter Vetter,

wie bereits am Tage Eurer Vermählung wünsche ich Euch noch einmal den Segen und Schutz aller Götter und Heiligen, auf dass sie Euer Heim behüten mögen. Damit diese guten Wünsche wahr werden mögen, übersende ich durch meinen Knecht Henner mit diesem Schreiben nachträglich mein Präsent an Euch, auf das Euer Haus und deren Einwohner durch den Ruf des Tieres aufmerksam werden mögen. Selbstverständlich erhaltet Ihr beiligend auch eine Urkunde, die Abstammung und besonders Zuchterfolge der letzten fünf Generationen nachweisen.

Das Tier hört auf den Namen „Raul“ und ist ausgebildeter Wach- und Schutzhund, kann aber auch zur Wache an Herden eingesetzt werden. Dann schlägt er überwiegend bei Annäherung geruchsfremder Menschen, aber auch bei Tieren wie Füchsen, Wölfen oder Bären an. Weitere Hinweise zu Fähigkeiten und erlernten Befehlen sind ebenfalls der Abstammungsurkunde beigelegt.

Nun zum eigentlichen Thema meines Schreibens: Auf der Feier Eurer Heirat konnten wir uns einen Moment über meine Tochter Rahjamunde unterhalten, falls ihr Euch entsinnen mögt. Sie hat ihre vereinbarte Lehrzeit von 5 Jahren bei ihrem Lehrmeister in Wandleth nun abgeleistet und möchte sich gern auf seinen Rat hin bei einem weiteren Lehrmeister noch eine Weile verdingen, um ihre Fähigkeiten zu erweitern. Ihr erwähntet, dass in Kressenburg ebenfalls zwergische Feinschmiede Interesse an einer vorgebildeten Gesellin haben könnten.

Noch einmal Euren Rat suchend möchte ich nun nachfragen, ob ein Umzug nach Kressenburg möglich ist und jemand Eures Hauses ihr dabei helfen könnte, oder ob ich meinen Knecht direkt nach Wandleth weitersenden soll, damit er ihr bei der Reise nach Dreihügeln zur Seite stehe. Selbstverständlich wird Henner sich auch bei einem Umzug nach Kressenburg nützlich machen, wenn Ihr wünscht.

Ihr könnt ihm eine Botschaft entsprechend Eurer Antwort mitgeben, sofern ihr ihn fortschicken mögt. Dann wird er sie – mit oder ohne meine Tochter – baldigst zu mir bringen.

Habt Dank und Travias Segen mit Euch,
 
 
 
 
Ihro Wohlgeboren
Edelgunde Gramhild Keilholtz von Schroffenstein
Perlvögtin und Junkerin zu Dreihügeln

Gesiegelt am 3. Rahja 1035 BF

Deutlich freundlicher als zuvor betrachtete Ardo nun den zottigen Hund und den Dreihügeler Boten. "Wohlan, Henner. Übermittle deiner Herrin meinen aufrichtigen Dank für Ihr Traviagefälliges Geschenk." Der Baron dachte kurz über Gramhilds Vorschlag zur Verwendung des Boten nach bavor er fortfuhr. "Du wirst ein paar Tage hierbleiben bis Raul sich an den Ort gewöhnt hat. Bis dahin werde ich entschieden haben ob du gleich heimkehren kannst oder nach Wandleth weiterreisen musst." Henner verneigte sich tief und sah nun, da seine Aufgabe vorerst erfüllt war, deutlich erleichtert aus.

"Ugrimm", rief Ardo seinen Haushofmeister wieder herein, "geh mit Henner in den Burghof, und findet einen geeigneten Verschlag für den Hund. Danach führst du den Boten in die Küche, damit er sich stärken kann und gibst ihm ein Quartier im Gesindehaus. Er wird einige Tage auf der Burg bleiben. Bis zu seiner Abreise wird er sich um das Tier kümmern damit es sich eingewöhnt. Sieh zu, wo du ihn sonst noch gebrauchen kannst."

Handelsreisen

Auf der Kressenburg, Mitte Rahja 1035 BF

"Was meinst du dazu?" Wulfhart deutete auf den Brief aus Nardesfeld den ihm sein Sohn gerade zu lesen gegeben hatte.

"Du bist das Familienoberhaupt, deswegen solltest du nach Wandleth reisen. Ein stärkeres Zeichen zur Aussöhnung können wir dem jüngeren Haus nicht senden." Ardo schob seinen Bierkrug zur Seite und stützte die Arme auf den Tisch. "Ich habe für diese lange Reise im Moment auch gar keine Zeit. Nächste Woche wollte ich mit einem der neuen Ratsherren nach Neerbusch aufbrechen um mit dem Zweifelfelser über den angestrebten Traviabund und einen Handelsvertrag über das Klappechser Kupfer zu reden. Phexian liegt mir schon seit langem damit in den Ohren, dass unsere Zinnüberschüsse sich gewinnbringender verwenden ließen, wenn wir mehr Bronze herstellen könnten, statt das Zinn zu verkaufen. Die Lieferungen aus Pilzhain reichen einfach nicht aus. Außerdem muss ich noch einmal mit Durac darüber reden, bei welchem Meister wir Rahjamunde unterbringen können. Grundsätzlich hatte er letztes Jahr zugestimmt, aber ich weiß noch immer nicht wen die Zwerge ausgewählt haben. Die Angroschim neigen dazu sich bei solchen Sachen viel Zeit zu lassen wie du weißt."

"Gut, dann werde ich über Bärenau reisen." Der Ritter rollte den Brief zusammen und steckte ihn zurück in die lederne Bulle in der er gekommen war. "Wir schulden Turike mal wieder einen Gegenbesuch und mein Page wird sich freuen seine Mutter zu sehen. Ich denke wir können die Namenlosen Tage auf ihrer Burg abwarten. Außerdem war mein Knappe bis heute nicht am Grab seines Ur-Großvaters und der ist schon vor anderthalb Götterläufen ums Leben gekommen. Wenn ich gerade dabei bin kann ich auch gleich bei der Baronin vorstellig werden so sie denn zugegen ist. Iraldas Knappin ist die junge Zweifelfelserin mit der Firnward verlobt werden soll. Da kann ich mir das Mädel gleich einmal anschauen. Den Bauer den dir Gramhild als Boten geschickt hat kannst du übrigens getrost wieder heimschicken. Ich habe ja Leuthardt und Edelbrecht dabei, das wird genügen um die Dame und ihre Habe sicher nach Kressenburg zu bringen."

Ardo nickte zu dem Vorschlag und griff noch während sein Vater sprach zu Büttenpapier und Feder. "Wenn du Bärenau bereist werde ich dir noch einen Brief für den Stippwitz mitgeben. Den Hartsteenern geht es sicherlich nicht gut, aber ich will wenigstens anfragen ob das Handelshaus sich am Tempelbau beteiligen will." In der Stimme des Barons lag wenig Hoffnung. "Ich habe auch schon Dankwart gebeten ein gutes Wort bei seiner Familie einzulegen, vielleicht haben sie zusammen ja Erfolg oder Tante Turike kann sich für uns einsetzen."

Vom Gepäck einer Dame

Wandleth, Anfang Praios 1036 BF

Wulfhart hatte gleich nach der Ankunft in der Königsstadt seinen Knappen zu dem zwergischen Handwerksmeister entsandt, bei dem Rahjamunde in den letzten fünf Götterläufen in die Lehre gegangen war. Zu seinem Erstaunen hatte der Angroscho den Jungen kaum ausreden lassen, als er ihn schon beschieden hatte am nächsten Tage wiederzukehren, da seine Schülerin noch ein letztes Werkstück vollenden müsse bevor er sie freigeben könne. Also hatte der Ritter, die Dickköpfigkeit der Zwerge in diesem Punkt kennend, sich in Geduld geübt und die Zeit damit verbracht, einen preisgünstigen einspännigen Wagen zu finden. Denn zu seiner Überraschung wollte die junge Dame deutlich mehr Gepäck mitnehmen als er erwartet hatte, sodass das Packpferd allein nicht reichen würde.

Am nächsten Morgen begab sich der Ritter dann mit seinem Knappen Leuthardt und dem Pagen Edelbrecht zur Gasse der Kunstschmiede, wobei ersterer auf dem Kutschbock saß und letzterer das Pferd des Knappen führte. Das Haus des Handwerksmeisters war stattlich, stellte Wulfhart anerkennend fest, und hätte jedem Greifenfurter Baron als Stadthaus zu Ehre gereicht. Er stieg ab, warf seinem Knappen die Zügel zu und trat nach vernehmlichen Klopfen ins Gebäude. Drinnen fand er sich wieder in einer Welt der Kleinodien. Ringe, Ketten und Armbänder lagen und hingen fein säuberlich sortiert auf diversen Schautischen und wurden gerade von einem Jungzwerg gereinigt. Dieser nahm beim Eintreten des potentiellen Kunden sofort Habachtstellung ein und beeilte sich den Staubwedel aus Federn unauffällig beiseite zu legen.

"A...Ingerimm zum Gruße. Wie kann ich Ihnen zu Diensten Sein werter Herr?"

"Ingerimm zum Gruße. Mein Name ist Wulfhart von Keilholtz. Ich bin hier um die Dame Rahjamunde abzuholen und zu ihrer Mutter nach Greifenfurt zu begleiten. Mein Knappe war gestern in der Frühe hier und sagte mir wir könnten heute abreisen?" Der Ritter ließ die Frage in seinen Worten mitschwingen, denn er sah nirgends das erwähnte Gepäck noch eine reisefertige Edeldame.

"Natürlich,... Euer Wohlgeboren," fügte der junge Zwerg nach einem abschätzenden Blick auf Wulfhart hinzu. "Ich werde meinen Meister sofort über Euer Kommen verständigen. Wenn Ihr mich kurz entschuldigt." Eilig lief der Angroscho aus der Verkausstube, wobei er hinter der Tür scheinbar über einen Schemel fiel, denn Wulfhart hörte ein lautes Poltern und einen unterdrückten zwergischen Fluch. Der Greifenfurter musste nicht lange warten, da erschien der junge Lehrling wieder durch die selbe Tür. "Verzeiht, dass Ihr warten musstet. Die junge Dame macht sich gerade reisefertig und verabschiedet sich von der Familie. Sie sollte ein einem viertel Stundenglas bei euch sein. Wenn Ihr erlaubt bin ich Euch derweil behilflich das Gepäck einzuladen."

"So sei es denn." Wulfhart trat wieder vor die Tür und winkte seinen Knappen herbei, während Edelbrecht bei den Pferden blieb. "Wo ist denn die Truhe der Dame?", fragte er sich zum Lehrling umwendent.

