Benutzer:Robert O./Briefspiel: Unterschied zwischen den Versionen

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"Was meinst du dazu?" [[Hauptdarsteller ist::Greifenfurt:Wulfhart von Keilholtz|Wulfhart]] deutete auf den Brief aus Nardesfeld den ihm sein Sohn gerade zu lesen gegeben hatte.
 
"Was meinst du dazu?" [[Hauptdarsteller ist::Greifenfurt:Wulfhart von Keilholtz|Wulfhart]] deutete auf den Brief aus Nardesfeld den ihm sein Sohn gerade zu lesen gegeben hatte.
  
"Du bist das Familienoberhaupt, deswegen solltest du nach Wandleth reisen. Ein stärkeres Zeichen zur Aussöhnung können wir dem jüngeren Haus nicht senden." [[Hauptdarsteller ist::Greifenfurt:Ardo von Keilholtz|Ardo]] schob seinen Bierkrug zur Seite und stützte die Arme auf den Tisch. "Ich habe für diese lange Reise im Moment auch gar keine Zeit. Nächste Woche wollte ich mit einem der neuen [[Greifenfurt:Kressenburger Stadtrat|Ratsherren]] nach Neerbusch aufbrechen um mit dem [[Briefspieltext mit::Garetien:Leomar von Zweifelfels|Zweifelfelser]] über den angestrebten Traviabund und einen Handelsvertrag über das Klappechser Kupfer zu reden. [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Phexian von Kieselholm|Phexian]] liegt mir schon seit langem damit in den Ohren, dass unsere Zinnüberschüsse sich gewinnbringender verwenden ließen, wenn wir mehr Bronze herstellen könnten, statt das Zinn zu verkaufen. Die Lieferungen aus Pilzhain reichen einfach nicht aus. Außerdem muss ich noch einmal mit [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Durac, Sohn des Dugramm|Durac]] darüber reden, bei welchem Meister wir [[Greifenfurt:Rahjamunde von Schroffenstein|Rahjamunde]] unterbringen können. Grundsätzlich hatte er letztes Jahr zugestimmt, aber ich weiß noch immer nicht wen die Zwerge ausgewählt haben. Die Angroschim neigen dazu sich bei solchen Sachen viel Zeit zu lassen wie du weißt."
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"Du bist das Familienoberhaupt, deswegen solltest du nach Wandleth reisen. Ein stärkeres Zeichen zur Aussöhnung können wir dem jüngeren Haus nicht senden." [[Hauptdarsteller ist::Greifenfurt:Ardo von Keilholtz|Ardo]] schob seinen Bierkrug zur Seite und stützte die Arme auf den Tisch. "Ich habe für diese lange Reise im Moment auch gar keine Zeit. Nächste Woche wollte ich mit einem der neuen [[Greifenfurt:Kressenburger Stadtrat|Ratsherren]] nach Neerbusch aufbrechen um mit dem [[Briefspieltext mit::Garetien:Leomar von Zweifelfels|Zweifelfelser]] über den angestrebten Traviabund und einen Handelsvertrag über das Klappechser Kupfer zu reden. [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Phexian von Kieselholm|Phexian]] liegt mir schon seit langem damit in den Ohren, dass unsere Zinnüberschüsse sich gewinnbringender verwenden ließen, wenn wir mehr Bronze herstellen könnten, statt das Zinn zu verkaufen. Die Lieferungen aus Pilzhain reichen einfach nicht aus. Außerdem muss ich noch einmal mit [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Durac, Sohn des Dugramm|Durac]] darüber reden, bei welchem Meister wir [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Rahjamunde Praioslieb von Schroffenstein-Grünfels|Rahjamunde]] unterbringen können. Grundsätzlich hatte er letztes Jahr zugestimmt, aber ich weiß noch immer nicht wen die Zwerge ausgewählt haben. Die Angroschim neigen dazu sich bei solchen Sachen viel Zeit zu lassen wie du weißt."
  
 
"Gut, dann werde ich über Bärenau reisen." Der Ritter rollte den Brief zusammen und steckte ihn zurück in die lederne Bulle in der er gekommen war. "Wir schulden [[Briefspieltext mit::Garetien:Turike zu Stippwitz|Turike]] mal wieder einen Gegenbesuch und mein Page wird sich freuen seine Mutter zu sehen. Außerdem war mein Knappe bis heute nicht am Grab seines Ur-Großvaters und der ist schon vor anderthalb Götterläufen ums Leben gekommen. Wenn ich gerade dabei bin kann ich auch gleich bei der Baronin vorstellig werden so sie denn zugegen ist. [[Briefspieltext mit::Garetien:Iralda von Ochs|Iraldas]] Knappin ist die [[Briefspieltext mit::Garetien:Grimhild von Zweifelfels|junge Zweifelfelserin]] mit der [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Firnward von Keilholtz|Firnward]] verlobt werden soll. Da kann ich mir das Mädel gleich einmal anschauen. Den Bauer den dir Gramhild als Boten geschickt hat kannst du übrigens getrost wieder heimschicken. Ich habe ja Leuthardt und Edelbrecht dabei, das wird genügen um die Dame und ihre Habe sicher nach Kressenburg zu bringen."
 
"Gut, dann werde ich über Bärenau reisen." Der Ritter rollte den Brief zusammen und steckte ihn zurück in die lederne Bulle in der er gekommen war. "Wir schulden [[Briefspieltext mit::Garetien:Turike zu Stippwitz|Turike]] mal wieder einen Gegenbesuch und mein Page wird sich freuen seine Mutter zu sehen. Außerdem war mein Knappe bis heute nicht am Grab seines Ur-Großvaters und der ist schon vor anderthalb Götterläufen ums Leben gekommen. Wenn ich gerade dabei bin kann ich auch gleich bei der Baronin vorstellig werden so sie denn zugegen ist. [[Briefspieltext mit::Garetien:Iralda von Ochs|Iraldas]] Knappin ist die [[Briefspieltext mit::Garetien:Grimhild von Zweifelfels|junge Zweifelfelserin]] mit der [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Firnward von Keilholtz|Firnward]] verlobt werden soll. Da kann ich mir das Mädel gleich einmal anschauen. Den Bauer den dir Gramhild als Boten geschickt hat kannst du übrigens getrost wieder heimschicken. Ich habe ja Leuthardt und Edelbrecht dabei, das wird genügen um die Dame und ihre Habe sicher nach Kressenburg zu bringen."

Version vom 4. Januar 2013, 05:55 Uhr

Wiederaufnahme der Geschäfte

Stänkereien

Stänkereien auf Burg Gnitzenkuhl
Baronie Gnitzenkuhl, Ingerimm 1035 BF

Teil 1

Fassungslos starrte Geshla auf das Missgeschick, das sich soeben ereignet hatte. Sie war an einen der Eimer gestoßen, in dem die Windeln zuerst in Wasser eingeweicht wurden bevor man sie auskochte. Entsetzt starrte sie auf die teuren Schuhe, auf denen sich langsam ein unfeiner Fleck ausbreitete, unfähig auch nur ein Wort zu sagen.

„Bitte sagt nicht, dass dies nun auch wieder meine Schuld sei Hochgeboren!“ kam trocken von ihrem Gegenüber, die gerade dabei war ihre zweitgeborene Tochter zu betten. „Ich war wirklich nicht vorbereitet, dass Ihr Euch zu so später Stunde in unsere Räume gesellen möchtet. Und natürlich riecht es hier streng, wenn wir gerade damit beschäftigt sind…“

Energisch hob die Baronin zu Gnitzenkuhl ihre Hand, und gebot damit Stille. Erstaunlicher Weise verstummte dabei sogar der einjährige Greifwart, der soeben von seiner Amme frisch gemacht worden war und lautstark dagegen protestiert hatte, war es doch empfindlich kalt. Doch nun erwartete er von der dunkelhaarigen Frau wohl eines der Spiele, die Unswin, sein Vater, sonst mit ihm trieb.

„So kann das hier nicht weiter gehen!“ presste die Baronin hinter vorgehaltenem Spitzentuch hervor, was Greifwart zum Glucksen brachte, hielt er es doch für eine neue Variante des „Guckucks- DA“ Spieles seines Vaters und grinste erwartungsvoll Geshla von Gnitzenkuhl an. Seine Amme musste sich ein Schmunzeln verkneifen.

Leomara von Keilholtz, die erste Ritterin am Hofe brachte nur ein müdes „Ganz wie ihr meint!“ hervor und hoffte, dass man ihr endlich ihre Ruhe ließ. Erst dieses früh morgendliche Malheur mit der zerstörten Vase Olmergas von Gnitzenkuhls. Greifi konnte wirklich nichts dafür, dieser Tisch war einfach schon in die Jahre gekommen und hatte dem Ansturm des Jungen nichts entgegen zu setzen gehabt. Da war die Vase eben polternd zu Bruch gegangen. Angeblich ein Geschenk Olmergas an Geshla. Häßlich war sie trotzdem- die Vase! Dann hatte sie für die Landwehr die Waffenkammern inspiziert und eine Inventur mit dem Waffenmeister erstellt, sowie gemeinsam mit dem Vogt besprochen wie man vorzugehen gedachte, beim Erfassen der Wehrfähigen. Die Schulzen und ansässigen Adligen würden dabei eine Rolle spielen und bald hier vorstellig werden müssen. Immer, wenn sie sich mit dem Gemahl ihrer Mutter auseinander setzen musste, war es anstrengend. Doch seine Sachlichkeit führte allmählich dazu, dass sie einfach zusehends vergaß, dass er einmal eine Rolle in ihrem Leben gespielt hatte. Jetzt noch dieser unangemeldete Besuch in Räumen, die kaum für eine Familie ausreichten.

„Ich gedenke am morgigen Abend mit Hochwürden Travidan von Firunslicht, Hochwürden von Wasserburg sowie einigen Adligen, dem Vogt und Eurer Frau Mutter zu speisen. Wir haben uns lange nicht gesehen.“ Leomara nickte desinteressiert, waren ihr diese Verpflichtungen einer Baronin doch meist eher notwendiges Übel, denn eine Freude. „Ich erwarte Euch nebst Unswin ebenfalls!“

„A…!“ Leomaras Widerrede blieb ihr im Halse stecken, als sie in Geshlas Miene blickte. Darin stand zu lesen, dass es keine Einladung, sondern ein Befehl gewesen war. Nach einem Moment der Stille kam ein gepresstes „Sehr wohl!“ aus ihrem Munde. Die Baronin nickte nur kurz und entfernte sich dann schleunigst. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, erhob sich sogleich wieder enttäuschtes Gebrüll, war doch der kleine Keilholtzer um sein neckisches Spiel gebracht worden und forderte es nun lautstark ein.

Teil 2

Torandir von Darben-Dürsten stand hoch aufgeschossen hinter seiner Schwertmutter und hatte bereits Leomara von Keilholtz sowie deren Gemahl Unswin bedient, da Chaantrea am heutigen Abend frei hatte. Nun blieb ihm die Zeit in aller Ruhe den Blick schweifen zu lassen. Es war eine Weile her, dass die Tafel in Geshlas Burg derart gefüllt gewesen war. Wie immer war der alte Oblodor von Mistelstein mit seiner Gemahlin für ihn ein Ereignis der besonderen Art. Er kannte sonst keinen, dessen Temperament mit dem seiner Schwertmutter mit halten konnte. Allerdings bedauerte er sehr, dass Hochwürden von Wasserburg nicht zugegen war. Seine übertriebene Fürsorge gegenüber der Baronin wirkte bisweilen derart belustigend auf ihn, dass er sich auf den Abend mit dem Tempelvorsteher des hiesigen Praiostempels gefreut hatte. Doch jener hatte sich bereits am Nachmittag durch seinen Novizen wegen Unpässlichkeit entschuldigen lassen. Als die Baronin dies kundt getan hatte, war vom Mistelsteiner so etwas wie „…aus der Ferne glänzt sie am meisten!“ zu hören gewesen. Zu schade aber auch!

Hamardan von Rotfurt hatte man leider ans andere Ende der Tafel gesetzt, wo er neben Wohlgeboren Ginaya von Alxertis kaum Schaden anrichten konnte. Die beiden kannten sich scheinbar gut, zumindest wirkte ihr Gespräch recht vertraut und wortreich. Ganz anders Derendan von Zillingen, der als Vertreter seiner Familie zugegen war, und mit seinem Nachbarn aus der Familie Bergstamm jediglich ein paar wenige Worte zur Begrüßung gewechselt hatte.

Während der Knappe so schaute, fiel sein Blick auf das noch wenig vertraute Gesicht eines jungen Knaben- der Novize des neu erbauten Travia Tempels. Konzentriert hatte dieser den noch vollen Krug zwischen seinem Tempelvorsteher Travidan von Firunslicht-Oppstein und der Herrin Palinai von Isenbrunn hindurch bugsiert, in Richtung des Kelches. Doch dann begann seine Hand auch schon zu zittern. Ob der Krug zu schwer, oder der Bursche zu aufgeregt war, beides war möglich dachte Torandir so bei sich. Jaja, aller Anfang war schwer. Wenn sie entlassen wurden, weil die Herrschaften alleine sein wollten, würde er sicher Gelegenheit haben den Knaben einmal näher kennen zu lernen. Über seine Familie wusste er nichts. Wie sein Alltag wohl im Vergleich zu dem eines Knappen aussah? Seine schier zügellose Neugier begann sich zu regen, und so wartete er ungeduldig die Zeit ab, zu der man sie entlassen würde.

Teil 3

„…darum möchte ich am heutigen Abend, nachdem wir ein so gedeihliches Beisammensein verleben durften, verkünden, dass ich mich entschlossen habe, meiner ersten Ritterin Leomara von Keilholtz für ihre herausragenden Dienste um die Belange in Gnitzenkuhl - ich erinnere hierbei nur um den wagemutigen Einsatz bei dem Kampf wider das sogenannte Untier am Darpat - ein Rittergut als Lehen zu überlassen.“

Gut gelaunt, und scheinbar gänzlich unempfänglich für das frostige Schweigen von Seiten ihres Vogtes, lächelte die Baronin in die Runde und erhob ihren Kelch in Richtung der soeben ernannten nun lehnspflichtigen Leomara von Keilholtz. Travidan kam ihr sogleich nach, konnte er es doch nur gut heißen, dass die junge Familie endlich ein eigenes Heim bekommen würde. Die Baronin war eben eine wirklich götterfürchtige Frau. Der Ruf, der ihr im hiesigen Raum nachgesagt wurde war völlig haltlos. Oblodor grunzte ein „..das hat se verdient, bei Rondra!“, während sein Sohn Anshelm von Mistelstein Leomara über die Tafel hinweg nur zuzwinkerte.

Unsicher, was Geshla damit im Schilde führte, räusperte sich die Rittfrau kurz, bevor auch sie überrascht lächelnd den Kelch erhob. Ihre Frau Mutter, Palinai von Isenbrunn, hatte noch vor ihr sogleich strahlend den Kelch erhoben und lächelte, als hätte man ihr persönlich den Dank ausgesprochen.

‚Von welchem Lehen spricht sie bloss?‘ grübelte die Rittfrau in Gedanken weiter. ‚Stadtritter vielleicht? Welches Gemäuer wollte sie mir damit nur zukommen lassen? Innerhalb der Stadt gab es keine Gebäude welche aufgrund mangelnder Erben wieder in Geshlas Besitz gefallen wären. Auch habe ich seit dem Bau des Travia Tempels kein Wort davon gehört, dass Aurentian von Feenwasser weitere Aufträge erhalten soll…!‘

„Auf die Hohe Dame Leomara, möge das Rittergut Mittstätten von nun an ihr, und ihrer Familie ein neues Zuhause sein, so wie es uns Travia gebietet.“ Kam dann schließlich von Seiten Geshlas, die zu diesem Augenblick die Aufmerksamkeit aller auf sich wusste. Überrascht riss Leomara die Augen auf. ‚Das Erbe der Familie der Roten Hand. Diese Schlange…!‘

Kurz herrschte Schweigen, und alle Ortskundigen bis auf Geshla blickten aus unterschiedlichsten Gründen auf den Tisch, bis Palinai in die Stille hinein sprach was vermutlich einige dachten: „Aber Hochgeboren, ihr wisst doch so gut wie jeder hier in der Gegend, dass man sich sagt, dass die Geister der Alten nicht ruhen, und das Gemäuer noch immer heim suchen! Nicht umsonst steht es seit… damals leer.“

Kühl musterte Geshla die in die Jahre gekommene Frau, und ehemalige Geliebte ihres Vaters, des Barons Seraminor von Gnitzenkuhl. Was nur hatte er an dieser blassen, farblosen Frau gefunden? Sie konnte nicht aus Ihrer Haut heraus. Nie würde sie Freundlichkeit für diese Person aufbringen können, derentwegen so viel Unheil entstanden war. Ihre besten Jahre waren vorüber, verblüht wie eine Primel, oder am falschen Platze um weiter zu gedeihen.

„Uuuund? Wer, wenn nicht Eure rondragefällige Tochter, nebst ihrem wackeren Gatten, seines Zeichens Mitglied im Orden des Zorns, sollten es schaffen diese dummen Gerüchte zu zerstreuen. Wäre an dem Gemäuer wirklich etwas götterlästerliches, so hätte das zweifellos Hochwürden von Wasserburg ausgemerzt. Oder zweifelt ihr etwa an …?“

„Sicher nicht Hochgeboren!“ Fiel ihr Leomara da ins Wort und funkelte streitlustig ihre Mutter an. „Wir sind wirklich außerordentlich erfreut, geradezu sprachlos, ob dieser Großzügigkeit Eurerseits.“ Leomara hatte sich wieder gefangen, und war sich sicher, dass egal was dieses Gemäuer für Geheimnisse barg, kaum Grund sein konnte, das Lehen auszuschlagen! Sie schubste Unswin an, damit auch jener seinen Dank bekunden konnte…

Das schwer vernarbte Gesicht des Ordensritters zeigte ein Lächeln, dass je nach Blickwinkel süffisant, freundig oder nachsichtig wirken konnte, und wohl in diesem Moment tatsächlich eine Mischung all dieser Facetten war. Bedächtig griff der junge Mann mit der Linken zu seinem Kelch, erhob sich und strich dabei mit der Rechten sein Wams zu recht. Dann hob er das Glas mit ernstem Blick in Richtung der Baronin.

