Benutzer:Robert O./Briefspiel: Unterschied zwischen den Versionen

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Schließlich machte das Schiff an der Pier fest und Yppolita bezahlte den Kapitän für die Reise aus. Anschließend begaben sie sich in die Magierakademie.
 
Schließlich machte das Schiff an der Pier fest und Yppolita bezahlte den Kapitän für die Reise aus. Anschließend begaben sie sich in die Magierakademie.
 
== Draconiter verlassen Immingen ==
 
'''Phex 1034 BF'''
 
 
Mehr als ein Jahrzwölft liegt es nun zurück, dass das kleine Dorf Immingen in der beschaulichen Greifenfurter Baronie Kressenburg am Rande des Reichsforstes im Ingerimm des Jahres 1022 BF zum Schauplatz eines Angriffs Namenloser Paktierer wurde. Damals sollen diverse Schwarzmagier versucht haben, eine Lücke im Sphärengeflecht zu schaffen um einen einzelnen Buchstaben vom Namen des Namenlosen (unheilig!) zu erfahren. Zwar konnte der Frevel mit Mühe vereitelt und die Kultisten vertrieben werden, doch blieb die Struktur der Sphären an diesem Ort fragil. Im Zuge der Absicherung des verderbten Kultplatzes, an welchem der massive Angriff auf die Sphärengrenzen verübt wurde, und als Folge eines nur wenige Götternamen später erfolgten zweiten Übergriffes, waren zuletzt ein Dutzend profane, arkane und klerikale Brüder- und Schwestern des [[Heiliger Draconiter-Orden|Draconiter-Ordens]] unter Führung der Präzeptorin [[Greifenfurt:Beychaliban al-Siskir|Beychaliban al-Siskir]] im abgelegenen Immingen stationiert. Heute thront ihr wehrhafter Hort über dem bescheidenen Gut der Ritter von Immingen und garantierte bis zuletzt die Sicherheit der ansässigen Bauern.
 
 
Nun jedoch liegt das Gemäuer verlassen, denn alle Ordensmitglieder haben Immingen Anfang Phex, fast überstürzt wie man hört, in Richtung der [[Garetien:Madaburg|Madaburg]] gen Gareth verlassen. Erzäbtissin [[Garetien:Canyraith von der Lohe|Canyraith von der Lohe]] erklärte auf Nachfrage, das angegriffene Sphärengeflecht in Immingen habe sich inzwischen regeneriert, und die Anwesenheit der Brüder und Schwestern sei nicht länger von Nöten. Gerüchteweise sind einige der abberufenen Ordensmitgliedern bereits mit neuen Aufgaben im noch immer besetzten östlichen Teil des Reiches betraut worden, auch wenn Fragen darüber von Dero Ehrwürden nur mit eisernem Schweigen beantwortet werden.
 
  
 
== Leomaras Geburtstag ==
 
== Leomaras Geburtstag ==
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Die Dorfbewohner aber machten sich nach und nach auf und gingen in ihre Handwerksstuben oder auf die Äcker. Krieg hin oder her, Sensen mussten geschmiedet, Tische gehobelt, Schuhe besohlt und die Felder bestellt werden, bevor in ein paar Tagen die kräftigsten Männer und Frauen für den Baron in den Kampf zogen. Aber so war es schon immer gewesen, ob gegen den Ork, falsche Kaiser oder den schrecklichen Feind im Osten.
 
Die Dorfbewohner aber machten sich nach und nach auf und gingen in ihre Handwerksstuben oder auf die Äcker. Krieg hin oder her, Sensen mussten geschmiedet, Tische gehobelt, Schuhe besohlt und die Felder bestellt werden, bevor in ein paar Tagen die kräftigsten Männer und Frauen für den Baron in den Kampf zogen. Aber so war es schon immer gewesen, ob gegen den Ork, falsche Kaiser oder den schrecklichen Feind im Osten.
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==Kressenburger Stadtgeflüster==
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===Praios’ Wille===
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Gespräch zwischen Phexian von Kieselholm und Badilak von Praiostann im Praios 1034 BF über den neuen Praiostempel.
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„Was soll das heißen der Baron ist nicht anwesend?“ Der Lichthüter wäre fast von seinem Stuhl aufgesprungen, bewahrte jedoch im letzten Moment die Fassung. Gerade gegenüber dem Vogt wusste er, dass er sich keine Blöße geben durfte. Aber er wartete nun schon seit Wochen darauf dieses Gespräch zu führen und jedes Mal war der junge Keilholtz wegen irgendeines fadenscheinigen Grundes nicht zu sprechen. „Gestern bei den Praiostagsfeierlichkeiten war er sehr wohl zugegen. Wo bitte ist er denn abgeblieben?“
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„Verzeiht das Ungemach Ehrwürden, doch Seine Hochgeboren ist auf dem Weg nach Hundsgrab. Er folgt einer Einladung des Junkers von Pechackern und dem praiosgefälligen Bund des Garafan, in dessen Reihen er dorten aufgenommen werden soll.“ Phexian ließ sich mit keiner Regung anmerken, wie sehr ihn die Unwissenheit des obersten Praios-Geweihten Kressenburgs belustigte. Auch, dass Badilak von Praiostann nun bereits zum dritten Mal umsonst vorstellig geworden war schien dem alten Vogt ein ausgesprochen amüsanter Schachzug Phexens zu sein und er konnte es sich nicht verkneifen Salz in die Wunde zu streuen. „Hernach wird Seine Hochgeboren in Eslamsroden weilen wo er im Auftrag des Meisters der Mark die Ausbildung der Landwehren leitet. Wenn Ihr ihn also noch vor der Ernte sprechen möchtet, so müsstet Ihr Euch nach Broien bemühen.“
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„Ich werde nichts dergleichen tun!“ Wütend fuhr die Faust des Geweihten auf den Tisch. „Bin ich denn ein Laufbursche? Wenn Seine Hochgeboren nicht zu sprechen ist, dann werdet eben Ihr Euch anhören was ich zu sagen habe. Immerhin seit Ihr der Vertreter und habt als Vogt alle Vollmachten. Oder hat der junge Keilholtz Euch etwa an die kurze Leine genommen?“ Ein herausforderndes Glitzern trat in seine Augen.
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Phexian erwiderte den Blick ruhig und äußerlich gelassen, aber die unterschwellige Beleidigung durch den Praiostann wurmte ihn. „Seid versichert Ehrwürden, dass ich in Abwesenheit des Barons weiterhin die volle Entscheidungsgewalt habe um die Baronie zu Praios’ Wohlgefallen zu führen. Was immer Ihr Seiner Hochgeboren zu sagen habt könnt Ihr mir anvertrauen und ich werde es ihm getreulich weitergeben.“
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„Schön, sehr schön.“ Badilak strich sich das Gewand zurecht, das durch seinen kleinen Ausbruch ein paar unerwünschte Falten geworfen hatte. „Ich habe nämlich in den letzten Monden mehr und mehr den Eindruck gewonnen, dass es um die Gunst und das Wohlgefallen des Götterfürsten hinsichtlich Kressenburgs nicht sonderlich gut bestellt ist. Diesen Zustand halte ich für untragbar und verlange, dass dem Abhilfe geschaffen wird.“
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„Darf ich erfahren, wodurch sich Eurer Eindruck gefestigt hat, dass Herr Praios mit uns unzufrieden ist?“ Phexians Stimme war vorsichtig, fast lauernd..
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„Es ist doch ganz offensichtlich!“ Der Prätor stand erneut kurz vor einem Ausbruch, weil der alte Kieselholmer ihm offensichtlich nicht folgen konnte. Oder wollte, was er bei einem Spross dieser von Praios verlassenen Familie eher annahm. „Wenn Ihr die Zeichen nicht erkennt, was wahrscheinlich von einem einfachen Mann auch zu viel verlangt ist, so will ich sie Euch nennen.“ Wieder beobachtete er genau wie seine Spitze auf den Vogt wirkte. Vielleicht war es sogar besser, dass der junge Baron nicht anwesend war, so konnte er den Kieselholmer endlich einmal in seine Schranken weisen.
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Phexian bemühte sich um Ruhe. In ihm brodelte es, doch nach außen strahlte er nichts als interessierte Gelassenheit aus. „Ich bitte darum, Ehrwürden. Erleuchtet mich.“
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„Ich werde mich bemühen, auch wenn ich da wenig Hoffnung hege.“ Badilak verzog die Lippen zu einem Hohnlächeln. Die Wortwahl seines Gegenüber machte ihm deutlich, dass seine Kritik an der Lehensführung wohlgetroffen hatte. „Nehmen wir als erstes die Umtriebe der Druiden, welche zudem ihren Ursprung in Eurer Familie haben, zumindest teilweise.“ Wieder weidete sich der Prätor einen Moment am Unwillen des Vogtes der die Lippen fest aufeinander presste um keine ungehörige Erwiderung zu geben. „Zwar haben ich, mit ein wenig Hilfe durch den Baron und Eurer Anverwandten, einen dieser Schwarzmagier im letzten Götterlauf unschädlich machen können, doch ist uns auch einer vom Scheiterhaufen entwischt und das wäre ihm ohne Hilfe weiterer Schwarzkünstler nicht möglich gewesen. Ohne jeden Zweifel streunen sie noch immer in den Wäldern herum und warten nur auf die nächste Gelegenheit uns götterfürchtigen Menschen zu schaden.“
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Der Lichthüter machte eine Pause um Phexian Gelegenheit zu geben sich über die Anschuldigungen und Andeutungen wider seine Familie zu beschweren, doch der Vogt setzte sich nur bequemer hin, da er erwartete noch eine längere Liste zu hören zu bekommen. „Bitte fahrt fort Ehrwürden, ich bin ganz Ohr.“
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„Wie Ihr wünscht. Eine Sache an die ich Euch wohl kaum erinnern brauche ist die Situation in Immingen. Es ist keine zwölf Götterläufe her, als der Namenlose selbst dorten der Entfesselung durch seine Anhänger gefährlich nahe war. Ich bin mir bewusst, dass sich die Draconiter diesem Ort angenommen haben. Aber unter ihnen sind auch Magier, die ich für denkbar ungeeignet halte sich an solch einem Ort der Versuchung aufzuhalten. Zumal ich das Problem für einen solchen Orden mit begrenzten Mitteln und weitläufigen Zielsetzungen für nicht dauerhaft lösbar halte.“ Badilak machte keinen Hehl aus seiner geringen Meinung. Seine Stimme troff förmlich vor Überheblichkeit. „Ich bin mir sicher, dass sie bald das Interesse an Immingen verloren haben werden und uns mit diesem ungelösten Problem zurücklassen.“
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„Die Brüder und Schwestern haben uns bisher sehr geholfen, Ehrwürden. Ihren Einsatz als Fehlschlag herabzuwürdigen käme mir anmaßend vor. Zumal es seit dem zweiten Angriff keine weiteren Vorfälle mehr gegeben hat.“ Phexian war ehrlich erstaunt, dass der Praiostanner den Hesinde-Geweihten eine Lösung des Problems nicht zutraute. Es war offensichtlich, dass es den Praioten ärgerte, dass der Imminger damals nicht die Kirche des Götterfürsten zur Hilfe gerufen hatte.
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„Der nächste kritische Punkt ist die stete Ausweitung der Wildermark“, fuhr der Prätor erbost über den Widerspruch fort. „Inzwischen kommen die Verbrecher auch zu uns nach Kressenburg, obgleich wir abgelegen und weit weg scheinen. Erst im letzten Rahja wurde wie Ihr wisst eine Band Rauschkraut-Schmuggler gestellt und gerichtet. Hierbei hat Seine Hochgeboren zwar beeindruckende Entscheidungsfreudigkeit gezeigt, doch bin ich besorgt über sein Rechtsverständnis und die Selbstverständlichkeit mit der er sich bei der Aburteilung des Hagenbronners über gängige Rechtspraktiken hinweggesetzt hat. Ich fürchte um seine Seele wenn er sich in solche Nähe zum Herren der Rache begibt.“
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„Ardo hat völlig korrekt gehandelt und der Meister der Mark hat sein Urteil bestätigt! Zudem wurde sämtliches Schmuggelgut Euch überstellt um eine zukünftige Verwendung zu unterbinden.“ Der Vogt nahm sich mit Mühe zurück. Die Anschuldigungen waren natürlich haltlos, da Ardo in den Augen aller auf die es ankam richtig gehandelt hatte. Selbst die Praios-Kirche hatte den Vorfall bisher kommentarlos abgenickt. Des Prätors jetziger Vorstoß war in seinen Augen eine unerhörte Eigenmächtigkeit.
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Badilak indes lächelte. Hier also war der wunde Punkt des alten Mannes. Die Vorwürfe gegen sich und seine Familie kannte er und wusste sie einzuordnen aber einen Angriff auf seinen ehemaligen Knappen schien er nicht so kaltblütig hinnehmen zu können.
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„Ob das Handeln des Barons vor Praios’ Augen korrekt war kann weder der Meister der Mark noch dieser Laienorden in den Seine Hochgeboren nun wohl als Belohnung für sein Handeln aufgenommen werden soll wirklich beurteilen. Die Kirche des Götterfürsten hält sich indes eine abschließende Beurteilung noch vor, aber ich will nicht in Abrede stellen, dass der Baron im Glauben, das Beste für die Mark zu tun, gehandelt hat. Gleichwohl“, sprach er mahnend den Finger hebend weiter, „müssen wir bedenken und beobachten welche Folgen seine Taten auf die Einigkeit nicht in der Mark sondern im Reich haben. Denn ich bezweifle, dass gerade die Waldsteiner der Rechtsauffassung seiner Hochgeboren und des Meisters der Mark folgen werden. Hier ist Zwietracht gesät wo wir sie nicht gebrauchen können, dräut uns im Osten doch ein größerer Feind.“
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Wieder nahm der Vogt das Gehörte wortlos in sich auf. Widerworte, hatte er erkannt, fruchteten beim Lichthüter nicht, so begründet sie auch waren. Der Prätor war mit einem klaren Ziel hierher gekommen und Phexian wartete ungeduldig darauf, wann sein Gesprächspartner den eigentlichen Grund seines Kommens offenbaren würde.
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„Zudem ist mir zu Ohren gekommen“, wechselte Badilak scheinbar zusammenhanglos das Thema, “dass Seine Hochgeboren nach seiner Belehnung vollmundig versprochen hat dem Götterfürsten seinen Dank auszudrücken. Ein Fest zu seinen Ehren wollte er ausrichten, doch habe ich bisher weder von eine Feier gehört, noch habe ich Vorbereitungen dazu wahrgenommen. Das lässt mich befürchten, dass der Baron seine Versprechen und Verpflichtungen Praios gegenüber nicht sonderlich ernst nimmt oder aber nicht in der Lage ist diese zu erfüllen.“
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Phexian schwieg zuerst weiter, doch dann wurde offensichtlich, dass der Prätor nun eine Erwiderung erwartete. Der Vogt zögerte, denn die Beweggründe Badilaks waren ihm nicht gänzlich offenbar. Der Lichthüter wollte etwas von Ardo, etwas Großes und Wichtiges. Aber was?
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„Ihr seid also hier um den Baron daran zu erinnern, dass er dem Götterfürsten noch ein Festmahl schuldig ist?“
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„Wenn man es so will“, meinte Badilak listig, „ist ein Fest tatsächlich Teil dessen was Praios von Seiner Hochgeboren erwartet. Denn was wäre eine Tempelweihe ohne eine angemessene Feier?“
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„Ein Tempel?“, fragte Phexian ungläubig. Der Vogt glaubte seinen Ohren nicht trauen zu können. „Einen neuen Tempel für den Götterfürsten? Aber warum? Euer Kloster ist doch jetzt schon das größte Götterhaus in Kressenburg. Und wie glaubt Ihr sollen wir das bezahlen? Die Baronie wirft kaum genug ab um alle die darin wohnen zu ernähren und die vorhandenen Tempel und Schreine zu unterhalten. Euer Fest könnt Ihr meinethalben haben, aber wir können keinen Tempelneubau stemmen ohne Kressenburg auf Generationen zu ruinieren.“
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„Baut meinem Herren ein neues Haus, damit sein Name und jedes Gebet an ihn wieder mit Ehrfurcht gesprochen wird! Wie Ihr das anstellt ist mir völlig gleichgültig, Kieselholm.“ Badilaks Stimme war kalt wie Eis. „Aber Praios wird sich angesichts der Zustände in diesen Landen nicht mit weniger zufrieden geben als ich in seinem Namen verlangt habe.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem fast diabolischen Lächeln als er sich zum Gehen erhob. „Sagt dem jungen Keilholtz, es sei eine jener Questen denen er anscheinend so gerne nachjagt, dann ist er vielleicht zugänglicher wenn Ihr ihm Praios Wunsch mitteilt. Sollten die Belange des Götterfürsten aber weiterhin so sträflich missachtet werden, könnt Ihr Euch sicher sein, dass die Kirche die Fähigkeit des Barons, und auch Euer Urteilsvermögen in dieser Sache, einer eingehenderen Untersuchung unterziehen wird.“
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„Ich nehme Euch beim Wort Ehrwürden.“ Phexian hatte sich schnell gefangen und seine Stimme war so nüchtern und berechnend wie immer wenn er ein Geschäft abschloss. Nachdem der Praiostanner seine höfliche Maske hatte fallen lassen und die unverhohlene Drohung in den Raum gestellt hatte war ihm klar, dass sein Schützling diesmal ein Problem hatte vor dem er nicht einfach zum nächsten Turnier davon reiten oder zu seinen Freunden flüchten konnte.
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„Das solltet Ihr auch! Praios mit Euch.“
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Mit diesem kurzen Gruß wandte sich der Lichthüter zur Tür und ließ den verhassten Vogt allein zurück.
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=== Efferds Ungemach ===
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Eine verregnete Ernte Ende Efferd 1034 BF
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=== Angroschs Wunsch ===
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Die Kressenburger Zwerge um Durac, Sohn des Dugramm, debattieren über die Möglichkeit eine Binge zu eröffnen oder anderweitig mehr Freiheiten zu bekommen.
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=== Firuns Grimm ===
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Ein besonders kalter Winter 1034 BF sucht das südliche Greifenfurt heim.
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=== Golgaris Ernte ===
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Verluste der Schlacht am Stein im Ingerimm 1034 BF
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=== Phexens Anteil ===
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Phexian zerbricht sich den Kopf wie das alles bezahlt werden soll und findet eine Lösung.
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=== Travias Heim ===
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Gespräch am Rande der Hochzeitsfeierlichkeiten im Praios 1035 BF zwischen Ardo und der Greifin.