"Hinter dieser Tür hier. Wenn Ihr mir folgen wollt." Eilfertig schritt der Zwerg voran. Im Hinterzimmer wartete ein etwas schiefer Stapel von Kistchen und Kästen. Während Wulfhart ein großes Stück als Wäschetruhe erkennen konnte, schienen einige der anderen Kisten Werkzeuge zu enthalten. Der Ritter schüttelte kurz den Kopf, als er sich entsann, dass es unter Handwerkern brauch war, dass ein ausgelernter Geselle von seinem Meister sein erstes Handwerkszeug erhielt. Offensichtlich hatte die junge Dame ihre Zeit nicht nur zur Zier hier verbracht, sondern ihre Fertigkeiten zur Zufriedenheit ihres zwergischen Meisters entwickelt.

"Leuthardt, fass bei der Wäschtruhe mit an. Die kommt zuerst in den Wagen, damit wir sehen wie wir den Kleinkram stapeln können." Wulfhart trat an dem jungen Zwerg vorbei, dem kurz der Mund offen stand da er solch Tatkraft bei einem Edelmann scheinbar nicht erwartet hatte, und nahm den einen Griff der massiven Eichentruhe. Sein junger Knappe sprang eilig hinzu, hatte jedoch deutlich mehr mit dem Gewicht der Truhe zu kämpfen als sein Herr. In wenigen Minuten waren so alle Habseligkeiten der jungen Edeldame auf dem Wagen untergebracht. Der junge Zwerg hatte noch etwas Stroh zwischen die Kisten gestopft, damit die wertvollen Geräte auf der langen Reise nur keinen Schaden nähmen.

Als alles bereit war, trat ein wohlbeleibter, gut gekleideter Zwerg mit grauem Haar und kunstvoll geflochtenem Bart vor die Tür. Hinter ihm kam eine zierliche junge Frau in einem einfachen doch ordentlich gearbeiteten Gewand, den Blick schüchtern gesenkt, das dunkelblonde Haar in einem züchtigen Knoten nach hinten gebunden. Ihr Gesicht und die zaghaft ineinander gefalteten Hände hatten eine vornehme Blässe, die jedoch nicht kränklich wirkte, sondern eher ihre zarte Schönheit zur Geltung brachte. Wulfhart spürte wie sein Atem einen Augenblick stockte. Als Rahjamunde schließlich aufsah und er in ihre rehbraunen Augen blickte, da war es ihm, als würde auch sein Herz für einen kurzen Moment aussetzen. Wulfhart fühlte sich sechsundzwanzig Götterläufe zurückversetzt, zu jenem Abend in Weidenhag, als er seine Frau damals das erste Mal auf der Ehrentribüne eines Turniers erspäht hatte. Wie gebannt starrte der Ritter die junge Frau an, bis das Räuspern des alten Zwerges ihn aus seinen Erinnerungen riss.

"Hmhm, Ihr seid also Ritter Wulfhart. Euer Knappe hat Euch angemeldet. Ich will Euch sagen, dass Rahjamunde tüchtig gelernt hat und für einen Menschen durchaus gute Arbeit vollbringt." Bei diesen Worte bedachte er die Frau mit einem anerkennenden Blick, schob sie aber zugleich sacht in Richtung des Wagens.

"Es freut mich zu hören, dass sie Euren Ansprüchen entsprechen konnte. Es wird mir eine Ehre sein sie wohlbehütet in den Schoß ihrer Familie zurückzubegleiten."

"Ja, hmhm, wie vertraglich vereinbart hat sie ein Empfehlungsschreiben für ihren neuen Meister dabei. Ich bin überzeugt er wird nicht enttäuscht sein. Sie ist ein gelehriges Mädchen."

"Habt Dank für Eure Worte Meister. Ich werde Euch nie vergessen und für Eure Güte ewig dankbar sein." Rahjamundes sanfte Stimme klang in Wulfharts Ohren wie zartes Harfenspiel. Mehr noch als ihr Aussehen erinnerte ihn ihre Stimme an seine früh verstorbene Frau. Mit Mühe riss er sich zusammen und reichte der jungen Edeldame gerade noch rechtzeitig eine helfende Hand als die auf den Kutschbock stieg. "Vielen Dank Ritter Wulfhart." Fast flüsternd kam en ihre Worte über ihre Lippen. Mit verlegen gesenktem Blick und leichter Röte auf den Wangen nahm seine Hilfe an.

Wulfhart wartete bis sie sich auf dem Kutschbock neben seinem Knappen eingerichtet hatte, bevor er auf sein Ross stieg. Da er seiner Stimme in diesem Moment nicht vertraute hob er nur die Hand zum Abschiedsgruß in Richtung der Zwerge und versetzte sein Pferd sogleich in leichten Schritt.

"Angrosch mit dir liebes Kind. Richte deiner Mutter meine besten Grüße und Wünsche aus." Der Zwerg beließ es bei diesen Worten und wartete stoisch, bis der Wagen sich in Bewegung gesetzt und hinter der nächsten Ecke verschwunden war, während Rahjamunde noch lange mit tränenfeuchten Augen zurückblickte.

Ungewohnte Aufmerksamkeit

Auf dem Weg von Wandleth nach Gareth, Mitte Praios 1036 BF

Die kleine Reisegesellschaft hielt sich ab Wandleth stets auf den sicheren Hauptstraßen und stark befahrenen Handelsstraßen. Ritter Wulfharts Wappenrock und mehr noch seine Lanze und sein Schwert sorgten dafür, dass sie nirgends lange aufgehalten wurden und etwaige Beutelschneider trotz des voll beladenen Wagens einen Bogen um sie machten. Obwohl die Wege recht sicher waren, begnügte sich der Greifenfurter nicht damit vorwegzureiten, sondern ließ sich auch immer wieder hinter den kleinen Tross zurückfallen um zu schauen ob sich die Kisten durch das stete Rumpeln nicht verschoben hatten. Das war natürlich nur ein Vorwand, wie er sich nach einem halben Dutzend dieser Manöver zerknirscht selbst eingestand. Ein Vorwand um unbemerkt einen Blick auf Rahjamundes Gesicht zu erhaschen ohne dabei aufdringlich zu wirken, um ungezwungen ein paar belanglose Worte mit ihr wechseln zu können. Innerlich schalt er sich selbst und gemahnte sich den ritterlichen Anstand zu wahren, doch waren die Gefühle und Erinnerungen in ihm stärker als der anerzogene Ehrenkodex und so dauerte es kein weiteres halbes Stundenglas, bis er erneut den Schritt seines Pferdes verlangsamte und sich von dem von seinem Knappen gelenkten Wagen überholen ließ.

Wieder wanderte sein Blick zu der jungen Edeldame. Die langen dunkelblonden Haare, die vor Geist sprühenden braunen Augen, von vornehmer Blässe und jugendlicher Schönheit, groß gewachsen, doch gertenschlank und mit einer Stimme von alveranischer Sanftheit. Alles an Rahjamunde erinnerte Wulfhart schmerzhaft an seine lang verstorbene Frau, so wie er sie bei ihrem ersten Treffen kennengelernt hatte. Einen Moment lang fragte er sich, ob die Zwölfe ihm einen Streich spielen wollten, weil sie ihm nach fast zwölf Jahren in denen er getrauert hatte und manchmal fast am Leben verzweifelt war, nun dieses Mädchen, das fast ein Spiegelbild seiner geliebten Holdwiep sein konnte, vor die Nase setzten. Dann aber kam ihm der Gedanke, dass die Götter nach so langer Zeit seine Gebete endlich erhört haben mochten und ihm das zurückgegeben hatten, was er auf Dere am meisten geliebt und vermisst hatte. Wulfharts Blick wanderte gen Alveran und er verharrte in stillem Gebet bis sie am Abend ein Gasthaus erreichten in dem sie für die Nacht unterkommen konnten. Der Ritter schickte Edelbrecht voraus um zwei Zimmer für die Gruppe zu organisieren.

Als er Rahjamunde vom Kutschbock half, hob diese schüchtern den Blick und zögerte einen Moment. "Ritter Wulfhart? Verzeiht wenn ich Euch damit behellige, aber ich hätte da eine Frage."

"Nur zu, fragt was Euch auf dem Herzen liegt."

"Kann es sein, dass ich noch Schmutz aus der Werkstatt im Gesicht habe? Ihr habt mich heute den ganzen Tag so merkwürdig angeschaut und ich dachte mir Ihr seid vielleicht nur zu höflich mich darauf hinzuweisen."

Ertappt senkte Wulfhart die Augen, was dazu führte, dass er ungewollt in den Ausschnitt von Rahjamundes Reisekleid starrte. Schnell berappelte er sich wieder und sah ihr in die Augen. "Aber nein, nichts dergleichen. Bitte entschuldigt meine Aufdringlichkeit, Ihr erinnert mich nur sehr an...", Wulfhart schluckte und unterbrach sich kurz, "...an eine Person die ich einmal kannte. Sie ist schon vor langer Zeit verstorben."

"Oh, das wusste ich nicht." Das Unbehagen des Ritters war Rahjamunde nicht entgangen und sie schämte sich ein wenig wegen ihrer Vorwitzigkeit. "Bitte entschuldigt die Frage."

"Kein Anlass zur Sorge, hm." Wulfhart räusperte ich um seiner Stimme einen festeren Klang zu geben. "Wie gesagt, der Fehler liegt bei mir."

Rahjamunde war sich nicht sicher was sie von den Worten halten sollte. Während sie noch grübelte bemerkte sie, dass sie noch immer die Hand des älteren Ritters ergriffen hielt, mit der er ihr vom Kutschbock geholfen hatte. Rasch zog sie die Hand zurück und errötete. "Ich... entschuldigt, ich hätte da noch eine Bitte an Euch. Wäre es vielleicht möglich, dass wir in Gareth einen Tag verweilen wenn wir durchreisen? Ich habe in Wandleth so viele Leute von der Pracht der Kaiserstadt reden hören und würde sie mir gerne einmal selbst anschauen."

"Natürlich geht das." Wulfhart wusste, dass sie eigentlich in Kressenburg erwartet wurden. Aber schließlich gab es keine Frist und es lag ihm fern der jungen Frau diesen Wunsch, oder irgendeinen anderen wie er sich eingestand, abzuschlagen. "Ich bin selbst bereits einige Male dort gewesen und es wird mir eine Ehre sein Euch die Schönheiten der Stadt zu zeigen."

"Habt Dank, Ritter Wulfhart." Die Edeldame senkte wieder schüchtern ihren Blick, so als hätte sie mit ihrer Frage zu viel gewagt. "Wärt Ihr wohl auch so freundlich Euren Knappen zu bitten die kleine Reisetruhe auf mein Zimmer zu bringen? Ich fürchte mir ist sie zu schwer."

"Leuthardt, du hast die Dame gehört," wandte sich der Ritter ohne den Blick von ihr zu wenden zu seinem Knappen der noch immer auf dem Kutschbock saß. "Und natürlich steht euch für die Reise mein Page zur Verfügung, um Euch zu Diensten zu sein. Ah, da ist er ja schon. Edelbrecht," rief er den Jungen an der gerade aus der Tür des Gasthofes kam, "hat alles geklappt? Ja? Gut. Dann zeige der Dame ihr Zimmer. Du bleibst bei ihr und wirst ihren Wünschen Folge leisten. Kann ich sonst noch etwas für Euch tun Rahjamunde?"