"Euer Hochgeboren! Frau Travia wünscht von uns Mildtätigkeit und Gastfreundschaft. Ich bin in Eurem Hause häufig Gast gewesen. Ihr habt Euch mir, meinem Orden und nicht zuletzt meiner Familie so freigiebig gezeigt, wie man es sich nur wünschen kann. Nun gebt Ihr meiner Familie ein eigen Heim, einen Platz zum Leben und zum Wachsen. Dafür gebürt Euch Travias Dank." Er machte eine Pause und die Baronin setzte gerade ein strahlendes Lächeln auf, im Begriff dem Ritter zu antworten, als Unswin mit ruhiger Stimme fortfuhr. "Herr Praios fordert von uns aber auch Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit. Deshalb kann ich nicht verhehlen, dass ich ob des schlechten Leumunds des Gemäuers in Sorge bin, dessen Herrin meine Frau nun ist und das meine Kinder zukünftig beherbergen wird. Auch ist mir Euer wachsender Unmut über die derzeitige Situation in Eurer Burg bewusst, der mich zuletzt fürchten ließ Eure Gastfreundschaft über die Gebühr beansprucht zu haben." Das Lächeln Geshlas schmolz sichtbar dahin, doch Unswin hatte noch immer nicht geendet. Er spürte wie Leomara neben ihm unruhig auf dem Stuhl herumrutschte und legte ihr die freie Hand auf die Schulter. "Frau Rondra verlangt zudem von uns sich den Aufgaben aufrecht und mutig zu stellen die Dere für uns bereit hält. Ich werde meine Frau also mit Freuden und nach Kräften dabei unterstützen, sich den Herausforderungen zu stellen die dieses Lehen mit sich bringt. Ganz so wie Ihr es gesagt habt." Unswin führte seine Rechte nun zum Herzen während er in seiner Rede zum Ende kam. "Nicht zuletzt aber will ich meiner Freude Ausdruck verleihen, dass Ihr, Euer Hochgeboren, meine Frau als würdig befunden habt dieser Aufgabe gewachsen zu sein. Denn dieses Lehen bedeutet nicht nur Heim und Herd für unsere Familie, sondern auch Verantwortung. Den Menschen gegenüber deren Herrin Leomara von nun ab sein wird, aber auch Euch gegenüber, der sie fortan nicht nur Waffentreue sondern auch Rechenschaft schuldet. Ich entbiete euch daher meinen aufrichtigen, von Herzen kommenden, Dank." Unswin hob sein Glas noch ein Stück höher, nahm einen Schluck des köstlichen Weines und setzte sich dann zufrieden wieder auf seinen Platz.

Nervös nahm Leomara einige tiefe Schlucke. Das war knapp, doch er hatte noch den rechten Ton getroffen wie sie unschwer an Geshlas Miene sehen konnte. Sie griff nach seiner Hand und sah ihn liebevoll an. Unswin erwiderte den Blick, legte dann die Hand auf ihren Bauch und küsste sie zärtlich auf die Stirn, was ihm einen säuerlichen Blick seines Schwiegervaters einbrachte. Seit er den Rahjabund mit seiner Frau geschlossen hatte, beugte der Ordensritter die Regeln der Etikette gerne einmal, was die körperliche Nähe zueinander in Gesellschaft anging.

"...nachdem wir das also geklärt haben, die Formalitäten werden wir wann anders erledigen, würde ich sagen, dass wir nun hinüber gehen ins Kaminzimmer!"

Teil 4

Auf dem Weg dorthin sprach sie jemand von hinten an. Es handelte sich um den Führer der hiesigen Nebachoten, Hamardan von Rotfurt.

"Mögäh Rondrra waita eurer baida Schwärrtarm führen! Isch bin froh, dass nun ändlich ainä starke Hand wieder das Sagen übernähmen wird in Midstätten. Es wird ja auch Sait, nicht wahr! Oirä Tochter wird sicher ebenfalls eine wackere Streiterin werden." Bei diesen Worten schaute er allerdings vor allem Unswin und nicht Leomara an.

Der Ritter war von der ungewohnten Aufmerksamkeit einen Moment überrascht, ergriff dann aber das Wort, als Hamardans Blick auf ihm hängen blieb. "Kor mit Euch, Mar'olum han Rohd'far." Unswin führte zum Gruß die rechte Faust an seine Brust und sah dem einen halben Kopf größeren Nebachoten fest in die Augen. In den Götterläufen die er nun schon zwischen den Nebachoten Perricums zugebracht hatte, hatte er gelernt dieses kämpferische Volk zu respektieren und bemühte sich ihren Sitten zu entsprechen wenn er mit ihnen verkehrte. Lediglich mit diesem unsäglichen Kelsensteiner aus Wasserburg, der seiner Meinung nach mehr Ferkina als Nebachote war, hatte der Ordensritter bisher nicht warm werden können. "Ich danke Euch für Eure Worte. Wenn die Kleine später einmal so kämpft wie sie diese Nächte über schreit, dann wird sie dereinst wohl als große Kriegerin gelten." Er verzog bei diesem Gedanken amüsiert das Gesicht, was seine Narben beunruhigend in Bewegung brachte. "Doch was die Zukunft für uns bereit hält wissen allein die Götter. Diese plötzliche Belehnung zum Beispiel ist nicht unbedingt das Naheliegendste womit wir gerechnet hätten. Ich denke wir werden eine gewisse Zeit brauchen um in Mittstätten alles herzurichten bevor wir endgültig übersiedeln können. Zumal Ihro Hochgeboren keine Eile mit dem Lehnseid zu haben scheint." Fragend sah der Ritter zu Leomara um zu erfahren, was diese wohl zu dem Verlauf der Dinge zu sagen hatte.

Die ignorierte aber einfach den Blick ihres Gemahls, funkelte statt dessen aber Hamardan an, der nun endlich auch die Güte hatte ihr einen Blick zu schenken.

"So, EINE starke Hand wird Mittstätten bald führen." Sie lächelte den imposanten Mann keineswegs schüchtern an. Ihr stand momentan zwar nicht der Sinn nach Streit, aber wenn er sie, oder Unswin schon mit den ohnehin nicht ernst gemeinten Worten behelligte, würde sie sicher nicht dazu schweigen.

"Schön, dass ihr erkannt habt, dass wir beide eine Einheit bilden." Verwundert musste sie fest stellen, wie sich ein Lächeln in des Mannes Züge schlich, der bislang kaum ein freundliches Wort für sie übrig gehabt hatte. Er blickte ihr geradewegs in die Augen und senkte auch nicht beim weiter sprechen den Blick.

"Nachbarschafltliche Bande sind in den jetzigen Zeiten wichtig zu pflegen- einerlei ob es sich nun um das Nachbargut handelt, oder um eines im Raschtullswall..." er legte hier eine kleine Pause ein und trank einen Schluck aus dem Kelch, den er noch immer mit sich führte. "...darum hoffe ich, dass wir unsere kleingeistigen Dispute der Vergangenheit überlassen und statt dessen im Hier und Jetzt leben. Feinde bedrohen unsere Heimat, ist es da nicht Zeit gewissen Unstimmigkeiten zu vergessen?"

"Das ist ein Gedanke den ich nur gutheißen kann", ergriff Unswin wieder das Wort. "Die zwölfgöttliche Gemeinschaft beschäftigt sich schon viel zu lange mit den Streitereien untereinander, im Kleinen wie im Großen. Unser Widerstand gegen unsere wahren Feinde wird dadurch geschwächt, brauchen wir doch Einigkeit um erfolgreich gegen ihre verderbte Macht zu bestehen." Wieder blickte er seine Frau an. Er wusste um ihre Vorbehalte und ihre offene Art mit Streitereien umzugehen. Hier und jetzt bot sich aber eine Gelegenheit zur Versöhnung mit einem nebachotischen Nachbarn, eine der ersten Aufgaben die ihm vom Orden damals mit auf den Weg nach Perricum mitgegeben worden waren. "Du weißt, ich war nie ein Freund der Nebachoten, Leomara, und ich bin mir sicher, dass wir die Aufgaben in Mittstätten allein lösen können. Doch wir haben ohnedies genug Feinde denen wir uns zu stellen haben. Niemand verlangt herzliche Freundschaft, doch ein vernünftiges Miteinander kann uns alle nur stärker machen." Der Ordensritter wusste, dass er seiner Frau nur einen Rat geben konnte. Es war ihr Lehen, Perricum ihre Heimat, wo er nach nur wenigen Götterläufen für viele noch immer ein Fremder war. Er würde ihre Entscheidung in dieser Sache bedingungslos akzeptieren, doch hoffte er, dass seine Worte auf fruchtbaren Boden gefallen waren.

Haltung bewahren! Nur keine Miene verziehen... Die Gedanken der Rittfrau überschlugen sich fast. Was im Namen der Götter wusste dieser Fuchs? Oder wusste er nichts und der Vergleich mit dem Gut im Raschtulswall war ein Zufall? Warum sprach er Unswin ausgerechnet auf Yppolita an? Warum nicht auf den Erstgeborenen, der traditionell mehr Gewicht hatte? Ihr wurde ganz übel beim Gedanken daran, dass Marnions Bote unter Umständen bei Hamardan genächtigt haben mochte, und das Schriftstück...! Aber nein, es war doch gesiegelt gewesen, und das Siegel ungebrochen. Um Zeit zu gewinnen täuschte sie einen Husten vor, der ihr ein wenig Zeit verschaffte ihre Fassung wieder zu finden, zumindest nach aussen hin.

"Sicher, ich werde alle unsere Nachbarn mit gleichem Maß messen, oder", sie setzte ein Lächeln auf, "...vielmehr die gleiche Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Als erste Ritterin der Baronin war ich es, die ihren Willen nach draußen trug, und damit ihr Sprachrohr. Diese Aufgabe wird vermutlich nun jemand anders übernehmen." Sollte er glauben, sie würde sich erpressen lassen, hatte er sich mächtig getäuscht. Geshla würde an ihrer Meinung fest halten, die sie zu den Nebachoten hatte. "Doch ich denke, dieser Abend sollte allen Adligen aus Gnitzenkuhl zeigen, dass Hochgeboren die Bedrohung ernst nimmt, und sich nun zuallererst den Aufgaben stellt, die wichtig sind um dem Feind zu trotzen und ihn zu besiegen."

Der passionierte Pferdezüchter nickte nur kurz zustimmend Leomara zu, ehe er dann zu Unswin gewandt sprach: "Wohl gesprochen. Ein gelungener Abend, und es freut mich ausserordentlich zu hören, dass ihr erkennt, dass Perricum mit seinem bunten Bild an Völkern und Meinungen erhalten werden muss, und nicht eine der Sichtweisen die allein Rechte ist! Wenn ihr mich nun entschuldigt?"

Unswin ließ dem Nebachoten mit einem höflichen Nicken den Vortritt. So recht wusste er Harmardan und sein Verhalten nicht einzuordnen, aber die für Feinheiten der Gesellschaft, seien es die der Nebachoten oder die der Raulschen, hatte er nie viel Sinn gehabt. Im Grunde hatten sie nur einige belanglose Nettigkeiten ausgetauscht. Das Einzige was er sich davon erhoffte war ein entspanntes Verhältnis mit den zukünftigen Nachbarn, damit er und seine Frau sich den wichtigen Dingen widmen konnten ohne in kleinliche Streitereien verwickelt zu werden. Mit einem Blick auf Leomara erkannte er im von Kerzen erhellten Halbdunkel, dass ihr einige Schweißperlen auf der Stirn standen obgleich es an diesem Abend weder zu warm noch zu schwül war. Sofort gewann seine Besornis wieder die Oberhand.

"Ist dir nicht wohl mein Herz? Soll ich uns bei Geshla entschuldigen? Die Gesellschaft ist ja groß genug, da wird sie es sicherlich verschmerzen können, wenn wir den Abend etwas früher ausklingen lassen."

"Danke, ... es geht schon. Diese unerwartete Neuigkeit will erst einmal verdaut werden." Deutlich leiser fügte sie hinzu: "...und glaube nicht, dass es ein Leichtes wird das Gut wieder zu alter Blüte zu führen! Man sagt sich sogar die Böden wären verdorben von der Brut die dort hauste!" Entschlossen blickte sie aber in Richtung ihrer Frau Mutter, die unterdessen ein paar Worte mit dem jungen Tempelvorsteher der Travia wechselte, derweil der Medicus und Alchemist Geshlas mit weingeschwängertem Blick unverholen der Zofe Fiorella nachstierte. "Aber ich bin aus anderen Holz geschnitzt als meine verzagte Frau Mutter. Wir werden das schon schaffen, wenn auch" sie blickte hinab auf den leicht gewölbten Bauch, "die Zeit etwas ungünstig ist um in ein marodes Gemäuer zu ziehen. Ich hoffe ja, dass uns ein wenig Unterstützung zuteil wird beim Umzug."

"Geshla wird uns sicherlich nicht gleich vor die Tür setzen", versuchte Unswin sie zu beruhigen, "zumal der Lehnseid formal noch gar nicht geleistet wurde. Bis das Kind geboren ist werden wir sicherlich noch hierbleiben können und in der Zwischenzeit lassen wir das Gut von den Handwerkern herrichten. Wenn wir erst einmal ein stabiles Dach über dem Kopf haben, können wir uns den anderen Problemen widmen die das Gemäuer bereiten sollte." Eherne Zuversicht sprachen aus der Stimme des Ordensritters. Seit er in Warunk nur knapp Golgari von den Schwingen gesprungen war, ließ er sich nicht mehr so leicht wie früher aus der Ruhe bringen. "Wenn es dann soweit ist wird Chaantrea auf jeden Fall mit zupacken und ich wenn Alfred in der Nähe ist, wird er es sich sicherlich auch nicht nehmen lassen zu helfen. Zudem kannst du auch ein paar deiner zukünftigen Untergebenen mit Karren zur Friedburg bestellen und unsere Sachen abholen lassen."

Reise mit Yppolita

Reisestrecke: Kuslik – Punin – Gerbaldsberg – Gareth – Perricum – Seereise nach Festum

Dramatis Personae:

Von Kuslik nach Punin

Auf einem Flußschiff auf dem Yaquier, Ende Ingerimm 1034 BF

Balrik saß in seiner Kabine und blätterte in einem grüneingebundenen Hesinde-Büchlein, das er sich in Kuslik besorgt hatte.

Vor einigen Tagen war er mit dem gerbaldsmärker Pfalzgrafen und dem Magier Anaxios von Ochs aus Kuslik abgereist und begleiteten die Schwester der Kaiserin, Yppolita von Gareth, nach Punin. Dort wolle sie endlich ihre Adeptenprüfung ablegen, wie sie auf dem Magierkonvent verlauten ließ, und anschließend wieder zurück in ihren Exil nach Festum reisen.

Sie beschloßen bis nach Punin auf einem Flußschiff zu reisen, das den Yaquier flußaufwärts fuhr. Der Kapitän war ein stämmiger Mittvierziger namens Phedro Neander, ein Horasier, der sich sehr umgänglich und von der Anwesenheit der Kaiserinschwester sehr geehrt zeigte. Zu seiner Mannschaft aber war er streng und er ließ keinen Zweifel daran, daß er hier das Sagen hatte.

Eigentlich wollte auch der greifenfurtener Baron Ardo von Keilholtz Yppolita auf der Reise begleiten. Doch hatte er kurz vor der Abreise den Zorn eines Magiers auf sich gezogen, der ihn kurzerhand mit einer Art Teleportzauber verschwinden ließ – zumindest war das Balriks erster Gedanke.

Erst nachdem Anaxios sich mit diesem Magier auseinander setzte, erfuhren sie, daß dieser Magier Thargelion von den Nebelwassern war, ein Zeitmagier, der Ardo einfach kurzerhand einige Monate in die Vergangenheit setzte!

Balrik hatte schon während seiner Zeit an der Kriegerakademie viele Sagen von einem Magier gehört, der in einem Turm in Weiden wohnte, dem sogenannten Nachtschattenturm, der in der Lage war durch die Zeit zu reisen – und da war auch der Name dieses Zeitmagiers gefallen.

Nachdem Anaxios ihnen versichert hatte, daß Ardo kein Leid zugefügt wurde, und derzeit wohl wieder in Greifenfurt weilte, und Balrik und Giselbert geraten hatte, den Magier nicht weiter zu behelligen, gaben sie sich mit der Antwort zufrieden. Dennoch hatte sich Balrik vorgenommen, eine Nachricht ins Kressenburgsche zu schicken um sich zu vergewissern. Auch Yppolita hatte ihnen später geraten, den Magier in Ruhe zu lassen. Auch sie vertraute hier Anaxios' Rat.

Es klopfte an der Tür.

"Hoher Herr", hörte Balrik die Stimme eines Matrosen. "Wir erreichen bald Punin."

"Danke. Ich komme gleich."