Version vom 12. April 2012, 11:13 Uhr

Der Lauf der Zeit

Über die Sorgen eines Barons und den Nutzen eines Magiers

Es war bereits tief in der Nacht, als Ardo in dem kleinen Arbeitszimmer hoch oben im südwestlichstem Turm saß und bei Kerzenschein die letzten Seiten des Abrechnungsbuches studierte. Das war beileibe nicht seine Lieblingsbeschäftigung, aber er wollte mit eigenen Augen sehen, warum sein Vogt dieser Tage immer wieder mürrisch erwähnte, dass man bald zum Svellter gehen müsse, wenn der junge Baron seine Verschwendungssucht nicht demnächst zu zügeln verstünde. Tatsächlich musste Ardo erkennen, dass er in den Götterläufen seit seinem Amtsantritt über seine Verhältnisse gelebt hatte, obschon das beileibe nicht an seinem Lebensstil lag. Aber fast alles was er in dieser Zeit angefangen hatte kostete die Baronie Taler und Dukaten, die nun in seiner Tasche fehlten. Der Ausbau der Wege gen Eslamsroden, das Anlegen der neuen Wehrhecke sowie der Bau des neuen Zollturms an der Grenze zu Waldstein und die Umsiedlung der dafür benötigten Fronbauern. All das sollte sich bald für die Baronie und natürlich auch für sein Säckel auszahlen, aber im Moment kostete es erst einmal jeden Mond Geld das er eigentlich nicht übrig hatte.

In den letzten beiden Monden schlugen zudem die Kosten für die Hochzeitsfeierlichkeiten arg zu Buche, obgleich sein Vetter Greifwin die Hälfte davon übernahm. Ardo würde nach dem Fest gezwungen sein sich mindestens bis zur Ernte erheblich einzuschränken und auch danach wartete ein entbehrungsreicher Götterlauf auf ihn. Dazu kam, dass seine Ehrwürden Badilak nach wie vor auf den Neubau eines Praios-Tempels bestand, als Zeichen des neuen Barons um sich des Segens des Götterfürsten zu vergewissern wie er es formulierte. Auch hier würde sich Ardo nicht ewig herausreden können, wollte er es sich mit der Kirche nicht verderben. Allein sein guter Wille genügte dem Prätor nicht. Er musste sich bald noch einmal ernsthaft mit Phexian und am besten auch mit Durac unterhalten. Vielleicht gab es ja einen Weg mehr Erz aus der Zinnmine herauszuholen oder es irgendwo teurer zu verkaufen. Ardo war gezwungen irgendwo Geld auftreiben bis seine jüngsten Investitionen etwas abwarfen.

Der Baron schreckte zusammen, als es unvermittelt an der schweren Eichentür klopfte. Beinahe hätte er die Kerze umgeworfen und ihr Wachs auf die säuberlich beschriebenen Seiten des Folianten gekleckert. Sorgsam schloss er das Buch, schob den Kerzenhalter in eine sichere Position und wandte sich dann zur Tür.

„Tretet ein!“

Sogleich wurde seiner Aufforderung Folge geleistet und die Scharniere schwangen mit einem leisen Quietschen auf. Herein trat der bornländische Magier den Balrik von seiner Reise mitgebracht hatte. Dieser verbeugte sich und schloss sogleich die Tür hinter sich um den Luftzug zu unterbrechen.

Meister Wasjeff. Was führt Euch zu dieser späten Stunde hier herauf? Ich hoffe Eure Bettstatt ist Euch nicht zu unbequem?“

„Mitnichten Eier Hochjeboren. Ich habe mir erlaubet in Eirem Schlossgarten zu lustwandelen und sah darob noch Licht brennen. Ejne Magd sagte mir, dass ich Eich hier treffen wierde.“

„Nun, da Ihr mich so dringlich gesucht habt, wollt Ihr sicherlich auch etwas Wichtiges mit mir besprechen. Setzt Euch doch.“ Ardo deutet auf den hölzernen Schemel im gegenüber, was der Bornländer mit einem götterergebenen Seufzen quittierte und sich aber widerspruchslos setzte.

„Eier Hochjeboren, ich möchte necht lange um den heißen Brej herumreden. Ich habe in Kuslik mitanjesehen wie Ihr von dem satinavschen Zauber mejnes Kollega getroffen wurdet. Eich hier munter und bej bester Jesundhejt sitzen zu sejen erlejchtert mich unjemein, hätte es doch ejn sehr schlachtes Bild auf unsere Zunft jeworfen, wäre dem necht so jewesen.“

„Ihr werdet verzeihen Meister Wasjeff, dass ich trotz des glimpflichen Ausgangs dieses Angriffs Eures Kollega, wie Ihr ihn nanntet, nicht sonderlich erfreut darüber bin, mit einem Zauber belegt worden zu sein. Ich schätze es nicht übermäßig, wenn man in Form meiner Person derart an den Grundfesten Alverans manipuliert.“

Ardo strenger Ton ließ Igor aufschrecken und beschwichtigend die Hände heben. „Natierlich, natierlich, nechts ist so schlimm wie jemanden gejen seinen Willen zu bezaubern. Das ist durch nechts entschuldbar. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass mich ejn Jefühl der Verantwortlichkejt hierher jeführet hat, damit ich mit ejenen Aujen sejen kann, dass Eich nechts Schlimmeres wiederjefahren ist. Die Wirkung dieses mächtijen Zaubers auf Eiren derischen Körper muss enorm jewesen sejn.“

„Ich fühlte danach mich überaus unwohl wenn es das ist was Ihr zu sagen versucht.“ Der junge Baron sah seinen Gegenüber misstrauisch an, bekam er doch langsam den Verdacht, dass Igor in ihm eine Art Studienobjekt sah.

