Benutzer:Robert O./Briefspiel: Unterschied zwischen den Versionen

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„Sicher nicht Hochgeboren!“ Fiel ihr Leomara da ins Wort und funkelte streitlustig ihre Mutter an. „Wir sind wirklich außerordentlich erfreut, geradezu sprachlos, ob dieser Großzügigkeit Eurerseits.“ Leomara hatte sich wieder gefangen, und war sich sicher, dass egal was dieses Gemäuer für Geheimnisse barg, kaum Grund sein konnte, das Lehen auszuschlagen! Sie schubste Unswin an, damit auch jener seinen Dank bekunden konnte…
 
„Sicher nicht Hochgeboren!“ Fiel ihr Leomara da ins Wort und funkelte streitlustig ihre Mutter an. „Wir sind wirklich außerordentlich erfreut, geradezu sprachlos, ob dieser Großzügigkeit Eurerseits.“ Leomara hatte sich wieder gefangen, und war sich sicher, dass egal was dieses Gemäuer für Geheimnisse barg, kaum Grund sein konnte, das Lehen auszuschlagen! Sie schubste Unswin an, damit auch jener seinen Dank bekunden konnte…
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Das schwer vernarbte Gesicht des Ordensritters zeigte ein Lächeln, dass je nach Blickwinkel süffisant, freundig oder nachsichtig wirken konnte, und wohl in diesem Moment tatsächlich eine Mischung all dieser Facetten war. Bedächtig griff der junge Mann mit der Linken zu seinem Kelch, erhob sich und strich dabei mit der Rechten sein Wams zu recht. Dann hob er das Glas mit ernstem Blick in Richtung der Baronin.
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"Euer Hochgeboren! Frau Travia wünscht von uns Mildtätigkeit und Gastfreundschaft. Ich bin in Eurem Hause häufig Gast gewesen. Ihr habt Euch mir, meinem Orden und nicht zuletzt meiner Familie so freigiebig gezeigt, wie man es sich nur wünschen kann. Nun gebt Ihr meiner Familie ein eigen Heim, einen Platz zum Leben und zum Wachsen. Dafür gebürt Euch Travias Dank." Er machte eine Pause und die Baronin setzte gerade ein strahlendes Lächeln auf, im Begriff dem Ritter zu antworten, als Unswin mit ruhiger Stimme fortfuhr. "Herr Praios fordert von uns aber auch Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit. Deshalb kann ich nicht verhehlen, dass ich ob des schlechten Leumunds des Gemäuers in Sorge bin, dessen Herrin meine Frau nun ist und das meine Kinder zukünftig beherbergen wird. Auch ist mir Euer wachsender Unmut über die derzeitige Situation in Eurer Burg bewusst, der mich zuletzt fürchten ließ Eure Gastfreundschaft über die Gebühr beansprucht zu haben." Das Lächeln Geshlas schmolz sichtbar dahin, doch Unswin hatte noch immer nicht geendet. Er spürte wie Leomara neben ihm unruhig auf dem Stuhl herumrutschte und legte ihr die freie Hand auf die Schulter. "Frau Rondra verlangt zudem von uns sich den Aufgaben aufrecht und mutig zu stellen die Dere für uns bereit hält. Ich werde meine Frau also mit Freuden und nach Kräften dabei unterstützen, sich den Herausforderungen zu stellen die dieses Lehen mit sich bringt. Ganz so wie Ihr es gesagt habt." Unswin führte seine Rechte nun zum Herzen während er in seiner Rede zum Ende kam. "Nicht zuletzt aber will ich meiner Freude Ausdruck verleihen, dass Ihr, Euer Hochgeboren, meine Frau als würdig befunden habt dieser Aufgabe gewachsen zu sein. Denn dieses Lehen bedeutet nicht nur Heim und Herd für unsere Familie, sondern auch Verantwortung. Den Menschen gegenüber deren Herrin Leomara von nun ab sein wird, aber auch Euch gegenüber, der sie fortan nicht nur Waffentreue sondern auch Rechenschaft schuldet. Ich entbiete euch daher meinen aufrichtigen, von Herzen kommenden, Dank." Unswin hob sein Glas noch ein Stück höher, nahm einen Schluck des köstlichen Weines und setzte sich dann zufrieden wieder auf seinen Platz.
  
 
== Reise mit Yppolita ==
 
== Reise mit Yppolita ==

Version vom 20. November 2012, 10:46 Uhr

Wiederaufnahme der Geschäfte

Stänkereien

Stänkereien auf Burg Gnitzenkuhl
Baronie Gnitzenkuhl, Ingerimm 1035 BF

Teil 1
Fassungslos starrte Geshla auf das Missgeschick, das sich soeben ereignet hatte. Sie war an einen der Eimer gestoßen, in dem die Windeln zuerst in Wasser eingeweicht wurden bevor man sie auskochte. Entsetzt starrte sie auf die teuren Schuhe, auf denen sich langsam ein unfeiner Fleck ausbreitete, unfähig auch nur ein Wort zu sagen.

„Bitte sagt nicht, dass dies nun auch wieder meine Schuld sei Hochgeboren!“ kam trocken von ihrem Gegenüber, die gerade dabei war ihre zweitgeborene Tochter zu betten. „Ich war wirklich nicht vorbereitet, dass Ihr Euch zu so später Stunde in unsere Räume gesellen möchtet. Und natürlich riecht es hier streng, wenn wir gerade damit beschäftigt sind…“

Energisch hob die Baronin zu Gnitzenkuhl ihre Hand, und gebot damit Stille. Erstaunlicher Weise verstummte dabei sogar der einjährige Greifwart, der soeben von seiner Amme frisch gemacht worden war und lautstark dagegen protestiert hatte, war es doch empfindlich kalt. Doch nun erwartete er von der dunkelhaarigen Frau wohl eines der Spiele, die Unswin, sein Vater, sonst mit ihm trieb.

„So kann das hier nicht weiter gehen!“ presste die Baronin hinter vorgehaltenem Spitzentuch hervor, was Greifwart zum Glucksen brachte, hielt er es doch für eine neue Variante des „Guckucks- DA“ Spieles seines Vaters und grinste erwartungsvoll Geshla von Gnitzenkuhl an. Seine Amme musste sich ein Schmunzeln verkneifen.

Leomara von Keilholtz, die erste Ritterin am Hofe brachte nur ein müdes „Ganz wie ihr meint!“ hervor und hoffte, dass man ihr endlich ihre Ruhe ließ. Erst dieses früh morgendliche Malheur mit der zerstörten Vase Olmergas von Gnitzenkuhls. Greifi konnte wirklich nichts dafür, dieser Tisch war einfach schon in die Jahre gekommen und hatte dem Ansturm des Jungen nichts entgegen zu setzen gehabt. Da war die Vase eben polternd zu Bruch gegangen. Angeblich ein Geschenk Olmergas an Geshla. Häßlich war sie trotzdem- die Vase! Dann hatte sie für die Landwehr die Waffenkammern inspiziert und eine Inventur mit dem Waffenmeister erstellt, sowie gemeinsam mit dem Vogt besprochen wie man vorzugehen gedachte, beim Erfassen der Wehrfähigen. Die Schulzen und ansässigen Adligen würden dabei eine Rolle spielen und bald hier vorstellig werden müssen. Immer, wenn sie sich mit dem Gemahl ihrer Mutter auseinander setzen musste, war es anstrengend. Doch seine Sachlichkeit führte allmählich dazu, dass sie einfach zusehends vergaß, dass er einmal eine Rolle in ihrem Leben gespielt hatte. Jetzt noch dieser unangemeldete Besuch in Räumen, die kaum für eine Familie ausreichten.

„Ich gedenke am morgigen Abend mit Hochwürden Travidan von Firunslicht, Hochwürden von Wasserburg sowie einigen Adligen, dem Vogt und Eurer Frau Mutter zu speisen. Wir haben uns lange nicht gesehen.“ Leomara nickte desinteressiert, waren ihr diese Verpflichtungen einer Baronin doch meist eher notwendiges Übel, denn eine Freude. „Ich erwarte Euch nebst Unswin ebenfalls!“

„A…!“ Leomaras Widerrede blieb ihr im Halse stecken, als sie in Geshlas Miene blickte. Darin stand zu lesen, dass es keine Einladung, sondern ein Befehl gewesen war. Nach einem Moment der Stille kam ein gepresstes „Sehr wohl!“ aus ihrem Munde. Die Baronin nickte nur kurz und entfernte sich dann schleunigst. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, erhob sich sogleich wieder enttäuschtes Gebrüll, war doch der kleine Keilholtzer um sein neckisches Spiel gebracht worden und forderte es nun lautstark ein.

Teil 2
Torandir von Darben-Dürsten stand hoch aufgeschossen hinter seiner Schwertmutter und hatte bereits Leomara von Keilholtz sowie deren Gemahl Unswin bedient, da Chaantrea am heutigen Abend frei hatte. Nun blieb ihm die Zeit in aller Ruhe den Blick schweifen zu lassen. Es war eine Weile her, dass die Tafel in Geshlas Burg derart gefüllt gewesen war. Wie immer war der alte Oblodor von Mistelstein mit seiner Gemahlin für ihn ein Ereignis der besonderen Art. Er kannte sonst keinen, dessen Temperament mit dem seiner Schwertmutter mit halten konnte. Allerdings bedauerte er sehr, dass Hochwürden von Wasserburg nicht zugegen war. Seine übertriebene Fürsorge gegenüber der Baronin wirkte bisweilen derart belustigend auf ihn, dass er sich auf den Abend mit dem Tempelvorsteher des hiesigen Praiostempels gefreut hatte. Doch jener hatte sich bereits am Nachmittag durch seinen Novizen wegen Unpässlichkeit entschuldigen lassen. Als die Baronin dies kundt getan hatte, war vom Mistelsteiner so etwas wie „…aus der Ferne glänzt sie am meisten!“ zu hören gewesen. Zu schade aber auch! Während er so schaute, fiel sein Blick auf das noch wenig vertraute Gesicht eines jungen Knaben- der Novize des neu erbauten Travia Tempels. Konzentriert hatte dieser den noch vollen Krug zwischen seinem Tempelvorsteher Travidan von Firunslicht-Oppstein und der Herrin Palinai von Isenbrunn hindurch bugsiert, in Richtung des Kelches. Doch dann begann seine Hand auch schon zu zittern. Ob der Krug zu schwer, oder der Bursche zu aufgeregt war, beides war möglich dachte Torandir so bei sich. Jaja, aller Anfang war schwer. Wenn sie entlassen wurden, weil die Herrschaften alleine sein wollten, würde er sicher Gelegenheit haben den Knaben einmal näher kennen zu lernen. Über seine Familie wusste er nichts. Wie sein Alltag wohl im Vergleich zu dem eines Knappen aussah? Seine schier zügellose Neugier begann sich zu regen, und so wartete er ungeduldig die Zeit ab, zu der man sie entlassen würde.

Teil 3
„…darum möchte ich am heutigen Abend, nachdem wir ein so gedeihliches Beisammensein verleben durften, verkünden, dass ich mich entschlossen habe, meiner ersten Ritterin Leomara von Keilholtz für ihre herausragenden Dienste um die Belange in Gnitzenkuhl - ich erinnere hierbei nur um den wagemutigen Einsatz bei dem Kampf wider das sogenannte Untier am Darpat - ein Rittergut als Lehen zu überlassen.“

Gut gelaunt, und scheinbar gänzlich unempfänglich für das frostige Schweigen von Seiten ihres Vogtes, lächelte die Baronin in die Runde und erhob ihren Kelch in Richtung der soeben ernannten nun lehnspflichtigen Leomara von Keilholtz. Travidan kam ihr sogleich nach, konnte er es doch nur gut heißen, dass die junge Familie endlich ein eigenes Heim bekommen würde. Die Baronin war eben eine wirklich götterfürchtige Frau. Der Ruf, der ihr im hiesigen Raum nachgesagt wurde war völlig haltlos. Oblodor grunzte ein „..das hat se verdient, bei Rondra!“, während sein Sohne Anshelm von Mistelstein Leomara über die Tafel hinweg nur zuzwinkerte.