"Nein, nein." Abwehrend hob sie die Hände. "Ihr tut schon mehr als genug. Ich werde mich bis zum Abendessen zurückziehen und Euch nicht länger zur Last fallen." Rahjamunde war das Unbehagen ob der Aufmerksamkeit die ihr entgegengebracht wurde deutlich anzumerken. Wulfhart ließ sie mit Edelbrecht und Leuthardt vorausgehen und gestattete sich ein tiefes Seufzen als sie außer Hörweite waren.

Die Gaben der Götter

Bei Gareth, Mitte Praios 1036 BF

Gegen Mittag hatte Wulfhart befohlen Rast zu machen. Gareth lag eine halbe Tagesreise hinter ihnen und sie waren auf der Reichsstraße gut voran gekommen. Rahjamunde strahlte noch immer über das ganze Gesicht von all den Wundern die sie in der großen Stadt gesehen hatte. Fast ausgelassen redete sie immerzu von den Tempeln und den Palästen der Großen und Reichen. Vor allem aber hatte es ihr die überall dargestellte Handwerkskunst angetan.

"Wisst Ihr Wulfhart, ich habe Wandleth immer für eine große Stadt gehalten und wollte den Reisenden keinen Glauben schenken die über die Provinz die Nase rümpften. Doch jetzt weiß ich erst wie klein ihnen meine alte Heimat vorgekommen sein muss!"

"Das ist nur verständlich. Gareth ist die prächtigste Stadt des Reiches, nichts und niemand kann sich mit ihr messen. Ich hoffe nur Ihr werdet nicht enttäuscht sein, wenn Ihr nun nach Kressenburg kommt. Es würde mich betrüben wenn Ihr meine Heimat mit der Stadt der Kaiser vergleichen und darob gering achten würdet," entgegnete der Ritter mit melancholischer Stimme.

"Das glaubt Ihr nicht wirklich oder?" Rahjamundes Worte drückten eine Mischung aus Entsetzen und Entrüstung aus. Sie schien ehrlich erschrocken darüber, dass Wulfhart ihr solche Hochnäsigkeit zutraute. "Trotzdem ich Gareth nun gesehen habe, und an dem einen Tage sicherlich kaum einen Bruchteil der Pracht die sie zu bieten hat, so würde ich die Kaiserstadt doch nie als Maßstab heranziehen um andere Orte zu bewerten." Sie suchte einen Moment nach den richtigen Worten. "Das wäre, als würde man den einfachen Reif einer Bürgerstochter mit dem prachtvollen Diadem einer Gräfin vergleichen!"

"Und doch ist das Diadem ohne Frage wertvoller und schöner, oder wollt Ihr das abstreiten?"

"Das kommt ganz auf den Standpunkt an, werter Wulfhart. Das Diadem mag aus dem wertvolleren Erz geschmiedet sein und mit teuren Steinen besetzt. Deswegen wird der Bürgerstochter doch der eigene Reif mehr bedeuten als jede Gemme des fürstlichen Diadems. Es kommt nicht nur auf den reinen Materialwert an, sondern auch darauf, ob ein Schmuckstück von dem der es gefertigt hat mit Herzblut geschaffen wurde." Die Edeldame sah den verwunderten Blick Wulfharts und errötete. Solch offener Widerspruch hatte ihr eigentlich nicht im Sinn gelegen, zumal die Zwerge ihr das Vorrecht des Älteren eingetrichtert hatten. "Verzeiht, doch dies sind die Worte meines alten Meisters."

"Wenn Ihr sie in Eurem Herzen tragt und sie befolgt, so wird Kressenburg Eurem Urteil sicherlich standhalten." Der Ritter lächelte milde und schaute versonnen in Richtung der Reichsstadt zurück. "Für eine Stadt mag Kressenburg wohl klein erscheinen, allein Euer Wandleth ist wohl dreimal so groß, doch hat der Ort seine eigenen Kleinode."

"Bitte, werter Wulfhart, erzählt mir davon." In Rahjamundes Augen lag echte Neugierde. "Was erwartet mich in der Fremde die bald meine neue Heimat sein soll?"

"Nun, als erstes wäre da natürlich die Burg, die sich im Norden schützend über den Ort erhebt. Von dort aus herrscht mein ältester Sohn Ardo als Baron über die Kressenburger Lande. Der Burg zu Füßen liegt die Stadt, umgeben von einer Mauer die von Zwergenhand erschaffen wurde, und vor der Stadt auf eine Meile die Felder der Bauern. Das Stadttor im Süden ist mit besonderer Kunstfertigkeit verziert und dabei so wehrhaft, dass es mit natürlichen Kräften nicht zu bezwingen ist. Im Zentrum der Stadt, auf halber Höhe des Burgberges, steht das uralte Praios-Kloster, dessen Mauern noch älter sind als die der Burg. An der östlichen Mauer findet Ihr die neue Bibliothek und den Hesinde-Schrein, welche von der Alt-Baronin Faralda gestiftet wurde." Der Ritter sah seine Gesprächpartnerin an, als er zu dem Punkt kam, der die handwerklich begabte junge Frau wohl am ehesten interessieren würde. "Im Westen der Stadt aber liegt die Gasse der Zwerge mit dem Ingerimm-Schrein. Bei Tag und bei Nacht könnt Ihr dort das Hämmern der Schmieden hören und die Feuer der Essen leuchten sehen. Außerdem haben sie dort das beste Wirtshaus im Ort, mit einer Biersuppe die Ingerimm persönlich wohlschmecken würde."

"Das klingt wahrhaft wie ein Traum, Wulfhart." Die freudige Miene Rahjamundes verdüsterte sich leicht. "Ich wünschte nur ich könnte länger dort verweilen als es in Gareth der Fall war. Doch fürchte ich, dass ich von meiner Frau Mutter erwartet werde und alsbald nach Dreihügeln werde weiterreisen muss."

Wulfhart stutzte kurz. "Aber warum denn? Hat sie Euch denn nicht gesagt, dass Ihr vorerst in Kressenburg bleiben werdet? Das ist doch auch der Grund warum ich Euch aus Wandleth abgeholt habe."

"In Ihrem letzten Brief hieß es, dass ich zu Ihr nach Dreihügeln kommen solle, da sie meine Fähigkeiten als Kunstschmiedin be ider Verarbeitung ihrer Perlen brauchen könne." Die Edeldame sah vollkommen verwirrt aus.

"Dann hat sich Eure Mutter wohl in der Zwischenzeit anders besonnen." Wulfhart hob entschuldigend die Schultern, weil er ihr keine genauere Auskunft geben konnte. "Ihr werdet in Kressenburg einen neuen zwergischen Lehrmeister erhalten um Eure Kunstfertigkeit zu verfeinern, so hat sie es mit meinem Sohn ausgemacht."

"Aber das wäre ja wundervoll," brach es aus Rahjamunde heraus. Kurz umarmte sie den Ritter nur um sich sofort wieder auf ihren Platz zurückzuziehen und verlegen zu erröten. "Entschuldigt bitte. Ich meinte, ich danke Euch für diese frohe Botschaft. Nichts hat mir mehr Freude bereitet als mit meinem Meister in Wandleth und den anderen des kleinen Volkes zusammenzuarbeiten. Manch einer mag es befremdlich finden, dass eine Adlige ein gemeines Handwerk erlernt und daran Freude findet. Doch ich entnehme Euren bisherigen Worten, dass Ihr nicht so über mich urteilt und meine Freude teilen könnt."

Mit verklärtem Blick sah Wulfhart sie an. "Sich so ähnlich und dann doch so verschieden." Rahjamundes verwirrtes Schweigen holte ihn zurück in die Wirklichkeit. Langsam erhob er sich und strich sein Gewand glatt. "Was ich sagen wollte war, das wir alle den Pfaden der Götter folgen und dabei unterschiedlich mit ihren Gaben bedacht werden. Ich verehre die Herrin Travia und halte Rondras Tugenden hoch. Mein Sohn Ardo folgt in seinem Streben eher den Geboten des Herrn Praios. Ihr macht ebend von den Gaben Gebrauch die Euch der Herr Ingerimm hat zuteil werden lassen. Diese Gaben gering zu schätzen, hieße die Zwölfe gering zu schätzen. Ihr gabt mir selbst vorhin den Vergleich zwischen dem einfachen Reif und der Grafenkrone. Euer Handwerk auszuüben mag in manchen Kreisen verpönt sein, doch Ihr widmet Euch dem mit Ausdauer und Hingabe, wie ein Ritter der Lanze und dem Schwert. Dafür kann ich Euch nur bewundern." Rahjamunde wusste darauf nichts zu antworten. Verlegen senkte die junge Frau die Augen und errötete bis über beide Ohren. Der Ritter, der sie mit seinen Worten nicht hatte peinlich berühren wollen, reichte ihr mit ausgesuchter Höflichkeit sie Hand. "Nun, wenn Ihr Euch ausgeruht genug fühlt, dann lasst uns wieder aufbrechen. Der Tag ist schön und wir können noch ein gutes Stück des Weges schaffen."

Der Dame Unterkunft

Waldstein, auf der Straße nach Greifenfurt, Mitte Praios 1036 BF

Die Praiosscheibe neigte sich bereits tief gen Westen und bald würde es an der Zeit sein sich einen Platz zur Nachtruhe zu suchen. Heute würden sie es wohl nicht mehr schaffen das nächste Gasthaus zu erreichen, denn hier am Rande des Reichsforstes waren diese lange nicht mehr so zahlreich wie auf der Reichstraße. An einer Stelle wo ein kleiner Bach den Weg querte hieß Wulfhart seinen Knappen den Wagen anhalten und die Pferde festmachen.

"Hier werden wir heute Nacht bleiben. Im Dunkeln will ich den Wagen diesem Holperweg nicht anvertrauen. Es wird wahrlich Zeit, dass sie mit dem Ausbau des Elfenpfades beginnen."

Während der Ritter Rahjamunde wieder vom Kutschbock half und die dann begann die Pferde abzusatteln, machten sich Leuthardt und Edelbrecht sofort daran das Zelt aufzubauen. Es war zu erkennen, dass die drei auf ihren Reisen bereits des Öfteren in der Wildnis übernachtet hatten und ohne Worte einem eingespielten Plan folgten, an dessen Ende nach kaum einer halben Stunde ein ordentliches Nachtlager aufgebaut vor ihnen stand. Rahjamunde hatte derweil unschlüssig und zumeist untätig daneben gestanden. Schließlich hatte sie sich ein Herz gefasst, Edelbrecht Feuerstein und Zunder aus der Hand genommen und sich um das Feuer gekümmert. Wulfhart, der dies aus dem Augenwinkel beobachtet hatte, nickte anerkennend und wies seinem Pagen mit einem kurzen Wink eine neue Aufgabe zu. Als schließlich alles aufgebaut war und die beiden Jungen die Pferde zum Bach führten, setzte sich der Ritter zu der jungen Frau ans Feuer. Diese starrte verlegen ins Feuer und schien mit sich zu ringen. Wulfharts fragenden Blick auf sich spürend gab sie sich schließlich einen Ruck.