Igor indes mustere Ardo ohne Scheu von oben bis unten, so als wollte er mit bloßem Auge ergründen ob der Zauber irgendetwas an dem Greifenfurter nachhaltig verändert hätte. „Ohne Fraje war het wohl sehr jut ausjefiehret, da ihr noch lebet. Bej derlej kann allerhand schief jehen habe ich jehöret, deswejen man het necht so unbedacht ejnsetzen sollte wie der Kollega het jetan hat...“

„Meister Wasjeff. Sagtet Ihr nicht, dass Ihr nicht lange herumreden wolltet?“ Ardo begann seinem Gast gegenüber ernsthaft ungehalten zu werden. „Ich wäre Euch sehr verbunden, wenn Ihr mit Eurer Analyse meines Zustandes zu einem Ende kommen könntet und mir sagt, ob ich sonst noch etwas für Euch tun kann.“

„Ich bitte um Entschuldijung Eier Hochjeboren für mejne Unhöflichkejt, aber die wissenschaftliche Nejgier ist ieber mich jekommen.“ Der Magier neigte leicht seinen Kopf und schwieg dann einen Moment um sich zu sammeln. „Het jibt da tatsächlich etwas, das Ihr für mich tun könntet. Ich bin, wie Ihr viellejcht jesehen habet necht mehr der Allerjiengste und seit ejnijer Zeit merke ich, dass mich das stete Wandern ermiedet. Darum suche ich nach ejner Blejbe wo ich mich dauerhaft niederlassen kann. Ejne Anstellung als Hofmajus wenn man so möchte.“

„Und diese Suche führt Euch ausgerechnet zu mir?“ Forschend und ein wenig ungläubig sah Ardo dem Magier ins Gesicht. „Was lässt Euch glauben, dass ich nach dem was ich erlebt habe einen Zauberkünstler länger als es Travias Gastrecht von mir verlangt unter meinem Dach beherberge?“

„Natierlich habet Ihr nun ejn schlechtes Bild von unserer Zunft jewonnen, aber ich werde mich bemiehen das zu ändern. Het jibt eben in jeder Herde ejn schwarzes Schaf, wie der Tobrier sajen wierde. Fanjen wir damit an, dass het mir möglich wäre, Eich in Zukunft vor solche unjewollte Zauberej zu beschietzen. Ejnes meiner Fachjebiete ist die Abwehr schädlicher majischer Einfliesse auf den menschlichen Körper.“

„Die Contraria wie ihr Magier sie zu nennen pflegt??“

„So ist het. Ihr ieberraschet mich mit Eirem Wissen Eier Hochjeboren. Ich hatte in Grejfenfurt salch profunde Kanntnisse über die Majica necht erwartet.“

„Sagen wir einfach Ihr wärt nicht der erste Gildenmagier in meinen Landen, wenn auch zur Zeit der einzigste. Aber Ihr sagtet die Antimagie sei nur eine Eurer Stärken. Mich interessiert was ihr sonst noch könnt. Nur bitte kommt dabei ohne eine Vorführung magischer Kräfte aus.“

„Wie Ihr ja wisset Eier Hochjeboren stamme ich aus Norburg, dem Zentrum der Hejlkunst im hohen Firun. So bin ich in der Laje mittels mejner majischen Kräfte klejne und große Verlatzungen zu hejlen. Auch Krankhejten und Jifte kann ich in der Regel unschädlich machen wenn sie den Körper befallen haben. Allerdings bevorzuje ich hierbej die konventionelle Hejlkraft der Natur, wenn der Tod des Patienten auch dadurch abzuwenden ist. Nicht majiebejabte Personen neijen lejder heifig zu irrationalen Errejungen wenn sie mit der Majica in Beriehrung kommen sollen, selbst wenn het sich um die Curativa handelt. Die Hejlkraft der Pflanzen ist denn also ejn großes Forschungsjebiet dem ich mich verschrieben habe. Deswejen war ich auch in Eirem Schlossjarten jewesen, der von beeindruckender Größe ist, wenn ich het so sajen darf, wenn man sejne Lage hier oben auf dem Berg bedenket. Jemand muss den Jarten eijnmal mit großer Sorgfalt und Miehe anjelegt haben. Het sieht dorten zwar aus als habet Ihr sejt Jahren necht jejätet, allerdings habe ich in der kurzen Zejt schon einije ieberaus interessante Pflanzen jefunden.“

„Das war meine Vorgängerin, Baronin Faralda. Sie hatte einen Sinn für das Künstlerische und hat nicht nur das Buschwerk im Garten planzen lassen, sondern auch die diversen Zierstatuen und den überaus rahjagefällig gestalteten Brunnen im Burghof aufgestellt." Ardo machte aus seiner Missbilligung keinen Hehl. "Und Ihr sagt, ihr könntet mit dem Gestrüpp im Garten etwas anfangen?“

Igor verzog kurz wie vor Schmerz das Gesicht wegen der offensichtlichen Ignoranz des Barons den Pflanzen gegenüber. „Natierlich Eier Hochjeboren! Ejnijes davon mag der Zier des Aujes jedient haben, aber viele Pflanzen dorten sind auch von hejlkräftijer und jesunder Natur, manche Kreiter sind gar recht schmackhaft. Einijes könnte man noch erjänzen, wenn man erst ejnmal das janze Unnietze entfernet hat. Het ist nämlich so, dass necht nur die Majie het vermag ejnem Menschen ejn langes Leben zu jeben. Die natierliche Kraft der Pflanzen ist dafier zumeist jenauso jut und unjefährlicher ejnzusetzen, wenn man denn weiß die nietzlichen von den schlechten Sämerejen zu unterschejden. Da hat uns die jute Frau Peraine viel jejeben was wir nur erkannen und nutzen miessen. Zudem“, fügte Igor hinzu, "lassen sich viele Kräuter vortrefflich dafier nutzen Eire Spejsen schmackhafter zu machen."

Ardo ließ sich nachdenklich in seinen Lehnsstuhl zurücksinken und rieb sich das Kinn. Was der Magier da sagte klang sehr nach dem was sein Onkel Roderich immer zu sagen pflegte. Im Grunde mochte er den Mann. Er schien bescheiden und zeigte nichts von der Arroganz die der Großteil seiner Standeskollegen auf dem Konvent in Kuslik zur Schau gestellt hatten und eine perainegefällige Gesinnung mochte es dem Bornländer einfacher machen die Seelenprüfung durch Lichthüter Badilak zu bestehen, die mit Sicherheit auf ihn warten würde.

„Wohlan, ich bin gewillt Euch eine Anstellung in Aussicht zu stellen. Zuvor jedoch werdet Ihr in den nächsten Tagen bei Seiner Ehrwürden Badilak im Kloster des Herrn Praios vorstellig werden. Er wird die Lauterkeit Eurer Absichten überprüfen wie es mir nicht möglich ist. Erst wenn er Euch für glaubwürdig befunden hat kommen wir ins Geschäft.“

„Natierlich Eier Hochjeboren, das ist nur recht und billig und nechts anderes habe ich erwartet. Wenn Eich dies beruhigt und Eier Vertrauen in meine Künste davon abhängt, so werde ich Eirem Prätor mit Frejden Rede und Antwort stejen, denn ich habe mir nechts Unrechtes vorzuwerfen.“ Igor wirkte seiner Sache sicher und sehr zufrieden mit dem Ausgang des Gesprächs.

„Doch seid Euch aber auch gewahr“, warnte ihn Ardo, „dass ich Euch derzeit nicht viel mehr bieten kann als Kost und Unterkunft, denn so prächtig sich die Hochzeitsvorbereitungen dort draußen auch ausnehmen mögen, so klamm machen sie doch meine Kassen. Jedoch will ich Euch den Garten zur freien Verfügung überlassen, solange Ihr dort nichts Widernatürliches oder durch die gültigen Gesetze Verbotenes anbaut. Ich werde versuchen Euch in einem angemessenen Rahmen zu unterstützen, damit Euer Vorhaben dort nützliche Kräuter zu kultivieren von Erfolg gekrönt ist. Zudem werde ich Euch den Priestern in Sankt Therbûn anempfehlen, welche Euren Forscherdrang im Namen Peraines sicherlich zu würdigen und zu unterstützen wissen.“

„Wenn dem so ist, so freje ich mich darauf in Eirem Garten zu Hesindes und Peraines Wohljefallen zu wirken.“

Mit einem Nicken erhob sich Ardo und reichte dem Norburger die Hand, die dieser freudig ergriff um das Besprochene zu besiegeln.

„Ihr seid wie bereits gesagt bis nach den Feierlichkeiten mein Gast. Euch bleibt also eine gute Woche das Gespräch mit dem Lichthüter zu suchen. Wenn alles zu meiner und seiner Zufriedenheit verlaufen ist, werde ich Euch nach der Abreise der anderen Gäste eine angemessene Kammer zuweisen lassen. Wenn Ihr mich jetzt jedoch entschuldigen wollt, ich habe noch ein paar Rechnungen zu prüfen um die Euch versprochene Verköstigung im kommenden Götterlauf auch bezahlen zu können.“

Mit einem strahlenden Lächeln verabschiedete sich der Bornländer und machte sich auf den Weg zurück in seine Kammer. Dabei pfiff er leise vor sich hin und war in Gedanken bereits dabei den verwilderten Garten der Kressenburg in einen geordneten Kräutergarten zu verwandeln der sich vor dem in Norburg nicht zu verstecken bräuchte.

Reise mit Yppolita

Reisestrecke: Kuslik – Punin – Gerbaldsberg – Gareth – Perricum – Seereise nach Festum

Dramatis Personae:

Auf einem Flußschiff auf dem Yaquier, Ende Ingerimm 1034 BF

Balrik saß in seiner Kabine und blätterte in einem grüneingebundenen Hesinde-Büchlein, das er sich in Kuslik besorgt hatte.

Vor einigen Tagen war er mit dem gerbaldsmärker Pfalzgrafen und dem Magier Anaxios von Ochs aus Kuslik abgereist und begleiteten die Schwester der Kaiserin, Yppolita von Gareth, nach Punin. Dort wolle sie endlich ihre Adeptenprüfung ablegen, wie sie auf dem Magierkonvent verlauten ließ, und anschließend wieder zurück in ihren Exil nach Festum reisen.

Sie beschloßen bis nach Punin auf einem Flußschiff zu reisen, das den Yaquier flußaufwärts fuhr. Der Kapitän war ein stämmiger Mittvierziger namens Phedro Neander, ein Horasier, der sich sehr umgänglich und von der Anwesenheit der Kaiserinschwester sehr geehrt zeigte. Zu seiner Mannschaft aber war er streng und er ließ keinen Zweifel daran, daß er hier das Sagen hatte.

Eigentlich wollte auch der greifenfurtener Baron Ardo von Keilholtz Yppolita auf der Reise begleiten. Doch hatte er kurz vor der Abreise den Zorn eines Magiers auf sich gezogen, der ihn kurzerhand mit einer Art Teleportzauber verschwinden ließ – zumindest war das Balriks erster Gedanke.

Erst nachdem Anaxios sich mit diesem Magier auseinander setzte, erfuhren sie, daß dieser Magier Thargelion von den Nebelwassern war, ein Zeitmagier, der Ardo einfach kurzerhand einige Monate in die Vergangenheit setzte!

Balrik hatte schon während seiner Zeit an der Kriegerakademie viele Sagen von einem Magier gehört, der in einem Turm in Weiden wohnte, dem sogenannten Nachtschattenturm, der in der Lage war durch die Zeit zu reisen – und da war auch der Name dieses Zeitmagiers gefallen.

Nachdem Anaxios ihnen versichert hatte, daß Ardo kein Leid zugefügt wurde, und derzeit wohl wieder in Greifenfurt weilte, und Balrik und Giselbert geraten hatte, den Magier nicht weiter zu behelligen, gaben sie sich mit der Antwort zufrieden. Dennoch hatte sich Balrik vorgenommen, eine Nachricht ins Kressenburgsche zu schicken um sich zu vergewissern. Auch Yppolita hatte ihnen später geraten, den Magier in Ruhe zu lassen. Auch sie vertraute hier Anaxios' Rat.

Es klopfte an der Tür.