Unsicher, was Geshla damit im Schilde führte, räusperte sich die Rittfrau kurz, bevor auch sie überrascht lächelnd den Kelch erhob. Ihre Frau Mutter, Palinai von Isenbrunn, hatte noch vor ihr sogleich strahlend den Kelch erhoben und lächelte, als hätte man ihr persönlich den Dank ausgesprochen.

‚Von welchem Lehen spricht sie bloss?‘ grübelte die Rittfrau in Gedanken weiter. ‚Stadtritter vielleicht? Welches Gemäuer wollte sie mir damit nur zukommen lassen? Innerhalb der Stadt gab es keine Gebäude welche aufgrund mangelnder Erben wieder in Geshlas Besitz gefallen wären. Auch habe ich seit dem Bau des Travia Tempels kein Wort davon gehört, dass Aurentian von Feenwasser weitere Aufträge erhalten soll…!‘

„Auf die Hohe Dame Leomara, möge das Rittergut Mittstätten von nun an ihr, und ihrer Familie ein neues Zuhause sein, so wie es uns Travia gebietet.“ Kam dann schließlich von Seiten Geshlas, die zu diesem Augenblick die Aufmerksamkeit aller auf sich wusste. Überrascht riss Leomara die Augen auf. ‚Das Erbe der Familie der Roten Hand. Diese Schlange…!‘

Kurz herrschte Schweigen, und alle Ortskundigen bis auf Geshla blickten aus unterschiedlichsten Gründen auf den Tisch, bis Palinai in die Stille hinein sprach was vermutlich einige dachten: „Aber Hochgeboren, ihr wisst doch so gut wie jeder hier in der Gegend, dass man sich sagt, dass die Geister der Alten nicht ruhen, und das Gemäuer noch immer heim suchen! Nicht umsonst steht es seit… damals leer.“

Kühl musterte Geshla die in die Jahre gekommene Frau, und ehemalige Geliebte ihres Vaters, des Barons Seraminor von Gnitzenkuhl. Was nur hatte er an dieser blassen, farblosen Frau gefunden? Sie konnte nicht aus Ihrer Haut heraus. Nie würde sie Freundlichkeit für diese Person aufbringen können, derentwegen so viel Unheil entstanden war. Ihre besten Jahre waren vorüber, verblüht wie eine Primel, oder am falschen Platze um weiter zu gedeihen.

„Uuuund? Wer, wenn nicht Eure rondragefällige Tochter, nebst ihrem wackeren Gatten, seines Zeichens Mitglied im Orden des Zorns, sollten es schaffen diese dummen Gerüchte zu zerstreuen. Wäre an dem Gemäuer wirklich etwas götterlästerliches, so hätte das zweifellos Hochwürden von Wasserburg ausgemerzt. Oder zweifelt ihr etwa an …?“

„Sicher nicht Hochgeboren!“ Fiel ihr Leomara da ins Wort und funkelte streitlustig ihre Mutter an. „Wir sind wirklich außerordentlich erfreut, geradezu sprachlos, ob dieser Großzügigkeit Eurerseits.“ Leomara hatte sich wieder gefangen, und war sich sicher, dass egal was dieses Gemäuer für Geheimnisse barg, kaum Grund sein konnte, das Lehen auszuschlagen! Sie schubste Unswin an, damit auch jener seinen Dank bekunden konnte…

Das schwer vernarbte Gesicht des Ordensritters zeigte ein Lächeln, dass je nach Blickwinkel süffisant, freundig oder nachsichtig wirken konnte, und wohl in diesem Moment tatsächlich eine Mischung all dieser Facetten war. Bedächtig griff der junge Mann mit der Linken zu seinem Kelch, erhob sich und strich dabei mit der Rechten sein Wams zu recht. Dann hob er das Glas mit ernstem Blick in Richtung der Baronin.

"Euer Hochgeboren! Frau Travia wünscht von uns Mildtätigkeit und Gastfreundschaft. Ich bin in Eurem Hause häufig Gast gewesen. Ihr habt Euch mir, meinem Orden und nicht zuletzt meiner Familie so freigiebig gezeigt, wie man es sich nur wünschen kann. Nun gebt Ihr meiner Familie ein eigen Heim, einen Platz zum Leben und zum Wachsen. Dafür gebürt Euch Travias Dank." Er machte eine Pause und die Baronin setzte gerade ein strahlendes Lächeln auf, im Begriff dem Ritter zu antworten, als Unswin mit ruhiger Stimme fortfuhr. "Herr Praios fordert von uns aber auch Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit. Deshalb kann ich nicht verhehlen, dass ich ob des schlechten Leumunds des Gemäuers in Sorge bin, dessen Herrin meine Frau nun ist und das meine Kinder zukünftig beherbergen wird. Auch ist mir Euer wachsender Unmut über die derzeitige Situation in Eurer Burg bewusst, der mich zuletzt fürchten ließ Eure Gastfreundschaft über die Gebühr beansprucht zu haben." Das Lächeln Geshlas schmolz sichtbar dahin, doch Unswin hatte noch immer nicht geendet. Er spürte wie Leomara neben ihm unruhig auf dem Stuhl herumrutschte und legte ihr die freie Hand auf die Schulter. "Frau Rondra verlangt zudem von uns sich den Aufgaben aufrecht und mutig zu stellen die Dere für uns bereit hält. Ich werde meine Frau also mit Freuden und nach Kräften dabei unterstützen, sich den Herausforderungen zu stellen die dieses Lehen mit sich bringt. Ganz so wie Ihr es gesagt habt." Unswin führte seine Rechte nun zum Herzen während er in seiner Rede zum Ende kam. "Nicht zuletzt aber will ich meiner Freude Ausdruck verleihen, dass Ihr, Euer Hochgeboren, meine Frau als würdig befunden habt dieser Aufgabe gewachsen zu sein. Denn dieses Lehen bedeutet nicht nur Heim und Herd für unsere Familie, sondern auch Verantwortung. Den Menschen gegenüber deren Herrin Leomara von nun ab sein wird, aber auch Euch gegenüber, der sie fortan nicht nur Waffentreue sondern auch Rechenschaft schuldet. Ich entbiete euch daher meinen aufrichtigen, von Herzen kommenden, Dank." Unswin hob sein Glas noch ein Stück höher, nahm einen Schluck des köstlichen Weines und setzte sich dann zufrieden wieder auf seinen Platz.

Reise mit Yppolita

Reisestrecke: Kuslik – Punin – Gerbaldsberg – Gareth – Perricum – Seereise nach Festum

Dramatis Personae:

Auf einem Flußschiff auf dem Yaquier, Ende Ingerimm 1034 BF

Balrik saß in seiner Kabine und blätterte in einem grüneingebundenen Hesinde-Büchlein, das er sich in Kuslik besorgt hatte.

Vor einigen Tagen war er mit dem gerbaldsmärker Pfalzgrafen und dem Magier Anaxios von Ochs aus Kuslik abgereist und begleiteten die Schwester der Kaiserin, Yppolita von Gareth, nach Punin. Dort wolle sie endlich ihre Adeptenprüfung ablegen, wie sie auf dem Magierkonvent verlauten ließ, und anschließend wieder zurück in ihren Exil nach Festum reisen.

Sie beschloßen bis nach Punin auf einem Flußschiff zu reisen, das den Yaquier flußaufwärts fuhr. Der Kapitän war ein stämmiger Mittvierziger namens Phedro Neander, ein Horasier, der sich sehr umgänglich und von der Anwesenheit der Kaiserinschwester sehr geehrt zeigte. Zu seiner Mannschaft aber war er streng und er ließ keinen Zweifel daran, daß er hier das Sagen hatte.

Eigentlich wollte auch der greifenfurtener Baron Ardo von Keilholtz Yppolita auf der Reise begleiten. Doch hatte er kurz vor der Abreise den Zorn eines Magiers auf sich gezogen, der ihn kurzerhand mit einer Art Teleportzauber verschwinden ließ – zumindest war das Balriks erster Gedanke.

Erst nachdem Anaxios sich mit diesem Magier auseinander setzte, erfuhren sie, daß dieser Magier Thargelion von den Nebelwassern war, ein Zeitmagier, der Ardo einfach kurzerhand einige Monate in die Vergangenheit setzte!

Balrik hatte schon während seiner Zeit an der Kriegerakademie viele Sagen von einem Magier gehört, der in einem Turm in Weiden wohnte, dem sogenannten Nachtschattenturm, der in der Lage war durch die Zeit zu reisen – und da war auch der Name dieses Zeitmagiers gefallen.

Nachdem Anaxios ihnen versichert hatte, daß Ardo kein Leid zugefügt wurde, und derzeit wohl wieder in Greifenfurt weilte, und Balrik und Giselbert geraten hatte, den Magier nicht weiter zu behelligen, gaben sie sich mit der Antwort zufrieden. Dennoch hatte sich Balrik vorgenommen, eine Nachricht ins Kressenburgsche zu schicken um sich zu vergewissern. Auch Yppolita hatte ihnen später geraten, den Magier in Ruhe zu lassen. Auch sie vertraute hier Anaxios' Rat.

Es klopfte an der Tür.

"Hoher Herr", hörte Balrik die Stimme eines Matrosen. "Wir erreichen bald Punin."

"Danke. Ich komme gleich."

Balrik steckte das Büchlein weg und packte seine Sachen. Auf dem Deck angekommen sah er bereits die almadanische Fürstenstadt vor ihnen auftauchen. Es war ein sonniger Tag und die Eslamidische Residenz ragte auf dem Goldacker in einem strahlenden Weiß reinsten Eternienmarmors hervor. Auch die Magierakademie der Stadt, ihr Ziel, ragte über die Häuser der Stadt empor und war gut zu erkennen. Vor nicht einmal einem Jahr, hätten sie es sich nicht erlauben können, so offensichtlich durch das Fürstentum zu reisen. Als noch Selindian Hal die Kaiserkrone beanspruchte und von Punin aus Hof hielt, war es nicht ungewöhnlich, daß Adlige, die zu Kaiserin Rohaja standen, als Geiseln genommen wurden.

Doch nun war Selindian Hal tot und Almada wieder unter der Kontrolle Rohajas, und diese hatte Gwain von Harmamund zum neuen Fürsten von Almada ernannt.

"Eyne bejachtliche Stadt, njecht wahr?", sagte Igor Wasjeff im bornischen Aktzent und trat neben ihn. Auch er war beim Magierkonvent zugegen gewesen und reiste mit ihnen seit Kuslik auf dem Schiff. "Und das Wissen erst, das hier zu finden ist! Eier Schützling hat eyne jute Wahl jetroffet, hier ihre Prüfung abzulegen."

Balrik sagte nichts darauf. Der Grund warum Yppolita Punin wählte, war nicht das Wissen das hier zu finden war, sondern weil diese Magierakadmie die einzige Graue innerhalb des Reiches war. Andererseits, wenn es sich Balrik recht überlegte, Yppolita hätte trotz allem wohl kaum eine Akademie gewählt, in der sie nichts erlernen könnte ...

Allmählich kamen auch die anderen an Deck, die in Punin aussteigen wollten. Giselbert hatte seinen Lederhut auf dem Kopf und einen Rucksack geschultert. Anaxios war in einer Lektüre vertieft, die er in Händen hielt, und halb abwesend aus dem Schiffsinneren kam.