"Sagt bitte Wulfhart, werden wir alle in diesem Zelt schlafen?" Ihre Stimme klang besorgt.

"Ja, natürlich." Der Ritter glaubte zu wissen wo dem Mädchen der Schuh drückte. "Seid unbesorgt, es sieht klein aus, aber es ist groß genug für eine weitere Person. Wir müssen nur ein wenig zusammenrücken."

Wieder schwieg Rahjamunde eine Weile betreten bevor sie mit der Sprache herausrückte. "Bitte entschuldigt die Umstände. Es ist nur so, dass ich noch nie ein Zelt, oder ein Zimmer, mit Männern geteilt habe." Ihre Stimme war fast ein Flüstern und was sie sagte war ihr deutlich peinlich. "Es wäre mir ehrlicherweise sehr unangenehm, wenn..." Sie unterbrach sich da sie befürchtete Wulfhart mit ihren Worten zu kränken. Sie wusste inzwischen, dass der Ritter ein ehrenhafter Mann war dem sie vertrauen konnte. Dennoch flößte ihr der Gedanke nur im Unterkleid, mit nichts als einer dünnen Decke zwischen ihnen, neben Wulfhart im Zelt zu liegen, einen unerwarteten Schrecken ein.

"Oh. Ja, hm." Wulfhart schob einen Scheit weiter ins Feuer um es zu schüren und schalt sich im Geiste einen Narren, weil er bei dieser in der Stadt aufgewachsenen jungen Frau die Unbekümmertheit von Waffengefährten im Felde vorausgesetzt hatte. Als er sich wieder aufrichtete, war er es aus dessen Stimme zerknirschte Verlegenheit sprach. "In diesem Fall steht natürlich außer Frage, dass Leuthardt und ich am Feuer schlafen werden. Wir hätten sowieso die Wache unter uns aufteilen müssen. So ist es wohl besser, dann werdet Ihr und Edelbrecht beim Wachwechsel auch nicht geweckt."

Unruhige Nachtruhe

Waldstein, auf der Straße nach Greifenfurt, Mitte Praios 1036 BF

Ein dumpfes Geräusch ließ Wulfhart mitten in der Nacht aus seinem leichten Schlaf aufschrecken. Ein rascher Blick zum Wagen, wo Leuthardt Wache halten sollte, zeigte ihm eine kleine Gruppe dunkler Gestalten die vom schwachen Mondlicht beschienen wurden. Von seinem Knappen fehlte jede Spur. Fast sofort war er auf den Beinen und hatte sein griffbereit liegendes Schwert blank gezogen. Das Geräusch des Stahls ließ die Gruppe kollektiv zusammenzucken.

"WER DA? GEBT EUCH ZU ERKENNEN IN PRAIOS NAMEN!" Der Greifenfurter Ritter trat gegen die Glut und ließ das niedergebrannte Feuer damit ein wenig aufflammen. Er erkannte vier Menschen, drei Männer und eine Frau, die in lederne Kleidung gehüllt waren und schwere Knüppel in den Händen trugen. Einer der Unbekannten ließ eine kleines Kästchen fallen, dass er offensichtlich gerade vom Wagen genommen hatte. Zwischen ihren Füßen lag Leuthardt am Boden, der offensichtlich bei der Wache überrascht und niedergeschlagen worden war. Zu Wulfharts Erleichterung war sein Knappe aber noch bei Bewusstsein und versuchte gerade wieder sich aufzurappeln.

"Verdammt, da ist noch einer! Los, macht ihn fertig."

Der größte der Männer zeigte mit der freien Hand auf den Ritter. Sofort wandten sich die anderen drei gegen Wulfhart und kamen mit bedrohlich erhobenen Knüppeln auf ihn zu. Der Ritter warf einen schnellen Blick in die Runde und entschied sich dann dazu nicht abzuwarten bis sie ihn erreicht hatten. Er stürmte auf die Frau zu die rechts von ihren Gefährten ging, um so zwischen die Angreifer und das Zelt mit Rahjamunde und Edelbrecht zu kommen. Überrascht von seinem Ausfall vergaß die Räuberin sich zu verteidigen. Als Wulfharts Schwert sich wuchtig zwischen Halsbeuge und Schlüsselbein grub, sah sie noch einen Moment ungläubig auf den blanken Stahl, bevor sie stöhnend zusammenbrach. Ihre Spießgesellen waren nun jedoch gewarnt und näherten sich dem Ritter deutlich vorsichtiger. Mit einem Handzeichen verständigten sie sich und nahmen den Greifenfurter nun von zwei Seiten in die Zange. Fast gleichzeitig schlugen sie zu und Wulfhart blieb nichts übrig als sich einen Schritt in Richtung des Zeltes zurückzuziehen. Doch ihm fiel auf, dass die Räuber ihren Abstand nach dem ersten Angriff nicht einhielten, sondern ihm stur folgten und dadurch wieder zusammenrückten. Bei jedem der folgenden Schläge zog sich Wulfhart nun ein wenig weiter zurück und beließ es dabei zu parieren. So zog er seine unerfahrenen Gegner immer weiter zusammen und als er nur noch einen Schritt vom Zelteingang entfernt war, standen sie wieder Seite an Seite vor ihm. Dass er nicht weiter zurückweichen konnte war auch den Räubern nicht entgangen, die mit jedem Schritt Boden den sie dem Ritter abgenommen hatten selbstsicherer geworden waren. Erneut gelang es Wulfhart sie mit einem Ausfall zu überraschen. Sein Schwert bohrte sich in die Magengrube des rechten Angreifers, der vor Schmerzen gekrümmt auf die Knie fiel. Zu Wulfharts Pech blieb das Schwert im Leib des Getroffenen stecken und wurde ihm aus der Hand gerissen. Der zweite Angreifer nutze seine Chance sofort und schlug zu. Reflexartig hob der Ritter den Schildarm um die schwere Keule abzulenken. Kleine eiserne Dornen bohrten sich in seinen Unterarm und ließen ihn vor Schmerz aufkeuchen. Doch bevor der verbliebene Räuber seinen Vorteil weiter ausnutzen konnte, hatte Wulfhart seinen Langdolch aus dem Gürtel gezogen. Vom Wagen her erklang ein weiterer Schmerzenslaut. Besorgt schaute der Räuber zur Seite und sah seinen Bandenchef in die Dunkelheit entfliehen. Einen derben Fluch ausstoßend sprang er über seinen sterbend am Boden liegenden Kumpan hinweg und war innerhalb weniger Augenblicke ebenfalls im Wald verschwunden.

Wulfhart wollte nach seinem Knappen schauen, doch Leuthardt kam sogleich hinter dem Wagen hervor in den Feuerschein getreten. Seine hellblonden Haare waren blutgetränkt, aber auch an seinem gezückten Kurzschwert schimmerte es dunkelrot. Er wankte, als er auf seinen Ritter zuging und ihm ein kleines Kästchen übergab, doch er hielt sich mit sichbarer Mühe aufrecht.

"Als er den Zweiten fallen sah, schnappte er sich das hier und wollte fliehen. Zu seinem Pech dachte er wohl ich sei schon erledigt und hat nicht mehr auf mich geachtet. Ich erwischte ihn noch an der Hand und er verlor das Kästchen zusammen mit einem seiner Finger." Leuthardts Blick war so grimmig wie er bei einem Dreizehnjährigen nur sein konnte, aber er senkte auch sofort schuldbewusst den Kopf. "Bitte verzeiht mir meine Unachtsamkeit, Herr. Ich habe mich auf meiner Wache von diesen Dieben übertölpeln lassen."

"Oh nein!" Hinter den beiden hatte Rahjamunde nachdem die Kampfgeräusche verstummt waren vorsichtig die Zeltplane geöffnet und hinausgespäht und hatte jetzt das blutverschmierte Kästchen in der Hand des Ritters entdeckt. Sie richtete den Blick fest auf Wulfharts Gesicht, um nicht in die starren Augen der am Boden liegenden Toten blicken zu müssen. "Seid Ihr schwer verletzt worden?"

"Kaum mehr als ein paar Kratzer und die Knochen sind wohl auch heil geblieben." Er bewegte probeweise seinen verletzten Arm und reichte Rahjamunde dann das Kästchen. Sie nahm es erst nach kurzem Zögern entgegen, wobei sie darauf achtete es an einer unbeschmierten Ecke zu greifen. "Seid so gut und kümmert Euch um Leuthardt. Ich werde derweil unseren Lager säubern."

"Natürlich. Kommt mit mir ans Feuer junger Mann." Die Edeldame verschwand eilig wieder im Zelt und kam kurz darauf mit einem großen Leinentuch und einem kleinen Messer wieder zurück. Hinter ihr kam nun auch Wulfharts Page heraus und sah mit großen Augen auf den verwüsteten Lagerplatz. "Edelbrecht, geh bitte und hole sauberes Wasser aus dem Bach. Ich will die Wunde erst waschen und sehen wie schlimm es ist."

Der Greifenfurter Ritter säuberte erst sein Schwert an der Kleidung des toten Mannes und machte sich dann daran im Schein einer Fackel nach einem geeigneten Baum zu suchen. Nachdem er eine alte Eiche ein paar Dutzend Schritt weiter am Wegesrand gefunden hatte, holte er sich zwei Stück Seil und knüpfte die toten Räuber an einen starken Ast. Mochten ihre Spießgesellen sie holen um sie borongefällig zu begraben oder sich die wilden Tiere darum kümmern. Wulfhart war es gleich. Die wenigen Habseeligkeiten und Münzen aber die die beiden dabei gehabt hatten, nahm der Ritter an sich, um sie in Kressenburg den Kirchen zukommen zu lassen.

Vergangenheit und Gegenwart

Waldstein, auf der Straße nach Greifenfurt, Mitte Praios 1036 BF

Wohl ein halbes Stundenglas war vergangen, seit Wulfhart die Räuber in die Flucht geschlagen hatte. Sein Knappe lag mit verbundenem Kopf im Zelt und auch sein Page war, nachdem er sich vom Schock des Angriffs erholt hatte schnell wieder eingeschlafen. Nun saß der Ritter am geschürten Feuer und ließ sich von Rahjamunde die eigenen Wunden verbinden. Vier hässliche tiefe Löcher hatte die Dornenkeule des Räubers in Wulfharts Arm hinterlassen, doch zu seinem Glück hatten die Knochen die Wucht des Schlages unbeschadet überstanden. Rahjamunde wusch die Wunden vorsichtig mit dem klaren Wasser des Baches aus, bevor sie den Arm mit den Streifen eines zerschnittenen Leinentuches notdürftig verband.