"Hoher Herr", hörte Balrik die Stimme eines Matrosen. "Wir erreichen bald Punin."

"Danke. Ich komme gleich."

Balrik steckte das Büchlein weg und packte seine Sachen. Auf dem Deck angekommen sah er bereits die almadanische Fürstenstadt vor ihnen auftauchen. Es war ein sonniger Tag und die Eslamidische Residenz ragte auf dem Goldacker in einem strahlenden Weiß reinsten Eternienmarmors hervor. Auch die Magierakademie der Stadt, ihr Ziel, ragte über die Häuser der Stadt empor und war gut zu erkennen. Vor nicht einmal einem Jahr, hätten sie es sich nicht erlauben können, so offensichtlich durch das Fürstentum zu reisen. Als noch Selindian Hal die Kaiserkrone beanspruchte und von Punin aus Hof hielt, war es nicht ungewöhnlich, daß Adlige, die zu Kaiserin Rohaja standen, als Geiseln genommen wurden.

Doch nun war Selindian Hal tot und Almada wieder unter der Kontrolle Rohajas, und diese hatte Gwain von Harmamund zum neuen Fürsten von Almada ernannt.

"Eyne bejachtliche Stadt, njecht wahr?", sagte Igor Wasjeff im bornischen Aktzent und trat neben ihn. Auch er war beim Magierkonvent zugegen gewesen und reiste mit ihnen seit Kuslik auf dem Schiff. "Und das Wissen erst, das hier zu finden ist! Eier Schützling hat eyne jute Wahl jetroffet, hier ihre Prüfung abzulegen."

Balrik sagte nichts darauf. Der Grund warum Yppolita Punin wählte, war nicht das Wissen das hier zu finden war, sondern weil diese Magierakadmie die einzige Graue innerhalb des Reiches war. Andererseits, wenn es sich Balrik recht überlegte, Yppolita hätte trotz allem wohl kaum eine Akademie gewählt, in der sie nichts erlernen könnte ...

Allmählich kamen auch die anderen an Deck, die in Punin aussteigen wollten. Giselbert hatte seinen Lederhut auf dem Kopf und einen Rucksack geschultert. Anaxios war in einer Lektüre vertieft, die er in Händen hielt, und halb abwesend aus dem Schiffsinneren kam.

Nur Yppolita war bereits an Deck gewesen und betrachtete die Landschaft.

Auch ein fünfzehnjähriges Mädchen und ein neunjähriger Junge kamen auf das Deck; ebenfalls mit Rucksäcken geschultert. Das Mädchen trug sogar ein Kurzschwert.

"Habt ihr alle Eure Sachen?", fragte Balrik.

"Ja, wir haben alles", antwortete das Mädchen.

Das Mädchen und der Junge waren Mechthild von Kieselhom und Firnwulf von Hirschfurten, die Knappin und Page Ardos von Keilholtz. Balrik hatte sich den beiden angenommen, nachdem Ardo auf solch übernatürliche Weise verschwand.

Schließlich machte das Schiff an der Pier fest und Yppolita bezahlte den Kapitän für die Reise aus. Anschließend begaben sie sich in die Magierakademie.

Leomaras Geburtstag

Dramatis Personae:

  • Unswin von Keilholtz - Ordensritter zu Schwertwacht
  • Leomara von Isenbrunn - Ritterin von Gnitzenkuhl, seine Verlobte
  • Chaantrea von Zackenberg - Novizin im Zornesorden und Unswins Knappin

Burg Friedburg, Baronie Gnitzenkuhl, 9. Rahja 1033 BF

Unswin, seine Novizin Chaantrea und Leomara waren kurz nach dem Abendessen auf der Friedburg oberhalb der Stadt Gnitzenkuhl eingetroffen und nun, fast zwei Stunden später senkte sich die Praiosscheibe langsam dem Horizont entgegen. Es war ein wundervoller Anblick, doch Unswin verschwendete keine Minute damit das Schauspiel anzustarren. Im Wall hatte er genügend bezaubernde Sonnenuntergänge für den Rest des Götterlaufes gesehen. Stattdessen war er schon seit der Ankunft damit beschäftigt kreuz und quer durch die Burg zu laufen und die Bediensteten mit kleinen Wünschen und Aufgaben auf Trab zu halten, während sich seine Knappin um die Pferde kümmerte. Gerade trat er nach einem längeren Gespräch mit der Köchin aus der Küche heraus, als Chaantrea mit ihren typischen federleicht anmutenden Schritten auf ihn zu kam.

„Die Tiere sind nun versorgt Bruder Unswin. Gibt es sonst noch etwas für mich zu tun?“

„In der Tat, das gibt es.“

An der wenig begeisterten Miene der Novizin erkannte der Ritter, dass sie auf eine andere Antwort gehofft hatte. Wenigstens hatte sie inzwischen so viel Anstand gelernt, ihm dies nicht vorlaut an den Kopf zu werfen.

„Du wirst zum Arbeitszimmer von Baronin Geshla gehen. Sie sitzt noch immer mit Roderick und Leomara zu rate, was wegen der Mine in Kelsenstein unternommen werden soll. Sobald die Besprechung ein Ende gefunden hat, bitte ich dich Leomara zum Bad zu bringen. Danach kannst du dir in der Küche dein Abendessen geben lassen. Ich habe veranlasst, dass man dir etwas bereiten wird. Den Rest des Abends hast du dann frei.“

„Ich nehme an du ißt mit Ritterin Leomara?“

Der Ritter hob die Augenbrauen, verwundert über den merkwürdigen Ton in dem die Frage gestellt war. Hatte er dort Eifersucht durchklingen hören? Oder sprach nur wieder der Trotz aus der jungen Frau? Manchmal wurde er einfach nicht schlau aus seiner Knappin.

„So ist es. Du brauchst also nicht auf mich zu warten.“

„Wie du wünschst.“

Mit einer knappen Verbeugung, bei der Unswin einmal mehr nicht wusste ob sie ehrerbietig oder spöttisch sein sollte, wandte Chaantrea sich zum Gehen. Auch sie war nicht das erste mal auf dieser Burg. In den letzten zwölf Monden war sie mit ihrem Schwertvater oft hier zu Besuch gewesen, wenn er einen Vorwand gefunden hatte seine Verlobte aufzusuchen. Nun würde sie also wieder einmal die Botin für ihren verliebten Ordensbruder spielen, damit dieser seinem zukünftigen Schwiegervater aus dem Weg gehen konnte.

Wenige Minuten später stand sie vor der Tür des barönlichen Arbeitszimmers. Sie blieb einen Moment davor stehen und lauschte. Tatsächich vernahm sie immer wieder Stimmen durch die dicke Holztür, was vermuten ließ, dass die Diskussion teilweise recht hitzig geführt wurde. Etwas andere hatte sie aber auch nicht erwartet, wenn Geshla, Roderick und Leomara sich zusammen in einem Raum befanden. Leider dämpfte die massive Tür die Laute soweit ab, dass Chaantrea keine einzelnen Worte verstehen konnte. Einfach einzutreten wäre unhöflich gewesen, also würde sie sich wohl in Geduld üben müssen, bis die Baronin ihres Vogtes und ihrer Ritterin überdrüssig geworden war. Mit einem götterergebenen Seufzer lehnte sich die Novizin mit dem Rücken gegen eine Säule gegenüber der Tür, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete.

Nach einer schieren Ewigkeit öffnete sich schließlich endlich die Tür, und Leomara kam mit roten Gesicht sichtlich erledigt heraus. Sie schloß geräuschvoll die Tür hinter sich und stieß deutlich die Luft aus. Die Person an der gegenüberliegenden Wand hatte sie noch gar nicht gesehen.

Sie brummelte leise vor sich hin: „Im Rahmen ihrer Möglichkeiten wohl das beste raus geholt, pah, das nächste mal schicke ich ihr den Schwarm Harpyien ins Tal, von Friedburg aus haben die auch nen hübschen Ausblick!“

Sie wendete sich in Richtung Dienstboten steige um in die Küche zu gehen. Chaantrea löste sich aus dem Schatten der Säule und trat schnell vor um die Ritterin abzufangen. Die Novizin berührte sie leicht an der Schulter und zuckte zurück, als Leomara sich überrascht mit einem Ruck zu ihr umwandte. Die Jüngere hob die rechte Hand und legte sie ihrer Gegenüber besänftigend auf den linken Unterarm.

„Entschuldigt bitte, ich wollte Euch nicht erschrecken. Ich habe auf Euch gewartet um eine Nachricht zu überbringen. Ritter Unswin lässt Euch bitten sogleich ins Bad zu kommen, wenn es Eure Pflichten der Baronin gegenüber zulassen.“

Verdutzt schaute Leomara sie an. „…Pflichten äh…? Ach so, nein, ich darf mich wohl erst einmal zurück ziehen. Der Vogt und die Baronin müssen die Sachlage erst einmal unter sich besprechen…“ Leomaras Augen brachten zum Ausdruck, was sie von einer derartigen Unterredung wohl hielt.

„Daher habe ich also Zeit. Wieso um Himmels willen im Bad? Hat Praiowyn ihn dort eingesperrt und lässt ihn erst wieder heraus, wenn er sich ordentlich kleidet?“ Amüsiert musterte die Rittfrau Chaantrea.

Die Novizin unterdrückte mit Mühe ein leises Kichern und schaffte es nicht länger ernst zu dreinzuschauen. „Wäre eigentlich denkbar. Manchmal lässt er ja schon merken, dass er aus Greifenfurt stammt. Aber diesmal hat Praiowyn Gnade vor Recht ergehen lassen. Ich darf Euch leider nicht sagen worum es sich handelt, aber geht besser gleich hin. Nicht das er ungeduldig wird und denkt die Baronin hätte Euch gefressen oder ich hätte Euch entführt.“

„Ach du liebes Bisschen, ich fürchte der Aufenthalt in den Bergen ist nicht spurlos an ihm vorüber gegangen…!“ Leomara schmunzelte. „Dann werde ich mich wohl besser sputen, bevor er sich den Weg hierher frei kämpft. Ich denke man sieht sich später…!“ Mit diesem Worten drehte sich Leomara weg und ging raschen Schrittes zu ihrem Verlobten. Was hatte er nur vor?

Schließlich stand sie vor der Türe zum Bad klopfte kurz an, trat dann aber sofort ein.

Die Tür öffnete sich ohne Widerstand und der Raum dahinter war hell erleuchtet. Doch brannten nicht die an den Wandhalterungen dafür vorgesehenen Fackeln, sondern über zwei Dutzend dicke, vor allem auf dem Fussboden verteilte Kerzen. Der süßliche Duft von Honig lag in der Luft.

Abrupt blieb die Rittfrau stehen und schaute sich staunend um.

In der Mitte des Raumes stand Unswin, angetan in in jene leichte Kleidung die er immer trug, wenn er auf Friedburg zu Gast war. Ohne Waffen, Rüstung und Wappenrock war er jedes Mal ein ungewohnter Anblick. Jemand der ihn nicht kannte hätte ihn in diesem Aufzug für einen einfachen Bürger halten können. Nur ein gesticktes Ordenswappen in der Herzgegend seines Hemds, ließ erkennen wer er war.

Neben dem Ordensritter stand eine junge Magd. Beide schienen sich unterhalten zu haben und von Leomaras Klopfen aufgeschreckt worden zu sein. Sie hielt einen leeren Eimer in der Hand mit dem sie offenbar Wasser für den großen gemauerten Badezuber gebracht hatte, auf dessen Rand ein kleiner abgedeckter Weidenkorb stand. Der Ofen unter dem Zuber war in Betrieb und würde dem frischen Wasser bald eine angenehme badetemperatur gegeben haben. Unswins Miene hellte sich bei Leomaras Anblick augenblicklich zu einem breiten Lächeln auf, während die Magd fast schuldbewusst den Kopf neigte und errötete.

„Leomara, da bist du ja schon. Ich hatte schon befürchtet Geshla und Roderick halten dich bis zum Frühstück fest.“ Mit einem leichten Nicken gab er der Magd ein Zeichen, welche sich auch sofort in Bewegung setzte und mit einem leisen „Euer Wohlgeboren“ an der Ritterin vorbei durch die Tür entschwand. Noch bevor Leomaras Sprachlosigkeit geendet hatte ging der Redestrom Unswins ungemindert weiter. Er schien bester Stimmung.