Nur Yppolita war bereits an Deck gewesen und betrachtete die Landschaft.

Auch ein fünfzehnjähriges Mädchen und ein neunjähriger Junge kamen auf das Deck; ebenfalls mit Rucksäcken geschultert. Das Mädchen trug sogar ein Kurzschwert.

"Habt ihr alle Eure Sachen?", fragte Balrik.

"Ja, wir haben alles", antwortete das Mädchen.

Das Mädchen und der Junge waren Mechthild von Kieselhom und Firnwulf von Hirschfurten, die Knappin und Page Ardos von Keilholtz. Balrik hatte sich den beiden angenommen, nachdem Ardo auf solch übernatürliche Weise verschwand.

Schließlich machte das Schiff an der Pier fest und Yppolita bezahlte den Kapitän für die Reise aus. Anschließend begaben sie sich in die Magierakademie.

Leomaras Geburtstag

Dramatis Personae:

  • Unswin von Keilholtz - Ordensritter zu Schwertwacht
  • Leomara von Isenbrunn - Ritterin von Gnitzenkuhl, seine Verlobte
  • Chaantrea von Zackenberg - Novizin im Zornesorden und Unswins Knappin

Burg Friedburg, Baronie Gnitzenkuhl, 9. Rahja 1033 BF

Unswin, seine Novizin Chaantrea und Leomara waren kurz nach dem Abendessen auf der Friedburg oberhalb der Stadt Gnitzenkuhl eingetroffen und nun, fast zwei Stunden später senkte sich die Praiosscheibe langsam dem Horizont entgegen. Es war ein wundervoller Anblick, doch Unswin verschwendete keine Minute damit das Schauspiel anzustarren. Im Wall hatte er genügend bezaubernde Sonnenuntergänge für den Rest des Götterlaufes gesehen. Stattdessen war er schon seit der Ankunft damit beschäftigt kreuz und quer durch die Burg zu laufen und die Bediensteten mit kleinen Wünschen und Aufgaben auf Trab zu halten, während sich seine Knappin um die Pferde kümmerte. Gerade trat er nach einem längeren Gespräch mit der Köchin aus der Küche heraus, als Chaantrea mit ihren typischen federleicht anmutenden Schritten auf ihn zu kam.

„Die Tiere sind nun versorgt Bruder Unswin. Gibt es sonst noch etwas für mich zu tun?“

„In der Tat, das gibt es.“

An der wenig begeisterten Miene der Novizin erkannte der Ritter, dass sie auf eine andere Antwort gehofft hatte. Wenigstens hatte sie inzwischen so viel Anstand gelernt, ihm dies nicht vorlaut an den Kopf zu werfen.

„Du wirst zum Arbeitszimmer von Baronin Geshla gehen. Sie sitzt noch immer mit Roderick und Leomara zu rate, was wegen der Mine in Kelsenstein unternommen werden soll. Sobald die Besprechung ein Ende gefunden hat, bitte ich dich Leomara zum Bad zu bringen. Danach kannst du dir in der Küche dein Abendessen geben lassen. Ich habe veranlasst, dass man dir etwas bereiten wird. Den Rest des Abends hast du dann frei.“

„Ich nehme an du ißt mit Ritterin Leomara?“

Der Ritter hob die Augenbrauen, verwundert über den merkwürdigen Ton in dem die Frage gestellt war. Hatte er dort Eifersucht durchklingen hören? Oder sprach nur wieder der Trotz aus der jungen Frau? Manchmal wurde er einfach nicht schlau aus seiner Knappin.

„So ist es. Du brauchst also nicht auf mich zu warten.“

„Wie du wünschst.“

Mit einer knappen Verbeugung, bei der Unswin einmal mehr nicht wusste ob sie ehrerbietig oder spöttisch sein sollte, wandte Chaantrea sich zum Gehen. Auch sie war nicht das erste mal auf dieser Burg. In den letzten zwölf Monden war sie mit ihrem Schwertvater oft hier zu Besuch gewesen, wenn er einen Vorwand gefunden hatte seine Verlobte aufzusuchen. Nun würde sie also wieder einmal die Botin für ihren verliebten Ordensbruder spielen, damit dieser seinem zukünftigen Schwiegervater aus dem Weg gehen konnte.

Wenige Minuten später stand sie vor der Tür des barönlichen Arbeitszimmers. Sie blieb einen Moment davor stehen und lauschte. Tatsächich vernahm sie immer wieder Stimmen durch die dicke Holztür, was vermuten ließ, dass die Diskussion teilweise recht hitzig geführt wurde. Etwas andere hatte sie aber auch nicht erwartet, wenn Geshla, Roderick und Leomara sich zusammen in einem Raum befanden. Leider dämpfte die massive Tür die Laute soweit ab, dass Chaantrea keine einzelnen Worte verstehen konnte. Einfach einzutreten wäre unhöflich gewesen, also würde sie sich wohl in Geduld üben müssen, bis die Baronin ihres Vogtes und ihrer Ritterin überdrüssig geworden war. Mit einem götterergebenen Seufzer lehnte sich die Novizin mit dem Rücken gegen eine Säule gegenüber der Tür, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete.

Nach einer schieren Ewigkeit öffnete sich schließlich endlich die Tür, und Leomara kam mit roten Gesicht sichtlich erledigt heraus. Sie schloß geräuschvoll die Tür hinter sich und stieß deutlich die Luft aus. Die Person an der gegenüberliegenden Wand hatte sie noch gar nicht gesehen.

Sie brummelte leise vor sich hin: „Im Rahmen ihrer Möglichkeiten wohl das beste raus geholt, pah, das nächste mal schicke ich ihr den Schwarm Harpyien ins Tal, von Friedburg aus haben die auch nen hübschen Ausblick!“

Sie wendete sich in Richtung Dienstboten steige um in die Küche zu gehen. Chaantrea löste sich aus dem Schatten der Säule und trat schnell vor um die Ritterin abzufangen. Die Novizin berührte sie leicht an der Schulter und zuckte zurück, als Leomara sich überrascht mit einem Ruck zu ihr umwandte. Die Jüngere hob die rechte Hand und legte sie ihrer Gegenüber besänftigend auf den linken Unterarm.

„Entschuldigt bitte, ich wollte Euch nicht erschrecken. Ich habe auf Euch gewartet um eine Nachricht zu überbringen. Ritter Unswin lässt Euch bitten sogleich ins Bad zu kommen, wenn es Eure Pflichten der Baronin gegenüber zulassen.“

Verdutzt schaute Leomara sie an. „…Pflichten äh…? Ach so, nein, ich darf mich wohl erst einmal zurück ziehen. Der Vogt und die Baronin müssen die Sachlage erst einmal unter sich besprechen…“ Leomaras Augen brachten zum Ausdruck, was sie von einer derartigen Unterredung wohl hielt.

„Daher habe ich also Zeit. Wieso um Himmels willen im Bad? Hat Praiowyn ihn dort eingesperrt und lässt ihn erst wieder heraus, wenn er sich ordentlich kleidet?“ Amüsiert musterte die Rittfrau Chaantrea.

Die Novizin unterdrückte mit Mühe ein leises Kichern und schaffte es nicht länger ernst zu dreinzuschauen. „Wäre eigentlich denkbar. Manchmal lässt er ja schon merken, dass er aus Greifenfurt stammt. Aber diesmal hat Praiowyn Gnade vor Recht ergehen lassen. Ich darf Euch leider nicht sagen worum es sich handelt, aber geht besser gleich hin. Nicht das er ungeduldig wird und denkt die Baronin hätte Euch gefressen oder ich hätte Euch entführt.“

„Ach du liebes Bisschen, ich fürchte der Aufenthalt in den Bergen ist nicht spurlos an ihm vorüber gegangen…!“ Leomara schmunzelte. „Dann werde ich mich wohl besser sputen, bevor er sich den Weg hierher frei kämpft. Ich denke man sieht sich später…!“ Mit diesem Worten drehte sich Leomara weg und ging raschen Schrittes zu ihrem Verlobten. Was hatte er nur vor?

Schließlich stand sie vor der Türe zum Bad klopfte kurz an, trat dann aber sofort ein.

Die Tür öffnete sich ohne Widerstand und der Raum dahinter war hell erleuchtet. Doch brannten nicht die an den Wandhalterungen dafür vorgesehenen Fackeln, sondern über zwei Dutzend dicke, vor allem auf dem Fussboden verteilte Kerzen. Der süßliche Duft von Honig lag in der Luft.

Abrupt blieb die Rittfrau stehen und schaute sich staunend um.

In der Mitte des Raumes stand Unswin, angetan in in jene leichte Kleidung die er immer trug, wenn er auf Friedburg zu Gast war. Ohne Waffen, Rüstung und Wappenrock war er jedes Mal ein ungewohnter Anblick. Jemand der ihn nicht kannte hätte ihn in diesem Aufzug für einen einfachen Bürger halten können. Nur ein gesticktes Ordenswappen in der Herzgegend seines Hemds, ließ erkennen wer er war.

Neben dem Ordensritter stand eine junge Magd. Beide schienen sich unterhalten zu haben und von Leomaras Klopfen aufgeschreckt worden zu sein. Sie hielt einen leeren Eimer in der Hand mit dem sie offenbar Wasser für den großen gemauerten Badezuber gebracht hatte, auf dessen Rand ein kleiner abgedeckter Weidenkorb stand. Der Ofen unter dem Zuber war in Betrieb und würde dem frischen Wasser bald eine angenehme badetemperatur gegeben haben. Unswins Miene hellte sich bei Leomaras Anblick augenblicklich zu einem breiten Lächeln auf, während die Magd fast schuldbewusst den Kopf neigte und errötete.

„Leomara, da bist du ja schon. Ich hatte schon befürchtet Geshla und Roderick halten dich bis zum Frühstück fest.“ Mit einem leichten Nicken gab er der Magd ein Zeichen, welche sich auch sofort in Bewegung setzte und mit einem leisen „Euer Wohlgeboren“ an der Ritterin vorbei durch die Tür entschwand. Noch bevor Leomaras Sprachlosigkeit geendet hatte ging der Redestrom Unswins ungemindert weiter. Er schien bester Stimmung.

„Komm herein meine Liebste und mache es dir gemütlich.“ Unswin deutete mit einer Armbewegung auf einen schmalen Tisch und zwei gepolsterte Stühle, die Leomara in diesem Raum noch nie gesehen hatte. Offensichtlich hatte der Ordensritter diese extra hierher bringen lassen. Nur den Zweck konnte die Ritterin nicht sofort erkennen, denn außer einer der großen Kerzen in der Mitte war der Tisch leer.

„Ehem…!“ sagte sie dann auch nur während sie im Näherkommen die Umgebung begutachtete. „…was soll das Ganze hier?“ Etwas widerstrebend setzte sie sich hin, lächelte aber Unswin neugierig an. „Du hast mir doch nicht etwa was zu beichten? Ich hörte schuldbewusste Männer neigen zu solchen Extravaganzen.“ Noch immer schien sie keine Ahnung zu haben was das ganze sollte.

Unswin lachte erst fröhlich und schaute dann gespielt empört drein. „Na hör mal. Vor dir sitzt ein ehrenwerter Ritter des Zornesordens. Ich mag nicht abstreiten, dass du mich auf einige zuvor unbekannte Geschmäcker gebracht hast seit wir uns kennen. Aber für mich gibt es nur dich. Ich bin doch kein Nebachote der nach jedem Glas Wein eine andere bespringt. Aber abgesehen von dir und dem guten Wein, hat mir Perricum wohl auch diesen kleinen Hang für das Dramatische geschenkt.“ Mit einem beiläufigen Nicken deutete er auf die Kerzen, während er über den Tisch hinweg nach ihren Händen griff.