"Ich fürchte, das ist alles was ich im Moment tun kann. Es sollte die Blutung stillen, aber wenn wir in Kressenburg sind, solltet Ihr trotzdem einen Geweihten aufsuchen." Die junge Edeldame klang ehrlich besorgt.

"Das ist mehr als gut genug, ich danke Euch." Wieder bewegte Wulfhart probeweise den Arm, doch mehr um auszuprobieren, ob der Verband seine Beweglichkeit einschränkte. Mit den Schmerzen konnte der erfahrene Ritter umgehen, aber da sie noch einige Tage durch den Reichsforst reiten würden, wollte er bei einer ähnlichen Überraschung nicht behindert sein. "Wie kommt es, dass Ihr Euch so kunstfertig auf die Versorgung von Wunden versteht? Habt Ihr neben Eurer Lehre bei den Schmieden auch noch Unterweisungen eines Peraine-Priesters gehabt?"

"Nein, das nicht." Rahjamunde errötete ob des Lobes. "Aber im Hause meines Meisters in Wandleth hatten wir ein kleine Truhe mit Verbandszeug und Salben. Die Arbeit in einer Schmiede ist nicht ungefährlich wenn man nicht weiß wo man seine Hände besser nicht haben sollte. Brandwunden, Quetschungen und Schnitte sind gar nicht so selten, vor allem bei den jungen Lehrlingen. Mein Meister war darauf bedacht, dass jeder in seinem Haushalt wusste was in einem solchen Fall zu tun ist."

"Sehr löblich und vor allem nützlich, ohne Frage." Wulfhart nickte anerkennend und setzte sich dann bequemer ans Feuer, wobei der den verletzten Arm auf sein Bein bettete. "Dieses kleine Kästchen das Leuthardt den Räubern wieder abgejagd hat", wechselte er das Thema, "mir schien, es bedeutet Euch sehr viel."

Verlegen schlug die junge Maid eine Hand vor den Mund und senkte den Blick zum Feuer. "Es ist nichts, wirklich. Zumindest nichts von großem Wert. Es ist ein einfacher eherner Reif, welchen ich zum Abschluss meiner Lehre angefertigt habe. Mein Gesellenstück...", endete sie leise. Behutsam griff sie nach dem blutverschmierten Kästchen. Nach kurzem Zögern reichte sie es Wulfhart und forderte ihn mit einem stummen Nicken auf es zu öffnen.

Dem Ritter war es, nun da er wusste um was es sich handelte, ein wenig peinlich so indiskret gefragt zu haben. Doch kam er Rahjamundes Aufforderung nach und drehte das Kästchen in den Schein des Feuers um den Inhalt besser sehen zu können. Wie sie gesagt hatte, fand er einen Stirnreif aus Bronze darin und tatsächlich waren weder Gold noch Silber an ihm. Doch das Metall war mit hoher Kunstfertigkeit verziert worden. Der Reif stellte zwei ineinander verwobene Zweigen dar. Wulfhart erkannte feinste Blätter und die nachgeahmte Maserung von Rinde die aus dem Metall herausgearbeitet worden waren. In der Mitte des Reifes saß, umgeben von einem Ring aus feinsten Blütenblättern, ein kleiner hellroter Granat, dessen Schliff den Schein des Feuers einfing und ihn wirken ließ, als würde eine kleine Glut in dem Stein brennen.

Sprachlos betrachtete der Ritter den Reif eine geraume Zeit, fasziniert vom Lichtspiel des Feuers. Durch sein langes Schweigen verunsichert, rutschte Rahjamunde unbehaglich auf ihrem Platz herum. "Wie ich sagte, nur ein einfacher Reif, gerade gut genug für eine Bürgertochter." Sie nahm an, er wäre zu höflich seine Kritik gerade heraus zu äußern und suche nun nach Worten ihr seine Meinung schonend beizubringen.

"Der Reif einer Bürgertochter...", murmelte er leise vor sich hin, während er das Stück noch ein wenig länger betrachtete. Rahjamundes Verunsicherung nahm er in diesem Moment gar nicht wahr, jedoch verstand er in diesem Augenblick den Hintergrund des Vergleichs den die junge Frau vor einigen Tagen nach ihrem Besuch in Gareth angebracht hatte. Endlich sah er wieder zu Rahjamunde auf und blickte sie voller Bewunderung an. "Dieser Reif ist nicht der einer einfachen Bürgerlichen. Er gebührt einer Edeldame und wird Euch wahrhaft gut zu Gesicht stehen."

Verschämt wandte Rahjamunde ihr Gesicht vom Feuer ab. Sie spürte ihr Gesicht heiß werden und schämte sich ob des unerwarteten Lobes. "Sagt so etwas nicht, werter Wulfhart. Ich werde im Leben keine Edeldame sein. Mag meine Mutter inzwischen auch Junkerin sein und sich Perlvögtin nennen dürfen, so bin ich doch nichts als der unscheinbare schwache Sproß einer Bastardlinie und völlig aus der Art geschlagen noch dazu. Für eine Edeldame bin ich wahrhaft nicht geschaffen." Ein Hauch von Bitternis schwang in ihrer zittrigen Stimme mit. Deutlich hatte sie die Kränkungen und Zurückweisungen vor Augen die sie als kleines Mädchen von ihren Altergenossen hatte erfahren müssen, weil sie stets zu zart und schwach für die ausgelassenen Spiele der Nachbarskinder gewesen war. Zwar hatten die bösen Worte nachgelassen, als ihre starke jüngere Schwester alt genug gewesen war sie zu verteidigen, doch wurde sie fortan von fast allen einfach ignoriert was noch schwerer zu ertragen gewesen war als die pöbeleien. Mochte sie mit ihrem Weg als Handwerkerin auch später glücklich geworden sein, so hatte sich die in der Kindheit erfahrene allgemeine Ablehnung doch tief in ihre junge Seele gefressen und eine Wunde hinterlassen, die schmerzte wenn man daran rührte.

"Rahjamunde, bitte schaut mich an. Seht mir ins Gesicht und wisst, dass ich die Wahrheit spreche." Wulfhart wartete, bis die junge Frau sich gesammelt hatte und sich überwand ihn anzusehen. Die Röte ihrer Wangen war selbst im diffusen Feuerschein nicht zu übersehen. Der Ritter zögerte einen noch Moment, doch schließlich gewann das Gefühl die Oberhand, dass die Götter selbst hier ihre Finger im Spiel haben mussten. "Rahjamunde, ich weiß nicht woher Eure geringe Meinung über Euch selbst herrührt. Jedoch kann ich Euch aus tiefstem Herzen versichern, dass Ihr für solche Selbstzweifel nicht den geringsten Anlass zu haben braucht. Der Herr Ingrimm hat Euch über die Maßen gesegnet, wie ich an diesem Kleinod hier unschwer erkennen konnte." Vorsichtig schloss er das Kästchen mit der Stirnreif und legte es achtsam beiseite. "Dazu habt Ihr das Herz am rechten Fleck und wisst zuzufassen wo Euer Wissen und Eure Fähigkeiten nützlich sein können", sprach er weiter, wobei er auf den frischen Verband an seinem linken Arm deutete. "Und zum guten Schluss seid Ihr von solch einem zarten Liebreiz, wie ich ihn seit meiner guten Holdwiep, Travia hab sie selig, nicht mehr erblickt habe. An Euch ist alles was es bedarf um Eurem Stand als Edeldame gerecht zu werden und nicht zuletzt auch das Herz eines gestandenen Ritters im Fluge für Euch zu gewinnen."

"Wulfhart, Ihr macht mich schaudern." Wieder senkte Rahjamunde den Blick und starrte auf den Waldboden. Ihre Gefühlswelt geriet von einen Moment zum nächsten völlig aus den Fugen. Obgleich die Worte des älteren Ritters ihr schmeichelten und ihr wohltaten, fürchtete sie sich doch davor ihm länger in die Augen zu schauen. "Wie kommt Ihr nur dazu mir derart zu schmeicheln." Ein leichter Tadel lag in ihren Worten, der schärfer klang als sie es beabsichtigt hatte.

"Ich hatte gehofft, dass Ihr mich im Laufe unserer gemeinsamen Reise besser einschätzen könntet, als mich für einen Schmeichler zu halten." Er verbarg die aufkeimende Enttäuschung über Rahjamundes zurückweisenden Worte. Stattdessen ließ er sein Herz sprechen, denn er hatte das Gefühl es würde ihm in der Brust zerspringen wenn er es nicht täte. "Meine Worte sind so wahr wie mir die Zwölfe heilig sind. Ihr mögt nichts dazu getan haben, dennoch gehört Euch allein mein Herz, liebste Rahjamunde. Vom Augenblick unserer ersten Begegnung an habt Ihr mich verzaubert und nun ist es mein innigster Wunsch, dass Ihr mit mir den Travia-Kreis beschreiten mögt."

Die junge Frau schwieg. Wulfharts Ansinnen hatte sie vollkommen überrascht. Auf ihrer gemeinsamen Reise war er für sie wie ein väterlicher Freund geworden, jemand dem sie Vertrauen schenken konnte. Doch nun da er es ausgesprochen hatte, spürte sie auf einmal den geheimen, ihr verboten vorkommenden, Wunsch nach mehr. Viel zu verworren waren ihre Gedanken, als dass sie einen davon klar hätte fassen können. Nach langen Minuten des Wartens, in denen der Ritter geduldig neben ihr ausharrte, wurde ihr die sich ausbreitende Stille aber doch unheimlich.

"Lieber Wulfhart, ich bitte Euch nicht hier und jetzt auf eine Antwort zu beharren." Sie sprach sehr zögerlich und unsicher, wollte sie den Ritter doch in keinster Weise verletzen. "Ihr sollt wissen, dass ich mich durch Euer Ansinnen sehr geehrt fühle. Doch kommt es für mich sehr überraschend und ich bitte Euch um ein wenig Zeit, damit ich in Ruhe über Eure Worte nachdenken kann. Ich erkenne, dass es Euch ernst damit ist, deswegen will ich Euch keine übereilte Antwort geben die dieser Ernsthaftigkeit nicht würdig wäre. Bitte seid mir deswegen nicht gram", fügte sie fast kleinlaut hinzu.

Wulfhart traute der Festigkeit seiner Stimme nicht und so beließ er es dabei, ein wenig von Rahjamunde abzurücken und seinen Blick auf das Feuer zu heften. Die Edeldame erhob sich fast hastig, hauchte ein "Gute Nacht" und begab sich eilig zum Zelt. Schlaf sollte sie in dieser Nacht keinen mehr finden. Der Ritter aber blieb vor dem herabbrennenden Feuer sitzen und betrachtete bis zum Sonnenaufgang versonnen die immer schwächer werdende Glut.