„Komm herein meine Liebste und mache es dir gemütlich.“ Unswin deutete mit einer Armbewegung auf einen schmalen Tisch und zwei gepolsterte Stühle, die Leomara in diesem Raum noch nie gesehen hatte. Offensichtlich hatte der Ordensritter diese extra hierher bringen lassen. Nur den Zweck konnte die Ritterin nicht sofort erkennen, denn außer einer der großen Kerzen in der Mitte war der Tisch leer.

„Ehem…!“ sagte sie dann auch nur während sie im Näherkommen die Umgebung begutachtete. „…was soll das Ganze hier?“ Etwas widerstrebend setzte sie sich hin, lächelte aber Unswin neugierig an. „Du hast mir doch nicht etwa was zu beichten? Ich hörte schuldbewusste Männer neigen zu solchen Extravaganzen.“ Noch immer schien sie keine Ahnung zu haben was das ganze sollte.

Unswin lachte erst fröhlich und schaute dann gespielt empört drein. „Na hör mal. Vor dir sitzt ein ehrenwerter Ritter des Zornesordens. Ich mag nicht abstreiten, dass du mich auf einige zuvor unbekannte Geschmäcker gebracht hast seit wir uns kennen. Aber für mich gibt es nur dich. Ich bin doch kein Nebachote der nach jedem Glas Wein eine andere bespringt. Aber abgesehen von dir und dem guten Wein, hat mir Perricum wohl auch diesen kleinen Hang für das Dramatische geschenkt.“ Mit einem beiläufigen Nicken deutete er auf die Kerzen, während er über den Tisch hinweg nach ihren Händen griff.

Ein leises Klopfen an der Tür unterbrach ihn. Ohne zu zögern rief er die Wartenden herein. Die Magd von eben schritt vorweg, nur trug sie diesmal statt einem Wassereimer eine gut gefüllte Platte vor sich her. Mit einem Lächeln plazierte sie diese auf dem Tisch und legte vor den beiden Adligen kleinere Essplatten und Besteck aus. Hinter ihr kam noch ein Küchengehilfe der eine Karaffe roten Weines und zwei mit Blei verzierte Weingläser dazu stellte. Danach kümmerte er sich sofort um den kleinen Ofen unter dem Zuber und warf eine Hand voll Blütenblätter aus dem kleinen Weidenkörbchen hinein, welche Leomara aus dem Augenwinkel heraus aber nicht genauer erkennen konnte.

Die Magd hatte derweil die Deckel von den Speisen genommen. Zum Vorschein kamen, neben einem Korb mit weißem Brot, ein mit Honig bestrichenes und goldgelb gebratenes Kanninchen, zwei liebevoll verzierte Pasteten sowie eine kleine Schale mit kandierten Datteln. Unter den immer größer werdenden Augen Leomaras goss die junge Frau die Weingläser noch halbvoll und zog sich dann mit einem Knicks zurück. Auch der Küchenjunge war inzwischen mit seiner Arbeit am Zuber fertig und schloss eilig hinter sich die Tür.

Noch immer sprachlos schaute sich die Rittfrau das Essen an, und in ihrem Blick spiegelte sich der Unglaube über diese kunstfertige Art der Kochkunst. „Hast du heimlich die Angroscho in der Binge bestohlen, oder wie hast du den Koch dazu gebracht etwas Derartiges zu erschaffen?“

Vorsichtig strich sie mit dem Finger über den Teigmantel der Pasteten, auf denen aus Teig geformte Weinreben, Pferde und Rosen aufgebracht waren. Kindliches Vergnügen bemächtigte sich schließlich ihrer und sie ergriff den Pokal.

Mit einem lausbübischen Grinsen beobachtete Unswin die Veränderung die sich auf ihrem Gesicht abzeichnete.

„Egal, was auch immer es sein mag, was mir dieses Mahl bescherte, lass uns anstoßen, bevor uns hier jemand raus wirft!“

Seitdem sie wieder in Gnitzenkuhl waren genoss sie einfach das unbeschwerte Leben und allmählich kehrte auch die ihr eigene Leichtigkeit zurück, die sie im Angesicht der täglichen Bedrohungen am Berg fast gänzlich verloren hatte.

Der Ritter ließ sich nicht zweimal bitten, erhob ebenfalls sein Glas und suchte beim Klang der feinen Pokale den Blick Leomaras, bevor er schließlich einen Schluck des vorzüglichen Weines genoss. Im flackernden Schein der Kerzen leuchtete die Flüssigkeit blutrot. Dann hob er die als Deckel drapierte Oberseite seiner Pastete ab und darunter kam eine dampfende Gemüsebrühe zum Vorschein.

„Der Grund für diesen kleinen Festschmaus bist ganz allein du meine Liebste. Ich hoffe Geshla kann es verkraften, dass ich diese Leckereien aus ihrer Küche dafür habe verwenden lassen. Nachdem wir den ganzen Ärger im Wall überlebt haben, fühle ich mich wie neu geboren. Deswegen feiern wir heute gemeinsam nicht nur deinen, sondern auch meinen Tsatag.“

Natürlich, ihr Tsatag, wo hatte sie nur wieder ihre Gedanken gehabt? Leomara musste schmunzeln, hatte sie ihn doch über den Tag hinweg erfolgreich verdrängt…bis sie Alwene aufgesucht hatte. Der Besuch bei ihrer alten Amme war nicht sonderlich erquicklich gewesen. Die hatte ihr geraten in Zukunft ein wenig mehr auf sich zu achten, damit, wenn sie doch einmal Tsas Segen ereilte, sie nicht schon aussähe wie eine alte Frau. Entschlossen diesen dummen Satz zu verdrängen, lächelte sie Unswin an.

„Auf uns…und das wir wieder heil hier angekommen sind.“

„Auf uns...und auf die Herrin Rahja, der ich gedenke den restlichen Abend zu widmen...“

Dann griffen beide hungrig zu den Löffeln. Nach der kargen Kost in den Bergen ließen sie sich gerade genug Zeit beim Kauen um die vorzügliche Süße der Speisen zu würdigen und gleichsam verschlangen sie sich gegenseitig mit den Augen. Neben ihnen verströmte der große Badezuber inzwischen seinen einladenden Rosenduft.


Zwei Häuser, eine Familie

Peraine 1032 BF

Die frischgebackenen Barone von Eslamsroden und Kressenburg wollen zukünftig zum Wohle der Familie und der Mark enger zusammenarbeiten.

Tischgespräche

Interessiert blickten sich die beiden Eslamsrodener um, wobei sich eine Spur des Widerwillens in Ifirnias Gesicht zeigte, während sie den Stammbaum betrachtete. Die Aufforderung zum Essen ließen sich die Geschwister nicht zweimal geben, hatten sie doch einen langen Tag hinter sich.

Nachdem er seinen drängensten Hunger mit einigen Bissen befriedigt hatte, wandte Greifwin sich an Ardo: „Wie ich sehe, hast Du dich rasch eingelebt.“ Er deutete in Richtung des Stammbaums. „Das ältere Haus, wenn ich mich nicht irre, oder? Was mich zu einem... wunden Punkt zwischen unseren Familien bringt.“ Greifwins Blick wanderte zu seiner Schwester, die diesen mit versteinerter Miene erwiderte. „Da er inzwischen Teil Deiner Familie ist, was hälst Du von Herdan Lucius? Bei uns ist er ungefähr so beliebt wie der Ork, aber ich hätte gerne Deine Meinung gehört...“

Der Kressenburger wollte gleich etwas zu dem angesprochenen Stammbaum sagen, doch bevor er dazu kam, hatte Greifwin bereits das nächste Thema angeschnitten. Trotzdem wollte Ardo das Missverständnis schnell ausräumen. „Leider irrst du doch was den Stammbaum dort angeht, Greifwin. Dieser und das Wappen dort gehören der Familie von Kressenburg. Bei weitem nicht so alt wie unsere Familie und es lebt nur noch eine einzige letzte Vertreterin, meine Vorgängerin, Faralda von Hasenfeld-Kressenburg. Sie ist erst Anfang der dreißig, hat sich aber schon vor Jahren auf ihr Wittibengut zurückgezogen und die Belange der Baronie ihrem Vogt, dem guten Phexian hier, überlassen. Die Baronswürde indess blieb wegen der Krankheit der Greifin vakant, bis der Meister der Mark nun endlich stellvertretend darüber entschieden hat. Natürlich soll dort später einmal der Stammbaum der Familie Keilholtz hängen und nicht nur der des älteren Hauses. Der wäre zwar recht breit aber wenig zurückreichend, ist die Fehde doch immerhin erst fünf Generationen alt, während man unsere Familie bis fast zur Reichsgründung zurückverfolgen kann. Mein Großvater hat einige Abschriften aus den Familienarchiven von Burg Keilholtz und Reste aus den Aufzeichnungen der markgräflichen Kanzlei retten können. Auch aus der Reichskanzlei hat er noch vor der Zerstörung Gareths einige Abschriften zu garethischen Zweigen unserer Familie bekommen. Er arbeitet nun schon seit Jahrzehnten daran. Irgendwann wird sein Werk hier den Saal verzieren.“

„Und Herdan Lucius? Puh, ich bin ehrlicherweise froh, wenn ich von dem nichts höre. Beliebt wie ein Ork trifft es ziemlich gut. Du weißt schon, keine Nachrichten sind gute Nachrichten. Allerdings hat er das Ohr unseres Patriarchen und seit Bogumil ihn adoptiert hat, ist der Ton von Burg Keilholtz gegen uns und die anderen unabhängigen Zweige wieder rauher geworden. Die Waldenklammer, also die Weidener, sind für den senilen Alten sowieso nicht existent. Die Hundsgrab-Keilholtz hat er aus der Familie verstoßen und uns hier in Kressenburg hätte wohl bald das selbe geblüht, wenn ich jetzt nicht so unverhofft zu der Baronie gekommen wäre. Was man auf Burg Keilholtz vom jüngeren Haus hält muss ich euch wohl nicht sagen.“ Sein Lächeln fiel arg gezwungen aus, war ihm die derbe Wortwahl die der Patriarch und der Baron von Finsterkamm zu benutzen pflegten doch nur zu geläufig. „Ich kann mich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, dass Herdan Lucius einen großen Teil zur aktuellen Hetze im älteren Haus beiträgt. Es hat den Anschein, dass er die Zurücksetzung in Schroffenstein einfach nicht verwinden kann. Solcherart nachtragender Hass ist nicht gut für die Mark und steht keinem Greifenfurter gut zu Gesicht.“

Während Ardos Ausführungen veränderten sich die Mienen seiner Gäste merklich. Zeigte das Gesicht Ifirnias bei den Erläuterungen zum Stammbaum noch immer die gleiche, stille Verachtung und Greifwins das offener Neugier, so wandelte sich dies bei den Worten zu Lucius Herdan deutlich. Mit beinahe höhnischem Grinsen blickte Ifirnia nun in Richtung Greifwins. Nach einem Schluck aus seinem Krug hob dieser an: „Ich danke dir für deine Offenheit, Ardo“, er warf einen Blick zu seiner Schwester. „Wie man an der Reaktion meiner... verehrten Schwester erkennen mag, hielt ich die Einschätzungen von Lucius bisher für das Resultat der in unserem Teil der Familie weitverbreiteten Verachtung für alles, was mit dem älteren Haus zu tun hat. Bedauerlich. Aber ich“, wiederum blickte er zu seiner Schwester, „bin wohl in der Lage, wenn notwendig einen Fehler zuzugeben. Mit drei Baronen, die untereinander einig sind, hätten wir eine exzellente Position gehabt. Seis drum. Aber,“ er deutete zum Stammbaum, „ich würde das Werk gerne sehen, wenn es soweit ist. Wobei ich offen zugeben muss, dass mich derartige Werke seit den Umwälzungen in meiner Familie immer etwas nervös machen.“ Er nahm einen weiteren schnellen Bissen.

„Ihr müsst wissen“, warf seine Schwester ein, „dass mein Bruder sich seit Jahren erfolgreich seinen dynastischen Pflichten entzieht.“ Trotzig blickte sie zu Greifwin.