Balrik steckte das Büchlein weg und packte seine Sachen. Auf dem Deck angekommen sah er bereits die almadanische Fürstenstadt vor ihnen auftauchen. Es war ein sonniger Tag und die Eslamidische Residenz ragte auf dem Goldacker in einem strahlenden Weiß reinsten Eternienmarmors hervor. Auch die Magierakademie der Stadt, ihr Ziel, ragte über die Häuser der Stadt empor und war gut zu erkennen. Vor nicht einmal einem Jahr, hätten sie es sich nicht erlauben können, so offensichtlich durch das Fürstentum zu reisen. Als noch Selindian Hal die Kaiserkrone beanspruchte und von Punin aus Hof hielt, war es nicht ungewöhnlich, daß Adlige, die zu Kaiserin Rohaja standen, als Geiseln genommen wurden.

Doch nun war Selindian Hal tot und Almada wieder unter der Kontrolle Rohajas, und diese hatte Gwain von Harmamund zum neuen Fürsten von Almada ernannt.

"Eyne bejachtliche Stadt, njecht wahr?", sagte Igor Wasjeff im bornischen Aktzent und trat neben ihn. Auch er war beim Magierkonvent zugegen gewesen und reiste mit ihnen seit Kuslik auf dem Schiff. "Und das Wissen erst, das hier zu finden ist! Eier Schützling hat eyne jute Wahl jetroffet, hier ihre Prüfung abzulegen."

Balrik sagte nichts darauf. Der Grund warum Yppolita Punin wählte, war nicht das Wissen das hier zu finden war, sondern weil diese Magierakadmie die einzige Graue innerhalb des Reiches war. Andererseits, wenn es sich Balrik recht überlegte, Yppolita hätte trotz allem wohl kaum eine Akademie gewählt, in der sie nichts erlernen könnte ...

Allmählich kamen auch die anderen an Deck, die in Punin aussteigen wollten. Giselbert hatte seinen Lederhut auf dem Kopf und einen Rucksack geschultert. Anaxios war in einer Lektüre vertieft, die er in Händen hielt, und halb abwesend aus dem Schiffsinneren kam.

Nur Yppolita war bereits an Deck gewesen und betrachtete die Landschaft.

Auch ein fünfzehnjähriges Mädchen und ein neunjähriger Junge kamen auf das Deck; ebenfalls mit Rucksäcken geschultert. Das Mädchen trug sogar ein Kurzschwert.

"Habt ihr alle Eure Sachen?", fragte Balrik.

"Ja, wir haben alles", antwortete das Mädchen.

Das Mädchen und der Junge waren Mechthild von Kieselhom und Firnwulf von Hirschfurten, die Knappin und Page Ardos von Keilholtz. Balrik hatte sich den beiden angenommen, nachdem Ardo auf solch übernatürliche Weise verschwand.

Schließlich machte das Schiff an der Pier fest und Yppolita bezahlte den Kapitän für die Reise aus. Anschließend begaben sie sich in die Magierakademie.

Ein Stein im Nebel - Südgruppe

Aufruhr auf dem Marstall

Markgräflicher Marstall, Ende Phex 1034 BF

In diesem Götterlauf waren die Fohlen früh geboren. Lediglich zwei Stuten sollten noch im Peraine ihren Nachwuchs bekommen. Es war die arbeitsreichste Zeit für die Reiffenbergs und auch auf Gut Rosskuppe, welches erst im letzten Herbst hatte fertiggestellt werden können, gab es mehr Arbeit als der Tag Stunden hatte. Urion und Renzi hatten sich die Aufgaben aufgeteilt und auch Urions Geschwister Rondrian und Meran, die wieder mal auf dem Gut weilten, packten an, wo es nötig war.

Meran war vor drei Tagen ohne ihren Gatten aus Perainefurten eingetroffen. Rondrian hatte sich nun endgültig von seiner schweren Verletzung erholt und würde in den nächsten Monden wieder gen Warunk aufbrechen.

Es dämmerte bereits, difuses Licht warf bereits lange Schatten über den Innenhof, als Urion und Rondrian das Herrenhaus des Marstalls betraten. Sie wusche sich in den bereitgestellten Wasserschüsseln und legten die Stallkleidung ab. Beide trugen im Alltag darunter lediglich ihre schlichten Leinenhemden und enganliegende Hirschlederhosen.

Sie saßen beim Abendessen, als plötzlich der Zwergenschmied Artog den Raum betrat. „Urion, es riecht nach Ärger, gerade sind zwei Reiter eingetroffen, Boten des Prinzen, wie sie behaupten, der jüngere gibt sich als Berhelm von Dunkelsfran aus, des Prinzen Bannerträger. Der Zweite ist unser alter Bekannter Rosco Falkenblick.“

„Nun Artog, lasse sie eintreten und sorge bitte dafür, dass sich die Knechte ihrer Pferde annehmen.“

Artog wand sich zur Tür und öffnete sie. Auf seinen Wink betraten zwei Männer den Raum. Sie waren in Reiseumhänge gehüllt, die die Spuren eines schnellen Rittes erkennen ließen. Urion erkannte Bernhelm und Rosco auf den ersten Blick und erhob sich von seinem Platz. Er trat mit einer einladenden Geste auf sie zu: „ Bernhelm von Dunkelsfarn, Rosco Falkenblick, Travia zum Gruße, die Zwölfe mit Euch. Nehmt Platz. Euer Erscheinen ist schon deshalb eine Überraschung, weil er in dieser Konstellation erfolgt. Aber fiel mehr wurdet ihr als Boten des Prinzen gemeldet, deshalb tragt schnell vor wie die Meldung lautet.“

Nachdem sich beide verneigt hatten, nahmen alle Platz und Bernhelm begann seinen Bericht. Schließlich endete er mit den Anweisungen die der Prinz ihm für Urion aufgetragen hatte. „ Ihr mögt umgehend alle Waffenfähigen um Euch sammeln und Euch darauf vorbereiten, dass die Greifin mit ihrem Gefolge in wenigen Tagen über Hesindelburg und Hexenhain zum Marstall kommt. Ihr sollt euch ihr dann mit den Truppen anschließen.“

Urion war ob des Berichts des Bannerträger wie vor den Kopf geschlagen. Der Meister der Mark ein Verräter, der den Prinzen hatte festsetzen lassen. Ein Umstürzler. Nun erschienen es ihm im Nachhinein durchaus logisch. Der meister der Mark hatte ihm befohlen die Schwadronen der Grenzreiter sämtlich im Süden und vor allem im Osten der Mark zu stationieren. Ferner hatte der Nebelsteiner den Heermeister der Mark Reto von Schattenstein abgesetzt, eine Tatsache, die Urion als eher als notwendige Umstrukturierung innerhalb der märkischen Wehr betrachtet hatte. Zudem war Urion ja dadurch selbst in der märkischen Administration mit der zusätzlichen Aufgabe des Rittmeisters der Mark beauftragt worden. Ein perfides aber wie sich jetzt zeigte erfolgreiches Ablenkungsmanöver des Nebelsteiners. Und jetzt kamen ihm auch einige Gespräche mit dem Meister der Mark in den Sinn. Hatte dieser nicht immer gesagt er solle sich nicht den Kopf zerbrechen übe Dinge, die Meister und Prinz zu verantworten hätten. Nun standen auch seine letzten Missionen außerhalb der Mark in Frage. Hatte der Meister der Mark ihn nur deshalb gesandt, um ihn aus den Rennen zu haben. All diese Gedanken liefen blitzartig durch seinen Geist und er bemühte sich um seine innere Ruhe. Er sammelte sich und räusperte sich.

„Ihr bringt wahrlich schlechte Kunde Bernhelm von Dunkelsfarn. Der Verrat des Nebelsteiners trifft mich im Mark. Nichts desto weniger gilt es jetzt schnell und entschlossen zu handeln. Was ist Euer weiterer Auftrag?“

„Nun der Prinz sandte uns aus, um euch und den Kressenburger Baron zu alarmieren. Danach reiten wir schnellstmöglich in den Kosch, um den Fürsten zur Lage vorzutragen und ihn im Namen des Prinzen um Unterstützung zu bitten.“

Nun machte sich bezahlt, was Urion in unzähligen Stunden an der Wehrheimer akandemie und auf den Schlachtfeldern gelernt hatte. Sein Verstand erfasste augenblicklich die Gesamtsituation und in seinen Gedanken sortierte er Truppenstärken, Möglichkeiten des Handelns sowohl des Gegners als die eigenen, mögliche Marschrouten, Logistische Fragetstellungen und letztlich auch der Ort einer konfrontation mit dem Nebelsteiner, der, wie Urion bereits wusste, selbst ein erfahrener Truppenführer war.

„Nun gut, ans Werk, die Zeiten werden nicht besser, in dem man beklagt wie schlecht sie sind. Wir gehen ab jetzt wie folgt vor. Ich werde noch heute Nacht Boten aussenden, welche die umliegenden Barone alarmieren und in Kenntnis setzen. Das betrifft auch den Kressenburger, zu dem ihr noch hättet reiten müssen. Ihr bleibt heute Nacht hier und ruht.“ Urion wischte den Versuch eines Einwandes Berhelms zu Seite und fuhr fort. „Keine Diskussion, ich befehle das als Rittmeister der Mark. Morgen früh statte ich Euch mit den besten Botenpferden der Mark aus. Damit kommt ihr auf schnellstem Wege zum Fürsten und so die Götter es fügen, auch genau so schnell mit Koscher Verstärkung zurück. Bernhelm und Rosco, ein koscher Verstärkung kann das Zünglein an der Waage sein, denn wir sind den Truppen des Nebelsteiners deutlich unterlegen. Deshalb führt sie schnell und auf sicheren Wegen heran. Ich hinterlasse auf unserem Weg in den Osten der Mark in den großen Siedlungen Anweisungen, dass man Euch mit dem notwendigsten versorgt und Euch unterstützt wo es geht. Egal wo ihr her kommt, von Westen oder Süden, der Marstall aber auch die Baronien Hexenhain und Hesindelburg werden Euch die notwendige Unterstützung gewähren. Und noch etwas, schaut auf Eurem Marsch unter die Meilensteine auf dem Fürstenweg, dort werde ich unsere aktuellen Marschziele hinterlegen, damit ihr nicht fehlgeht. Und jetzt bekommt ihr erst mal was anständiges zum Essen und einen Humpen Bier. Dann geht es ins Bett.“

Rosco Falkenblick erhob sich und es war das erste mal, dass Urion ihn mehr als einen Satz sprechen hörte. „Habt Dank, Herr Urion. Es erleichtert uns unseren Auftrag immens, dass ihr uns den Ritt nach Kressenburg erspart. Wir werden dem Fürsten die Botschaft so schnell wie möglich zustellen.“

Urion nickte , verließ kurz den Raum und kam wenig später zurück. Er drückte Bernhelm ein Kupferstück in die Hand. „Hier ist mein Abzeichen des Kupferkeilers. Als Mitglied der Gesellschaft der 42 trage ich es seit der Queste des Prinzen zur Rettung seines Bruders. Es sollte Euch den Zugang zum Fürsten erleichtern und Beleg für die Dringlichkeit unseres Ansinnens sein.“

Bernhelm schloss die Hand um das Emblem. „Ich werde es sicher verwahren, dessen seid gewiss.“

Nachdem die beiden den Raum verlassen hatten, wandte sich Urion an Artog und Rondrian: „Artog, sorge dafür, dass in einer halben Stunde Meldereiter für die Baronien Hesindelburg, Donfanger, Feldharsch, Nardesfeld und Zalgo bereit gemacht werden. Ferner möchte ich eine Reiter nach Hexenhain zu Hesindiane und Alrik schickst du verdeckt nach Greifenfurt zu Reto von Schattenstein. Reto ist der erfahrenere Stratege und muss jetzt wissen, mit wem er rechnen kann. Ich setze jetzt sofort die Botschaften auf. Die Süd- und Westbaronien sollen ihre verfügbaren Truppen sofort hier her in Marsch setzen. Wenn die Greifin hier eintrifft, möchte ich eine Großteil der Kräfte vor Ort haben.“ Artog nickte und stürmte zur Tür heraus.

„Die Nachricht an Ardo überbringst du ihm bitte selbst, Rondrian. Er muss schnellstmöglich seine Landwehr mobilisieren und bereithalten. Reite hin und setze ihn ins Bild. Er soll nicht zu früh losschlagen, weil wir nicht wissen, wo der Nebelsteiner derzeit ist und er muss auf jeden Fall auf die Befehle der Greifin warten. Am besten nähert ihr Euch vorsichtig der Stadt und bezieht Versteck bis weitere Order kommt. Wenn Ardo neue Erkenntnisse hat, lasst sie uns zukommen. Und Rondrian, Ardo ist ein Keilholtzer, aber er ist auch mein Freund und Garafanist und deshalb über jeden Zweifel erhaben. Wenn sein Onkel gefehlt hat, hat das nicht Ardo zu verantworten. Wenn er es einrichten kann, soll er hier her kommen. Ach und bevor ich es vergesse, sag ihm ich bräuchte seine Reiterei umgehend hier im Marstall. Wenn die Greifin marschiert, dann brauche ich zur Flankendeckung und Avantgarde alles, was ich an Kavallerie aufbieten kann.“

Rondrian erhob sich ebenfalls und drückte seinem Bruder die verbliebene Hand auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen, Urion, ich weiß, die Herrin wird an unserer Seite sein. Und seit ich Ardo kenne, hat er immer Wort gehalten. Nur schade, dass Vater auf diese Wallfahrt in den Schlund ziehen musste.“

„Wenn da nicht auch der Nebelsteiner seine Finger im Spiel hat. Vater war kurz vor seiner Abreise noch in Greifenfurt. Aber es hilft nichts, wir brauchen jetzt jede Klinge und jede Lanze. In Vaters Abwesenheit ist Hesindiane in der Pflicht. Sie muss die Hexenhainer Wehr führen. Ich werde alle mitnehmen, die Kämpfen können. Rudebrecht wird es allein schwer haben, aber es geht nicht anders. Denn glaubst du im Ernst, ich könnte Renzi hier halten, wenn die Greifin zu den Fahnen ruft. Die beiden pflegen einen regen Briefwechsel, seit die Greifin bei unserer Hochzeit war. Auch das Exil im Kloster Rabenhorst hat daran nichts geändert, zumal nach der Geburt unserer Zwillinge. Doch nun reite schnell zu Ardo und bringe Ihm die Botschaft. Sei aber vorsichtig, wer weiß, wo der Meister der Mark überall seine Spitzel hat. Möge die stürmische Göttin dir beistehen.“

Als Rondrian den Raum verlassen hatte, begab sich Urion in die Schreibstube und entzündete eine Öllampe. Im Sekretär fand er leeres Pergament, Tinte und Federkiel. Er machte sich daran, die Botschaften zu verfassen, als plötzlich sein Verwalter Rudebrecht von Jungsalm hinter ihm stand. „Ah, Rudebrecht, entschuldige, ich wollte dich nicht wecken.“ „Ist schon gut, Urion. Ich hörte Pferde im Hof und dachte mir, ich werde vielleicht gebraucht?“

Urion berichtete dem Verwalter alles, während er seine Botschaften zu Ende schrieb. „Lass mich eben die Meldereiter losschicken, dann müssen wir planen.“

Er griff die gesiegelten Botschaften, eilte durch den Raum und den Flur zur Haustür hinaus. Im Hof warteten bereits sieben Reitknechte auf eilig gesattelten Pferden. „Männer zuhören, hier sind Botschaften für die umliegenden Baronien und überbringt sie persönlich an die Barone. Reitet schnell und seid vorsichtig. Haltet nicht an und meidet es, gesehen zu werden, bis ihr an Eurem Ziel seid. Nur so viel, die Mark ist in großer Gefahr und der Feind kommt von Innen. Wenn Euch die Barone fragen, was es mit der Botschaft auf sich hat, dann sagt ich hätte euch aufgetragen, alles wichtige stünde in der Botschaft. Wenn man euch festsetzt, dann verzagt nicht.“

Er verteilte sechs Pergamentrollen und wies den Reitern die Ziele zu. Gerade als die sechs Reiter auf das Tor zuritten, schloss sich Ihnen Rondrian auf seinem Schlachtross an. Urion wandte sich nun seinem Vormann zu. „Alrik, du reitest nach Greifenfurt. Du kennst den Edlen von Schattenstein, den ehemaligen Heermeister der Mark. Nimm vorsichtig zu ihm Kontakt auf. Sag ihm ich würde dich schicken und wenn er einen Beweis verlangt, dann nenne das Kennwort: Finsterwacht. Dann weiß er, dass ich dich schicke. Sag ihm, ich wäre über den Verrat des Meisters der Mark im Bilde und hätte meine Aufträge vom Prinzen erhalten. Ich warte auf die Greifin und schließe mich ihr an. Wir stellen alles unter Waffen, was laufen kann. Ardo kommt mit seiner Landwehr von Süden bis vor die Stadt und bezieht dort Versteck, bis die Lage klar ist. Bernhelm ist bereits auf dem Weg zum Fürsten des Kosch! Sag dem Edlen, du könntest eine Antwort sofort mitnehmen, und kommst dann so schnell wie möglich zurück.“

Jetzt, da die Meldereiter unterwegs waren fiel ein Teil der Last von Urions Schultern. Dennoch lag der größte Teil der Arbeit noch vor ihm. Bis zum frühen Morgen besprach er sich mit seinem Verwalter, plante und organisierte. Sollten die Truppen vor der Markgräfin eintreffen, musste sie untergebracht und verpflegt werden. Aber auch für den weiteren Feldzug mussten sie genügend Proviant mitführen. Die Scheunen des Gutes und des Marstalls waren relativ gut gefüllt, und Urion wusste, dass er einen Teil würde hierlassen müssen, wollte er die Zucht nicht gefährden. Das gleiche traf die Bewohner zu. Er konnte mit drei Reitknechten eine Rumpfbetrieb sicherstellen. Der Rest wäre eine willkommene Verstärkung der leichten Kavallerie. Sowohl in den Reitkünsten als auch im Kampf mit Lanze und Schwert würden sie es mit durchschnittlichen Kämpfern aufnehmen können, den sie hatten jahrelang, tagein tagaus nichts anderes getan. Viel wichtiger waren Sie für Urion aber als flinke Botenreiter und Späher.