Heimkehr

Kressenburg, Ende Praios 1036 BF

Rahjamunde hatte ihren Lebtag nicht so viele Bäume gesehen wie in den Tagen die sie benötigt hatten um den Reichsforst zu durchqueren. Zumal es ihnen der Wald nicht leicht gemacht hatte. Immer wieder hatten Wulfhart, Leuthardt und Edelbrecht den Weg von umgestürzten Bäumen und wucherndem Getrüpp befreien müssen, damit der Karren mit Rahjamundes Habe die Stellen passieren konnte. Die wenigen Händler denen sie unterwegs begegnet waren, hatten ihre Waren in Kiepen verstaut und beim Anblick des Gespanns nur mitleidig die Köpfe geschüttelt. Es war wirklich an der Zeit, dass dieser Pfad nachhaltig freigemacht wurde, sonst würde man ihn in einigen Götterläufen wohl gar nicht mehr durchgängig benutzen können.

So aber war Rahjamunde genug Zeit geblieben um ihre Gedanken und Gefühle zu ordnen, die durch Wulfharts überraschenden Antrag in völlige Unordnung geraten waren. Bisher hatte sie sich nie ernsthaft Gedanken um einen möglichen Traviabund gemacht, zumal ihre Mutter solange sie gemeinsam in Wandtleth gelebt hatten, keinerlei Ambitionen gehabt hatte sie zu verkuppeln. Im Gegenteil hatte sie Rahjamunde und ihrer Schwester immer volle Freiheit bei der Wahl ihrer Partner versichert, ganz so wie sie es selbst gehalten hatte. Nur die Anfragen in den Briefen ihrer Adoptiv-Großmutter Yadviga waren mit den Jahren häufiger geworden, bis hin zu eindeutigen Angeboten sich im Greifenfurter Adel nach einem passenden Gemahl umzutun. Zu Rahjamundes Erleichterung hatte ihre Mutter derlei Vorstöße immer diplomatisch abgewehrt und ihrer Tochter stattdessen die Lehre bei einem zwergischen Handwerksmeister verschafft.

Nun aber stand die junge Frau unvermittelt vor einer Wahl die ohne Frage ihr weiteres Leben entscheidend beeinflussen würde. Bisher hatte sie sich nie anders gesehen und gefühlt denn als einfache Bürgerliche. Den Adelszusatz ihres Namens hatte sie wann es ging vermieden, denn er kam ihr anmaßend vor. Im Hause ihres zwergischen Lehrmeisters war er sowieso ohne Bedeutung gewesen. Sie wäre ohne Frage glücklich damit gewesen, den Rest ihres Lebens an einer Werkbank zu verbringen und aus blankem Metall kunstvolle Kleinode zu schaffen. Selbst die Belehnung ihrer Mutter als Junkerin von Dreihügeln vor zwei Götterläufen hatte daran wenig geändert. Zwar hatte Rahjamunde gewusst, dass sie als Erstgeborene nun Anspruch auf ein größeres Erbe hatte, doch war ihr dies während ihrer Ausbildung so unendlich weit weg erschienen. Wenn überhaupt, so war es die Welt ihrer wilden Schwester, die sich schon immer durchzusetzen gewusst hatte. Plötzlich aber war dies alles auf sie eingestürzt. Sie war eine Edeldame, zukünftige Junkerin von Dreihügeln und was immer sie auch vom Leben gewollt hatte, sie würde zukünftig mehr Verantwortung tragen als ein Werkstück rechtzeitig fertigzustellen oder ein paar Lehrlinge herumzuscheuchen. Eine Hundertschaft Bauern und Fischer war im Moment ihrer Mutter untertan und Rahjamunde würde eines Tages über sie gebieten. Der Gedanke jagte ihr Schrecken ein, doch war dies eine Aufgabe vor der sie sich kaum würde drücken können.

Nachdem sie sich mit diesen Tatsachen abgefunden hatte, fiel es der jungen Frau viel leichter über alles weitere nachzudenken. Waren ihr Wulfharts Avancen zuerst unerhört und skandalös unstandesgemäß vorgekommen, konnte sie seine Komplimente nun mit ungetrübter Freude genießen. Denn obschon ihre diese Form der Aufmerksamkeit zu Anfang fremd und unangenehm gewesen war, hatte sie sich mit den Tagen doch eingestehen müssen, dass sie eine Saite in ihr zum klingen brachte der sie bisher keine Beachtung geschenkt hatte. Sein Werben war unaufdringlich gewesen und tatsächlich hatte er sich hernach strikt an ihre Bitte gehalten und den Traviabund nicht wieder zur Sprache gebracht. Trotzdem war der Ritter weiterhin ausgesucht höflich und zuvorkommend gewesen. Er hatte ihr ihren Willen und Freiraum gelassen, zwei Dinge auf die Rahjamunde trotz ihrer Jugend und Unerfahrenheit nicht verzichten mochte, und war ihrer handwerklichen Tätigkeit gegenüber von Anfang an aufgeschlossen gewesen. Zudem gefiel er Rahjamunde ausnehmend gut, ein Umstand den sie erst bemerkt hatte, nachdem sie sich zugestanden hatte in solch eine Richtung überhaupt nur zu denken. Natürlich war er mit seinen fast fünfzig Götterläufen mehr als doppelt so alt wie sie selbst und grauen Strähnen durchzogen längst das schwarze Haar und den Bart. Dennoch war er von großer kräftiger Statur und zeigte keinerlei Anzeichen von Altergebrechen. Selbst die vielen kleinen Narben an Händen und Armen und dem restlichen Körper, die er durch ein Leben voller Kämpfe davongetragen hatte, schmälerten nicht die Anziehungskraft die er auf Rahjamunde ausübte. Der Ritter war ohne Frage erfahren, in allen Lebenslagen und hatte der jungen Frau ein halbes Leben und fünf Kinder aus erster Ehe voraus. Er war mit sich selbst im Reinen und strahlte Sicherheit aus, Ruhe und Abgeklärtheit in allen Situationen. Nicht zuletzt wusste er auch wie man ein Lehen zu führen hatte, damit es dem Herrn Praios zum Wohlgefallen gedieh. Für Rahjamunde wirkte er wie ein Fels in der Brandung und sie spürte, dass sie bei Wulfhart stets Halt und Hilfe finden würde, bei allen Prüfungen die das Leben noch für sie bereit hielt. Als die kleine Reisegruppe schließlich am letzten Tag des Praiosmondes die Stadt Kressenburg erreichte, hatte sie ihre Entscheidung getroffen.

Am Stadttor hießen sie zwei Büttel willkommen. Rahjamunde spähte nach allen Seiten und hielt Ausschau nach den Plätzen die Wulfhart ihr zuvor beschrieben hatte. Mit glänzenden Augen und freudigem Lächeln besah sie sich jeden Winkel ihrer neuen Heimat und als sie an der Zwergengasse vorbeifuhren, aus der das Hämmern der Schmiede und der Rauch der Essen die begrüßte, da wurde der jungen Frau wahrlich warm ums Herz. Fast schien ihr die Fahrt den Burgberg hinauf würde ewig dauern und als der Wagen schließlich durch das Burgtor fuhr und im Burghof zum Halt kam, da überkam sie eine unerklärliche Nervosität. Wie bei jedem Halt auf ihrer mehrwöchigen Reise war es Ritter Wulfhart der ihr die Hand anbot um ihr vom Kutschbock zu helfen. Zum ersten Mal jedoch ergriff sie sie nun ohne Unbehagen oder gemischte Gefühle. Als sie mit beiden Beinen fest auf dem gepflasterten Hof stand, ihre Knie merkwürdig weich dabei, hielt sie seine Hand mutig fest als er sich wie immer umwandte um nach den Pferden zu sehen. Mit fragendem Blick drehte er sich zu ihr um.

"Ritter Wulfhart, jene Worte die Ihr dort des Nachts am Feuer im Reichsforst an mich gerichtet habt? Gelten sie noch immer, hier und jetzt im Schein von Praios' Antlitz?" Vor lauter Aufregung fühlte sich ihr Hals wie zugeschnürt an und sie hatte Mühe die Worte herauszubringen.

"Jedes einzelne von ihnen." Wulfharts Gesicht war ernst und er wappnete sich innerlich gegen die Absage welche die junge Maid ihm zweifelsohne nach der ihm quälend lang vorgekommenen Bedenkzeit erteilen würde. "Was ich sagte entsprang meinem Herzen und hat auf ewig Gültigkeit."

Rasch stellte sich Rahjamunde auf die Zehenspitzen und hauchte dem verdutzten Ritter einen Kuss auf die bärtige Wange. "So will ich denn die Eure sein."

Vor Freude darüber, dass sie die Worte deutlich und unfallfrei über ihre bebenden Lippen bekommen hatte, warf Rahjamunde ihm die Arme um die Schultern und drückte sich für einen kurzen Moment an ihn. Fast sofort wurde ihr aber wieder gewahr, wo sie sich befand. Sicherlich war ihr Verhalten ungebührlich, gerade vor den Knechten und Mägden die den Ritter kannten und sie wollte Wulfhart auf keinen Fall in Verlegenheit bringen. Also zog sie sich aufs heftigste errötend wieder zurück, nuschelte eine leise Entschuldigung und löste ihre vor Aufregung feuchten Hände aus seinem Griff. Zu ihrer Erleichterung hatte wohl nur Wulfharts Page auf dem Kutschbock diese kleine Szene mitbekommen, denn er schaute besonders auffällig zu seinen Stiefelspitzen und rieb einen Dreckfleck weg, wo keiner war. Sie beeilte sich trotzdem ans hintere Ende des Wagens zu kommen und zu schauen, ob ihr Gepäck die Reise gut überstanden hatte.

Vaterfiguren

Kressenburg, Ende Praios 1036 BF

Einige Stunden später, es war bereits Nacht geworden, saß Wulfhart mit einem Humpen Zwergenbräu vor sich bei seinem Sohn Ardo im Kaminzimmer. Eine Zeit lang unterhielten sie sich über die neuen Geschäftskontakte nach Neerbusch, die Ardo auf seiner Reise dorthin geknüpft hatte, und beschlossen, dass Wulfhart zu dem bald anstehenden Fest nach Bärenau reisen sollte. Die lange umstrittene Baronin Iralda war vom neuen Grafen von Hartsteen endlich offiziell bestätigt worden und wollte dies mit einer Tjost feierlich begehen. Da man freundschaftliche und verwandtschaftliche Beziehungen zum Bärenauer Adel pflegte, sollte ein Keilholtz bei den Feierlichkeiten nicht fehlen und Wulfhart bekam als Familienoberhaupt diese Ehre zugesprochen. Als der junge Baron alles besprochen hatte, was ihm wichtig erschienen war, kam man endlich auf die Reise gen Wandtleth und zurück zu sprechen.