Ein leises Klopfen an der Tür unterbrach ihn. Ohne zu zögern rief er die Wartenden herein. Die Magd von eben schritt vorweg, nur trug sie diesmal statt einem Wassereimer eine gut gefüllte Platte vor sich her. Mit einem Lächeln plazierte sie diese auf dem Tisch und legte vor den beiden Adligen kleinere Essplatten und Besteck aus. Hinter ihr kam noch ein Küchengehilfe der eine Karaffe roten Weines und zwei mit Blei verzierte Weingläser dazu stellte. Danach kümmerte er sich sofort um den kleinen Ofen unter dem Zuber und warf eine Hand voll Blütenblätter aus dem kleinen Weidenkörbchen hinein, welche Leomara aus dem Augenwinkel heraus aber nicht genauer erkennen konnte.

Die Magd hatte derweil die Deckel von den Speisen genommen. Zum Vorschein kamen, neben einem Korb mit weißem Brot, ein mit Honig bestrichenes und goldgelb gebratenes Kanninchen, zwei liebevoll verzierte Pasteten sowie eine kleine Schale mit kandierten Datteln. Unter den immer größer werdenden Augen Leomaras goss die junge Frau die Weingläser noch halbvoll und zog sich dann mit einem Knicks zurück. Auch der Küchenjunge war inzwischen mit seiner Arbeit am Zuber fertig und schloss eilig hinter sich die Tür.

Noch immer sprachlos schaute sich die Rittfrau das Essen an, und in ihrem Blick spiegelte sich der Unglaube über diese kunstfertige Art der Kochkunst. „Hast du heimlich die Angroscho in der Binge bestohlen, oder wie hast du den Koch dazu gebracht etwas Derartiges zu erschaffen?“

Vorsichtig strich sie mit dem Finger über den Teigmantel der Pasteten, auf denen aus Teig geformte Weinreben, Pferde und Rosen aufgebracht waren. Kindliches Vergnügen bemächtigte sich schließlich ihrer und sie ergriff den Pokal.

Mit einem lausbübischen Grinsen beobachtete Unswin die Veränderung die sich auf ihrem Gesicht abzeichnete.

„Egal, was auch immer es sein mag, was mir dieses Mahl bescherte, lass uns anstoßen, bevor uns hier jemand raus wirft!“

Seitdem sie wieder in Gnitzenkuhl waren genoss sie einfach das unbeschwerte Leben und allmählich kehrte auch die ihr eigene Leichtigkeit zurück, die sie im Angesicht der täglichen Bedrohungen am Berg fast gänzlich verloren hatte.

Der Ritter ließ sich nicht zweimal bitten, erhob ebenfalls sein Glas und suchte beim Klang der feinen Pokale den Blick Leomaras, bevor er schließlich einen Schluck des vorzüglichen Weines genoss. Im flackernden Schein der Kerzen leuchtete die Flüssigkeit blutrot. Dann hob er die als Deckel drapierte Oberseite seiner Pastete ab und darunter kam eine dampfende Gemüsebrühe zum Vorschein.

„Der Grund für diesen kleinen Festschmaus bist ganz allein du meine Liebste. Ich hoffe Geshla kann es verkraften, dass ich diese Leckereien aus ihrer Küche dafür habe verwenden lassen. Nachdem wir den ganzen Ärger im Wall überlebt haben, fühle ich mich wie neu geboren. Deswegen feiern wir heute gemeinsam nicht nur deinen, sondern auch meinen Tsatag.“

Natürlich, ihr Tsatag, wo hatte sie nur wieder ihre Gedanken gehabt? Leomara musste schmunzeln, hatte sie ihn doch über den Tag hinweg erfolgreich verdrängt…bis sie Alwene aufgesucht hatte. Der Besuch bei ihrer alten Amme war nicht sonderlich erquicklich gewesen. Die hatte ihr geraten in Zukunft ein wenig mehr auf sich zu achten, damit, wenn sie doch einmal Tsas Segen ereilte, sie nicht schon aussähe wie eine alte Frau. Entschlossen diesen dummen Satz zu verdrängen, lächelte sie Unswin an.

„Auf uns…und das wir wieder heil hier angekommen sind.“

„Auf uns...und auf die Herrin Rahja, der ich gedenke den restlichen Abend zu widmen...“

Dann griffen beide hungrig zu den Löffeln. Nach der kargen Kost in den Bergen ließen sie sich gerade genug Zeit beim Kauen um die vorzügliche Süße der Speisen zu würdigen und gleichsam verschlangen sie sich gegenseitig mit den Augen. Neben ihnen verströmte der große Badezuber inzwischen seinen einladenden Rosenduft.

Ein Stein im Nebel - Südgruppe

Aufruhr auf dem Marstall

Markgräflicher Marstall, Ende Phex 1034 BF

In diesem Götterlauf waren die Fohlen früh geboren. Lediglich zwei Stuten sollten noch im Peraine ihren Nachwuchs bekommen. Es war die arbeitsreichste Zeit für die Reiffenbergs und auch auf Gut Rosskuppe, welches erst im letzten Herbst hatte fertiggestellt werden können, gab es mehr Arbeit als der Tag Stunden hatte. Urion und Renzi hatten sich die Aufgaben aufgeteilt und auch Urions Geschwister Rondrian und Meran, die wieder mal auf dem Gut weilten, packten an, wo es nötig war.

Meran war vor drei Tagen ohne ihren Gatten aus Perainefurten eingetroffen. Rondrian hatte sich nun endgültig von seiner schweren Verletzung erholt und würde in den nächsten Monden wieder gen Warunk aufbrechen.

Es dämmerte bereits, difuses Licht warf bereits lange Schatten über den Innenhof, als Urion und Rondrian das Herrenhaus des Marstalls betraten. Sie wusche sich in den bereitgestellten Wasserschüsseln und legten die Stallkleidung ab. Beide trugen im Alltag darunter lediglich ihre schlichten Leinenhemden und enganliegende Hirschlederhosen.

Sie saßen beim Abendessen, als plötzlich der Zwergenschmied Artog den Raum betrat. „Urion, es riecht nach Ärger, gerade sind zwei Reiter eingetroffen, Boten des Prinzen, wie sie behaupten, der jüngere gibt sich als Berhelm von Dunkelsfran aus, des Prinzen Bannerträger. Der Zweite ist unser alter Bekannter Rosco Falkenblick.“

„Nun Artog, lasse sie eintreten und sorge bitte dafür, dass sich die Knechte ihrer Pferde annehmen.“

Artog wand sich zur Tür und öffnete sie. Auf seinen Wink betraten zwei Männer den Raum. Sie waren in Reiseumhänge gehüllt, die die Spuren eines schnellen Rittes erkennen ließen. Urion erkannte Bernhelm und Rosco auf den ersten Blick und erhob sich von seinem Platz. Er trat mit einer einladenden Geste auf sie zu: „ Bernhelm von Dunkelsfarn, Rosco Falkenblick, Travia zum Gruße, die Zwölfe mit Euch. Nehmt Platz. Euer Erscheinen ist schon deshalb eine Überraschung, weil er in dieser Konstellation erfolgt. Aber fiel mehr wurdet ihr als Boten des Prinzen gemeldet, deshalb tragt schnell vor wie die Meldung lautet.“

Nachdem sich beide verneigt hatten, nahmen alle Platz und Bernhelm begann seinen Bericht. Schließlich endete er mit den Anweisungen die der Prinz ihm für Urion aufgetragen hatte. „ Ihr mögt umgehend alle Waffenfähigen um Euch sammeln und Euch darauf vorbereiten, dass die Greifin mit ihrem Gefolge in wenigen Tagen über Hesindelburg und Hexenhain zum Marstall kommt. Ihr sollt euch ihr dann mit den Truppen anschließen.“

Urion war ob des Berichts des Bannerträger wie vor den Kopf geschlagen. Der Meister der Mark ein Verräter, der den Prinzen hatte festsetzen lassen. Ein Umstürzler. Nun erschienen es ihm im Nachhinein durchaus logisch. Der meister der Mark hatte ihm befohlen die Schwadronen der Grenzreiter sämtlich im Süden und vor allem im Osten der Mark zu stationieren. Ferner hatte der Nebelsteiner den Heermeister der Mark Reto von Schattenstein abgesetzt, eine Tatsache, die Urion als eher als notwendige Umstrukturierung innerhalb der märkischen Wehr betrachtet hatte. Zudem war Urion ja dadurch selbst in der märkischen Administration mit der zusätzlichen Aufgabe des Rittmeisters der Mark beauftragt worden. Ein perfides aber wie sich jetzt zeigte erfolgreiches Ablenkungsmanöver des Nebelsteiners. Und jetzt kamen ihm auch einige Gespräche mit dem Meister der Mark in den Sinn. Hatte dieser nicht immer gesagt er solle sich nicht den Kopf zerbrechen übe Dinge, die Meister und Prinz zu verantworten hätten. Nun standen auch seine letzten Missionen außerhalb der Mark in Frage. Hatte der Meister der Mark ihn nur deshalb gesandt, um ihn aus den Rennen zu haben. All diese Gedanken liefen blitzartig durch seinen Geist und er bemühte sich um seine innere Ruhe. Er sammelte sich und räusperte sich.

„Ihr bringt wahrlich schlechte Kunde Bernhelm von Dunkelsfarn. Der Verrat des Nebelsteiners trifft mich im Mark. Nichts desto weniger gilt es jetzt schnell und entschlossen zu handeln. Was ist Euer weiterer Auftrag?“

„Nun der Prinz sandte uns aus, um euch und den Kressenburger Baron zu alarmieren. Danach reiten wir schnellstmöglich in den Kosch, um den Fürsten zur Lage vorzutragen und ihn im Namen des Prinzen um Unterstützung zu bitten.“

Nun machte sich bezahlt, was Urion in unzähligen Stunden an der Wehrheimer akandemie und auf den Schlachtfeldern gelernt hatte. Sein Verstand erfasste augenblicklich die Gesamtsituation und in seinen Gedanken sortierte er Truppenstärken, Möglichkeiten des Handelns sowohl des Gegners als die eigenen, mögliche Marschrouten, Logistische Fragetstellungen und letztlich auch der Ort einer konfrontation mit dem Nebelsteiner, der, wie Urion bereits wusste, selbst ein erfahrener Truppenführer war.