Noch bevor die Dämmerung einbrach ließ er Bernhelm und Rosco wecken. Mit Proviant und Pferden versorgt preschten sie durch das große Tor und waren alsbald im Südwesten verschwunden.

Kurze Zeit später verließ auch eine berittene Patrouille den Marstall gen Hesindelburg, um möglichst früh den Zug der Greifin auszumachen und zu melden.

Mit dem wichtigsten Auftrag jedoch betraute Urion seine Schwester Meran. Sie würde sich in den Osten an die Grenze zur Wildermark begeben, um in Erfahrung zu bringen, was die Absichten des Nebelsteiners waren und wo er sich befand.

An diesem Tag wurde nach den Planungen Rudebrechts und Urions die Arbeit auf dem Marstalls umgestellt. Über Nacht war der Krieg in die Mark zurückgekehrt. Erst jetzt wurde Urion erschreckend klar, dass es nicht die Schwarzpelze waren, sondern ein Fall, den er für eigentlich unmöglich gehalten hatte. Die Einheit der Provinz stand auf dem Spiel. Wenn es der Götter Wille ist, dass wir den Sieg davontragen, werden wir nicht nur einen Krieg gewinnen. Dann werden wir alle auch einen hohen Blutzoll zu entrichten haben. Bruder gegen Bruder. Und schon dachte er daran, dass sie derart geschwächt eine leichte Beute für die Schwarzpelze sein würden.

Mobilmachung in Kressenburg

Kressenburg, Ende Phex 1034 BF

Rondrian war schnell und hart geritten und hatte dabei weder sich noch sein Ross geschont. Bei tiefster Nacht hatte er die Breite an einer Furt überquert, nachdem er sich und dem Pferd eine einzige kurze Rast gewährte, danach ritt in den ganzen Morgen durch Königsgau und erreichte kurz vor der Mittagsstunde schließlich die Stadttore Kressenburgs. Die Büttel ließen ihn ohne zu zögern passieren und er sprengte wort- und grußlos an ihnen vorbei den Burgberg hinauf. Erst auf dem Burghof hielt er sein Ross vor dem lieblich angelegten Brunnen an und war schneller an der Tür zum Palas, als die Pferdeknechte aus der Scheune kommen konnten um zu sehen wer es denn da so eilig hätte.

Die erste Person die Rondrian begegnete war ein rundlicher Zwerg mittleren Alters mit gepflegtem, kunstvoll geflochtenem Bart und feiner Kleidung. In der rechten Hand den Stab des Majordomus haltend kam er dem Geweihten aus einem seitlichen Gemach entgegen. Nach einem kurzen Blick auf die Insignien verbeugte sich der Zwerg artig und machte eine einladende Geste in Richtung des Burginneren.

„Euer Gnaden, bitte tretet näher. Euer Besuch ehrt unser Haus. Darf ich mich nach Eurem Namen und nach Eurem Begehr erkundigen?“

„Mein Name ist Rondrian von Reiffenberg. Ich bin hier um Baron Ardo eine persönliche Nachricht meines Bruders Urion zu überbringen,“ sagte er mit lauter aber nicht schroffer Stimme. „Ist er zu sprechen? Es eilt und duldet keinen Aufschub.“

„Natürlich. Wenn Ihr mir bitte ins Arbeitszimmer folgen wollt. Seine Hochgeboren von Keilholtz wird erfreut sein Euch zu empfangen.“

Der Majordomus drehte sich auf den Hacken um und schritt Rondrian so schnell es seine Zwergenbeine zuließen voraus. Am Ende des Ganges ging es über eine Wendeltreppe einen Turm hinauf bis der Zwerg schließlich vor einer schweren Eichentür stehen blieb und mit dem Knauf seines Stabes dreimal gewichtig daran klopfte. Von drinnen erklang ein gedämpfter Ruf woraufhin er ohne weiteres Zögern die Klinke ergriff, die Tür aufschob und eintrat.

„Ugrimm! Was gibt es?“ Am schweren Arbeitstisch saßen sich Ardo und sein Vogt Phexian gegenüber. Diversen Pergamentrollen und ein schwerer Foliant lagen offen auf dem Tisch und schienen bis eben das Gesprächsthema gewesen zu sein.

„Ich bitte die Störung zu verzeihen Euer Hochgeboren, aber Ihr habt wichtigen Besuch. Ihro Gnaden von Reiffenberg wünscht umgehend ein Gespräch.“

„Wer? Ach, Rondrian! Willkommen auf der Kressenburg!“ Der Baron sprang sogleich auf um den Reiffenberger freudig zu begrüßen. Die ernste Miene des Geweihten ließ ihn jedoch innehalten. „Ist mit Urion und Renzi alles in Ordnung? Es wird doch den Kindern nichts zugestoßen sein.“

„Nichts dergleichen.“ Rondrian hob beschwichtigend die rechte Hand und trat näher. „Dennoch komme ich mit schlimmer Botschaft und dringlicher Bitte von Urion. Die Mark und das Reich sind in großer Gefahr.“

Mit wenigen Sätzen erklärte der Geweihte der Leuin den erstaunten Zuhörern was sich zugetragen hatte und was von ihnen erwartet wurde. Ardo schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf als könne oder wolle er das Gehörte nicht begreifen. Schließlich hatte Rondrian geendet und sah Baron und Vogt erwartungsvoll an. Der Keilholtzer wirkte noch immer wie vor den Kopf gestoßen und es bedurfte eines lauten Räusperns des Kieselholmers um ihn zu sich zu bringen.

„Ja was soll man dazu sagen? Der Meister der Mark ein Verräter an Greifenfurt und dem Reich. Das hätte ich ehrlich niemals erwartet. Wenn ich nur daran denke wie ich ihm gegenüber vor zwei Götterläufen den Lehnseid auf die Mark geleistet habe. Die Landwehren habe ich in seinem Namen geübt und nun wird er sie gegen das Reich verwenden. Und dazu Verräter in den Reihen meiner eigenen Familie! Praiossanctus, gib mir Kraft oh Götterfürst!“ Donnernd krachte Ardos Faust auf den massiven Eichentisch. „Das werde ich nicht zulassen!“

„Niemand bezweifelt deine Loyalität zur Greifin und zur Mark, ganz gleich welche Verfehlungen man anderen deiner Familie vorwerfen kann.“ Rondrian nahm den Eifer des jungen Barons mit einem Lächeln zur Kenntnis, beschwichtigte ihn jedoch sogleich. Gerechter Zorn mochte im Kampf hilfreich sein, aber bei den anstehenden Planungen hieß es einen kühlen Kopf zu bewahren um dem Verräter auch mit unterlegenen Kräften einen guten Kampf zu liefern. „Urion hat mich persönlich geschickt um dir das zu sagen und um dich an seine Seite zu bitten sobald es dir möglich ist. Der Bund des Garafan soll an der Seite der Markgräfin in den Kampf ziehen. Zusätzlich zieht mein Bruder alles an Reiterei zusammen was er in der Kürze der Zeit bekommen kann.“

„Natürlich werde ich sobald als möglich aufbrechen. Ginge es nur um mich würde ich sofort und durch die NAcht reiten und wäre morgen früh in Rosskuppe. Aber ich fürchte das hier bedarf größerer Vorbereitung.“ Der Baron überlegte wohl eine Minute lang und fing dann schließlich an Befehle zu geben.

„Ugrimm, geh in den Hof und schick die Pferdeknechte mit Nachricht zu meinen Vasallen. Kieselbronn, Praiostann, Immingen. Schicke auch nach meinen Großvater, er möge sich hier einfinden. So gern ich ihm das auf seine alten Tage ersparen würde, aber wir brauchen jedes Schwert. Sie sollen sofort alles stehen und liegen lassen und noch bis heute Nacht auf der der Kressenburg sein. Dann können wir morgen früh zu Urion reiten. Die restlichen Ritter werden heute Nachmittag mit dem Erztransport aus Sturmhöhe zurückerwartet. Außerdem soll die Landwehr ausgehoben werden. Die meisten kommen sowieso hier aus Kressenburg oder aus Tsanau selbst, aber einige werden von abgelegenen Höfen marschieren müssen. Sie sollen binnen zehn Tagen hier sein und werden dann von Phexian nach Greifenfurt gebracht.“ Mit einem Wink entließ er den Zwerg, der eilfertig davon stob.

„Phexian, du kümmerst dich auch um die Zusammenstellung des Trosses. Ich weiß, die Lager sind nach dem Winter fast leer, aber sieh zu, dass die Truppe gut versorgt ist. Leerer Bauch kämpft nicht gut. Was wir an zusätzlichen Wagen und Karren brauchen wird im Ort requiriert, zur Bespannung nimm die Rückpferde aus dem Forst.“ Mit einem schweren Seufzer blickte Ardo durch das Fenster auf das Land hinaus. „Wo wir bei den Pferden sind, ich werde wohl HIDALGO reiten müssen, den alten Warunker. Mein BOROMIL ist noch mit Mechthild auf dem Weg ins Bornland. Zudem habe ich weder meinen Pagen noch meine Knappin an der Seite. Ich werde wohl wieder beim Stadtkommandanten nachfragen müssen, ob ich mir Hamfast ausborgen kann. Und bei Gelegenheit kümmere ich mich um einen Zweitknappen.“ Mit einer entschlossenen Geste wischte er seine eigenen Bedenken beiseite. „Aber es sei wie es ist. Wir sollten schauen, dass wir weitere Unterstützung bekommen und die Nachbarn warnen, Eslamsroden voran. Praiossanctus, ich muss Greifwin Nachricht senden!“

Hier machte Rondrian eine Geste um ihm das Wort abzuschneiden. „Vielleicht solltest du das besser nicht tun Ardo. Wir wissen nicht wie vertrauenswürdig dieser Zweig deiner Familie ist. Immerhin ist der Finsterkammer einer der Anführer des Verrats. Du bist nur ins Vertrauen gezogen worden, weil du als Garafanist über jeden Zweifel erhaben bist und Urion dich persönlich sehr schätzt. Doch das gilt nicht für alle deine Anverwandten, so schmerzlich das für dich auch sein mag.“

„Greifwin mag mehr als ich auf seinen eigenen Vorteil bei allem bedacht sein, aber er stand immer loyal zur Mark!“ Erregt verteidigte Ardo seinen Vetter und musste sich zusammennehmen den Geweihten nicht ungebührlich anzubrüllen. Zähneknirschend gab er dann jedoch unter dem strengen Blick Rondrians nach. „Zugegeben, er wäre uns im Moment wohl auch keine große Hilfe. Er selbst ist mehr Krämer denn Ritter und seine Position als Baron ist nach wie vor so schwach, dass ihm abgesehen von seinen Geschwistern wohl keiner seiner Vasallen in den Kampf folgen würde. Doch ich fürchte die Entscheidung ihn nicht vor dem falschen Spiel des Nebelsteiners zu warnen, könnte meinen Vetter unwissentlich und ungewollt ins Lager der Verräter treiben.“

„Das ist ein Risiko welches wir eingehen müssen. Wichtiger als wirklich jeden einzelnen Streiter in unsere Reihen zu rufen ist es, den Verräter nicht eher als notwendig davon in Kenntnis zu setzen, dass seine Ränke aufgeflogen sind. Im Moment zieht er mit seinen Truppen vom Finsterkamm in Richtung Wildermark. Wir wissen nicht genau wo er gerade steckt, auch wenn Urion schon Meran auf dieses Problem angesetzt hat. Aber Tilldan schart auf seinem Weg sicherlich die ahnungslosen Vasallen der Greifin und die Landwehren um sich, was ihn Zeit kostet. So lange er sich unentdeckt glaubt, können wir ihn vielleicht noch stellen bevor er die Greifenfurter Gemarkungen verlässt. Ist er aber erst einmal aufgeschreckt wird er jedes weitere Zögern vermeiden und wir werden ihn nicht mehr aufhalten können.“

Ardo nickte einsichtig, wenngleich ihm der Gedanke Greifwin, Praiadne und ihre Brüder im Unwissen zu lassen trotzdem nicht gefiel. „Dann sollten wir trotzdem jene die wir gefahrlos erreichen können möglichst vollzählig unter dem Banner der Greifin versammeln. Zum Beispiel hat Urion Königsgau nicht bedacht. Die Mersingerin, wenn sie denn zugegen ist, aber auf jeden Fall die Königsgauer Junker und Ritter werden mit Sicherheit mit uns ziehen. Auerbach, Waldschatten, die Rübenhainer Ritter, sie alle könnten heute noch alarmiert werden und morgen mit uns nach Rosskuppe reiten.“

„Du hast Recht Ardo, der Gedanke ist uns nicht gekommen. Aber meine vorrangige Aufgabe war es dich zu warnen und an der Greifin Seite zu holen. Dabei bin ich wahrscheinlich sogar an einigen ihrer Höfe vorbeigeritten.“ Jetzt war es an Rondrian sich zu ärgern und er schlug mit Wucht seinen Armstumpf in die rechte Hand. „Du brauchst nicht noch einen Boten schicken, ich werde das auf dem Rückweg persönlich übernehmen und die Königsgauer Ritterschaft nach Niemith rufen. Dort werden wir uns euch anschließen wenn ihr morgen Mittag dort durchkommt. Hier ist alles gesagt und entschieden was ich wissen musste und ich werde es Urion getreulich berichten. Wir sehen uns dann morgen Abend auf dem Marstall.“ Er reichte Ardo und Phexian die Schwerthand und ging eben so schnell wie er gekommen war den Turm hinunter zu seinem Ross. Keine fünf Minuten später hörte man den Geweihten vom Hof traben.

Kressenburger Waffenschau

Kressenburg, Ende Phex 1034 BF

Seit mehr als zwanzig Götterläufen hatte man in dem Marktflecken Kressenburg nicht mehr so viele Bewaffnete auf einmal gesehen. Ein Dutzend Ritter aus der ganzen Baronie samt ihrem Gefolge tummelten sich auf dem Markplatz, und breiteten sich unter dem Banner Ardos darauf vor nach Hexenhain zu reiten.

Der verbitterte Junker Balduin, dessen Bogenschützen aus Kieselbronn einen sehr guten Ruf besaßen und der einst selbst ein begnadeter Bogenschütze gewesen war, bis Waldsteiner Marodeure ihm Anfang des Götterlaufs die Schildhand abgeschlagen hatten. Des Junkers jüngerer Bruder Kasimir und ihr Schwager Alwin, welche den Baron in den letzten Götterläufen schon oft bei anderen Gelegenheiten begleitet hatten. Der grimmige Ritter Wulfhart, der Vater des Barons und in Friedenszeiten Anführer der Kressenburger Ritterschar. Der strenge Ritter Braniborian, dessen praiosfrommer Blick keine Ungerechtigkeit und keinen Müßiggang duldete. Der beleibte Ritter Arnulf, in seiner Jugend ein begeisterter, wenn auch erfolgloser Tjoster, mit dreien seiner Töchter. Isolde, Bärlinde und Wolfhilde, die der alte Imminger selbst zu stolzen Ritterinnen ausgebildet hatte. Der fast greise Ritter Bernhelm, der sein kleines Gut am Rande des Reichsforstes seit beinahe vier mal zwölf Jahren durch allen Unbill der Zeiten seit Kaiser Reto führte. Der junge Eldwin, Gralshüter der Ritter von Korbronn, war ob seiner Aufregung vor dem ersten echten Waffengang seit seinem Ritterschlag wieder so nervös wie dereinst als Knappe. Zum ersten Mal seit dem Orkensturm sah man auch den betagten Vogt Phexian wieder in seiner alten Brünne hoch zu Ross, wenn er auch nur hier war um den Baron und die anderen zu verabschieden. Lediglich Junkerin Faralda fehlte, denn sie weilte mal wieder im fernen Süden, bei einem ihrer dubiosen Bekannten aus ihrer bewegten Jugend.

Zusammen mit ihren Pagen und Knappen bildeten sie eine Streitmacht, die jeden im Ort vor Ehrfurcht staunen ließ und auch dem Baron ging das Herz auf als er seine Vasallen zum ersten Mal vollzählig und kampfbereit versammelt sah. Noch wusste niemand hier worum es eigentlich ging und die meisten Bauern fürchteten sich vor einem erneuten Einfall der Schwarzpelze. Und so sammelte sich viel neugieriges Volk als Ardo vor die in einer Reihe auf dem Marktplatz vor dem Praios-Kloster aufgestellten Ritter ritt und mit lauter, weit tragender Stimme zu sprechen begann.