"Hattet ihr auf dem Weg irgendwo Schwierigkeiten", begann Ardo zu fragen. "Ich sah deinen Knappen mit einem Verband am Kopf herumlaufen."

"Nur ein paar Wegelagerer am Rande des Reichsforstes." Wulfhart winkte ab, als wäre die Sache eigentlich nicht erwähnenswert. "Zwei von ihnen hängen jetzt an den Bäumen, die anderen gaben Fersengeld. Außer ein paar Schrammen bei Leuthardt und mir ist uns nichts passiert. Magister Wasjeff hat sich bereits alles besehen und gemeint, es gäbe für ihn nichts mehr zu tun. Ich habe veranlasst, dass dein Majordomus Rahjamunde das beste Gästezimmer zur Verfügung stellt, ich hoffe das ist in deinem Sinne. Bis sie ihren neuen Lehrmeister hat, sollte sie hier auf der Burg Travias Gastrecht genießen."

"Da hast du Recht getan, Vater, und ich entschuldige mich, dass ich mich nicht persönlich darum gekümmert habe. Immerhin ist dies hier mein Heim und ich hätte sie längst willkommen heißen müssen. Leider schien sie von der Reise doch etwas mitgenommen zu sein und ließ sich für heute Abend entschuldigen. Aber Praiadne hat nach ihr gesehen und sich erkundigt, ob es ihr an nichts mangelt." Der Baron machte eine Pause und trank einen Schluck, bevor er weitersprach. "Aber ich habe in der Zwischenzeit einen Lehrmeister gefunden, der gewillt ist, die junge Dame zu unterrichten. Durac selbst hat sich bereit erklärt! Er meinte, er schulde den Kressenburger Baronen noch ein paar Gefallen dafür, dass sein Freund Ulfried ihm damals erlaubte, seine ganze Sippe hierher zu bringen und sie dadurch zu Wohlstand gekommen seien. Außerdem spürt er die Last des Alters und will keinen zwergischen Lehrling mehr nehmen. Angroschs Feuer scheint dieser Tage schwächer in ihm zu brennen."

"So sehr mich sein Angebot freut, so betrübt es mich doch zu hören, dass die Last des Alters über ihn kommt." Wulfhart hob den Krug zu Durac's Ehren und nahm einen langen Zug. "Er hat Kressenburg viel gegeben und hätte dir noch eine wichtige Stütze sein können."

"Nun ja, noch ist er ja nicht zum Stein gegangen und wenn er sich noch nicht zu alt dafür fühlt, einen Lehrling zu nehmen, dann wird er uns wahrscheinlich trotzdem beide überleben. Doch erzähl einmal von der jungen Dame. Wird sie Meister Duracs Anforderungen überhaupt gerecht werden?"

"Ohne Frage", antwortete Wulfhart mit dem Brustton der Überzeugung. "Ich habe das Werkstück gesehen, das sie zum Abschluss ihrer Lehre in Wandtleth angefertigt hat und das hätte jedem Gesellen der Angroschim gut zu Gesicht gestanden."

Ardo pfiff leise anerkennend durch die Zähne. "Wenn sie wirklich so gut ist, dann ist es fast schade, dass sie Kressenburg eines Tages verlassen wird, um Dreihügeln zu verwalten."

"Bis dahin fließt aber noch viel Wasser die Ange herunter." Wulfhart dachte kurz nach und fand dann, dass es an der Zeit war, seinem Sohn die eigentlich wichtige Neuigkeit näherzubringen. "Weißt du Junge, ich habe mich gefragt, ob wir nicht in einem der Gesindehäuser auf der Burg eine Werkstatt für Rahjamunde einrichten könnten."

"Warum das?" Ardo blickte seinen Vater völlig verständnislos an. "Durac wird sicherlich darauf bestehen, dass sie ihre Ausbildung an seiner Esse erhält."

"Aber ich würde darauf bestehen, dass sie in ihrer Lehrzeit wenigstens des Nachts und später dauerhaft Quartier auf Burg Keilholtz erhält. Zumindest wäre es der Herrin Travia wohlgefällig, wenn sie mit ihrem Gatten unter einem Dach und an einem Herdfeuer leben würde, meinst du nicht auch?"

"Natürlich wär es das. Aber ihre Mutter hatte nichts davon geschrieben, dass die junge Dame bereits unter der Haube ist und ihren Ehemann mitbringt." Der Baron war ein klein wenig erbost über diese unerwartete Überraschung. Platz war auf der Kressenburg sicherlich genug, aber er ließ sich ungerne überraschen.

"Das konnte die ehrenwerte Junkerin auch gar nicht wissen, mein Junge. Denn Rahjamunde ist erst seit kurzem verlobt und konnte es ihrer Frau Mutter somit schlechterdings schon mitteilen."

"So? Seit wann denn? Und wer ist der Glückliche? Praiadne meinte, die junge Dame sei gebildet und durchaus hübsch anzuschauen." Im Geheimen befürchtete er, dass die junge Maid auf der Reise dem Charme eines dahergelaufenen Stallburschen erlegen sei. Wie sollte er das bloß der Junkerin erklären, der er versprochen hatte, ihre Tochter unbeschadet nach Greifenfurt zu bringen?

"Das Versprechen gab sie heute etwa um die Mittagsstunde und der Glückliche bin in diesem Fall ich." Fast genüsslich sah Wulfhart zu, wie seinem Sohn die Gesichtszüge entglitten. "Schau mich nicht so an. Auch ein Schlachtross wie ich darf doch wohl auf seine alten Tage noch einmal Freude am Leben erfahren."

"Ja, natürlich. Ich hatte nur nicht gedacht, dass..." Ardo fehlten schlicht die Worte und so trank er hilflos ein paar Schlucke, um das Gehörte zu verdauen.

"Du dachtest", vollendete der ältere Ritter den Satz für ihn, "dass ich den Rest meines Lebens deiner seligen Mutter hinterhertrauern werde, bis ich mich schließlich eines lieben Tages in den Speer eines dahergelaufenen Orks werfe, um endlich an ihrer Seite in Alveran zu weilen?"

"Nun, ja..., so etwas in der Art habe ich immer befürchtet." Beschämt schlug der Jüngere die Augen nieder. "Mutters Tod jährt sich im Winter zum zwölften Mal und du schienst als die Jahre nicht gewillt, das Leben auf Dere ohne sie als sinnvoll zu erachten. Verzeih mir bitte, dass ich so über dich dachte."

"Da gibt es nichts zu verzeihen, mein Sohn." Begütigend legte Wulfhart seine Hand auf Ardo Arm. "Denn im Grunde liegst du mit deiner Einschätzung gar nicht so falsch. Ich habe mich lange wegen Holdwiep Tod gegrämt und auch wenn ich euch Kindern eine treusorgende Mutter schuldete, so konnte ich mich doch nie dazu durchringen mich erneut zu binden. Es schien mir stets, als würde ich Holdwiep damit verraten."

"Und bei Rahjamunde ist das nun anders?"

"Oh ja! Warte, bis du sie morgen früh kennenlernst. Ich bin mir sicher, du wirst sie mögen." Wulfharts Stimme wurde schwärmerisch. "Sie ähnelt in so vielem deiner Mutter, dass ich zu Anfang dachte einen Geist vor mir zu haben."

Das Schreien eines Säuglings scholl plötzlich durch die stillen Gänge der Burg und unterbrach das Gespräch. Nach wenigen Augenblicken ebbte es ab und es kehrte wieder Ruhe ein. Ardos kleiner Sohn hatte offensichtlich Hunger und sein Recht bei seiner Amme eingefordert.

"Meine Stiefmutter ist jünger als ich," stellte der junge Baron sachlich fest und machte dann eine Pause. Als sein Vater dazu nichts sagte, fuhr er fort. "Ich nehme an, dass wir das Erbe neu werden regeln müssen?"

"Nein, das denke ich nicht mein Junge. Rahjamunde ist zwar jung und gesund und ich bin noch nicht zu alt. Dementsprechend hoffe ich, dass Tsa unsere Verbindung segnen wird, wenn es soweit ist. Doch wenn wir Kinder haben sollten, werden diese in der Erbfolge der Dreihügeler Junker stehen. Die Neue Gerbaldslohe bleibt das Erbe deiner Schwester und sollte mich Boron vor ihrer Mündigkeit zu sich rufen, so wirst du das Gut für sie verwalten. Dir und deinen Brüdern aber ist das Rüstzeug für Euer Leben bereits gegeben und ich habe nichts weiter, was ich verteilen könnte. Auch mein Schwertarm bleibt dir erhalten, zumindest solange Rahjamunde in Kressenburg weilt. Sollte sie jedoch den Wunsch verspüren, eines Tages zu ihrer Mutter nach Dreihügeln weiterzuziehen, so werde ich sie begleiten, denn nun, da sie mein Werben erhört hat, möchte ich im Leben nicht mehr von ihr getrennt sein. Ich hoffe, du kannst diesen Wunsch verstehen und wirst deinen Vater zu gegebener Zeit von seinem Eid entbinden."

"Natürlich doch, Vater." Ardos Stimme war belegt, denn die Lebensfreude, die Wulfhart ausstrahlte, ließ dem Sohn warm ums Herz werden. Gerade nachdem er mit Praiadne selbst die Freude einer eigenen Familie erfahren hatte und erahnen konnte, wie sehr ihr Verlust ihn treffen würde, gönnte er seinem Vater dieses späte Glück um so mehr. Seine Gedanken kreisten jedoch auch schon voraus und begannen wie von selbst mit der Planung der Feierlichkeiten. "Ich befürchte zwar, dass Lisande nicht aus Hundsgrab wird kommen können, aber deine vier Söhne werden dich vor den Travia-Geweihten führen. Und wenn wir dich tragen müssen, alter Mann!" Fröhlich prostete Ardo seinem Vater zu. Der versuchte zwar einen Moment lang streng zu schauen, doch schließlich stimmte er in das ausgelassene Lachen mit ein. Noch über ein Stundenglas saßen sie zusammen, um Pläne zu schmieden, bevor die Aufregung des Tages und der letzten Wochen sie zu borongefälliger Ruhe trieb.

Hochzeit auf Dreihügeln

Traviabund von Rahjamunde und Wulfhart

DEUS VULT

Ein Tempel für Answin

An Seine Hochgeboren

Ardo von Keilholtz ä.H.

Baron zu Kressenburg
 
 
 
 
Praios zum Gruße!

Uns ist durch seine Hochwürden Badilak von Praiostann kund getan worden, dass Ihr in den Euch zum Lehen gegebenen Kressenburger Landen den Neubau eines dem Herrn Praios und seinem Diener Garafan gewidmeten Tempels in Angriff nehmen wollt. Wir begrüßen dieses Unterfangen ausdrücklich und erteilen Euch dafür den Segen des Götterfürsten.