Dieser rollte leicht mit den Augen. „Ja, durchaus richtig. Ein weiterer Beweis der, verzeih Schwester, sehr seltsamen Traditionen in unserem Haus. Ihr Frauen dürft selbst wählen, wovor auch du dich, nebenbei gesagt bislang gedrückt hast, während man über den Kopf der Männer hinweg entscheidet. Wenn, dann doch bitte gleiches Recht für alle. Zumal die Ablehnung der Verbindung, die unsere Mutter, möge sie in Frieden ruhen, für mich vorgesehen hat, durchaus wechselseitig ist. Ich bin noch jung und habe derzeit dringendere Probleme. Vielleicht in ein bis zwei Götterläufen...“ Er hielt einen Moment inne.

Ardo hatte mit Freude zur Kenntnis genommen, dass Ifirnia ihn das erste Mal seit ihrer Ankunft direkt angesprochen hatte. Wenn es auch nur gewesen war um ihren Bruder in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen, so dass er sich gezwungen sah seinem Freund beizuspringen.

„Es ist durchaus gerechtfertigt, wenn du unter den veränderten Vorzeichen noch etwas warten willst. Immerhin konnte deine Frau Mutter nicht wissen, dass du so jung in den Hochadel aufsteigen würdest. Wer weiß wie ihre Wahl der Braut für dich heute ausgefallen wäre. Immerhin gibt es ja wohl eine Absprache die sich nicht so leicht lösen lässt?“ Die in dem Satz mitschwingende Frage und auch der neugierige Blick des Kressenburgers ließ vermuten, dass er gerne mehr über die Modalitäten erfahren würde.

„Das Problem ist, dass es nichts Schriftliches gibt“, antwortete Greifwin sichtlich unbegeistert. „Praktisch gesehen ist es das Übliche, eine Verlobung von Adelssprösslingen die weit außerhalb der Erbfolge stehen. Damit ist der Vertrag auf Basis der nicht länger gegebenen Grundlagen, soll heißen meiner nicht länger unbedeutenden Position in der Erbfolge eines nicht länger gegebenen Junkertums gemäß einer ganzen Reihe von Präzedenzfällen leicht anfechtbar. Vom Standesunterschied mal abgesehen, als Niederadel könnten mich die Eltern kaum vor Gericht zerren. Natürlich steht dem der erhebliche politische Schaden gegenüber, wenn ich die Abmachung einfach für null und nichtig erkläre. Die Alt-Nardesfelder sind zwar derzeit nicht gerade von Phex verfolgt, aber man sieht ja an uns, wie schnell sich das ändern kann. Und sie haben immer noch weitreichende Beziehungen. Ich werde also das Gespräch und eine gütliche Einigung suchen...“

„...will heißen, Du willst versuchen, dich freizukaufen, nicht wahr?“, warf Ifirnia ein.

„In der Tat. Ein Gut als Abfindung sollte die Sache hoffentlich hinreichend versüßen. Doch genug davon, es sei denn, du willst unbedingt eine Unterweisung in die Feinheiten des Greifenfurtschen Ehe- und Erbrechts. Wie sieht es denn bei dir aus?“, wandte sich Greifwin an Ardo.

„Dahingegen bin ich in der komfortablen Situation mich fast völlig frei entscheiden zu können. Aber ich habe nicht vor lange zu zögern wenn der Werber einer standesgemäßen Braut an meine Tür klopft. Zwar bin auch ich noch jung, ein Götterlauf jünger sogar als du Greifwin, aber die Zeiten sind unsicher. Wer weiß ob es dem Ork nicht morgen schon wieder gefällt über die Pässe zu kommen? Dann werden wir in den Kampf ziehen wo jederzeit der Tod auf uns warten kann. Und selbst wenn der Schwarzpelz Ruhe hält, so ist dieser Tage mit dem fortwärenden Vordringen der Wildermark nicht einmal mehr ein Adliger auf den Straßen der Mark vor Wegelagerern sicher. Ich habe mir aber in den Kopf gesetzt Kressenburg für die Familie zu erhalten. Dafür brauche ich rechtzeitig einen Erben, denn es ist durchaus nicht sicher, dass mein Vater oder meine Schwester das Lehen erben würden. Dynastisch gesehen haben sie kein festes Anrecht darauf und wer weiß schon wie der Nebelsteiner in einem solchen Fall entscheiden würde.“

„Ich habe glücklicherweise genug Familie, so dass mein vorzeitiges Dahinscheiden kein allzu großes Problem darstellen sollte.“ Er lachte trocken. „Und zumindest mit letzterem hat unsere Familie in den letzten Jahren große Erfahrungen gewonnen. Daher habe ich das noch vor allem anderen vertraglich geregelt. Das muss seine Exzellenz natürlich nicht aufhalten, wie man bei Seguld von Breitenquell gesehen hat. Das war und ist, mit Verlaub, eine höchst seltsame Sache. Ich habe mich bis dahin nicht wirklich für die Belange Eslamsrodens und den guten Trär interessiert. Und plötzlich wird sein Sohn entlehnt, ohne das bekannt wäre, warum. Sehr merkwürdig.“

Greifwin trank einen weiteren Schluck Bier. „Und wie der Meister der Mark ausgerechnet auf mich verfallen ist, bleibt mir auch ein Rätsel. ‚Die Mark hat ihre Gründe‘ war alles, was ich bislang aus ihm herausbekommen habe...“

„Die Mark hat ihre Gründe. Nun, ich bin mir sicher, dass es die gibt, auch wenn ich ebenso wie du vor dem Rätsel stehe womit genau ich mich für die Baronswürde in Kressenburg empfohlen habe. Sicherlich habe ich dem Prinzen im Winter tausendeinunddreißig bei der Suche nach seinem Bruder im Kosch geholfen, ich habe im Rondra in Waldstein bei zwei Schlachten gegen Anhänger des Namenlosen gefochten, habe mich beim Uslenrieder Turnier zweimal gegen Nimmgalf von Hirschfurten behauptet und beim Konvent konnte ich Edelbrecht ebenfalls zu Diensten sein. Dennoch hätte es einige Kandidaten gegeben, die für Kressenburg eher in Frage gekommen wären. Bestes Beispiel ist Phexian hier. Seine Familie stellt die Vögte von Kressenburg seit der Zeit der klugen Kaiser, wahrscheinlich seit Raul selbst und hält mit dem Junkertum Kieselbronn das höchstrangige Nachlehen der Baronie. Phexian war nach dem politischen Rückzug der letzten Baronin aus der Familie Kressenburg in den letzten sieben Götterläufen wieder regierender Vogt.“

Der alte Vogt an seiner Seite schüttelte abwehrend die Hände vor sich und schaute unwillig drein. „Lass das mein Junge. Du weißt, dass weder ich noch meine Schwester je nach der Baronswürde geschielt haben. Wir Kieselholms haben eine lange Tradition des Dienens, das ist der Platz den Praios uns zugewiesen hat.“

„Und ich kann den Herrn Praios nur preisen, dass er mir Euch als Vogt und Stellvertreter gegeben hat, Phexian. Trotzdem hättet Ihr es verdient gehabt. Aber lassen wir das. Nach den Kieselholms waren die Praiostanns die zweite Familie der Baronie. Die sind wohlhabend und haben Einfluss. Immerhin stellen sie seit Generationen den Lichthüter des Kressenburger Praios-Tempels. Es wundert mich, dass Prätor Badilak nicht versucht hat für seinen Neffen, den aktuellen Ritter von Praiostann, die Baronie zu bekommen.“

Auf Phexians Gesicht zeichnete sich ein leichtes Lächeln ab, so als würde er darüber mehr wissen. Da Ardo jedoch gerade seine Gäste ansah während er sprach, war es nur Greifwin und Ifirnia möglich diese Regung des Vogtes zu erkennen. Der alte Mann griff schnell zum Bierkrug und als er ihn wieder absetzte, zeigte er die selbe ruhige und aufmerksame Miene wie zuvor.

„Meine Familie“, fuhr Ardo fort, „lebt erst seit meinem Großvater in Kressenburg. Wir hatten immer nur das arme Rittergut ander Grenze zu Waldstein und Großvater Bernhelm ist auch nach fünfundvierzig Götterläufen noch immer der erste und einzige amtierende Ritter zur Neuen Gerbaldslohe aus der Familie Keilholtz. Insofern spricht für uns weder Einfluss noch Reichtum. Von Rechts wegen wären auch mein Vater oder Großvater vor mir an der Reihe gewesen, aber da wurde ja auch bei dir nicht berücksichtigt.“

„Aber zurück zu dir. Hast du denn ein Auge auf jemanden geworfen?“

Ardo lachte kurz auf und schob sich mit der Gabel eine Scheibe des erkaltenden Bratens in den Mund. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen kaute er zuende, während seine Zuhörer nach seinem Heiterkeitsausbruch gespannt auf eine Antwort warteten.

„Wenn dem so wäre lieber Greifwin, dann würde ich nicht so theoretisierend daherreden. Sicherlich habe ich auf meinen Reisen die eine oder andere Ritterin und Edeldame kennengelernt welche mir gefallen hat. Aber was blieb mir als einfachem landlosen Ritter mehr als in ritterlicher Minne zu ihren Ehren zu Tjosten? Zu Anfang meiner Armeezeit war da auch noch diese schmucke Offizierin, aber eine Bürgerliche kam für mich damals schon nicht für den Travia-Bund in Frage, noch weniger jetzt wo ich Baron bin.“

Mit einem lauten Räuspern machte sich Phexian kurz bemerkbar und machte gleich darauf wieder den Anschein in aller Stille in seinen Braten vertieft zu sein. Ardo verstand den Wink seines Schwertvaters, der ihn wohl daran hindern wollte sich allzu ausschweifend über verflossene Liebschaften der Vergangenheit auszulassen.

„Wie dem auch sei. Die wenigen Wochen seit der Belehnung hatte ich auch anderes zu tun als mich nach neuen geeigneten Kandidatinnen für den Platz an meiner Seite umzutun. Der Baron von Hundsgrab hat eine jüngere Tochter, die an der Greifenfurter Kriegerakademie gelernt hat und Gerbald von Reiffenberg, der neue Hexenhainer Baron, hat ebenfalls noch eine unvermählte Tochter, die Kammerzofe bei der Markgräfin war. Auch unser Nachbar in Quastenbroich hat noch eine unvermählte Schwester im besten Alter, aber die soll gerüchteweise etwas unleidlich sein. Doch bisher kenne ich weder diese noch die anderen persönlich und wenn ich demnächst auf den Rat der Barone in Weiden oder beim nächstjährigen Reichskonvent in Perricum zu Gast bin, ergibt sich vielleicht eine andere passende Gelegenheit.“

An diesem Punkt mischte sich der Vogt wieder in das Gespräch ein. Offensichtlich war es ihm nicht lieb, wie weit der junge Baron sein Suchgebiet auszudehnen gedachte.

„Eine Edeldame aus der Mark sollte es aber vielleicht schon sein mein Junge. Auch wenn, oder gerade weil, dein Vater und Großvater in Waldstein und Weiden gewildert haben. Die Mark muss angesichts der äußeren Probleme enger zusammenrücken. Auf welche Braut auch immer deine Wahl fällt, bedenke dass es nie schadet sich seine Nachbarn zu Freunden und Verwandten zu machen. Die Mark steht und fällt mit dem Zusammenhalt ihrer edlen Familien.“

Ardo verdrehte zu Greifwin gewandt leicht genervt die Augen, woraus dieser schließen konnte, dass eben dieses Argument nicht zum ersten Mal zur Sprache kam. Trotzdem blieb der Kressenburger seinem Vogt gegenüber höflich und wenn auch unverbindlich.