„Ihr tapferen Männer und Frauen Kressenburgs! Großes Unheil zieht über der stolzen Mark Greifenfurt herauf. Der Meister der Mark hat sich als schurkischer Verräter an Reich und Mark erwiesen. Er hat im Geheimen im ergebene Soldaten ausgehoben und ist nun drauf und dran das Land mit Feuer und Schwert zu überziehen. Seit dem Winter hielt er unseren Prinzen Edelbrecht und weitere treue Ritter auf einer Burg im Finsterkamm gefangen, weil sie seinen Ränken auf die Spur gekommen waren. Der Prinz und seine Getreuen konnten jedoch vor wenigen Tagen entkommen und haben uns eine Warnung geschickt. Der Verräter Tilldan aber schart zur Stunde bereits weitere Truppen um sich. Die Landwehren des Nordens und Ritter, so wie ihr, die von seinem Verrat noch nichts wissen und im Glauben wider die Wildermark zu ziehen vom Finsterkamm gen Süden marschieren. Noch wissen wir nicht was seine Ziel ist und wohin er seine Truppen lenken wird, aber eines ist gewiss: Dass wir uns ihm entgegenstellen werden und dabei keinen Fuß breit märkischen Boden preisgeben werden, auf Gedeih oder Verderben!“

In überraschte und erboste Gesichter blickend machte Ardo eine Pause um Luft zu schöpfen. In den Reihen der Bürger um ihn herum kam Unruhe und lautes Gemurmel auf. Seinen Vasallen und Untertanen diese schlechte Nachricht zu verkünden war ihm nicht leichtgefallen, doch war es seine Pflicht und Aufgabe als ihr Baron und Lehnsherr. Er war sehr froh darüber, dass er ihnen wenigstens einen kleinen Hoffnungsschimmer mit auf den Weg geben konnte und wandte sich bei den folgenden Worten nicht nur den Ritter vor ihm, sondern auch den Menschen um sich herum zu.

„Doch verzaget nicht, ihr tapferen Männer und Frauen Kressenburgs, denn es gibt Hoffnung! Wisset, dass in dieser verzweifelten Stunde, wo das Schild des Reiches zu wanken und zu weichen scheint, unsere geliebte Markgräfin nach langer Krankheit endlich zu uns zurückgekehrt ist!“

Lauter Jubel aus hunderten Kehlen unterbrach Rede des Kressenburger Barons, als Ritter und Bürger wie aus einem Mund ihrer Freude und Erleichterung Luft machten. Ardo musste einige Moment abwarten bis sich alle wieder soweit beruhigt hatten, dass man ihn über das allgemeine Gemurmel wieder hören konnte.

„Die Greifin höchst selbst steht an der Spitze der reichstreuen märkischen Truppen und ruft ihre Getreuen zum Kriegsrat! Zu dieser Stunde strömen Ritter und Bewaffnete wie wir herbei, dem Ruf der Greifin folgend. Unter ihrem Banner ziehen wir gegen den Verräter und mit der Götter Segen werden wir ihn niederwerfen!“

Noch lauter war das Gejohle als Ardo geendet hatte. Seiner Ritter schlugen die Schwerter an die Schilde als würde es just in diesem Moment in die Schlacht gehen. Er genoss den erhebenden Anblick seiner Gefolgsleute und gab ihnen dann das Zeichen sich marschbereit zu machen. Während die Ritter sich vorbereiteten, lenkte der Baron sein Pferd neben seinen Vogt, der ihn mit einem aufrichtigen Lächeln begrüßte. „Du verstehst es zu begeistern mein Junge.“

„Motivation ist so wichtig wie die reine Kampfkraft, das lernt man schnell in der Armee. Vor allem bei den öden Nachtwachen. Ich hoffe darauf, dass dieser Kampfeswille uns Stärke und Flügel verleiht. Denn Tilldan wird deutlich mehr Truppen um sich scharen können als wir und er ist uns einige Tage voraus.“ Ardos Miene zeigte Besorgnis und Unsicherheit ob der vor ihnen liegenden Aufgabe. „Wenn wir das Glück haben ihn noch auf märkischen Boden stellen zu können, werden wir Rondras ungeteilte Aufmerksamkeit und ihres ganzen Wohlwollens bedürfen, um den Reichsverräter auf offenem Feld schlagen zu können. Wir müssen darauf vertrauen, dass die Greifin seinen unwissenden Gefolgsleuten die Augen öffnet und sie auf unsere Seite zieht bevor es zum Kampf kommt. Aber die wahren Verräter werden sich wohl kaum kampflos unserer Gnade ergeben, dafür sind sie zu weit gegangen.“

Phexian nickte nachdenklich und sah dann die Straße hinab. „Also brecht ihr nun auf?“

„Das tun wir. Aber ich möchte dich noch einmal bitten die Landwehr so schnell wie möglich nach Greifenfurt zu führen. In neun Tagen sollen alle hier versammelt sein, am zwölften Tag erwarte ich euch in Greifenfurt. Sieh zu, dass der Tross bis dahin steht und ihr nur noch die Nachzügler ausrüsten müsst. Ich hätte die Landwehr gerne selber angeführt wo ich sie schon mondelang ausgebildet habe, aber muss einfach dabei sein wenn die weiteren Schritte entschieden werden. Allein um zu zeigen, dass nicht alle aus meiner Familie Verräter sind. Es ist schlimm genug, dass der Finsterkammer sich als ein solcher erwiesen hat. Deswegen kann ich nicht auf die Landwehr warten.“

„Und ich nehme an diese Ehre wird mir zuteil, weil ich jeden Kressenburger seit Geburt und mit Namen kenne, wie es manches Mal hinter meinen Rücken gesagt wird?“

„Genau.“ Unwillkürlich musste Ardo lächeln. Natürlich kannte Phexian diese Sprüche, auch wenn ihm dies nie jemand ins Gesicht gesagt hätte. So gut wie nichts in Kressenburg blieb dem tüchtigen Vogt verborgen. Manchmal war dem Keilholtzer das fast unheimlich. „Dich kennen die Leute und du bist ihnen seit vielen Götterläufen ein vertrautes Gesicht. So entsteht am wenigsten Unruhe, denn wenn die erste Euphorie in ein paar Stunden verflogen ist, werden bei den Leuten die alten Sorgen wieder aufbrechen. Bring die Truppe vollzählig zur Stadt, damit wir unsere Pflicht für die Mark erfüllen können.“

„Wohlan, dann reite mit meinem Segen Junge. Wir kommen so schnell es geht hinterher.“

Ardo nickte seinen ehemaligen Schwertvater dankbar zu, schwenkte sein Pferd scharf um und setzte sich neben Junker Balduin an die Spitze seiner Ritterschar. Alle senkten die Köpfe für ein letztes Gebet vor dem Praios-Kloster, von dessen Stufen aus Prätor Badilak ihnen Praios’ Segen mit auf den Weg gab. Dann ritten der Baron und seine Getreuen unter dem Jubel der Städter an und folgten dem Verlauf der Hauptsraße den Berg hinab. Hinter den Knappen und Pagen reihte sich Bruder Praiomel ein, den der Kressenburger Lichthüter den Ausziehenden als seelischen Beistand im Feld mitgegeben hatte. Bis zum Stadttor rannten ihnen die Kinder nach und im Zwergenviertel säumten viele Angroschim den Weg um ihnen zuzuprosten. Hinter dem Stadttor bog die Gruppe auf die Straße nach Greifenfurt ein und schon nach wenigen Minuten waren die Ritter hinter der nächsten Hügelkuppe verschwunden.

Die Dorfbewohner aber machten sich nach und nach auf und gingen in ihre Handwerksstuben oder auf die Äcker. Krieg hin oder her, Sensen mussten geschmiedet, Tische gehobelt, Schuhe besohlt und die Felder bestellt werden, bevor in ein paar Tagen die kräftigsten Männer und Frauen für den Baron in den Kampf zogen. Aber so war es schon immer gewesen, ob gegen den Ork, falsche Kaiser oder den schrecklichen Feind im Osten.

Die Kressenburger kommen

Edlengut Rosskuppe, Ende Phex 1034 BF

Die sich nähernde Reitertruppe war durchaus beeindruckend. Wohl zwei Dutzend Ritter und ihr Gefolge ritten in Zweierreihe von Donfanger kommend auf das Gut Rosskuppe zu. Die Panzer und Kettenhemden spiegelten sich im Schein der untergehenden Abendsonne und ab und an sah man eine Lanzenspitze aufblitzen.

Die Neuankömmlinge waren schon lange bevor sie in Sichtweite des Edlengutes gekommen waren von einem umherstreifenden Pferdeknechte entdeckt und gemeldet worden. Nur auf die Wappen hatte der Junge in seiner Aufregung nicht geachtet. Inzwischen war alles auf dem Gut in Alarmbereitschaft versetzt worden, denn es waren unruhige Zeiten und kaum jemand konnte sich dieser Tage über Freund und Feind wirklich sicher sein. Auf der letzten Hügelkuppe vor Gut Rosskuppe hielt der Tross an, denn die Reiter schienen das hektisch geordnete Durcheinander welches sie verursacht hatten bemerkt zu haben. Einer der beiden Reiter an der Spitze schien einen Befehl zu rufen, woraufhin ihm aus den hinteren Reihen eine Stange mit einem großen Banner gebracht wurde. Sorgsam entrollte der Ritter die Fahne und bugsierte die Stange dann in seine Stiefelschaft um sie auf dem Pferd besser handhaben zu können, bevor alle ihre Pferde wieder in Trab versetzten. Über dem Reiter an der Spitze strahlte nun im rötlichen Schein der letzten Sonnenstrahlen auf dunkelgrünem Grund ein Amboss unter zwei gekreuzten Schmiedehämmern in Gold.

Erleichtert lächelnd blickte Urion zu seiner Frau, die mit ihm auf der Wehrmauer stand. „Die Kressenburger kommen!“

Eine starke Truppe

Edlengut Rosskuppe, Ende Phex 1034 BF

Urion gab den Schützen und Speerträgern Befehl wegzutreten und stürmte dann zum schweren Eichentor, das langsam von den Wachen aufgezogen wurde. Er saß auf sein Schlachtross auf und trieb es vorwärts, den Reitern entgegen.

„Bei Rondra, Ardo von Keilholtz, noch nie war ich froher dein Banner wehen zu sehen. Ich grüße auch Euch ihr Edlen der Mark, die Ihr der Greifin Ruf so treu gefolgt seid.“ Er verneigte sich leicht im Sattel und wies in Richtung der untergehenden Praiosscheibe. „Lasst uns zum Marstall reiten. Mein Verwalter wird euch Euer Quartier zuweisen, die Knappen könne die Zelte gleich seitlich vom Tor aufbauen.“

Während die ganze Kavallkade gen Efferd einschwenkte gesellte sich auch Renzi zu ihnen und begrüßte Ardo und die Ritter freundlich.

„Es ist gut, dass du so schnell kommen konntest Ardo, spätestens übermorgen erwarte ich die restlichen Landwehren aus dem Süden und in drei Tagen sollte auch die Greifin hier sein. Meine Späher sind in der ganzen nördlichen Breitenau unterwegs und überwachen jeden Weg. Dazu kommen noch Fußpatrouillen und Jagdtrupps. Einer davon hat deine Annäherung bemerkt und uns gewarnt. Ich freue mich, dass du gleich die schwere Kavallerie zusammengezogen hast. Eine solch starke Truppe werden wir brauchen, denn nach meinen Berechnungen sind wir dem Verräter weit unterlegen. Sag, was konntest du in der Kürze der Zeit noch alles mobilisieren?“

„Rondrian hat zur Eile gemahnt, also habe ich alles stehen und liegen lassen, um zu dir zu eilen.“ Mit ein wenig Stolz zeigte er auf die Reitertruppe hinter ihnen. „Neben der Kressenburger Ritternschaft habe ich noch ein halbes Dutzend aus Königsgau mitgebracht. Die Pfalzgräfin hat sie meinem Befehl unterstellt, zumindest bis ich sie den Truppen der Greifin zu geführt habe, denn die Mersingerin ist keine Frau des Schwertes und wird in Niemith bleiben. Allerdings hat sie zugesagt eine größere Lieferung für die Versorgung von Tross und Truppen zusammenzustellen. Ansonsten wird vor allem noch die Landwehr zu uns stoßen, die Königsgauer und in Greifenfurt meine Kressenburger. Mein Vogt wird sie zur Stadt führen wenn alle Kämpfer beisammen sind.“

„Das ist mehr als ich erwartet habe. Ich hoffe nur, dass Phexian sich mit den Truppen nicht zu früh vor Greifenfurt blicken lässt. Reto und ein paar Getreue sind in der Stadt und ein Banner Langschwerter. Reto ist sich sicher, dass sie auf unsere Seite kommen. Ferner hat der Meister der Mark überall seine Informanten. Er soll so spät wie möglich von unseren Absichten erfahren. Meran ist bereits unterwegs um ihn auszuspähen. Wenn es sein muss auch mittels Magie. Du kennst sie ja.“

„Dann werde ich Phexian noch einmal Nachricht schicken, dass er mit der Landwehr in Tsanau warten soll, bis wir aufbrechen. Ich hoffe Meran findet den Verräter schnell genug, damit wir noch rechtzeitig verhindern können, was immer er auch planen mag.“

Sie hatten den Marstall erreicht und Ardo konnte beiderseits des großen Eichentores viele bunte Zelte erkennen. Überall brannten Lagerfeuer an denen vereinzelt Männer und Frauen herumstanden. Gleich neben dem Tor stand ein großer Leiterwagen, an dem die Mägde des Marstalls aus großen Kupferkesseln Suppe Ausgaben.

Als sie den Innhof erreicht hatten hob Urion die Hand und wandte sich der Rittern zu. „Ardo, ihr edlen Herren und Damen ich bitte Euch mir in die große Halle zu folgen. Ich werden allen Edlen die neusten Informationen geben und dann müssen wir unser Vorgehen in den nächsten Tagen beraten. Wenn die Greifin hier eintrifft, muss alles marschbereit sein.“

Der Keilholtzer gab den Reitern das Zeichen abzusitzen. Die Zügel wurden den Pagen und Knappen übergeben, die die Tiere wegführten, während die Ritter Urion und Renzi folgend das Haus betraten.

Ritter Hagen

Auf dem Ingerimmsturnier zu Eslamsgrund

Eslamsgrund, 1. Ingerimm 1035 BF

Scheppernd schlugen die Schilde der beiden letzten Kontrahenten zusammen. Die Pferde der Reiter wichen keinen Zentimeter zurück und so war es für einige Augenblicke ein stummer Ringkampf purer Kraft. Schließlich setzte sich der größere Kämpfer durch und verschaffte sich eine Lücke in der Deckung seiner Gegnerin. Er zögerte nicht und gleich darauf prallten seine Schläge wuchtig gegen den Helm der jungen Frau, die ihr Schwert zu spät zur Abwehr erhoben hatte. Erschrocken lenkte sie ihr Pferd zur Seite um von dem überlegenen Kontrahenten wegzukommen, doch dieser setzte entschlossen nach um sich den errungenen Vorteil nicht wieder nehmen zu lassen und setzte weitere Treffer. Schließlich ließ das Mädchen als Zeichen der Aufgabe und um sich besser halten zu können ihr Schwert fallen und glitt halb benommen aus dem Sattel.

Jubelnd riss sich Hagen den Helm vom Kopf und das stumpfe Kurzschwert in die Luft und machte seiner Freude mit einem lauten Aufschrei Luft. Als letzter der angetretenen Knappenschar saß er noch auf seinem Ross und durfte nun als Sieger des Knappenbuhurts an der Tjost der Ritter teilnehmen. Eine größere Ehre konnte sich der junge Schlunder nicht vorstellen. Mit stolzgeschwellter Brust und pochendem Herzen ritt er zur Ehrentribüne wo er vom warmen Applaus und vereinzeltem Jubel der Zuschauer empfangen wurde.

Nach der offiziellen Ehrung beeilte sich Hagen abzusteigen und zu seinem Schwertvaters zu gelangen. Der hoch hängende Wimpel mit der weißen Hand auf rotem Grund wies ihm den Weg durch das Gewirr der Menschen, die ihm immer wieder anerkennend auf die Schultern klopften und aufmunternd zuriefen. Kurz vor seinem Ziel bildete sich eine Gasse durch die er auf den alten Ritter zuschritt.

„Ich gratuliere dir Hagen. Du hast dich beachtlich gut geschlagen.“ Der Stolz schwang in Ritter Linnarts Stimme unüberhörbar mit. „Keiner meiner Knappen oder der Knappen meiner Schwester hat es bisher geschafft solch ein bedeutendes Turnier für sich zu entscheiden. Noch dazu in so beeindruckender Manier wie du es getan hast. Egal wie du nachher in der Tjost abschneidest, für alle Knappen des Reiches wird diese Saison Hagens Jahr sein!“ Zustimmendes Gemurmel erhob sich aus den Reihen der Umstehenden.

Demütig senkte der Gelobte das Haupt vor seinem inzwischen weißhaarigen Schwertvater. „Alles was ich kann habt Ihr mich gelehrt. Es ist Euer Sieg noch mehr als der meine.“

Der alte Mann lacht jovial. „Zuviel der Ehre mein Junge. Bei deinen Anlagen musste einfach ein guter Turnierreiter aus dir werden. Ich habe nur geformt was Rondra mir gegeben hat. Bei den Zwölfen, die weißt gar nicht wie stolz ich auf dich bin.“ Hagen sah auf doch wandte er den Blick sogleich wieder ab als er die feuchten Augen des alten Ritters sah. „Nun ist als eingetreten wovor ich mich fast ein wenig gefürchtet habe und es bleibt mir nur noch eines zu tun.“ Verständnislos blickte der Knappe zu seinem Ritter auf.