Uns wurde ebenso Euer Wunsch mitgeteilt, dass sich die Kirche des Götterfürsten an den anfallenden Kosten Eures Bauvorhabens beteiligen möge. Hierzu sei Euch gesagt, dass die Mittel die der Praios-Kirche in den Landen der Mark Greifenfurt zur Verfügung stehen begrenzt sind. Dem gegenüber erscheinen und die Aufgaben und Verpflichtungen denen Wir Uns derzeit gegenübersehen so mannigfaltig, dass Wir sie nicht in einfache Worte oder Zahlen zu fassen vermögen. Das sorgsame Auge des Götterfürsten liegt derzeit auf den Teilen der Mark, welche die Bürden der vergangenen Götterläufe weniger unbeschadet überstanden haben als es bei den Kressenburger Landen der Fall ist.

Uns stets gegenwärtig ist jedoch auch der Wille des Götterfürsten. Praios' Wunsch ist es, dass dem Heiligen Answin in den zwölfgöttlichen Landen eine größere Verehrung zuteil werde, damit ein jeder die wahre Größe des noch immer als schurkischen Reichsverräter verleumdeten Heilgen erkenne. Solltet Ihr die Weitsicht besitzen dem Wunsch des Götterfürsten nach Mehrung des Ruhms seines im Reich so schmählich vernachlässigten Heiligen zu entsprechen, wären Wir bereit Euer Praios gefälliges Tun finanziell zu unterstützen.

Die Zwölfe mit Euch, Praios voran!
 
 
 
 
Seine Ehrwürden

Praiomon Caitmar von Dergelstein

Illuminatus der Mark Greifenfurt

Sertiser Sonnenstände

Morgenröte

Reichsstadt Greifenfurt, Am Morgen des 2. Praios 1036 BF

Der Illuminatus sprach ein langes Dankgebet an den Götterfürsten. Praios' Fügung war es zu verdanken, dass das Schriftstück für Arras de Mott den Weg in seine Hände gefunden hatte. Hatte doch der Sertiser Ritter, der die Nachricht direkt hätte überbringen sollen, auf Befehl seines Herren während der Tage des Namenlosen den düsteren Reichsforst durchqueren müssen. In der Reichsstadt angekommen war die arme Seele sofort zum Praios-Tempel geeilt um für sein Seelenheil zu beten und war mehr als erfreut gewesen, als man ihm anbot die Botschaft den Rest der Strecke, den gefährlichen Weg durch den Finsterkamm, von einem Bannstrahler überbringen zu lassen. Befreit von der Last hatte sich der junge Mann in die Vergnügungen der Neujahrsfeierlichkeiten gestürzt, während er als Gast des Tempels auf das Antwortschreiben wartete.

Natürlich war das an seine Base gerichtete Schreiben des Reichsrichters geöffnet worden. Zwar hatte die Geweihte ihren fanatischen Ansichten abgeschworen und sich zum Gebet in das Bergkloster zurückgezogen. Trotzdem wachte die Kirche nach wie vor aufmerksam darüber, dass die Gestrauchelte auf dem rechten Pfad blieb und nicht unnötig in weltliche Versuchung geführt wurde. In diesem Fall war der Wille des Herren unübersehbar und Praiomon gedachte diese Möglichkeit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Als sein Gebet geendet hatte, begab er sich eilig in seine Schreibstube um ein Begleitschreiben zu verfassen, welches der Anfrage des Pfalzgrafen beigefügt werden würde.

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An Ihre Exzellenz

Lechmin Lucina von Hartsteen

Custora Lumini zu Arras de Mott
 
 
 
 
Seid gegrüßt im Namen des Götterfürsten, dem wir zufürderst auf Dere dienen.

Uns erreichte die Kunde, dass der Pfalzgraf zu Breitenhain, Euer Anverwandter Hilbert von Hartsteen, den Wunsch verspürt, sein Seelenheil durch die dauerhafte Anwesenheit eines Dieners des Herren Praios zu schützen. Diesen vernünftigen Schritt unterstützen Wir aus tiefsten Herzen, stellt er doch ein leuchtendes Beispiel für den Adel des Reiches dar.

Damit ihr der Bitte seiner Hochwohlgeboren von Hartsteen bestmöglich entsprechen könnt, teilen wir Euch Unseren innigsten Wunsch mit, ihm die Donatora Lumini Praiodane von Immingen anzuempfehlen. Unsere junge Schwester im Glauben ist eine willensstarke, durchsetzungsfähige Persönlichkeit und wird dem Pfalzgrafen eine aufrechte Stütze und Beraterin sein.

Wir erwarten baldigst Eure zufriedenstellende Antwort.
 
 
 
 
Seine Ehrwürden

Praiomon Caitmar von Dergelstein

Illuminatus der Mark Greifenfurt

Mittagsstunde

Reichsstadt Greifenfurt, 2. Praios 1036 BF zur Mittagsstunde

Wohlwollend betrachtete der Greifenfurter Illuminatus die junge Frau die vor ihm Platz genommen hatte. Ohne Frage war Praiodane von Immingen eine der vielversprechensten unter den Geweihten die ihm unterstanden. Genau darum hatte er sie ausgewählt, auch wenn er ihre mit erfrischendem jugendlichen Elan kombinierte Kompetenz sicherlich missen würde. Doch der Wille des Herren Praios stand über den persönlichen Wünschen seiner Diener und verlangte solche Opfer. Auch von ihm.

"Praiodane", begann er, "Ihr fragt Euch sicherlich warum Wir Euch zu dieser Stunde haben rufen lassen."

"Natürlich Euer Ehrwürden", antwortete die junge Geweihte artig und blickte ihren Mentor erwartungsvoll an, "doch Ihr werdet einen triftigen Grund dafür haben."

"So ist es." Praiomon schenkte ihr ein väterliches Lächeln und fuhr dann fort. "Wisset, dass Hilbert von Hartsteen, Pfalzgraf zu Breitenhain in der Waldsteinschen Pfalzgrafschaft Sertis, auf der Suche nach seelischem Beistand ist. Dazu hat Seine Hochwohlgeboren bei seiner Anverwandten auf Arras de Mott um Rat ersucht. Wir haben in die Wege geleitet, dass Ihr es seid, die unsere Schwester Lechmin ihm als Hofkaplanin anempfehlen wird. Sobald ihre Antwort eingetroffen ist, werdet Ihr Euch in Begleitung eines Bannstrahlers und des Sertiser Ritters der die Botschaft überbrachte, nach Burg Breitenhain begeben."

Nach dieser unerwarteten Nachricht brauchte Praiodane einen Moment um sich zu sammeln. "Ihr seht mich überrascht, Ehrwürden. Wenn die Frage gestattet ist...", sie unterbrach sich bis ein aufmunterndes Nicken Praiomons ihr bedeutete fortzufahren, "warum die Versetzung nach Waldstein? Ich nahm an, Ihr seid mit meiner Tätigkeit hier zufrieden."

"Ich bitte Euch diesen Schritt nicht als Strafe aufzufassen, auch wenn Waldstein dieser Tage natürlich als eine solche aufgefasst werden kann," antwortete priomon in gütigem Ton. "Vielmehr ist es so, dass Wir Euch hierdurch in eine politisch wichtige Position versetzen. Der Pfalzgraf von Sertis hat als einer ihrer direkten Vasallen nicht nur das Ohr der Kaiserin, sondern stammt noch dazu aus einem der ältesten Adelsgeschlechter des Reiches. Zudem hat er das nicht unwichtige Amt eines Reichsrichters inne."

"Ich verstehe." Die Geweihte nickte leicht. "Die Worte seiner Hochwohlgeboren gelangen an viele Ohren"

"So ist es." Praiomon faltete zufrieden die Hände und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Praiodane hatte schnell begriffen. Sie war die richtige Wahl gewesen.

"Was genau erwartet Ihr von mir in dieser Position?"

"Eure Aufgabe wird es sein, den Pfalzgrafen in jeder Hinsicht darin zu unterstützen, die widernatürlichen Auswüchse des wuchernden Reichsforstes in Sertis einzudämmen. Lasst Praios' Gerechtigkeit walten gegenüber jenen die freveln!" Der Illuminatus machte eine kleine Pause um besonderen Nachdruck in seine folgenden Worte zu legen. "Wie ich bereits sagte füchtet der Pfalzgraf um sein Seelenheil. Macht ihm klar, dass der Götterfürst einen jeden Menschen vor allem nach seinen Taten beurteilt. Wenn er dem Willen Praios' zu seinen Lebzeiten auf Dere getreulich folgt, so ist ihm im Tode ein Platz an der Seite unseres Herren in Alveran sicher."

"Ich habe verstanden, Ehrwürden. Gibt es denn einen Wunsch unseres Herren, den ich dem Pfalzgrafen ganz besonders ans Herz legen kann?"

"Den gibt es in der Tat. Seit einigen Monden verspüren Wir den Willen des Götterfürsten, das einem seiner Heiligen endlich die gebührende Verehrung im Reich zuteil wird. Ich spreche natürlich vom Heiligen Answin. Wir haben die Markgräfin und ihren Gatten dringlichst darauf hingewiesen, dass sie sich beim Großen Kabinett zur Behebung dieses Missstandes bei der Kaiserin einsetzen sollen, doch haben sie es nicht geschafft Praios' Willen mit Nachdruck Gehör zu verschaffen." Fast unwirsch deutete Praiomon auf einen kleinen Stapel gesiegelter Pergamentrollen die auf ihre Versendung warteten. "Wir bemühen uns weiterhin darum dieses Anliegen an den höchsten Stellen voranzutreiben. Doch auch wenn Unsere Stimme Gewicht hat, so sind Wir doch zu dem Schluss gekommen, dass es vieler Stimmen bedürfen wird um die Vorbehalte jener zu zerstreuen, die den Heiligen noch immer als Reichsverräter im Gedächtnis tragen."

"Praios' Wille geschehe!" Mit leuchtenden Augen sah die junge Geweihte zu Praiomon auf. "Ich werde mein Möglichstes tun, um dem Pfalzgrafen den Wunsch des Götterfürsten nahezubringen."

Wieder schenkte ihr der höchste Praios-Geweihte Greifenfurts ein wohlwollendes Nicken. "So sei es. Geht nun und bereitet Euch auf die Abreise vor. Die nächsten Tage werdet Ihr mit fasten und beten verbringen um Euch auf die kommenden Aufgaben vorzubereiten." Segnend schlug Praiomon das Praios-Zeichen. "Möge der Götterfürst Eure Wege beleuchten und Eure dunklen Stunden erhellen. Geht mit Unserem Segen."

Abendmahl

Die Geweihte erreicht Breitenhain und muss sogleich ein Urteil fällen.

Die Blaue Sau

Kressenburger Aufruf zur Jagd

Baron Ardo läd seine Freunde zu einer Jagdgesellschaft in den Kressenburger Forst.

Rückkehr eines Barons

Ein verschollen geglaubter Adliger kehrt aus den Tiefen des Reichsforstes zurück.