„Da habt Ihr sicherlich recht verehrter Schwervater. Aber ich bleibe dabei, dass ich mir meine zukünftige Braut nicht allein nach ihren politischen Vorzügen wählen werde. Sollte jedoch eine junge Dame aus dem Greifenfurter Hochadel mein Interesse wecken, so verspreche ich Euch, werde ich diese Möglichkeit nicht leichtfertig verwerfen und in meinen Überlegungen den Vorrang geben.“

folgt

Ein Stein im Nebel - Südgruppe

Aufruhr auf dem Marstall

Markgräflicher Marstall, Ende Phex 1034 BF

In diesem Götterlauf waren die Fohlen früh geboren. Lediglich zwei Stuten sollten noch im Peraine ihren Nachwuchs bekommen. Es war die arbeitsreichste Zeit für die Reiffenbergs und auch auf Gut Rosskuppe, welches erst im letzten Herbst hatte fertiggestellt werden können, gab es mehr Arbeit als der Tag Stunden hatte. Urion und Renzi hatten sich die Aufgaben aufgeteilt und auch Urions Geschwister Rondrian und Meran, die wieder mal auf dem Gut weilten, packten an, wo es nötig war.

Meran war vor drei Tagen ohne ihren Gatten aus Perainefurten eingetroffen. Rondrian hatte sich nun endgültig von seiner schweren Verletzung erholt und würde in den nächsten Monden wieder gen Warunk aufbrechen.

Es dämmerte bereits, difuses Licht warf bereits lange Schatten über den Innenhof, als Urion und Rondrian das Herrenhaus des Marstalls betraten. Sie wusche sich in den bereitgestellten Wasserschüsseln und legten die Stallkleidung ab. Beide trugen im Alltag darunter lediglich ihre schlichten Leinenhemden und enganliegende Hirschlederhosen.

Sie saßen beim Abendessen, als plötzlich der Zwergenschmied Artog den Raum betrat. „Urion, es riecht nach Ärger, gerade sind zwei Reiter eingetroffen, Boten des Prinzen, wie sie behaupten, der jüngere gibt sich als Berhelm von Dunkelsfran aus, des Prinzen Bannerträger. Der Zweite ist unser alter Bekannter Rosco Falkenblick.“

„Nun Artog, lasse sie eintreten und sorge bitte dafür, dass sich die Knechte ihrer Pferde annehmen.“

Artog wand sich zur Tür und öffnete sie. Auf seinen Wink betraten zwei Männer den Raum. Sie waren in Reiseumhänge gehüllt, die die Spuren eines schnellen Rittes erkennen ließen. Urion erkannte Bernhelm und Rosco auf den ersten Blick und erhob sich von seinem Platz. Er trat mit einer einladenden Geste auf sie zu: „ Bernhelm von Dunkelsfarn, Rosco Falkenblick, Travia zum Gruße, die Zwölfe mit Euch. Nehmt Platz. Euer Erscheinen ist schon deshalb eine Überraschung, weil er in dieser Konstellation erfolgt. Aber fiel mehr wurdet ihr als Boten des Prinzen gemeldet, deshalb tragt schnell vor wie die Meldung lautet.“

Nachdem sich beide verneigt hatten, nahmen alle Platz und Bernhelm begann seinen Bericht. Schließlich endete er mit den Anweisungen die der Prinz ihm für Urion aufgetragen hatte. „ Ihr mögt umgehend alle Waffenfähigen um Euch sammeln und Euch darauf vorbereiten, dass die Greifin mit ihrem Gefolge in wenigen Tagen über Hesindelburg und Hexenhain zum Marstall kommt. Ihr sollt euch ihr dann mit den Truppen anschließen.“

Urion war ob des Berichts des Bannerträger wie vor den Kopf geschlagen. Der Meister der Mark ein Verräter, der den Prinzen hatte festsetzen lassen. Ein Umstürzler. Nun erschienen es ihm im Nachhinein durchaus logisch. Der meister der Mark hatte ihm befohlen die Schwadronen der Grenzreiter sämtlich im Süden und vor allem im Osten der Mark zu stationieren. Ferner hatte der Nebelsteiner den Heermeister der Mark Reto von Schattenstein abgesetzt, eine Tatsache, die Urion als eher als notwendige Umstrukturierung innerhalb der märkischen Wehr betrachtet hatte. Zudem war Urion ja dadurch selbst in der märkischen Administration mit der zusätzlichen Aufgabe des Rittmeisters der Mark beauftragt worden. Ein perfides aber wie sich jetzt zeigte erfolgreiches Ablenkungsmanöver des Nebelsteiners. Und jetzt kamen ihm auch einige Gespräche mit dem Meister der Mark in den Sinn. Hatte dieser nicht immer gesagt er solle sich nicht den Kopf zerbrechen übe Dinge, die Meister und Prinz zu verantworten hätten. Nun standen auch seine letzten Missionen außerhalb der Mark in Frage. Hatte der Meister der Mark ihn nur deshalb gesandt, um ihn aus den Rennen zu haben. All diese Gedanken liefen blitzartig durch seinen Geist und er bemühte sich um seine innere Ruhe. Er sammelte sich und räusperte sich.

„Ihr bringt wahrlich schlechte Kunde Bernhelm von Dunkelsfarn. Der Verrat des Nebelsteiners trifft mich im Mark. Nichts desto weniger gilt es jetzt schnell und entschlossen zu handeln. Was ist Euer weiterer Auftrag?“

„Nun der Prinz sandte uns aus, um euch und den Kressenburger Baron zu alarmieren. Danach reiten wir schnellstmöglich in den Kosch, um den Fürsten zur Lage vorzutragen und ihn im Namen des Prinzen um Unterstützung zu bitten.“

Nun machte sich bezahlt, was Urion in unzähligen Stunden an der Wehrheimer akandemie und auf den Schlachtfeldern gelernt hatte. Sein Verstand erfasste augenblicklich die Gesamtsituation und in seinen Gedanken sortierte er Truppenstärken, Möglichkeiten des Handelns sowohl des Gegners als die eigenen, mögliche Marschrouten, Logistische Fragetstellungen und letztlich auch der Ort einer konfrontation mit dem Nebelsteiner, der, wie Urion bereits wusste, selbst ein erfahrener Truppenführer war.

„Nun gut, ans Werk, die Zeiten werden nicht besser, in dem man beklagt wie schlecht sie sind. Wir gehen ab jetzt wie folgt vor. Ich werde noch heute Nacht Boten aussenden, welche die umliegenden Barone alarmieren und in Kenntnis setzen. Das betrifft auch den Kressenburger, zu dem ihr noch hättet reiten müssen. Ihr bleibt heute Nacht hier und ruht.“ Urion wischte den Versuch eines Einwandes Berhelms zu Seite und fuhr fort. „Keine Diskussion, ich befehle das als Rittmeister der Mark. Morgen früh statte ich Euch mit den besten Botenpferden der Mark aus. Damit kommt ihr auf schnellstem Wege zum Fürsten und so die Götter es fügen, auch genau so schnell mit Koscher Verstärkung zurück. Bernhelm und Rosco, ein koscher Verstärkung kann das Zünglein an der Waage sein, denn wir sind den Truppen des Nebelsteiners deutlich unterlegen. Deshalb führt sie schnell und auf sicheren Wegen heran. Ich hinterlasse auf unserem Weg in den Osten der Mark in den großen Siedlungen Anweisungen, dass man Euch mit dem notwendigsten versorgt und Euch unterstützt wo es geht. Egal wo ihr her kommt, von Westen oder Süden, der Marstall aber auch die Baronien Hexenhain und Hesindelburg werden Euch die notwendige Unterstützung gewähren. Und noch etwas, schaut auf Eurem Marsch unter die Meilensteine auf dem Fürstenweg, dort werde ich unsere aktuellen Marschziele hinterlegen, damit ihr nicht fehlgeht. Und jetzt bekommt ihr erst mal was anständiges zum Essen und einen Humpen Bier. Dann geht es ins Bett.“

Rosco Falkenblick erhob sich und es war das erste mal, dass Urion ihn mehr als einen Satz sprechen hörte. „Habt Dank, Herr Urion. Es erleichtert uns unseren Auftrag immens, dass ihr uns den Ritt nach Kressenburg erspart. Wir werden dem Fürsten die Botschaft so schnell wie möglich zustellen.“

Urion nickte , verließ kurz den Raum und kam wenig später zurück. Er drückte Bernhelm ein Kupferstück in die Hand. „Hier ist mein Abzeichen des Kupferkeilers. Als Mitglied der Gesellschaft der 42 trage ich es seit der Queste des Prinzen zur Rettung seines Bruders. Es sollte Euch den Zugang zum Fürsten erleichtern und Beleg für die Dringlichkeit unseres Ansinnens sein.“

Bernhelm schloss die Hand um das Emblem. „Ich werde es sicher verwahren, dessen seid gewiss.“

Nachdem die beiden den Raum verlassen hatten, wandte sich Urion an Artog und Rondrian: „Artog, sorge dafür, dass in einer halben Stunde Meldereiter für die Baronien Hesindelburg, Donfanger, Feldharsch, Nardesfeld und Zalgo bereit gemacht werden. Ferner möchte ich eine Reiter nach Hexenhain zu Hesindiane und Alrik schickst du verdeckt nach Greifenfurt zu Reto von Schattenstein. Reto ist der erfahrenere Stratege und muss jetzt wissen, mit wem er rechnen kann. Ich setze jetzt sofort die Botschaften auf. Die Süd- und Westbaronien sollen ihre verfügbaren Truppen sofort hier her in Marsch setzen. Wenn die Greifin hier eintrifft, möchte ich eine Großteil der Kräfte vor Ort haben.“ Artog nickte und stürmte zur Tür heraus.

„Die Nachricht an Ardo überbringst du ihm bitte selbst, Rondrian. Er muss schnellstmöglich seine Landwehr mobilisieren und bereithalten. Reite hin und setze ihn ins Bild. Er soll nicht zu früh losschlagen, weil wir nicht wissen, wo der Nebelsteiner derzeit ist und er muss auf jeden Fall auf die Befehle der Greifin warten. Am besten nähert ihr Euch vorsichtig der Stadt und bezieht Versteck bis weitere Order kommt. Wenn Ardo neue Erkenntnisse hat, lasst sie uns zukommen. Und Rondrian, Ardo ist ein Keilholtzer, aber er ist auch mein Freund und Garafanist und deshalb über jeden Zweifel erhaben. Wenn sein Onkel gefehlt hat, hat das nicht Ardo zu verantworten. Wenn er es einrichten kann, soll er hier her kommen. Ach und bevor ich es vergesse, sag ihm ich bräuchte seine Reiterei umgehend hier im Marstall. Wenn die Greifin marschiert, dann brauche ich zur Flankendeckung und Avantgarde alles, was ich an Kavallerie aufbieten kann.“

Rondrian erhob sich ebenfalls und drückte seinem Bruder die verbliebene Hand auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen, Urion, ich weiß, die Herrin wird an unserer Seite sein. Und seit ich Ardo kenne, hat er immer Wort gehalten. Nur schade, dass Vater auf diese Wallfahrt in den Schlund ziehen musste.“

„Wenn da nicht auch der Nebelsteiner seine Finger im Spiel hat. Vater war kurz vor seiner Abreise noch in Greifenfurt. Aber es hilft nichts, wir brauchen jetzt jede Klinge und jede Lanze. In Vaters Abwesenheit ist Hesindiane in der Pflicht. Sie muss die Hexenhainer Wehr führen. Ich werde alle mitnehmen, die Kämpfen können. Rudebrecht wird es allein schwer haben, aber es geht nicht anders. Denn glaubst du im Ernst, ich könnte Renzi hier halten, wenn die Greifin zu den Fahnen ruft. Die beiden pflegen einen regen Briefwechsel, seit die Greifin bei unserer Hochzeit war. Auch das Exil im Kloster Rabenhorst hat daran nichts geändert, zumal nach der Geburt unserer Zwillinge. Doch nun reite schnell zu Ardo und bringe Ihm die Botschaft. Sei aber vorsichtig, wer weiß, wo der Meister der Mark überall seine Spitzel hat. Möge die stürmische Göttin dir beistehen.“

Als Rondrian den Raum verlassen hatte, begab sich Urion in die Schreibstube und entzündete eine Öllampe. Im Sekretär fand er leeres Pergament, Tinte und Federkiel. Er machte sich daran, die Botschaften zu verfassen, als plötzlich sein Verwalter Rudebrecht von Jungsalm hinter ihm stand. „Ah, Rudebrecht, entschuldige, ich wollte dich nicht wecken.“ „Ist schon gut, Urion. Ich hörte Pferde im Hof und dachte mir, ich werde vielleicht gebraucht?“