„Knie nieder, mein Sohn.“ Diese Worte aus dem Mund des kinderlosen, ewigen Junggesellen ließen Hagen hart schlucken. Ohne ein Wort folgte er der Anweisung seines Schwertvaters und unter den Umstehenden erhob sich gedämpftes Gemurmel in Erwartung des folgenden Geschehens. Die Stimme des alten Ritters war erst brüchig, wurde jedoch mit jedem Wort fester als er langsam das Schwert aus der Scheide zog und es über dem Kopf des vor ihm knienden Knappen schweben ließ. „Hagen von Hartwalden-Hartsteen, sechs Götterläufe lang warst du mein treuer und gehorsamer Knappe. Vor diesen Zeugen hier entlasse ich dich nun aus meiner Obhut und als Ritter Hagen sollst du fortan bekannt sein.“ Während er sprach ließ Linnart die Schwertspitze langsam auf die Schultern des Knienden sinken. „Sei Schild und Schutz der Schwachen, sei stets ehrenvoll im Kampf und verteidige die Gebote der Zwölfe wo und wann immer es nötig ist.“ Mit einem leisen metallischen Schleifen glitt die Klinge zurück in die Scheide. „Nun erhebe dich Ritter Hagen und erhalte den letzten Schlag den du im Leben ungesühnt hinnehmen darfst und musst.“ Der junge Ritter tat wie ihm geheißen. Festen Blickes wappnete er sich, als er des weit ausgeholten Arms seines Schwertvaters gewahr wurde. Laut klatschte die flache Hand Linnarts auf Hagens linke Wange. Hagen wankte einen Moment und musste kleine Sterne wegblinzeln, aber unter dem Jubel der Umstehenden fing er sich sofort wieder. Mit einem Lächeln trat der alte Hartweiler jetzt heran und schloss seinen ehemaligen Knappen freudig in die Arme.

Auf dem Großen Kabinett zu Grambusch

Grambusch, 25. Ingerimm 1035 BF

Das kaiserliche Turnier war überhaupt nicht nach Ritter Hagens Vorstellung verlaufen. Bereits in der ersten Runde hatte der junge Mann schmerzhaft Bekanntschaft mit dem Boden der Tjostbahn machen müssen. Dabei hatte er sich doch fest vorgenommen seinem Schwertvater Ehre zu machen und auch seine anwesende Greifenfurter Verlobte zu beeindrucken. Stattdessen war er ausgerechnet gegen deren Vater Alwin von Kieselholm ausgeschieden. Den Rest des Turniers hatte er auf der Tribüne neben Linnart von Hartweil inmitten der anderen niederadligen Gäste verbracht, während Mechthild ihrem Schwertvater auf dem Turnierplatz zur Hand ging.

Nachdem der Baron zu Kressenburg dann am ersten Tag der Endrunde auch ausgeschieden war, bekam Hagen die Knappin für zwei Tage überhaupt nicht mehr zu Gesicht. Er versuchte ihren Schwertvater nach dem Verbleib zu fragen, doch wann immer er den Greifenfurter einmal zu Gesicht bekam, war dieser in ernste Gespräche vertieft, die zu stören mehr als unhöflich gewesen wäre. Erst als am Abend des dritten Turniertages der Sängerwettstreit ausgetragen wurde, erschien Mechthild wieder auf der Bildfläche. Nachdem alle gedungenen Barden und Dichter ihre Lobpreisungen für die jeweiligen Marschalls- oder Staatsratskandidaten beendet hatten, trat zu Hagens Erstaunen die Knappin in die Mitte der versammelten Adelsschar. In ihr Praiostagsgewand gekleidet, die langen blonden Haare zu zwei Zöpfen über ihre Schultern nach vorn fallend gebunden, huschte ihr eine leichte Röte der Verlegenheit über das hübsche sommersprossige Gesicht. Dennoch entrollte sie ohne Zaudern eine dicke Pergamentrolle und trug ein 65-strophiges Lobgedicht auf den Greifenfurter Marschallskandidaten Urion von Reiffenberg vor. Die Verse waren eine überraschende Mischung aus Lobgesang, Hoher Minne und mädchenhafter Schwärmerei. Wie bei keinem anderen Vortrag trat die Wahrhaftigkeit der Worte zu Tage und wo die bezahlten Dichter meist nur höflichen Applaus geerntet hatten, folgte auf Mechthilds Vortrag erst gebannte Stille und dann beinahe tosender Jubel. Hagen war sich sicher, dass sie mehr als ein Herz an diesem Abend erobert hatte und er war froh und stolz, dass er der Glückliche sein würde, mit dem die junge Frau bald den Travia-Kreis beschreiten würde.

Die Wahl des zukünftigen Garetischen Marschalls wenige Tage später brachte ein sehr eindeutiges Ergebnis, was Ritter Hagen nicht mehr weiter verwunderte. Er hatte die Greifenfurter, allen voran seine Braut und ihren Schwertvater, beobachtet und hatte gesehen, wie es ihnen mit Geschlossenheit und dem tiefem Glauben den richtigen Kandidaten zu unterstützen gelungen war, einen großen Teil des anwesenden Adels auf ihre Seite zu bringen. Auch Hagen, mochte seine Stimme als landloser Ritter auch wenig gelten, hatte sich ebenfalls für Urion ausgesprochen, woran Mechthilds Gedicht nicht wenig Anteil hatte.

An diesem letzten Abend des Großen Kabinetts gelang es dem jungen Schlunder auch endlich durch die Reihen der feiernden Greifenfurter bis zu Baron Ardo vorzudringen. Zu seiner Freude stand Mechthild direkt hinter ihm und verrichtete mit einem jungen Burschen die Pagendienste bei Tisch. "Euer Hochgeboren. Es ist mir eine große ehre Euch kennenzulernen. Erlaubt mir, dass ich mich vorstelle. Mein Name ist Hagen von Hartwalden-Hartsteen, Ritter aus der Grafschaft Schlund."

"Tretet näher Ritter Hagen." Mit einem Seitenblick auf seine Knappin winkte der Baron den jungen Mann heran. "Ich habe bereits von Euch gehört. Doch war ich mir nicht bewusst, dass Ihr bereits den Ritterschlag erhalten habt, sonst hätte ich Euch dieser Tage eher einmal an meine Tafel geladen. Ich bitte das zu entschuldigen."

"Dass Euch mein Name bekannt ist ehrt mich und es besteht kein Anlass für eine Entschuldigung." Obschon Hagen mit dem Baron sprach, wanderte sein Blick immer wieder zu Mechthild, die ihn neugierig und ohne Scheu ansah. "Ich erhielt meine Sporen erst vor wenigen Wochen auf dem Eslamsgrunder Frühlingsturnier. Es verwundert mich also nicht, dass diese Kunde Euch bisher nicht erreicht hatte."

"Wohlan, gehe ich recht in der Annahme, dass Euch weniger meine Gesellschaft, als vielmehr die meiner Knappin in unseren Kreis gelockt hat?" Ardo hatte ein wenig lauter gesprochen und seine Lippen umspielte ein leichtes Lächeln, als die nahem Gespräche verstummten und der junge Schlunder ob der plötzlichen Aufmerksamkeit für einen Moment verlegen die Augen niederschlug.

"Dies entspricht in der Tat zum Teil der Wahrheit und wenn Ihr erlaubt, würde ich gerne einige Worte an sie richten." Hagen wartet mit festem Blick bis der Kressenburger ihm mit einer Geste zu verstehen gab, dass er nichts dagegen einzuwenden hatte. Dann sah er seiner Verlobte zum ersten Mal direkt von Angesicht zu Angesicht in die Augen. Er spürte wie seine Knie weich wurden und musste sich räuspern bevor er sich getraute erneut zu sprechen. "Edle Dame. Ihr seht mich erfreut, Euch endlich von Angesicht kennenzulernen. Seit dem Tag da mir die Verabredung der Verlobung mitgeteilt wurde, wartete ich voll Ungeduld auf diesen Moment. Nun, da ich während der letzten Tage einige Blicke auf Euch erhaschen durfte und da ihr leibhaftig hier vor mit steht, keimt in mir die Furcht Eurer nicht würdig zu sein. Deswegen bitte ich Euch um die Gunst und Euch, Hochgeboren", wendete er sich an Ardo, "um die Ehre, Euch in Eure Heimat zu begleiten und mich in Eurem Dienste beweisen zu dürfen, damit Ihr, edle Mechthild, am Tage unseres Traviabundes ebenso von Stolz und Glück erfüllt seid, wie ich es bei dem Gedanken daran bereits bin."

Der Schlunder erntete von den nebenbei sitzenden Greifenfurtern anerkennende Blicke und gar einen aufmunternden Zuruf. Am Ende seiner Worte hatte Hagen wieder auf die junge Knappin geschaut und diesmal war sie es gewesen, die mit deutlicher Schamesröte im Gesicht den Blick gesenkt hatte. Die artigen Worte mit denen der Ritter um sie warb, obgleich er ihrer Hand durch die Verabredung der Familien bereits sicher sein konnte, hatten ihr wohl gefallen. Mit einigen Augenblicken Verspätung bemerkte sie den fragenden Blick ihres Schwervaters auf sich ruhen. Mit hochrotem Kopf rang sich sich ein kaum sichbares Nicken ab.

"So sei es denn, Ritter Hagen! Eure Braut wünscht Euch augenscheinlich in ihrer Nähe zu wissen und ich freue mich über jeden Schwertarm der mir hilft Kressenburg und die Greifenfurter Lande sicherer zu machen." Bei diesen Worten zeigte Ardo auf einen freien Schemel am Tisch. "Nehmt Platz und seid willkommen unter Freunden."

Keilholtzer Neuordnung

Rückkehr aus Grambusch

Kressenburg, Mitte Rahja 1035 BF

Als der Baron und sein Gefolge durch die Stadt zur herrschaftlichen Burg hinauf ritten, säumten dutzende Menschen die engen Gassen Kressenburgs. Von allen Seiten hörte man Glück- und Segenswünsche und so wussten die Heimkehrenden am Burgtor bereits Bescheid als ihnen der fröhlich lächelnde Burgvogt entgegenkam. Ardo war schneller als alle anderen aus dem Sattel und bestürmte Phexian atemlos sofort mit Fragen.

"Wo sind sie? Sind sie wohlauf? Ich hörte Onkel Roderich musste kommen? Gab es Probleme?"

Phexian hob beschwichtigend die Arme und führte den aufgeregten Baron in das große Wohnhaus der Burg. "Alles verlief wunderbar. Keine drei Stundengläser, dann hatte Praiadne es überstanden. Seine Gnaden Roderich habe ich nur zur Sicherheit kommen lassen und Meister Wasjeff ist deiner Frau seit der Niederkunft nicht von der Seite gewichen. Ich sage dir, der Mann versteht mehr davon als manche von den alten weisen Frauen. Er hat in meinem Auftrag auch die Amme für deinen Sohn ausgewählt."

"Und wann?"

"Kurz nach deiner Abreise, am zehnten Tag des Herrn Ingerimm. Also genau an deinem eigenen Tsatag, den du nicht mehr in Kressenburg abwarten wolltest. Doch jetzt komm und sieh ihn dir selbst an. Praiadne wartet auch schon seit Tagen ungeduldig auf deine Heimkehr."

Halbwegs beruhigt und fröhlich grinsend ließ sich Ardo weiter durch die Gänge führen, bis sie vor dem herrschaftlichen Schlafgemach anhielten. Ohne zu zögern trat Ardo ein. Sofort bemerkte er, dass sich in diesem Raum seit seiner Abreise sechs Wochen zuvor einiges verändert hatte. In einer Ecke stand eine kleine Kinderwiege, vor der im Moment eine ihm unbekannte Frau saß und einen Säugling an der Brust hielt. Praiadne hockte dagegen an einem kleinen Tisch und löffelte eine noch dampfende Hühnerbrühe. Bei Ardos Anblick erhob sie sich sofort und fiel ihrem Gatten um den Hals.

"Ardo! Da bist du ja endlich! Wäre dein Brief nicht gewesen, dass du inzwischen auf dem Heimweg bist, ich wäre vor Sorge umgekommen."

Der Baron drückte seine junge Frau liebevoll an sich und genoss den kurzen Moment. Dann hörte er hinter sich die Schritte seiner Begleiter, die nun nach und nach alle in die Kammer traten und die Baronin begrüßten. Da der Raum für so viele Menschen nicht gedacht war, herrschte plötzlich eine ziemliche Enge. Dem Säugling schien das aufkommende Gewirr der Stimmen nicht zu behagen, denn er löste sich von der Brust der Amme und fing markerschütternd an zu schreien. Die Frau ließ sich jedoch weder davon, noch von den nun plötzlich auf ihr ruhenden Blicken aller Versammelten beirren, rückte mit der freien Hand ihre Bluse zurecht und trat dann mit dem Kind vor den Baron.

"Und du bist?"

"Halberta, die Amme, euer Hochgeboren. Wenn ich sagen darf, Euer Sohn hat ein sehr lebhaftes Wesen." Dabei hielt sie ihm das noch immer greinende Kind vor die Nase, damit er es nehmen konnte.

Vorsichtig griff Ardo zu und ließ die Amme widerstandslos seine Arme richten, damit er das wackelnde Köpfchen des Säuglings sicher im Griff hatte. "Ich hoffe doch du kommst damit zurecht?"

"Macht Euch da mal keine Sorgen Hochgeboren." Halberta überprüfte nochmal den Halt und nickte dann zufrieden bevor sie Ardo direkt ansah. "Ich habe selbst ein halbes Dutzend davon und alle sind sie lebhaft."

Ardo lächelte bei dieser Vorstellung amüsiert und schenkte der Frau ein dankbares Nicken. Dann drehte er sich mit dem Kind im Arm zu den versammelten Freunden und Verwandten um, damit sie seinen Erstgeborenen ansehen konnten. Vor allem seine Knappin Mechthild war völlig hingerissen von dem kleinen Bündel Mensch und wusste in ihrer Aufregung kaum wohin mit ihren Händen, bis sie in einem Ausbruch der Freude Ardos Pagen wild den Haarschopf zerwuschelte. Firnwulfs Proteste darüber gingen im allgemeinen Gelächter unter.

"Wie heißt er?" Der Baron trat zu seiner Frau und hielt das inzwischen ruhige Kind dabei mit dem Gesicht zum Fenster um es besser betrachten zu können.

"Ich habe die Namen der beiden Heiligen gewählt über die wir gesprochen haben mein Herz. Lichthüter Badilak und Seine Gnaden Roderich habe ihn am Praiostag nach seiner Geburt gemeinsam unten im Kloster getauft." Sie legte einen Arm um Ardos Schulter und streichelte mit der anderen das Gesicht des Kindes, das daraufhin fröhlich zu glucksen anfing. "Dein Sohn heißt Answin Shazar von Keilholtz."

Pagen, Knappen, Traviabünde

Auf der Kressenburg, Ende Rahja 1035 BF

Am Tag nach ihrer Rückkehr aus Grambusch saßen Ardo und sein Vater allein im kleinen Kaminzimmer der Burg um die Ereignisse und Folgen der letzten Wochen einzuordnen und die daraus resultierenden Entscheidungen für die Familie Keilholtz zu treffen.

"Ich gebe zu, mir behagt meine neue Position ganz und gar nicht, Ardo. Das amtierende Familienoberhaupt zu stürzen, das hat es bisher noch nicht gegeben." Obschon sie allein waren, drehte Wulfhart seinen Bierkrug schon die ganze Zeit nervös zwischen den Händen. "Natürlich erkenne ich die Notwendigkeit dieses Schrittes, sonst wäre ich ich nicht gegangen. Aber mir wäre deutlich wohler gewesen, wenn wir eine andere Lösung hätten finden können."

"Das mag sein, doch einen anderen Weg gab es nicht, Vater. Wir haben uns schon zu lange von Bogumil für seine egoistischen Zwecke einspannen lassen. Und was hat es uns gebracht? Die Hälfte der Familie wurde verstoßen und damit meine ich nicht das jüngere Haus sondern die Zweige des älteren die Bogumil abgetrennt hat. Der Rest von uns ist ein verstreuter Hühnerhaufen ohne Zusammenhalt. Es ist wahrlich an der Zeit das zu ändern." Der junge Baron ärgerte sich ein wenig über die erneut aufkommende Zögerlichkeit seines Vaters. Seit dem Tod der Mutter vor über zehn Götterläufen hatte der früher so tatendürstige Ritter kaum einen Schritt vom heimatlichen Rittergut getan, wenn ihn nicht eine Pflicht dazu zwang.

"Trotzdem wäre es mir lieber gewesen, wenn du gleich selbst den Schritt gegangen wärst. Du bist das wahre Oberhauot des älteren Hauses Ardo und das weißt du besser als jeder andere." Die Stimme des älteren Ritters klang fast vorwurfsvoll.

"Das ändert aber nichts daran, dass auch ich mich an Traditionen und die Praios gegebene Ordnung halten muss." Ardos Tonfall war fast streng, so als würde er einem unverständigen Knappen etwas erklären. "Nachdem wir Bogumil und seine Abkömmlinge verstoßen haben bist du der älteste männliche Erbe in direkter Erbfolge. Wir haben hart genug an den Grundfesten der Familie gerüttelt. Wollen wir die Akzeptanz der anderen Linien nicht verlieren, wirst du das Amt des Patriarchen ausfüllen müssen. Würde ich es mir anmaßen, glaube mir, keiner würde mir allein folgen." Er nahm einen Schluck um sich zu beruhigen und als er fortfuhr war die Stimme deutlich sanfter. "Ich verstehe deine Situation Vater. Greifwin geht es seit seiner Belehnung mit Eslamsroden im jüngeren Haus genau wie dir. Viel Verantwortung auf Schultern die nie danach strebten diese zu tragen, aber nun dazu gezwungen sind und daran wachsen müssen."

"Es sei wie es ist. Trotzdem wärst du die bessere Wahl gewesen." Götterergeben seufzte Wulfhart und nahm einen tiefen Schluck aus dem Bierkrug. "Wenn wir das ältere Haus ernsthaft wieder vereinen und stärken wollen, sollten wir am Besten bei deinen Brüdern damit anfangen."