„Nun gut, ans Werk, die Zeiten werden nicht besser, in dem man beklagt wie schlecht sie sind. Wir gehen ab jetzt wie folgt vor. Ich werde noch heute Nacht Boten aussenden, welche die umliegenden Barone alarmieren und in Kenntnis setzen. Das betrifft auch den Kressenburger, zu dem ihr noch hättet reiten müssen. Ihr bleibt heute Nacht hier und ruht.“ Urion wischte den Versuch eines Einwandes Berhelms zu Seite und fuhr fort. „Keine Diskussion, ich befehle das als Rittmeister der Mark. Morgen früh statte ich Euch mit den besten Botenpferden der Mark aus. Damit kommt ihr auf schnellstem Wege zum Fürsten und so die Götter es fügen, auch genau so schnell mit Koscher Verstärkung zurück. Bernhelm und Rosco, ein koscher Verstärkung kann das Zünglein an der Waage sein, denn wir sind den Truppen des Nebelsteiners deutlich unterlegen. Deshalb führt sie schnell und auf sicheren Wegen heran. Ich hinterlasse auf unserem Weg in den Osten der Mark in den großen Siedlungen Anweisungen, dass man Euch mit dem notwendigsten versorgt und Euch unterstützt wo es geht. Egal wo ihr her kommt, von Westen oder Süden, der Marstall aber auch die Baronien Hexenhain und Hesindelburg werden Euch die notwendige Unterstützung gewähren. Und noch etwas, schaut auf Eurem Marsch unter die Meilensteine auf dem Fürstenweg, dort werde ich unsere aktuellen Marschziele hinterlegen, damit ihr nicht fehlgeht. Und jetzt bekommt ihr erst mal was anständiges zum Essen und einen Humpen Bier. Dann geht es ins Bett.“

Rosco Falkenblick erhob sich und es war das erste mal, dass Urion ihn mehr als einen Satz sprechen hörte. „Habt Dank, Herr Urion. Es erleichtert uns unseren Auftrag immens, dass ihr uns den Ritt nach Kressenburg erspart. Wir werden dem Fürsten die Botschaft so schnell wie möglich zustellen.“

Urion nickte , verließ kurz den Raum und kam wenig später zurück. Er drückte Bernhelm ein Kupferstück in die Hand. „Hier ist mein Abzeichen des Kupferkeilers. Als Mitglied der Gesellschaft der 42 trage ich es seit der Queste des Prinzen zur Rettung seines Bruders. Es sollte Euch den Zugang zum Fürsten erleichtern und Beleg für die Dringlichkeit unseres Ansinnens sein.“

Bernhelm schloss die Hand um das Emblem. „Ich werde es sicher verwahren, dessen seid gewiss.“

Nachdem die beiden den Raum verlassen hatten, wandte sich Urion an Artog und Rondrian: „Artog, sorge dafür, dass in einer halben Stunde Meldereiter für die Baronien Hesindelburg, Donfanger, Feldharsch, Nardesfeld und Zalgo bereit gemacht werden. Ferner möchte ich eine Reiter nach Hexenhain zu Hesindiane und Alrik schickst du verdeckt nach Greifenfurt zu Reto von Schattenstein. Reto ist der erfahrenere Stratege und muss jetzt wissen, mit wem er rechnen kann. Ich setze jetzt sofort die Botschaften auf. Die Süd- und Westbaronien sollen ihre verfügbaren Truppen sofort hier her in Marsch setzen. Wenn die Greifin hier eintrifft, möchte ich eine Großteil der Kräfte vor Ort haben.“ Artog nickte und stürmte zur Tür heraus.

„Die Nachricht an Ardo überbringst du ihm bitte selbst, Rondrian. Er muss schnellstmöglich seine Landwehr mobilisieren und bereithalten. Reite hin und setze ihn ins Bild. Er soll nicht zu früh losschlagen, weil wir nicht wissen, wo der Nebelsteiner derzeit ist und er muss auf jeden Fall auf die Befehle der Greifin warten. Am besten nähert ihr Euch vorsichtig der Stadt und bezieht Versteck bis weitere Order kommt. Wenn Ardo neue Erkenntnisse hat, lasst sie uns zukommen. Und Rondrian, Ardo ist ein Keilholtzer, aber er ist auch mein Freund und Garafanist und deshalb über jeden Zweifel erhaben. Wenn sein Onkel gefehlt hat, hat das nicht Ardo zu verantworten. Wenn er es einrichten kann, soll er hier her kommen. Ach und bevor ich es vergesse, sag ihm ich bräuchte seine Reiterei umgehend hier im Marstall. Wenn die Greifin marschiert, dann brauche ich zur Flankendeckung und Avantgarde alles, was ich an Kavallerie aufbieten kann.“

Rondrian erhob sich ebenfalls und drückte seinem Bruder die verbliebene Hand auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen, Urion, ich weiß, die Herrin wird an unserer Seite sein. Und seit ich Ardo kenne, hat er immer Wort gehalten. Nur schade, dass Vater auf diese Wallfahrt in den Schlund ziehen musste.“

„Wenn da nicht auch der Nebelsteiner seine Finger im Spiel hat. Vater war kurz vor seiner Abreise noch in Greifenfurt. Aber es hilft nichts, wir brauchen jetzt jede Klinge und jede Lanze. In Vaters Abwesenheit ist Hesindiane in der Pflicht. Sie muss die Hexenhainer Wehr führen. Ich werde alle mitnehmen, die Kämpfen können. Rudebrecht wird es allein schwer haben, aber es geht nicht anders. Denn glaubst du im Ernst, ich könnte Renzi hier halten, wenn die Greifin zu den Fahnen ruft. Die beiden pflegen einen regen Briefwechsel, seit die Greifin bei unserer Hochzeit war. Auch das Exil im Kloster Rabenhorst hat daran nichts geändert, zumal nach der Geburt unserer Zwillinge. Doch nun reite schnell zu Ardo und bringe Ihm die Botschaft. Sei aber vorsichtig, wer weiß, wo der Meister der Mark überall seine Spitzel hat. Möge die stürmische Göttin dir beistehen.“

Als Rondrian den Raum verlassen hatte, begab sich Urion in die Schreibstube und entzündete eine Öllampe. Im Sekretär fand er leeres Pergament, Tinte und Federkiel. Er machte sich daran, die Botschaften zu verfassen, als plötzlich sein Verwalter Rudebrecht von Jungsalm hinter ihm stand. „Ah, Rudebrecht, entschuldige, ich wollte dich nicht wecken.“ „Ist schon gut, Urion. Ich hörte Pferde im Hof und dachte mir, ich werde vielleicht gebraucht?“

Urion berichtete dem Verwalter alles, während er seine Botschaften zu Ende schrieb. „Lass mich eben die Meldereiter losschicken, dann müssen wir planen.“

Er griff die gesiegelten Botschaften, eilte durch den Raum und den Flur zur Haustür hinaus. Im Hof warteten bereits sieben Reitknechte auf eilig gesattelten Pferden. „Männer zuhören, hier sind Botschaften für die umliegenden Baronien und überbringt sie persönlich an die Barone. Reitet schnell und seid vorsichtig. Haltet nicht an und meidet es, gesehen zu werden, bis ihr an Eurem Ziel seid. Nur so viel, die Mark ist in großer Gefahr und der Feind kommt von Innen. Wenn Euch die Barone fragen, was es mit der Botschaft auf sich hat, dann sagt ich hätte euch aufgetragen, alles wichtige stünde in der Botschaft. Wenn man euch festsetzt, dann verzagt nicht.“

Er verteilte sechs Pergamentrollen und wies den Reitern die Ziele zu. Gerade als die sechs Reiter auf das Tor zuritten, schloss sich Ihnen Rondrian auf seinem Schlachtross an. Urion wandte sich nun seinem Vormann zu. „Alrik, du reitest nach Greifenfurt. Du kennst den Edlen von Schattenstein, den ehemaligen Heermeister der Mark. Nimm vorsichtig zu ihm Kontakt auf. Sag ihm ich würde dich schicken und wenn er einen Beweis verlangt, dann nenne das Kennwort: Finsterwacht. Dann weiß er, dass ich dich schicke. Sag ihm, ich wäre über den Verrat des Meisters der Mark im Bilde und hätte meine Aufträge vom Prinzen erhalten. Ich warte auf die Greifin und schließe mich ihr an. Wir stellen alles unter Waffen, was laufen kann. Ardo kommt mit seiner Landwehr von Süden bis vor die Stadt und bezieht dort Versteck, bis die Lage klar ist. Bernhelm ist bereits auf dem Weg zum Fürsten des Kosch! Sag dem Edlen, du könntest eine Antwort sofort mitnehmen, und kommst dann so schnell wie möglich zurück.“

Jetzt, da die Meldereiter unterwegs waren fiel ein Teil der Last von Urions Schultern. Dennoch lag der größte Teil der Arbeit noch vor ihm. Bis zum frühen Morgen besprach er sich mit seinem Verwalter, plante und organisierte. Sollten die Truppen vor der Markgräfin eintreffen, musste sie untergebracht und verpflegt werden. Aber auch für den weiteren Feldzug mussten sie genügend Proviant mitführen. Die Scheunen des Gutes und des Marstalls waren relativ gut gefüllt, und Urion wusste, dass er einen Teil würde hierlassen müssen, wollte er die Zucht nicht gefährden. Das gleiche traf die Bewohner zu. Er konnte mit drei Reitknechten eine Rumpfbetrieb sicherstellen. Der Rest wäre eine willkommene Verstärkung der leichten Kavallerie. Sowohl in den Reitkünsten als auch im Kampf mit Lanze und Schwert würden sie es mit durchschnittlichen Kämpfern aufnehmen können, den sie hatten jahrelang, tagein tagaus nichts anderes getan. Viel wichtiger waren Sie für Urion aber als flinke Botenreiter und Späher.

Noch bevor die Dämmerung einbrach ließ er Bernhelm und Rosco wecken. Mit Proviant und Pferden versorgt preschten sie durch das große Tor und waren alsbald im Südwesten verschwunden.

Kurze Zeit später verließ auch eine berittene Patrouille den Marstall gen Hesindelburg, um möglichst früh den Zug der Greifin auszumachen und zu melden.

Mit dem wichtigsten Auftrag jedoch betraute Urion seine Schwester Meran. Sie würde sich in den Osten an die Grenze zur Wildermark begeben, um in Erfahrung zu bringen, was die Absichten des Nebelsteiners waren und wo er sich befand.

An diesem Tag wurde nach den Planungen Rudebrechts und Urions die Arbeit auf dem Marstalls umgestellt. Über Nacht war der Krieg in die Mark zurückgekehrt. Erst jetzt wurde Urion erschreckend klar, dass es nicht die Schwarzpelze waren, sondern ein Fall, den er für eigentlich unmöglich gehalten hatte. Die Einheit der Provinz stand auf dem Spiel. Wenn es der Götter Wille ist, dass wir den Sieg davontragen, werden wir nicht nur einen Krieg gewinnen. Dann werden wir alle auch einen hohen Blutzoll zu entrichten haben. Bruder gegen Bruder. Und schon dachte er daran, dass sie derart geschwächt eine leichte Beute für die Schwarzpelze sein würden.

Mobilmachung in Kressenburg

Kressenburg, Ende Phex 1034 BF

Rondrian war schnell und hart geritten und hatte dabei weder sich noch sein Ross geschont. Bei tiefster Nacht hatte er die Breite an einer Furt überquert, nachdem er sich und dem Pferd eine einzige kurze Rast gewährte, danach ritt in den ganzen Morgen durch Königsgau und erreichte kurz vor der Mittagsstunde schließlich die Stadttore Kressenburgs. Die Büttel ließen ihn ohne zu zögern passieren und er sprengte wort- und grußlos an ihnen vorbei den Burgberg hinauf. Erst auf dem Burghof hielt er sein Ross vor dem lieblich angelegten Brunnen an und war schneller an der Tür zum Palas, als die Pferdeknechte aus der Scheune kommen konnten um zu sehen wer es denn da so eilig hätte.

Die erste Person die Rondrian begegnete war ein rundlicher Zwerg mittleren Alters mit gepflegtem, kunstvoll geflochtenem Bart und feiner Kleidung. In der rechten Hand den Stab des Majordomus haltend kam er dem Geweihten aus einem seitlichen Gemach entgegen. Nach einem kurzen Blick auf die Insignien verbeugte sich der Zwerg artig und machte eine einladende Geste in Richtung des Burginneren.