"Richtig. Ich gebe zu ich habe unterschätzt wie wichtig sie für mich und die Familie sein können nachdem ich das Lehen erhalten habe. Jetzt jedoch wäre ich mehr als froh darüber sie als loyale Stützen in Kressenburg zu haben. Nach dem Verlust von Finsterkamm ist es das wichtigste Lehen das dem älteren Haus geblieben ist und bis ich es geschafft habe die Finanzen in sichere Bahnen zu lenken steht hier alles auf tönernen Füßen. Die Greifin war nach ihrer Rückkehr kurz davor das Lehen einzuziehen und nur meiner Position als Garafanist ist es zu verdanken, dass sie mir stattdessen noch einmal das Vertrauen gegeben hat die Situation zu retten. Wir brauchen jeden guten Mann und jede fähige Frau die wir an uns binden können."

"Lass mal sehen." Der neue Patriarch begann an den Fingern abzuzählen während er seine Kinder durchging. "Rondwin ist bei der Garnision in Greifenfurt. Nach den Verlusten der Schlacht am Stein hat man ihn bei den fälligen Beförderungen übergangen. Er kommt mit dem neuen Hauptmann nicht sonderlich gut zurecht wie ich gehört habe. Es sollte mir nicht schwer fallen, ihn davon zu überzeugen in deine Dienste zu treten. Travhelm hat bald nach deiner Hochzeit die Weihe erhalten. Da die Schwester eurer Mutter seine Oberin ist, sollte sie eine Bitte um Versetzung in die Heimat nicht ohne Grund abschlagen. Und Firnward wird bald seinen Kriegerbrief erhalten. Die Frage ist nur ob er das zusätzliche Jahr zur Kompensation ableisten muss oder wir ihn vorher von der Akademie freikaufen können."

Beim letzten Punkt winkte Ardo ab. "Lass Firnward das Jahr länger ruhig dort. Praiadne meinte es schadet nicht. Außerdem können wir es uns derzeit schlicht nicht leisten. Rondwin wäre aber eine willkommene Verstärkung. Er hat Erfahrung als Offizier und jetzt mit meiner Familie auf der Burg, wüsste ich nicht wem ich das Kommando über die Burgwachen lieber geben würde als einem meiner Brüder. Was Travhelm angeht, er könnte mein Burgkaplan werden. Lichthüter Badilak hat bereits Andeutungen gemacht, dass er mir einen seiner Geweihten zur Seite stellen möchte wenn er mit den anderen Praioten den neuen Tempel in Hexenfeuer bezogen hat. Aber da das noch eine ganze Weile dauern wird, können wir bis dahin andere Fakten schaffen."

"Sehr gut." Wulfhart zählte an den Fingern weiter zu seinem jüngsten Kind. "Außerdem sollten wir uns bei Gelegenheit um eine geeignete Schwertmutter für Lisande kümmern. Sie hat inzwischen die Hälfte ihrer Pagenzeit in Pechackern hinter sich."

"Von Lisande einmal abgesehen sollten wir auch darüber nachdenken meine Geschwister unter die Haube zu bringen. Die Finsterkammer sind zu lange unter sich geblieben und haben die Familie politisch isoliert. Ich bin durch den Bund mit Praiadne den ersten Schritt gegangen und meine Brüder sind ebenfalls im rechten Alter um ihnen eine Braut zu suchen."

"Da du davon anfängst, mich hat in Grambusch Leomar von Zweifelfels angesprochen, ein entfernter Vetter deiner Großmutter. Er wünscht die Bande zwischen unseren Familien nach dem Tod meines Vaters erneut zu festigen, sei es durch einen Traviabund oder einen Knappenschaft."

"Warum nicht gleich beides? Ich finde die Idee hervorragend. Wir haben mit den Zweifelfelsern gemeinsame Grenzen und Interessen im Reichsforst. Sie sind ihrer zahlreich und ihre Stimme wiegt viel im Waldsteiner Adel. Lass einen meiner Brüder eine ihrer Töchter heiraten und ich werden gerne einen Zweifelfelser als Knappnen annehmen. Mechthild hat ihre Knappenzeit bald hinter sich, da hätte ich so oder so nach einem neuen Knappen Ausschau halten müssen." Ardo machte eine Pause und dachte kurz nach. "Vater, ich bin seit der Rettung des Koscher Prinzenpaares noch immer in lockerem Kontakt mit Baron Erlan von Sindelsaum. Jetzt wo die Koscher Krieger mitsamt eine mseiner Söhne in der Mark sind um uns zu unterstützen hat er erklärt, dass er noch mehr tun möchte. Der Sindelsaumer sucht für seine mittlere Tochter einen Gatten und nach ihrem Ritterschlag ein Lehen in Greifenfurt. Ein Rittergut könnte ich ihr wohl geben, wenn seine Anfrage bei der Greifin ohne Erfolg bleibt und Rondwin wäre etwa im selben Alter wie die junge Sindelsaumerin."

"Ein interessanter Gedanke." Wulfhart rieb sich nachdenklich das bärtige Kinn. "Zumal ich gehört habe, dass die Familie Sindelsaum nicht unvermögend sein soll. Das könnte sich für Kressenburg doppelt bezahlt machen."

"Wenn wir jetzt noch für Travhelm eine Braut finden...", fuhr Ardo enthusiastisch fort, doch wurde er hier sogleich von seinem Vater unterbrochen. "Über ihn musst du dir nicht den Kopf zerbrechen. Diese Angelegenheit liegt in den Händen der Travia-Kirche und wenn ich seinen letzten Brief richtig deute, hat er seine Wahl bereits getroffen. Wen immer er erwählt hat, wir werden sie akzeptieren und herzlich in die Familie aufnehmen."

In der Stimme des Ritters lag mit einem Mal eine ungekannte Autorität, die den jungen Baron verwundert verstummen ließ. Wenn es um das Wohl und Wehe seiner Kinder und die Belange der Travia-Kirche ging, hatte Wulfhelm noch nie viel Spaß verstanden. Ohne Widerworte nickte Ardo schließlich und gönnte sich ein zufriedenes Lächeln. So hatte er seinen Vater seit sehr langer Zeit nicht mehr erlebt und so war er ihm deutlich lieber.

Eine kleine Bitte

Auf der Kressenburg, Ende Rahja 1035 BF

"Verzeiht die Störung euer Hochgeboren. Ein Bote aus Dreihügeln ist eingetroffen und wünscht Euch zu sprechen." Ugrimms kräftige Stimme war über das laute Hundegebell im Flur vor dem Zimmer fast nicht zu verstehen. Da Ardo annahm, dass es dem Zwerg bei einer mündlichen Antwort ähnlich gehen würde, nickte er nur und deutete mit einem Handzeichen an, das der Bote eingelassen würde. Der Angroscho verneigte sich kurz und kam kurz darauf mit einem Bauern in seinem Praiostagsgewand zurück. Dieser führte einen großen zottigen Hütehund an einem festen Seil mit sich, der wiederum für den ohrenbetäubenden Lärm verantwortlich war. Mit einiger Mühe gelang es dem unglücklich dreinschauenden Boten das Tier soweit zu beruhigen, dass aus dem lauten Gebell ein ergebenes Winseln wurde, dessen Lautsstärke es zuließ sich im normalen Ton zu unterhalten.

"Ich bitte um Verzeihung Euer Hochgeboren. Raul ist noch sehr jung und der Widerhall der steinernen Gänge Eurer Burg hat ihn verwirrt." Er machte einen tiefen Diener bevor er erschrocken aufsah und eilig ergänzend fortfuhr. "Henner ist mein Name und ich komme im Auftrag der Junkerin von Dreihügeln zu Euch."

"Was genau führt Euch zu mir guter Mann? Welche Botschaft lässt Eure Herrin mir übermitteln?" Ardo war leicht ungeduldig ob des merkwürdigen Auftretens von Mann und Tier.

"Oh, natürlich Euer Hochgeboren, wie dumm von mir." Hastig zog der Bote einen gesiegelten Brief aus seinem Beutel hervor und reichte ihn demütig dem Baron. "Meine Herrin entbietet Euch die herzlichsten Grüße und dieses nachträgliche Geschenk zu eurer Vermählung als Zeichen ihrer Freundschaft."

Der junge Baron erbrach das Siegel nach kurzer Betrachtung und überflog die an ihn gerichteten Zeilen der Nardesfelder Junkerin.

An Seine Hochgeboren

Ardo von Keilholtz
Baron zu Kressenburg
 
 
 
 
Euer Hochgeboren, werter Vetter,

wie bereits am Tage Eurer Vermählung wünsche ich Euch noch einmal den Segen und Schutz aller Götter und Heiligen, auf dass sie Euer Heim behüten mögen. Damit diese guten Wünsche wahr werden mögen, übersende ich durch meinen Knecht Henner mit diesem Schreiben nachträglich mein Präsent an Euch, auf das Euer Haus und deren Einwohner durch den Ruf des Tieres aufmerksam werden mögen. Selbstverständlich erhaltet Ihr beiligend auch eine Urkunde, die Abstammung und besonders Zuchterfolge der letzten fünf Generationen nachweisen.

Das Tier hört auf den Namen „Raul“ und ist ausgebildeter Wach- und Schutzhund, kann aber auch zur Wache an Herden eingesetzt werden. Dann schlägt er überwiegend bei Annäherung geruchsfremder Menschen, aber auch bei Tieren wie Füchsen, Wölfen oder Bären an. Weitere Hinweise zu Fähigkeiten und erlernten Befehlen sind ebenfalls der Abstammungsurkunde beigelegt.

Nun zum eigentlichen Thema meines Schreibens: Auf der Feier Eurer Heirat konnten wir uns einen Moment über meine Tochter Rahjamunde unterhalten, falls ihr Euch entsinnen mögt. Sie hat ihre vereinbarte Lehrzeit von 5 Jahren bei ihrem Lehrmeister in Wandleth nun abgeleistet und möchte sich gern auf seinen Rat hin bei einem weiteren Lehrmeister noch eine Weile verdingen, um ihre Fähigkeiten zu erweitern. Ihr erwähntet, dass in Kressenburg ebenfalls zwergische Feinschmiede Interesse an einer vorgebildeten Gesellin haben könnten.

Noch einmal Euren Rat suchend möchte ich nun nachfragen, ob ein Umzug nach Kressenburg möglich ist und jemand Eures Hauses ihr dabei helfen könnte, oder ob ich meinen Knecht direkt nach Wandleth weitersenden soll, damit er ihr bei der Reise nach Dreihügeln zur Seite stehe. Selbstverständlich wird Henner sich auch bei einem Umzug nach Kressenburg nützlich machen, wenn Ihr wünscht.

Ihr könnt ihm eine Botschaft entsprechend Eurer Antwort mitgeben, sofern ihr ihn fortschicken mögt. Dann wird er sie – mit oder ohne meine Tochter – baldigst zu mir bringen.

Habt Dank und Travias Segen mit Euch,
 
 
 
 
Ihro Wohlgeboren
Edelgunde Gramhild Keilholtz von Schroffenstein
Perlvögtin und Junkerin zu Dreihügeln

Gesiegelt am 3. Rahja 1035 BF

Deutlich freundlicher als zuvor betrachtete Ardo nun den zottigen Hund und den Dreihügeler Boten. "Wohlan, Henner. Übermittle deiner Herrin meinen aufrichtigen Dank für Ihr Traviagefälliges Geschenk." Der Baron dachte kurz über Gramhilds Vorschlag zur Verwendung des Boten nach bavor er fortfuhr. "Du wirst ein paar Tage hierbleiben bis Raul sich an den Ort gewöhnt hat. Bis dahin werde ich entschieden haben ob du gleich heimkehren kannst oder nach Wandleth weiterreisen musst." Henner verneigte sich tief und sah nun, da seine Aufgabe vorerst erfüllt war, deutlich erleichtert aus.

"Ugrimm", rief Ardo seinen Haushofmeister wieder herein, "geh mit Henner in den Burghof, und findet einen geeigneten Verschlag für den Hund. Danach führst du den Boten in die Küche, damit er sich stärken kann und gibst ihm ein Quartier im Gesindehaus. Über die Namenlosen Tage wird er auf der Burg bleiben. Bis zu seiner Abreise wird er sich um das Tier kümmern damit es sich eingewöhnt. Sieh zu, wo du ihn sonst noch gebrauchen kannst."

Handelsreisen

Auf der Kressenburg, Anfang Praios 1036 BF

"Was meinst du dazu?" Wulfhart deutete auf den Brief aus Nardesfeld den ihm sein Sohn gerade zu lesen gegeben hatte.

"Du bist das Familienoberhaupt, deswegen solltest du nach Wandleth reisen. Ein stärkeres Zeichen zur Aussöhnung können wir dem jüngeren Haus nicht senden." Ardo schob seinen Bierkrug zur Seite und stützte die Arme auf den Tisch. "Ich habe für diese lange Reise im Moment auch gar keine Zeit. Nächste Woche wollte ich mit einem der neuen Ratsherren nach Neerbusch aufbrechen um mit dem Zweifelfelser über den angestrebten Traviabund und einen Handelsvertrag über das Klappechser Kupfer zu reden. Phexian liegt mir schon seit langem damit in den Ohren, dass unsere Zinnüberschüsse sich gewinnbringender verwenden ließen, wenn wir mehr Bronze herstellen könnten, statt das Zinn zu verkaufen. Die Lieferungen aus Pilzhain reichen einfach nicht aus. Außerdem muss ich noch einmal mit Durac darüber reden, bei welchem Meister wir Rahjamunde unterbringen können. Grundsätzlich hatte er letztes Jahr zugestimmt, aber ich weiß noch immer nicht wen die Zwerge ausgewählt haben. Die Angroschim neigen dazu sich bei solchen Sachen viel Zeit zu lassen wie du weißt."

"Gut, dann werde ich über Bärenau reisen." Der Ritter rollte den Brief zusammen und steckte ihn zurück in die lederne Bulle in der er gekommen war. "Wir schulden Turike mal wieder einen Gegenbesuch und mein Page wird sich freuen seine Mutter zu sehen. Außerdem war mein Knappe bis heute nicht am Grab seines Ur-Großvaters und der ist schon vor anderthalb Götterläufen ums Leben gekommen. Wenn ich gerade dabei bin kann ich auch gleich bei der Baronin vorstellig werden so sie denn zugegen ist. Iraldas Knappin ist die junge Zweifelfelserin mit der Firnward verlobt werden soll. Da kann ich mir das Mädel gleich einmal anschauen. Den Bauer den dir Gramhild als Boten geschickt hat kannst du übrigens getrost wieder heimschicken. Ich habe ja Leuthardt und Edelbrecht dabei, das wird genügen um die Dame und ihre Habe sicher nach Kressenburg zu bringen."

Ardo nickte zu dem Vorschlag und griff noch während sein Vater sprach zu Büttenpapier und Feder. "Wenn du Bärenau bereist werde ich dir noch einen Brief für den Stippwitz mitgeben. Den Hartsteenern geht es sicherlich nicht gut, aber ich will wenigstens anfragen ob das Handelshaus sich am Tempelbau beteiligen will." In der Stimme des Barons lag wenig Hoffnung. "Ich habe auch schon Dankwart gebeten ein gutes Wort bei seiner Familie einzulegen, vielleicht haben sie zusammen ja Erfolg oder Tante Turike kann sich für uns einsetzen."

Vom Gepäck einer Dame

Wandleth, Anfang Praios 1036 BF

Wulfhart hatte gleich nach der Ankunft in der Königsstadt seinen Knappen zu dem zwergischen Handwerksmeister entsandt, bei dem Rahjamunde in den letzten fünf Götterläufen in die Lehre gegangen war. Zu seinem Erstaunen hatte der Angroscho den Jungen kaum ausreden lassen, als er ihn schon beschieden hatte am nächsten Tage wiederzukehren, da seine Schülerin noch ein letztes Werkstück vollenden müsse bevor er sie freigeben könne. Also hatte der Ritter, die Dickköpfigkeit der Zwerge in diesem Punkt kennend, sich in Geduld geübt und die Zeit damit verbracht, einen preisgünstigen einspännigen Wagen zu finden. Denn zu seiner Überraschung wollte die junge Dame deutlich mehr Gepäck mitnehmen als er erwartet hatte, sodass das Packpferd allein nicht reichen würde.

Am nächsten Morgen begab sich der Ritter dann mit seinem Knappen Leuthardt und dem Pagen Edelbrecht zur Gasse der Kunstschmiede, wobei ersterer auf dem Kutschbock saß und letzterer das Pferd des Knappen führte. Das Haus des Handwerksmeisters war stattlich, stellte Wulfhart anerkennend fest, und hätte jedem Greifenfurter Baron als Stadthaus zu Ehre gereicht. Er stieg ab, warf seinem Knappen die Zügel zu und trat nach vernehmlichen Klopfen ins Gebäude. Drinnen fand er sich wieder in einer Welt der Kleinodien. Ringe, Ketten und Armbänder lagen und hingen fein säuberlich sortiert auf diversen Schautischen und wurden gerade von einem Jungzwerg gereinigt. Dieser nahm beim Eintreten des potentiellen Kunden sofort Habachtstellung ein und beeilte sich den Staubwedel aus Federn unauffällig beiseite zu legen.

"A...Ingerimm zum Gruße. Wie kann ich Ihnen zu Diensten Sein werter Herr?"

"Ingerimm zum Gruße. Mein Name ist Wulfhart von Keilholtz. Ich bin hier um die Dame Rahjamunde abzuholen und zu ihrer Mutter nach Greifenfurt zu begleiten. Mein Knappe war gestern in der Frühe hier und sagte mir wir könnten heute abreisen?" Der Ritter ließ die Frage in seinen Worten mitschwingen, denn er sah nirgends das erwähnte Gepäck noch eine reisefertige Edeldame.

"Natürlich,... Euer Wohlgeboren," fügte der junge Zwerg nach einem abschätzenden Blick auf Wulfhart hinzu. "Ich werde meinen Meister sofort über Euer Kommen verständigen. Wenn Ihr mich kurz entschuldigt." Eilig lief der Angroscho aus der Verkausstube, wobei er hinter der Tür scheinbar über einen Schemel fiel, denn Wulfhart hörte ein lautes Poltern und einen unterdrückten zwergischen Fluch. Der Greifenfurter musste nicht lange warten, da erschien der junge Lehrling wieder durch die selbe Tür. "Verzeiht, dass Ihr warten musstet. Die junge Dame macht sich gerade reisefertig und verabschiedet sich von der Familie. Sie sollte ein einem viertel Stundenglas bei euch sein. Wenn Ihr erlaubt bin ich Euch derweil behilflich das Gepäck einzuladen."

"So sei es denn." Wulfhart trat wieder vor die Tür und winkte seinen Knappen herbei, während Edelbrecht bei den Pferden blieb. "Wo ist denn die Truhe der Dame?", fragte er sich zum Lehrling umwendent.

"Hinter dieser Tür hier. Wenn Ihr mir folgen wollt." Eilfertig schritt der Zwerg voran. Im Hinterzimmer wartete ein etwas schiefer Stapel von Kistchen und Kästen. Während Wulfhart ein großes Stück als Wäschetruhe erkennen konnte, schienen einige der anderen Kisten Werkzeuge zu enthalten. Der Ritter schüttelte kurz den Kopf, als er sich entsann, dass es unter Handwerkern brauch war, dass ein ausgelernter Geselle von seinem Meister sein erstes Handwerkszeug erhielt. Offensichtlich hatte die junge Dame ihre Zeit nicht nur zur Zier hier verbracht, sondern ihre Fertigkeiten zur Zufriedenheit ihres zwergischen Meisters entwickelt.

"Leuthardt, fass bei der Wäschtruhe mit an. Die kommt zuerst in den Wagen, damit wir sehen wie wir den Kleinkram stapeln können." Wulfhart trat an dem jungen Zwerg vorbei, dem kurz der Mund offen stand da er solch Tatkraft bei einem Edelmann scheinbar nicht erwartet hatte, und nahm den einen Griff der massiven Eichentruhe. Sein junger Knappe sprang eilig hinzu, hatte jedoch deutlich mehr mit dem Gewicht der Truhe zu kämpfen als sein Herr. In wenigen Minuten waren so alle Habseligkeiten der jungen Edeldame auf dem Wagen untergebracht. Der junge Zwerg hatte noch etwas Stroh zwischen die Kisten gestopft, damit die wertvollen Geräte auf der langen Reise nur keinen Schaden nähmen.

Als alles bereit war, trat ein wohlbeleibter, gut gekleideter Zwerg mit grauem Haar und kunstvoll geflochtenem Bart vor die Tür. Hinter ihm kam eine zierliche junge Frau in einem einfachen doch ordentlich gearbeiteten Gewand, den Blick schüchtern gesenkt, das braune Haar in einem züchtigen Knoten nach hinten gebunden. Ihr Gesicht und die zaghaft ineinander gefalteten Hände hatten eine vornehme Blässe, die jedoch nicht kränklich wirkte, sondern eher ihre zarte Schönheit zur Geltung brachte. Wulfhart spürte wie sein Atem einen Augenblick stockte. Als Rahjamunde schließlich aufsah und er in ihre rehbraunen Augen blickte, da war es ihm, als würde auch sein Herz für einen kurzen Moment aussetzen. Wulfhart fühlte sich sechsundzwanzig Götterläufe zurückversetzt, zu jenem Abend in Weidenhag, als er seine Frau damals das erste Mal auf der Ehrentribüne eines Turniers erspäht hatte. Wie gebannt starrte der Ritter die junge Frau an, bis das Räuspern des alten Zwerges ihn aus seinen Erinnerungen riss.

"Hmhm, Ihr seid also Ritter Wulfhart. Euer Knappe hat Euch angemeldet. Ich will Euch sagen, dass Rahjamunde tüchtig gelernt hat und für einen Menschen durchaus gute Arbeit vollbringt." Bei diesen Worte bedachte er die Frau mit einem anerkennenden Blick, schob sie aber zugleich sacht in Richtung des Wagens.

"Es freut mich zu hören, dass sie Euren Ansprüchen entsprechen konnte. Es wird mir eine Ehre sein sie wohlbehütet in den Schoß ihrer Familie zurückzubegleiten."

"Ja, hmhm, wie vertraglich vereinbart hat sie ein Empfehlungsschreiben für ihren neuen Meister dabei. Ich bin überzeugt er wird nicht enttäuscht sein. Sie ist ein gelehriges Mädchen."

"Habt Dank für Eure Worte Meister. Ich werde Euch nie vergessen und für Eure Güte ewig dankbar sein." Rahjamundes sanfte Stimme klang in Wulfharts Ohren wie zartes Harfenspiel. Mehr noch als ihr Aussehen erinnerte ihn ihre Stimme an seine früh verstorbene Frau. Mit Mühe riss er sich zusammen und reichte der jungen Edeldame gerade noch rechtzeitig eine helfende Hand als die auf den Kutschbock stieg. "Vielen Dank Ritter Wulfhart." Fast flüsternd kam en ihre Worte über ihre Lippen. Mit verlegen gesenktem Blick und leichter Röte auf den Wangen nahm seine Hilfe an.

Wulfhart wartete bis sie sich auf dem Kutschbock neben seinem Knappen eingerichtet hatte, bevor er auf sein Ross stieg. Da er seiner Stimme in diesem Moment nicht vertraute hob er nur die Hand zum Abschiedsgruß in Richtung der Zwerge und versetzte sein Pferd sogleich in leichten Schritt.

"Angrosch mit dir liebes Kind. Richte deiner Mutter meine besten Grüße und Wünsche aus." Der Zwerg beließ es bei diesen Worten und wartete stoisch, bis der Wagen sich in Bewegung gesetzt und hinter der nächsten Ecke verschwunden war, während Rahjamunde noch lange mit tränenfeuchten Augen zurückblickte.

Wo die Liebe hinfällt

Wulfhart mach Rahjamunde auf der Heimreise den Hof

Vaterfiguren

Wulfhart berichtet Ardo von Rahjamunde und seinen Plänen

Hochzeit auf Dreihügeln

Traviabund von Rahjamunde und Wulfhart

DEUS VULT

Ein Tempel für Answin

An Seine Hochgeboren

Ardo von Keilholtz ä.H.

Baron zu Kressenburg
 
 
 
 
Praios zum Gruße!

Uns ist durch seine Hochwürden Badilak von Praiostann kund getan worden, dass Ihr in den Euch zum Lehen gegebenen Kressenburger Landen den Neubau eines dem Herrn Praios und seinem Diener Garafan gewidmeten Tempels in Angriff nehmen wollt. Wir begrüßen dieses Unterfangen ausdrücklich und erteilen Euch dafür den Segen des Götterfürsten.

Uns wurde ebenso Euer Wunsch mitgeteilt, dass sich die Kirche des Götterfürsten an den anfallenden Kosten Eures Bauvorhabens beteiligen möge. Hierzu sei Euch gesagt, dass die Mittel die der Praios-Kirche in den Landen der Mark Greifenfurt zur Verfügung stehen begrenzt sind. Dem gegenüber erscheinen und die Aufgaben und Verpflichtungen denen Wir Uns derzeit gegenübersehen so mannigfaltig, dass Wir sie nicht in einfache Worte oder Zahlen zu fassen vermögen. Das sorgsame Auge des Götterfürsten liegt derzeit auf den Teilen der Mark, welche die Bürden der vergangenen Götterläufe weniger unbeschadet überstanden haben als es bei den Kressenburger Landen der Fall ist.

Uns stets gegenwärtig ist jedoch auch der Wille des Götterfürsten. Praios' Wunsch ist es, dass dem Heiligen Answin in den zwölfgöttlichen Landen eine größere Verehrung zuteil werde, damit ein jeder die wahre Größe des noch immer als schurkischen Reichsverräter verleumdeten Heilgen erkenne. Solltet Ihr die Weitsicht besitzen dem Wunsch des Götterfürsten nach Mehrung des Ruhms seines im Reich so schmählich vernachlässigten Heiligen zu entsprechen, wären Wir bereit Euer Praios gefälliges Tun finanziell zu unterstützen.

Die Zwölfe mit Euch, Praios voran!
 
 
 
 
Seine Ehrwürden

Praiomon Caitmar von Dergelstein

Illuminatus der Mark Greifenfurt

Sertiser Sonnenstände

Morgenröte

Reichsstadt Greifenfurt, Am Morgen des 2. Praios 1036 BF

Der Illuminatus sprach ein langes Dankgebet an den Götterfürsten. Praios' Fügung war es zu verdanken, dass das Schriftstück für Arras de Mott den Weg in seine Hände gefunden hatte. Hatte doch der Sertiser Ritter, der die Nachricht direkt hätte überbringen sollen, auf Befehl seines Herren während der Tage des Namenlosen den düsteren Reichsforst durchqueren müssen. In der Reichsstadt angekommen war die arme Seele sofort zum Praios-Tempel geeilt um für sein Seelenheil zu beten und war mehr als erfreut gewesen, als man ihm anbot die Botschaft den Rest der Strecke, den gefährlichen Weg durch den Finsterkamm, von einem Bannstrahler überbringen zu lassen. Befreit von der Last hatte sich der junge Mann in die Vergnügungen der Neujahrsfeierlichkeiten gestürzt, während er als Gast des Tempels auf das Antwortschreiben wartete.

Natürlich war das an seine Base gerichtete Schreiben des Reichsrichters geöffnet worden. Zwar hatte die Geweihte ihren fanatischen Ansichten abgeschworen und sich zum Gebet in das Bergkloster zurückgezogen. Trotzdem wachte die Kirche nach wie vor aufmerksam darüber, dass die Gestrauchelte auf dem rechten Pfad blieb und nicht unnötig in weltliche Versuchung geführt wurde. In diesem Fall war der Wille des Herren unübersehbar und Praiomon gedachte diese Möglichkeit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Als sein Gebet geendet hatte, begab er sich eilig in seine Schreibstube um ein Begleitschreiben zu verfassen, welches der Anfrage des Pfalzgrafen beigefügt werden würde.

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An Ihre Exzellenz

Lechmin Lucina von Hartsteen

Custora Lumini zu Arras de Mott
 
 
 
 
Seid gegrüßt im Namen des Götterfürsten, dem wir zufürderst auf Dere dienen.

Uns erreichte die Kunde, dass der Pfalzgraf zu Breitenhain, Euer Anverwandter Hilbert von Hartsteen, den Wunsch verspürt, sein Seelenheil durch die dauerhafte Anwesenheit eines Dieners des Herren Praios zu schützen. Diesen vernünftigen Schritt unterstützen Wir aus tiefsten Herzen, stellt er doch ein leuchtendes Beispiel für den Adel des Reiches dar.

Damit ihr der Bitte seiner Hochwohlgeboren von Hartsteen bestmöglich entsprechen könnt, teilen wir Euch Unseren innigsten Wunsch mit, ihm die Donatora Lumini Praiodane von Immingen anzuempfehlen. Unsere junge Schwester im Glauben ist eine willensstarke, durchsetzungsfähige Persönlichkeit und wird dem Pfalzgrafen eine aufrechte Stütze und Beraterin sein.

Wir erwarten baldigst Eure zufriedenstellende Antwort.
 
 
 
 
Seine Ehrwürden

Praiomon Caitmar von Dergelstein

Illuminatus der Mark Greifenfurt

Mittagsstunde

Reichsstadt Greifenfurt, 2. Praios 1036 BF zur Mittagsstunde

Wohlwollend betrachtete der Greifenfurter Illuminatus die junge Frau die vor ihm Platz genommen hatte. Ohne Frage war Praiodane von Immingen eine der vielversprechensten unter den Geweihten die ihm unterstanden. Genau darum hatte er sie ausgewählt, auch wenn er ihre mit erfrischendem jugendlichen Elan kombinierte Kompetenz sicherlich missen würde. Doch der Wille des Herren Praios stand über den persönlichen Wünschen seiner Diener und verlangte solche Opfer. Auch von ihm.

"Praiodane", begann er, "Ihr fragt Euch sicherlich warum Wir Euch zu dieser Stunde haben rufen lassen."

"Natürlich Euer Ehrwürden", antwortete die junge Geweihte artig und blickte ihren Mentor erwartungsvoll an, "doch Ihr werdet einen triftigen Grund dafür haben."

"So ist es." Praiomon schenkte ihr ein väterliches Lächeln und fuhr dann fort. "Wisset, dass Hilbert von Hartsteen, Pfalzgraf zu Breitenhain in der Waldsteinschen Pfalzgrafschaft Sertis, auf der Suche nach seelischem Beistand ist. Dazu hat Seine Hochwohlgeboren bei seiner Anverwandten auf Arras de Mott um Rat ersucht. Wir haben in die Wege geleitet, dass Ihr es seid, die unsere Schwester Lechmin ihm als Hofkaplanin anempfehlen wird. Sobald ihre Antwort eingetroffen ist, werdet Ihr Euch in Begleitung eines Bannstrahlers und des Sertiser Ritters der die Botschaft überbrachte, nach Burg Breitenhain begeben."

Nach dieser unerwarteten Nachricht brauchte Praiodane einen Moment um sich zu sammeln. "Ihr seht mich überrascht, Ehrwürden. Wenn die Frage gestattet ist...", sie unterbrach sich bis ein aufmunterndes Nicken Praiomons ihr bedeutete fortzufahren, "warum die Versetzung nach Waldstein? Ich nahm an, Ihr seid mit meiner Tätigkeit hier zufrieden."

"Ich bitte Euch diesen Schritt nicht als Strafe aufzufassen, auch wenn Waldstein dieser Tage natürlich als eine solche aufgefasst werden kann," antwortete priomon in gütigem Ton. "Vielmehr ist es so, dass Wir Euch hierdurch in eine politisch wichtige Position versetzen. Der Pfalzgraf von Sertis hat als einer ihrer direkten Vasallen nicht nur das Ohr der Kaiserin, sondern stammt noch dazu aus einem der ältesten Adelsgeschlechter des Reiches. Zudem hat er das nicht unwichtige Amt eines Reichsrichters inne."

"Ich verstehe." Die Geweihte nickte leicht. "Die Worte seiner Hochwohlgeboren gelangen an viele Ohren"

"So ist es." Praiomon faltete zufrieden die Hände und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Praiodane hatte schnell begriffen. Sie war die richtige Wahl gewesen.

"Was genau erwartet Ihr von mir in dieser Position?"

"Eure Aufgabe wird es sein, den Pfalzgrafen in jeder Hinsicht darin zu unterstützen, die widernatürlichen Auswüchse des wuchernden Reichsforstes in Sertis einzudämmen. Lasst Praios' Gerechtigkeit walten gegenüber jenen die freveln!" Der Illuminatus machte eine kleine Pause um besonderen Nachdruck in seine folgenden Worte zu legen. "Wie ich bereits sagte füchtet der Pfalzgraf um sein Seelenheil. Macht ihm klar, dass der Götterfürst einen jeden Menschen vor allem nach seinen Taten beurteilt. Wenn er dem Willen Praios' zu seinen Lebzeiten auf Dere getreulich folgt, so ist ihm im Tode ein Platz an der Seite unseres Herren in Alveran sicher."

"Ich habe verstanden, Ehrwürden. Gibt es denn einen Wunsch unseres Herren, den ich dem Pfalzgrafen ganz besonders ans Herz legen kann?"

"Den gibt es in der Tat. Seit einigen Monden verspüren Wir den Willen des Götterfürsten, das einem seiner Heiligen endlich die gebührende Verehrung im Reich zuteil wird. Ich spreche natürlich vom Heiligen Answin. Wir haben die Markgräfin und ihren Gatten dringlichst darauf hingewiesen, dass sie sich beim Großen Kabinett zur Behebung dieses Missstandes bei der Kaiserin einsetzen sollen, doch haben sie es nicht geschafft Praios' Willen mit Nachdruck Gehör zu verschaffen." Fast unwirsch deutete Praiomon auf einen kleinen Stapel gesiegelter Pergamentrollen die auf ihre Versendung warteten. "Wir bemühen uns weiterhin darum dieses Anliegen an den höchsten Stellen voranzutreiben. Doch auch wenn Unsere Stimme Gewicht hat, so sind Wir doch zu dem Schluss gekommen, dass es vieler Stimmen bedürfen wird um die Vorbehalte jener zu zerstreuen, die den Heiligen noch immer als Reichsverräter im Gedächtnis tragen."

"Praios' Wille geschehe!" Mit leuchtenden Augen sah die junge Geweihte zu Praiomon auf. "Ich werde mein Möglichstes tun, um dem Pfalzgrafen den Wunsch des Götterfürsten nahezubringen."

Wieder schenkte ihr der höchste Praios-Geweihte Greifenfurts ein wohlwollendes Nicken. "So sei es. Geht nun und bereitet Euch auf die Abreise vor. Die nächsten Tage werdet Ihr mit fasten und beten verbringen um Euch auf die kommenden Aufgaben vorzubereiten." Segnend schlug Praiomon das Praios-Zeichen. "Möge der Götterfürst Eure Wege beleuchten und Eure dunklen Stunden erhellen. Geht mit Unserem Segen."

Abendmahl

Die Geweihte erreicht Breitenhain und muss sogleich ein Urteil fällen.

Die Blaue Sau

Kressenburger Aufruf zur Jagd

Baron Ardo läd seine Freunde zu einer Jagdgesellschaft in den Kressenburger Forst.

Rückkehr eines Barons

Ein verschollen geglaubter Adliger kehrt aus den Tiefen des Reichsforstes zurück.