„Euer Gnaden, bitte tretet näher. Euer Besuch ehrt unser Haus. Darf ich mich nach Eurem Namen und nach Eurem Begehr erkundigen?“

„Mein Name ist Rondrian von Reiffenberg. Ich bin hier um Baron Ardo eine persönliche Nachricht meines Bruders Urion zu überbringen,“ sagte er mit lauter aber nicht schroffer Stimme. „Ist er zu sprechen? Es eilt und duldet keinen Aufschub.“

„Natürlich. Wenn Ihr mir bitte ins Arbeitszimmer folgen wollt. Seine Hochgeboren von Keilholtz wird erfreut sein Euch zu empfangen.“

Der Majordomus drehte sich auf den Hacken um und schritt Rondrian so schnell es seine Zwergenbeine zuließen voraus. Am Ende des Ganges ging es über eine Wendeltreppe einen Turm hinauf bis der Zwerg schließlich vor einer schweren Eichentür stehen blieb und mit dem Knauf seines Stabes dreimal gewichtig daran klopfte. Von drinnen erklang ein gedämpfter Ruf woraufhin er ohne weiteres Zögern die Klinke ergriff, die Tür aufschob und eintrat.

„Ugrimm! Was gibt es?“ Am schweren Arbeitstisch saßen sich Ardo und sein Vogt Phexian gegenüber. Diversen Pergamentrollen und ein schwerer Foliant lagen offen auf dem Tisch und schienen bis eben das Gesprächsthema gewesen zu sein.

„Ich bitte die Störung zu verzeihen Euer Hochgeboren, aber Ihr habt wichtigen Besuch. Ihro Gnaden von Reiffenberg wünscht umgehend ein Gespräch.“

„Wer? Ach, Rondrian! Willkommen auf der Kressenburg!“ Der Baron sprang sogleich auf um den Reiffenberger freudig zu begrüßen. Die ernste Miene des Geweihten ließ ihn jedoch innehalten. „Ist mit Urion und Renzi alles in Ordnung? Es wird doch den Kindern nichts zugestoßen sein.“

„Nichts dergleichen.“ Rondrian hob beschwichtigend die rechte Hand und trat näher. „Dennoch komme ich mit schlimmer Botschaft und dringlicher Bitte von Urion. Die Mark und das Reich sind in großer Gefahr.“

Mit wenigen Sätzen erklärte der Geweihte der Leuin den erstaunten Zuhörern was sich zugetragen hatte und was von ihnen erwartet wurde. Ardo schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf als könne oder wolle er das Gehörte nicht begreifen. Schließlich hatte Rondrian geendet und sah Baron und Vogt erwartungsvoll an. Der Keilholtzer wirkte noch immer wie vor den Kopf gestoßen und es bedurfte eines lauten Räusperns des Kieselholmers um ihn zu sich zu bringen.

„Ja was soll man dazu sagen? Der Meister der Mark ein Verräter an Greifenfurt und dem Reich. Das hätte ich ehrlich niemals erwartet. Wenn ich nur daran denke wie ich ihm gegenüber vor zwei Götterläufen den Lehnseid auf die Mark geleistet habe. Die Landwehren habe ich in seinem Namen geübt und nun wird er sie gegen das Reich verwenden. Und dazu Verräter in den Reihen meiner eigenen Familie! Praiossanctus, gib mir Kraft oh Götterfürst!“ Donnernd krachte Ardos Faust auf den massiven Eichentisch. „Das werde ich nicht zulassen!“

„Niemand bezweifelt deine Loyalität zur Greifin und zur Mark, ganz gleich welche Verfehlungen man anderen deiner Familie vorwerfen kann.“ Rondrian nahm den Eifer des jungen Barons mit einem Lächeln zur Kenntnis, beschwichtigte ihn jedoch sogleich. Gerechter Zorn mochte im Kampf hilfreich sein, aber bei den anstehenden Planungen hieß es einen kühlen Kopf zu bewahren um dem Verräter auch mit unterlegenen Kräften einen guten Kampf zu liefern. „Urion hat mich persönlich geschickt um dir das zu sagen und um dich an seine Seite zu bitten sobald es dir möglich ist. Der Bund des Garafan soll an der Seite der Markgräfin in den Kampf ziehen. Zusätzlich zieht mein Bruder alles an Reiterei zusammen was er in der Kürze der Zeit bekommen kann.“

„Natürlich werde ich sobald als möglich aufbrechen. Ginge es nur um mich würde ich sofort und durch die NAcht reiten und wäre morgen früh in Rosskuppe. Aber ich fürchte das hier bedarf größerer Vorbereitung.“ Der Baron überlegte wohl eine Minute lang und fing dann schließlich an Befehle zu geben.

„Ugrimm, geh in den Hof und schick die Pferdeknechte mit Nachricht zu meinen Vasallen. Kieselbronn, Praiostann, Immingen. Schicke auch nach meinen Großvater, er möge sich hier einfinden. So gern ich ihm das auf seine alten Tage ersparen würde, aber wir brauchen jedes Schwert. Sie sollen sofort alles stehen und liegen lassen und noch bis heute Nacht auf der der Kressenburg sein. Dann können wir morgen früh zu Urion reiten. Die restlichen Ritter werden heute Nachmittag mit dem Erztransport aus Sturmhöhe zurückerwartet. Außerdem soll die Landwehr ausgehoben werden. Die meisten kommen sowieso hier aus Kressenburg oder aus Tsanau selbst, aber einige werden von abgelegenen Höfen marschieren müssen. Sie sollen binnen zehn Tagen hier sein und werden dann von Phexian nach Greifenfurt gebracht.“ Mit einem Wink entließ er den Zwerg, der eilfertig davon stob.

„Phexian, du kümmerst dich auch um die Zusammenstellung des Trosses. Ich weiß, die Lager sind nach dem Winter fast leer, aber sieh zu, dass die Truppe gut versorgt ist. Leerer Bauch kämpft nicht gut. Was wir an zusätzlichen Wagen und Karren brauchen wird im Ort requiriert, zur Bespannung nimm die Rückpferde aus dem Forst.“ Mit einem schweren Seufzer blickte Ardo durch das Fenster auf das Land hinaus. „Wo wir bei den Pferden sind, ich werde wohl HIDALGO reiten müssen, den alten Warunker. Mein BOROMIL ist noch mit Mechthild auf dem Weg ins Bornland. Zudem habe ich weder meinen Pagen noch meine Knappin an der Seite. Ich werde wohl wieder beim Stadtkommandanten nachfragen müssen, ob ich mir Hamfast ausborgen kann. Und bei Gelegenheit kümmere ich mich um einen Zweitknappen.“ Mit einer entschlossenen Geste wischte er seine eigenen Bedenken beiseite. „Aber es sei wie es ist. Wir sollten schauen, dass wir weitere Unterstützung bekommen und die Nachbarn warnen, Eslamsroden voran. Praiossanctus, ich muss Greifwin Nachricht senden!“

Hier machte Rondrian eine Geste um ihm das Wort abzuschneiden. „Vielleicht solltest du das besser nicht tun Ardo. Wir wissen nicht wie vertrauenswürdig dieser Zweig deiner Familie ist. Immerhin ist der Finsterkammer einer der Anführer des Verrats. Du bist nur ins Vertrauen gezogen worden, weil du als Garafanist über jeden Zweifel erhaben bist und Urion dich persönlich sehr schätzt. Doch das gilt nicht für alle deine Anverwandten, so schmerzlich das für dich auch sein mag.“

„Greifwin mag mehr als ich auf seinen eigenen Vorteil bei allem bedacht sein, aber er stand immer loyal zur Mark!“ Erregt verteidigte Ardo seinen Vetter und musste sich zusammennehmen den Geweihten nicht ungebührlich anzubrüllen. Zähneknirschend gab er dann jedoch unter dem strengen Blick Rondrians nach. „Zugegeben, er wäre uns im Moment wohl auch keine große Hilfe. Er selbst ist mehr Krämer denn Ritter und seine Position als Baron ist nach wie vor so schwach, dass ihm abgesehen von seinen Geschwistern wohl keiner seiner Vasallen in den Kampf folgen würde. Doch ich fürchte die Entscheidung ihn nicht vor dem falschen Spiel des Nebelsteiners zu warnen, könnte meinen Vetter unwissentlich und ungewollt ins Lager der Verräter treiben.“

„Das ist ein Risiko welches wir eingehen müssen. Wichtiger als wirklich jeden einzelnen Streiter in unsere Reihen zu rufen ist es, den Verräter nicht eher als notwendig davon in Kenntnis zu setzen, dass seine Ränke aufgeflogen sind. Im Moment zieht er mit seinen Truppen vom Finsterkamm in Richtung Wildermark. Wir wissen nicht genau wo er gerade steckt, auch wenn Urion schon Meran auf dieses Problem angesetzt hat. Aber Tilldan schart auf seinem Weg sicherlich die ahnungslosen Vasallen der Greifin und die Landwehren um sich, was ihn Zeit kostet. So lange er sich unentdeckt glaubt, können wir ihn vielleicht noch stellen bevor er die Greifenfurter Gemarkungen verlässt. Ist er aber erst einmal aufgeschreckt wird er jedes weitere Zögern vermeiden und wir werden ihn nicht mehr aufhalten können.“

Ardo nickte einsichtig, wenngleich ihm der Gedanke Greifwin, Praiadne und ihre Brüder im Unwissen zu lassen trotzdem nicht gefiel. „Dann sollten wir trotzdem jene die wir gefahrlos erreichen können möglichst vollzählig unter dem Banner der Greifin versammeln. Zum Beispiel hat Urion Königsgau nicht bedacht. Die Mersingerin, wenn sie denn zugegen ist, aber auf jeden Fall die Königsgauer Junker und Ritter werden mit Sicherheit mit uns ziehen. Auerbach, Waldschatten, die Rübenhainer Ritter, sie alle könnten heute noch alarmiert werden und morgen mit uns nach Rosskuppe reiten.“

„Du hast Recht Ardo, der Gedanke ist uns nicht gekommen. Aber meine vorrangige Aufgabe war es dich zu warnen und an der Greifin Seite zu holen. Dabei bin ich wahrscheinlich sogar an einigen ihrer Höfe vorbeigeritten.“ Jetzt war es an Rondrian sich zu ärgern und er schlug mit Wucht seinen Armstumpf in die rechte Hand. „Du brauchst nicht noch einen Boten schicken, ich werde das auf dem Rückweg persönlich übernehmen und die Königsgauer Ritterschaft nach Niemith rufen. Dort werden wir uns euch anschließen wenn ihr morgen Mittag dort durchkommt. Hier ist alles gesagt und entschieden was ich wissen musste und ich werde es Urion getreulich berichten. Wir sehen uns dann morgen Abend auf dem Marstall.“ Er reichte Ardo und Phexian die Schwerthand und ging eben so schnell wie er gekommen war den Turm hinunter zu seinem Ross. Keine fünf Minuten später hörte man den Geweihten vom Hof traben.

Kressenburger Waffenschau

Kressenburg, Ende Phex 1034 BF

Seit mehr als zwanzig Götterläufen hatte man in dem Marktflecken Kressenburg nicht mehr so viele Bewaffnete auf einmal gesehen. Ein Dutzend Ritter aus der ganzen Baronie samt ihrem Gefolge tummelten sich auf dem Markplatz, und breiteten sich unter dem Banner Ardos darauf vor nach Hexenhain zu reiten.

Der verbitterte Junker Balduin, dessen Bogenschützen aus Kieselbronn einen sehr guten Ruf besaßen und der einst selbst ein begnadeter Bogenschütze gewesen war, bis Waldsteiner Marodeure ihm Anfang des Götterlaufs die Schildhand abgeschlagen hatten. Des Junkers jüngerer Bruder Kasimir und ihr Schwager Alwin, welche den Baron in den letzten Götterläufen schon oft bei anderen Gelegenheiten begleitet hatten. Der grimmige Ritter Wulfhart, der Vater des Barons und in Friedenszeiten Anführer der Kressenburger Ritterschar. Der strenge Ritter Braniborian, dessen praiosfrommer Blick keine Ungerechtigkeit und keinen Müßiggang duldete. Der beleibte Ritter Arnulf, in seiner Jugend ein begeisterter, wenn auch erfolgloser Tjoster, mit dreien seiner Töchter. Isolde, Bärlinde und Wolfhilde, die der alte Imminger selbst zu stolzen Ritterinnen ausgebildet hatte. Der fast greise Ritter Bernhelm, der sein kleines Gut am Rande des Reichsforstes seit beinahe vier mal zwölf Jahren durch allen Unbill der Zeiten seit Kaiser Reto führte. Der junge Eldwin, Gralshüter der Ritter von Korbronn, war ob seiner Aufregung vor dem ersten echten Waffengang seit seinem Ritterschlag wieder so nervös wie dereinst als Knappe. Zum ersten Mal seit dem Orkensturm sah man auch den betagten Vogt Phexian wieder in seiner alten Brünne hoch zu Ross, wenn er auch nur hier war um den Baron und die anderen zu verabschieden. Lediglich Junkerin Faralda fehlte, denn sie weilte mal wieder im fernen Süden, bei einem ihrer dubiosen Bekannten aus ihrer bewegten Jugend.

Zusammen mit ihren Pagen und Knappen bildeten sie eine Streitmacht, die jeden im Ort vor Ehrfurcht staunen ließ und auch dem Baron ging das Herz auf als er seine Vasallen zum ersten Mal vollzählig und kampfbereit versammelt sah. Noch wusste niemand hier worum es eigentlich ging und die meisten Bauern fürchteten sich vor einem erneuten Einfall der Schwarzpelze. Und so sammelte sich viel neugieriges Volk als Ardo vor die in einer Reihe auf dem Marktplatz vor dem Praios-Kloster aufgestellten Ritter ritt und mit lauter, weit tragender Stimme zu sprechen begann.

„Ihr tapferen Männer und Frauen Kressenburgs! Großes Unheil zieht über der stolzen Mark Greifenfurt herauf. Der Meister der Mark hat sich als schurkischer Verräter an Reich und Mark erwiesen. Er hat im Geheimen im ergebene Soldaten ausgehoben und ist nun drauf und dran das Land mit Feuer und Schwert zu überziehen. Seit dem Winter hielt er unseren Prinzen Edelbrecht und weitere treue Ritter auf einer Burg im Finsterkamm gefangen, weil sie seinen Ränken auf die Spur gekommen waren. Der Prinz und seine Getreuen konnten jedoch vor wenigen Tagen entkommen und haben uns eine Warnung geschickt. Der Verräter Tilldan aber schart zur Stunde bereits weitere Truppen um sich. Die Landwehren des Nordens und Ritter, so wie ihr, die von seinem Verrat noch nichts wissen und im Glauben wider die Wildermark zu ziehen vom Finsterkamm gen Süden marschieren. Noch wissen wir nicht was seine Ziel ist und wohin er seine Truppen lenken wird, aber eines ist gewiss: Dass wir uns ihm entgegenstellen werden und dabei keinen Fuß breit märkischen Boden preisgeben werden, auf Gedeih oder Verderben!“

In überraschte und erboste Gesichter blickend machte Ardo eine Pause um Luft zu schöpfen. In den Reihen der Bürger um ihn herum kam Unruhe und lautes Gemurmel auf. Seinen Vasallen und Untertanen diese schlechte Nachricht zu verkünden war ihm nicht leichtgefallen, doch war es seine Pflicht und Aufgabe als ihr Baron und Lehnsherr. Er war sehr froh darüber, dass er ihnen wenigstens einen kleinen Hoffnungsschimmer mit auf den Weg geben konnte und wandte sich bei den folgenden Worten nicht nur den Ritter vor ihm, sondern auch den Menschen um sich herum zu.

„Doch verzaget nicht, ihr tapferen Männer und Frauen Kressenburgs, denn es gibt Hoffnung! Wisset, dass in dieser verzweifelten Stunde, wo das Schild des Reiches zu wanken und zu weichen scheint, unsere geliebte Markgräfin nach langer Krankheit endlich zu uns zurückgekehrt ist!“

Lauter Jubel aus hunderten Kehlen unterbrach Rede des Kressenburger Barons, als Ritter und Bürger wie aus einem Mund ihrer Freude und Erleichterung Luft machten. Ardo musste einige Moment abwarten bis sich alle wieder soweit beruhigt hatten, dass man ihn über das allgemeine Gemurmel wieder hören konnte.

„Die Greifin höchst selbst steht an der Spitze der reichstreuen märkischen Truppen und ruft ihre Getreuen zum Kriegsrat! Zu dieser Stunde strömen Ritter und Bewaffnete wie wir herbei, dem Ruf der Greifin folgend. Unter ihrem Banner ziehen wir gegen den Verräter und mit der Götter Segen werden wir ihn niederwerfen!“

Noch lauter war das Gejohle als Ardo geendet hatte. Seiner Ritter schlugen die Schwerter an die Schilde als würde es just in diesem Moment in die Schlacht gehen. Er genoss den erhebenden Anblick seiner Gefolgsleute und gab ihnen dann das Zeichen sich marschbereit zu machen. Während die Ritter sich vorbereiteten, lenkte der Baron sein Pferd neben seinen Vogt, der ihn mit einem aufrichtigen Lächeln begrüßte. „Du verstehst es zu begeistern mein Junge.“

„Motivation ist so wichtig wie die reine Kampfkraft, das lernt man schnell in der Armee. Vor allem bei den öden Nachtwachen. Ich hoffe darauf, dass dieser Kampfeswille uns Stärke und Flügel verleiht. Denn Tilldan wird deutlich mehr Truppen um sich scharen können als wir und er ist uns einige Tage voraus.“ Ardos Miene zeigte Besorgnis und Unsicherheit ob der vor ihnen liegenden Aufgabe. „Wenn wir das Glück haben ihn noch auf märkischen Boden stellen zu können, werden wir Rondras ungeteilte Aufmerksamkeit und ihres ganzen Wohlwollens bedürfen, um den Reichsverräter auf offenem Feld schlagen zu können. Wir müssen darauf vertrauen, dass die Greifin seinen unwissenden Gefolgsleuten die Augen öffnet und sie auf unsere Seite zieht bevor es zum Kampf kommt. Aber die wahren Verräter werden sich wohl kaum kampflos unserer Gnade ergeben, dafür sind sie zu weit gegangen.“

Phexian nickte nachdenklich und sah dann die Straße hinab. „Also brecht ihr nun auf?“

„Das tun wir. Aber ich möchte dich noch einmal bitten die Landwehr so schnell wie möglich nach Greifenfurt zu führen. In neun Tagen sollen alle hier versammelt sein, am zwölften Tag erwarte ich euch in Greifenfurt. Sieh zu, dass der Tross bis dahin steht und ihr nur noch die Nachzügler ausrüsten müsst. Ich hätte die Landwehr gerne selber angeführt wo ich sie schon mondelang ausgebildet habe, aber muss einfach dabei sein wenn die weiteren Schritte entschieden werden. Allein um zu zeigen, dass nicht alle aus meiner Familie Verräter sind. Es ist schlimm genug, dass der Finsterkammer sich als ein solcher erwiesen hat. Deswegen kann ich nicht auf die Landwehr warten.“

„Und ich nehme an diese Ehre wird mir zuteil, weil ich jeden Kressenburger seit Geburt und mit Namen kenne, wie es manches Mal hinter meinen Rücken gesagt wird?“

„Genau.“ Unwillkürlich musste Ardo lächeln. Natürlich kannte Phexian diese Sprüche, auch wenn ihm dies nie jemand ins Gesicht gesagt hätte. So gut wie nichts in Kressenburg blieb dem tüchtigen Vogt verborgen. Manchmal war dem Keilholtzer das fast unheimlich. „Dich kennen die Leute und du bist ihnen seit vielen Götterläufen ein vertrautes Gesicht. So entsteht am wenigsten Unruhe, denn wenn die erste Euphorie in ein paar Stunden verflogen ist, werden bei den Leuten die alten Sorgen wieder aufbrechen. Bring die Truppe vollzählig zur Stadt, damit wir unsere Pflicht für die Mark erfüllen können.“

„Wohlan, dann reite mit meinem Segen Junge. Wir kommen so schnell es geht hinterher.“

Ardo nickte seinen ehemaligen Schwertvater dankbar zu, schwenkte sein Pferd scharf um und setzte sich neben Junker Balduin an die Spitze seiner Ritterschar. Alle senkten die Köpfe für ein letztes Gebet vor dem Praios-Kloster, von dessen Stufen aus Prätor Badilak ihnen Praios’ Segen mit auf den Weg gab. Dann ritten der Baron und seine Getreuen unter dem Jubel der Städter an und folgten dem Verlauf der Hauptsraße den Berg hinab. Hinter den Knappen und Pagen reihte sich Bruder Praiomel ein, den der Kressenburger Lichthüter den Ausziehenden als seelischen Beistand im Feld mitgegeben hatte. Bis zum Stadttor rannten ihnen die Kinder nach und im Zwergenviertel säumten viele Angroschim den Weg um ihnen zuzuprosten. Hinter dem Stadttor bog die Gruppe auf die Straße nach Greifenfurt ein und schon nach wenigen Minuten waren die Ritter hinter der nächsten Hügelkuppe verschwunden.

Die Dorfbewohner aber machten sich nach und nach auf und gingen in ihre Handwerksstuben oder auf die Äcker. Krieg hin oder her, Sensen mussten geschmiedet, Tische gehobelt, Schuhe besohlt und die Felder bestellt werden, bevor in ein paar Tagen die kräftigsten Männer und Frauen für den Baron in den Kampf zogen. Aber so war es schon immer gewesen, ob gegen den Ork, falsche Kaiser oder den schrecklichen Feind im Osten.

Die Kressenburger kommen

Edlengut Rosskuppe, Ende Phex 1034 BF

Die sich nähernde Reitertruppe war durchaus beeindruckend. Wohl zwei Dutzend Ritter und ihr Gefolge ritten in Zweierreihe von Donfanger kommend auf das Gut Rosskuppe zu. Die Panzer und Kettenhemden spiegelten sich im Schein der untergehenden Abendsonne und ab und an sah man eine Lanzenspitze aufblitzen.

Die Neuankömmlinge waren schon lange bevor sie in Sichtweite des Edlengutes gekommen waren von einem umherstreifenden Pferdeknechte entdeckt und gemeldet worden. Nur auf die Wappen hatte der Junge in seiner Aufregung nicht geachtet. Inzwischen war alles auf dem Gut in Alarmbereitschaft versetzt worden, denn es waren unruhige Zeiten und kaum jemand konnte sich dieser Tage über Freund und Feind wirklich sicher sein. Auf der letzten Hügelkuppe vor Gut Rosskuppe hielt der Tross an, denn die Reiter schienen das hektisch geordnete Durcheinander welches sie verursacht hatten bemerkt zu haben. Einer der beiden Reiter an der Spitze schien einen Befehl zu rufen, woraufhin ihm aus den hinteren Reihen eine Stange mit einem großen Banner gebracht wurde. Sorgsam entrollte der Ritter die Fahne und bugsierte die Stange dann in seine Stiefelschaft um sie auf dem Pferd besser handhaben zu können, bevor alle ihre Pferde wieder in Trab versetzten. Über dem Reiter an der Spitze strahlte nun im rötlichen Schein der letzten Sonnenstrahlen auf dunkelgrünem Grund ein Amboss unter zwei gekreuzten Schmiedehämmern in Gold.

Erleichtert lächelnd blickte Urion zu seiner Frau, die mit ihm auf der Wehrmauer stand. „Die Kressenburger kommen!“

Eine starke Truppe

Edlengut Rosskuppe, Ende Phex 1034 BF

Urion gab den Schützen und Speerträgern Befehl wegzutreten und stürmte dann zum schweren Eichentor, das langsam von den Wachen aufgezogen wurde. Er saß auf sein Schlachtross auf und trieb es vorwärts, den Reitern entgegen.

„Bei Rondra, Ardo von Keilholtz, noch nie war ich froher dein Banner wehen zu sehen. Ich grüße auch Euch ihr Edlen der Mark, die Ihr der Greifin Ruf so treu gefolgt seid.“ Er verneigte sich leicht im Sattel und wies in Richtung der untergehenden Praiosscheibe. „Lasst uns zum Marstall reiten. Mein Verwalter wird euch Euer Quartier zuweisen, die Knappen könne die Zelte gleich seitlich vom Tor aufbauen.“

Während die ganze Kavallkade gen Efferd einschwenkte gesellte sich auch Renzi zu ihnen und begrüßte Ardo und die Ritter freundlich.

„Es ist gut, dass du so schnell kommen konntest Ardo, spätestens übermorgen erwarte ich die restlichen Landwehren aus dem Süden und in drei Tagen sollte auch die Greifin hier sein. Meine Späher sind in der ganzen nördlichen Breitenau unterwegs und überwachen jeden Weg. Dazu kommen noch Fußpatrouillen und Jagdtrupps. Einer davon hat deine Annäherung bemerkt und uns gewarnt. Ich freue mich, dass du gleich die schwere Kavallerie zusammengezogen hast. Eine solch starke Truppe werden wir brauchen, denn nach meinen Berechnungen sind wir dem Verräter weit unterlegen. Sag, was konntest du in der Kürze der Zeit noch alles mobilisieren?“

„Rondrian hat zur Eile gemahnt, also habe ich alles stehen und liegen lassen, um zu dir zu eilen.“ Mit ein wenig Stolz zeigte er auf die Reitertruppe hinter ihnen. „Neben der Kressenburger Ritternschaft habe ich noch ein halbes Dutzend aus Königsgau mitgebracht. Die Pfalzgräfin hat sie meinem Befehl unterstellt, zumindest bis ich sie den Truppen der Greifin zu geführt habe, denn die Mersingerin ist keine Frau des Schwertes und wird in Niemith bleiben. Allerdings hat sie zugesagt eine größere Lieferung für die Versorgung von Tross und Truppen zusammenzustellen. Ansonsten wird vor allem noch die Landwehr zu uns stoßen, die Königsgauer und in Greifenfurt meine Kressenburger. Mein Vogt wird sie zur Stadt führen wenn alle Kämpfer beisammen sind.“

„Das ist mehr als ich erwartet habe. Ich hoffe nur, dass Phexian sich mit den Truppen nicht zu früh vor Greifenfurt blicken lässt. Reto und ein paar Getreue sind in der Stadt und ein Banner Langschwerter. Reto ist sich sicher, dass sie auf unsere Seite kommen. Ferner hat der Meister der Mark überall seine Informanten. Er soll so spät wie möglich von unseren Absichten erfahren. Meran ist bereits unterwegs um ihn auszuspähen. Wenn es sein muss auch mittels Magie. Du kennst sie ja.“

„Dann werde ich Phexian noch einmal Nachricht schicken, dass er mit der Landwehr in Tsanau warten soll, bis wir aufbrechen. Ich hoffe Meran findet den Verräter schnell genug, damit wir noch rechtzeitig verhindern können, was immer er auch planen mag.“

Sie hatten den Marstall erreicht und Ardo konnte beiderseits des großen Eichentores viele bunte Zelte erkennen. Überall brannten Lagerfeuer an denen vereinzelt Männer und Frauen herumstanden. Gleich neben dem Tor stand ein großer Leiterwagen, an dem die Mägde des Marstalls aus großen Kupferkesseln Suppe Ausgaben.

Als sie den Innhof erreicht hatten hob Urion die Hand und wandte sich der Rittern zu. „Ardo, ihr edlen Herren und Damen ich bitte Euch mir in die große Halle zu folgen. Ich werden allen Edlen die neusten Informationen geben und dann müssen wir unser Vorgehen in den nächsten Tagen beraten. Wenn die Greifin hier eintrifft, muss alles marschbereit sein.“

Der Keilholtzer gab den Reitern das Zeichen abzusitzen. Die Zügel wurden den Pagen und Knappen übergeben, die die Tiere wegführten, während die Ritter Urion und Renzi folgend das Haus betraten.

Ritter Hagen

Auf dem Ingerimmsturnier zu Eslamsgrund

Hagen von Hartwalden-Hartsteen erhält seinen Ritterschlag durch Linnart von Hartweil und begibt sich nach Greifenfurt zu seiner Verlobten.

Eslamsgrund, 1. Ingerimm 1035 BF

Scheppernd schlugen die Schilde der beiden letzten Kontrahenten zusammen. Die Pferde der Reiter wichen keinen Zentimeter zurück und so war es für einige Augenblicke ein stummer Ringkampf purer Kraft. Schließlich setzte sich der größere Kämpfer durch und verschaffte sich eine Lücke in der Deckung seiner Gegnerin. Er zögerte nicht und gleich darauf prallten seine Schläge wuchtig gegen den Helm der jungen Frau, die ihr Schwert zu spät zur Abwehr erhoben hatte. Erschrocken lenkte sie ihr Pferd zur Seite um von dem überlegenen Kontrahenten wegzukommen, doch dieser setzte entschlossen nach um sich den errungenen Vorteil nicht wieder nehmen zu lassen und setzte weitere Treffer. Schließlich ließ das Mädchen als Zeichen der Aufgabe und um sich besser halten zu können ihr Schwert fallen und glitt halb benommen aus dem Sattel.

Jubelnd riss sich Hagen den Helm vom Kopf und das stumpfe Kurzschwert in die Luft und machte seiner Freude mit einem lauten Aufschrei Luft. Als letzter der angetretenen Knappenschar saß er noch auf seinem Ross und durfte nun als Sieger des Knappenbuhurts an der Tjost der Ritter teilnehmen. Eine größere Ehre konnte sich der junge Schlunder nicht vorstellen. Mit stolzgeschwellter Brust und pochendem Herzen ritt er zur Ehrentribüne wo er vom warmen Applaus und vereinzeltem Jubel der Zuschauer empfangen wurde.

Nach der offiziellen Ehrung beeilte sich Hagen abzusteigen und zu seinem Schwertvaters zu gelangen. Der hoch hängende Wimpel mit der weißen Hand auf rotem Grund wies ihm den Weg durch das Gewirr der Menschen, die ihm immer wieder anerkennend auf die Schultern klopften und aufmunternd zuriefen. Kurz vor seinem Ziel bildete sich eine Gasse durch die er auf den alten Ritter zuschritt.

„Ich gratuliere dir Hagen. Du hast dich beachtlich gut geschlagen.“ Der Stolz schwang in Ritter Linnarts Stimme unüberhörbar mit. „Keiner meiner Knappen oder der Knappen meiner Schwester hat es bisher geschafft solch ein bedeutendes Turnier für sich zu entscheiden. Noch dazu in so beeindruckender Manier wie du es getan hast. Egal wie du nachher in der Tjost abschneidest, für alle Knappen des Reiches wird diese Saison Hagens Jahr sein!“ Zustimmendes Gemurmel erhob sich aus den Reihen der Umstehenden.

Demütig senkte der Gelobte das Haupt vor seinem inzwischen weißhaarigen Schwertvater. „Alles was ich kann habt Ihr mich gelehrt. Es ist Euer Sieg noch mehr als der meine.“

Der alte Mann lacht jovial. „Zuviel der Ehre mein Junge. Bei deinen Anlagen musste einfach ein guter Turnierreiter aus dir werden. Ich habe nur geformt was Rondra mir gegeben hat. Bei den Zwölfen, die weißt gar nicht wie stolz ich auf dich bin.“ Hagen sah auf doch wandte er den Blick sogleich wieder ab als er die feuchten Augen des alten Ritters sah. „Nun ist als eingetreten wovor ich mich fast ein wenig gefürchtet habe und es bleibt mir nur noch eines zu tun.“ Verständnislos blickte der Knappe zu seinem Ritter auf.

„Knie nieder, mein Sohn.“ Diese Worte aus dem Mund des kinderlosen, ewigen Junggesellen ließen Hagen hart schlucken. Ohne ein Wort folgte er der Anweisung seines Schwertvaters und unter den Umstehenden erhob sich gedämpftes Gemurmel in Erwartung des folgenden Geschehens. Die Stimme des alten Ritters war erst brüchig, wurde jedoch mit jedem Wort fester als er langsam das Schwert aus der Scheide zog und es über dem Kopf des vor ihm knienden Knappen schweben ließ. „Hagen von Hartwalden-Hartsteen, sechs Götterläufe lang warst du mein treuer und gehorsamer Knappe. Vor diesen Zeugen hier entlasse ich dich nun aus meiner Obhut und als Ritter Hagen sollst du fortan bekannt sein.“ Während er sprach ließ Linnart die Schwertspitze langsam auf die Schultern des Knienden sinken. „Sei Schild und Schutz der Schwachen, sei stets ehrenvoll im Kampf und verteidige die Gebote der Zwölfe wo und wann immer es nötig ist.“ Mit einem leisen metallischen Schleifen glitt die Klinge zurück in die Scheide. „Nun erhebe dich Ritter Hagen und erhalte den letzten Schlag den du im Leben ungesühnt hinnehmen darfst und musst.“ Der junge Ritter tat wie ihm geheißen. Festen Blickes wappnete er sich, als er des weit ausgeholten Arms seines Schwertvaters gewahr wurde. Laut klatschte die flache Hand Linnarts auf Hagens linke Wange. Hagen wankte einen Moment und musste kleine Sterne wegblinzeln, aber unter dem Jubel der Umstehenden fing er sich sofort wieder. Mit einem Lächeln trat der alte Hartweiler jetzt heran und schloss seinen ehemaligen Knappen freudig in die Arme.

Auf der Kabinettstjoste zu Grambusch

folgt

Keilholtzer Neuanfang

Abrechnung

Ardo sagt sich nach Bekanntgabe der Abstimmungsergebnisse noch in Grambusch von Patriarch Bogumil los.

Rückkehr aus Grambusch

Zurück in Kressenburg wird Ardo von Babygeschrei empfangen. Sein Sohn und Erbe wurde in seiner Abwesenheit geboren.

Eine kleine Bitte

Die Junkerin von Dreihügeln bittet Ardo ihre Tochter Rahjamunde aus Wandtleth abzuholen, damit sie ihre Ausbildung zur Kunstschmiedin bei den Zwergen in Kressenburg fortsetzen kann.

Notwendige Entscheidungen

Ardo verhandelt mit den Zwergen und schickt seinen Vater an seiner statt in den Schlund.

Vaterfiguren

Wulfhart und Rahjamunde auf der Rückreise

Hochzeit auf Dreihügeln

DEUS VULT

Ein Tempel für Answin

Der Illuminatus knüpft die finanzielle Unterstützung für den tempelneubau in Kressenburg an Bedingungen.

Eine Geweihte für Breitenhain

Der Dergelsteiner entsendet eine junge Geweihte nach Sertis und gibt ihr eine spezielle Aufgabe mit auf die Reise.

Die Blaue Sau

Kressenburger Aufruf zur Jagd

Baron Ardo läd seine Freunde zu einer Jagdgesellschaft in den Kressenburger Forst.

Rückkehr eines Barons

Ein verschollen geglaubter Adliger kehrt aus den Tiefen des Reichsforstes zurück.