Urion berichtete dem Verwalter alles, während er seine Botschaften zu Ende schrieb. „Lass mich eben die Meldereiter losschicken, dann müssen wir planen.“

Er griff die gesiegelten Botschaften, eilte durch den Raum und den Flur zur Haustür hinaus. Im Hof warteten bereits sieben Reitknechte auf eilig gesattelten Pferden. „Männer zuhören, hier sind Botschaften für die umliegenden Baronien und überbringt sie persönlich an die Barone. Reitet schnell und seid vorsichtig. Haltet nicht an und meidet es, gesehen zu werden, bis ihr an Eurem Ziel seid. Nur so viel, die Mark ist in großer Gefahr und der Feind kommt von Innen. Wenn Euch die Barone fragen, was es mit der Botschaft auf sich hat, dann sagt ich hätte euch aufgetragen, alles wichtige stünde in der Botschaft. Wenn man euch festsetzt, dann verzagt nicht.“

Er verteilte sechs Pergamentrollen und wies den Reitern die Ziele zu. Gerade als die sechs Reiter auf das Tor zuritten, schloss sich Ihnen Rondrian auf seinem Schlachtross an. Urion wandte sich nun seinem Vormann zu. „Alrik, du reitest nach Greifenfurt. Du kennst den Edlen von Schattenstein, den ehemaligen Heermeister der Mark. Nimm vorsichtig zu ihm Kontakt auf. Sag ihm ich würde dich schicken und wenn er einen Beweis verlangt, dann nenne das Kennwort: Finsterwacht. Dann weiß er, dass ich dich schicke. Sag ihm, ich wäre über den Verrat des Meisters der Mark im Bilde und hätte meine Aufträge vom Prinzen erhalten. Ich warte auf die Greifin und schließe mich ihr an. Wir stellen alles unter Waffen, was laufen kann. Ardo kommt mit seiner Landwehr von Süden bis vor die Stadt und bezieht dort Versteck, bis die Lage klar ist. Bernhelm ist bereits auf dem Weg zum Fürsten des Kosch! Sag dem Edlen, du könntest eine Antwort sofort mitnehmen, und kommst dann so schnell wie möglich zurück.“

Jetzt, da die Meldereiter unterwegs waren fiel ein Teil der Last von Urions Schultern. Dennoch lag der größte Teil der Arbeit noch vor ihm. Bis zum frühen Morgen besprach er sich mit seinem Verwalter, plante und organisierte. Sollten die Truppen vor der Markgräfin eintreffen, musste sie untergebracht und verpflegt werden. Aber auch für den weiteren Feldzug mussten sie genügend Proviant mitführen. Die Scheunen des Gutes und des Marstalls waren relativ gut gefüllt, und Urion wusste, dass er einen Teil würde hierlassen müssen, wollte er die Zucht nicht gefährden. Das gleiche traf die Bewohner zu. Er konnte mit drei Reitknechten eine Rumpfbetrieb sicherstellen. Der Rest wäre eine willkommene Verstärkung der leichten Kavallerie. Sowohl in den Reitkünsten als auch im Kampf mit Lanze und Schwert würden sie es mit durchschnittlichen Kämpfern aufnehmen können, den sie hatten jahrelang, tagein tagaus nichts anderes getan. Viel wichtiger waren Sie für Urion aber als flinke Botenreiter und Späher.

Noch bevor die Dämmerung einbrach ließ er Bernhelm und Rosco wecken. Mit Proviant und Pferden versorgt preschten sie durch das große Tor und waren alsbald im Südwesten verschwunden.

Kurze Zeit später verließ auch eine berittene Patrouille den Marstall gen Hesindelburg, um möglichst früh den Zug der Greifin auszumachen und zu melden.

Mit dem wichtigsten Auftrag jedoch betraute Urion seine Schwester Meran. Sie würde sich in den Osten an die Grenze zur Wildermark begeben, um in Erfahrung zu bringen, was die Absichten des Nebelsteiners waren und wo er sich befand.

An diesem Tag wurde nach den Planungen Rudebrechts und Urions die Arbeit auf dem Marstalls umgestellt. Über Nacht war der Krieg in die Mark zurückgekehrt. Erst jetzt wurde Urion erschreckend klar, dass es nicht die Schwarzpelze waren, sondern ein Fall, den er für eigentlich unmöglich gehalten hatte. Die Einheit der Provinz stand auf dem Spiel. Wenn es der Götter Wille ist, dass wir den Sieg davontragen, werden wir nicht nur einen Krieg gewinnen. Dann werden wir alle auch einen hohen Blutzoll zu entrichten haben. Bruder gegen Bruder. Und schon dachte er daran, dass sie derart geschwächt eine leichte Beute für die Schwarzpelze sein würden.

Mobilmachung in Kressenburg

Kressenburg, Ende Phex 1034 BF

Rondrian war schnell und hart geritten und hatte dabei weder sich noch sein Ross geschont. Bei tiefster Nacht hatte er die Breite an einer Furt überquert, nachdem er sich und dem Pferd eine einzige kurze Rast gewährte, danach ritt in den ganzen Morgen durch Königsgau und erreichte kurz vor der Mittagsstunde schließlich die Stadttore Kressenburgs. Die Büttel ließen ihn ohne zu zögern passieren und er sprengte wort- und grußlos an ihnen vorbei den Burgberg hinauf. Erst auf dem Burghof hielt er sein Ross vor dem lieblich angelegten Brunnen an und war schneller an der Tür zum Palas, als die Pferdeknechte aus der Scheune kommen konnten um zu sehen wer es denn da so eilig hätte.

Die erste Person die Rondrian begegnete war ein rundlicher Zwerg mittleren Alters mit gepflegtem, kunstvoll geflochtenem Bart und feiner Kleidung. In der rechten Hand den Stab des Majordomus haltend kam er dem Geweihten aus einem seitlichen Gemach entgegen. Nach einem kurzen Blick auf die Insignien verbeugte sich der Zwerg artig und machte eine einladende Geste in Richtung des Burginneren.

„Euer Gnaden, bitte tretet näher. Euer Besuch ehrt unser Haus. Darf ich mich nach Eurem Namen und nach Eurem Begehr erkundigen?“

„Mein Name ist Rondrian von Reiffenberg. Ich bin hier um Baron Ardo eine persönliche Nachricht meines Bruders Urion zu überbringen,“ sagte er mit lauter aber nicht schroffer Stimme. „Ist er zu sprechen? Es eilt und duldet keinen Aufschub.“

„Natürlich. Wenn Ihr mir bitte ins Arbeitszimmer folgen wollt. Seine Hochgeboren von Keilholtz wird erfreut sein Euch zu empfangen.“

Der Majordomus drehte sich auf den Hacken um und schritt Rondrian so schnell es seine Zwergenbeine zuließen voraus. Am Ende des Ganges ging es über eine Wendeltreppe einen Turm hinauf bis der Zwerg schließlich vor einer schweren Eichentür stehen blieb und mit dem Knauf seines Stabes dreimal gewichtig daran klopfte. Von drinnen erklang ein gedämpfter Ruf woraufhin er ohne weiteres Zögern die Klinke ergriff, die Tür aufschob und eintrat.

„Ugrimm! Was gibt es?“ Am schweren Arbeitstisch saßen sich Ardo und sein Vogt Phexian gegenüber. Diversen Pergamentrollen und ein schwerer Foliant lagen offen auf dem Tisch und schienen bis eben das Gesprächsthema gewesen zu sein.

„Ich bitte die Störung zu Verzeihung Euer Hochgeboren, aber Ihr habt wichtigen Besuch. Ihro Gnaden von Reiffenberg wünscht umgehend ein Gespräch.“

„Wer? Ach, Rondrian! Willkommen auf Burg Kressenburg!“ Der Baron sprang sogleich auf um den Reiffenberger freudig zu begrüßen. Die ernste Miene des Geweihten ließ ihn jedoch innehalten. „Ist mit Urion und Renzi alles in Ordnung? Es wird doch den Kindern nichts zugestoßen sein.“

„Nichts dergleichen.“ Rondrian hob beschwichtigend die rechte Hand und trat näher. „Dennoch komme ich mit schlimmer Botschaft und dringlicher Bitte von Urion. Die Mark und das Reich sind in großer Gefahr.“

Mit wenigen Sätzen erklärte der Geweihte der Leuin den erstaunten Zuhörern was sich zugetragen hatte und was von ihnen erwartet wurde. Ardo schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf als könne oder wolle er das Gehörte nicht begreifen. Schließlich hatte Rondrian geendet und sah Baron und Vogt erwartungsvoll an. Der Keilholtzer wirkte noch immer wie vor den Kopf gestoßen und bedurfte eines lauten Räusperns des Kieselholmers um ihn zu sich zu bringen.

„Ja was soll man dazu sagen? Der Meister der Mark ein Verräter an Greifenfurt und dem Reich. Das hätte ich ehrlich niemals erwartet. Wenn ich nur daran denke wie ich ihm gegenüber vor zwei Götterläufen den Lehnseid auf die Mark geleistet habe. Die Landwehren habe ich in seinem Namen geübt und nun wird er sie gegen das Reich verwenden. Und dazu Verräter in den Reihen meiner eigenen Familie! Praiossanctus, gib mir Kraft oh Götterfürst!“ Donnernd krachte Ardos Faust auf den massiven Eichentisch. „Das werde ich nicht zulassen!“

„Niemand bezweifelt deine Loyalität zur Greifin und zur Mark, ganz gleich welche Verfehlungen man anderen deiner Familie vorwerfen kann.“ Rondrian nahm den Eifer des jungen Barons mit einem Lächeln zur Kenntnis, beschwichtigte ihn jedoch sogleich. Gerechter Zorn mochte im Kampf hilfreich sein, aber bei den anstehenden Planungen hieß es einen kühlen Kopf zu bewahren um dem Verräter auch mit unterlegenen Kräften einen guten Kampf zu liefern. „Urion hat mich persönlich geschickt um dir das zu sagen und um dich an seine Seite zu bitten wenn es dir möglich ist. Der Bund des Garafan soll an der Seite der Markgräfin in den Kampf ziehen. Zusätzlich zieht mein Bruder alles an Reiterei zusammen was er in der Kürze der Zeit bekommen kann.“

„Natürlich werde ich sobald als möglich aufbrechen. Ginge es nur um Mich würde ich sofort aufbrechen und wäre heute Abend in Greifenfurt. Aber ich fürchte das hier bedarf größerer Planung.“ Der Baron überlegte wohl eine Minute lang und fing dann schließlich an Befehle zu geben.

„Ugrimm, geh in den Hof und schick die Pferdeknechte mit Nachricht zu meinen Vasallen. Kieselbronn, Praiostann, Immingen. Schicke auch nach meinen Großvater, er möge sich hier einfinden. So gern ich ihm das auf seine alten Tage ersparen würde, aber wir brauchen jedes Schwert. In zwei Tagen sollen alle bis zum Abend auf der Burg sein, dann können wir am vierten Tag in Greifenfurt sein. Die restlichen Ritter sollten morgen mit dem Erztransport aus Sturmhöhe zurückkehren. Sie und die Pferde bekommen so noch einen Tag Ruhe bevor es losgeht. Außerdem soll die Landwehr ausgehoben werden. Die meisten kommen sowieso hier aus der Stadt oder aus Tsanau selbst, aber einige werden von abgelegenen Höfen marschieren müssen. Sie sollen binnen Wochenfrist hier sein und werden von Phexian nach Greifenfurt gebracht.“ Mit einem Wink entließ er den Zwerg, der eilfertig davon stob.

„Phexian, du kümmerst dich auch um die Zusammenstellung des Trosses. Ich weiß, die Lager sind nach dem Winter fast leer, aber sieh zu, dass die Truppe gut versorgt ist. Leerer Bauch kämpft nicht gut. Was wir an zusätzlichen Wagen und Karren brauchen wird in der Stadt requiriert, zur Bespannung nimm die Rückpferde aus dem Forst.“ Mit einem schweren Seufzer blickte Ardo durch das Fenster auf das Land hinaus. „Wo wir bei den Pferden sind, ich werde wohl HIDALGO reiten müssen, den alten Warunker. Mein BOROMIL ist noch mit Mechthild auf dem Weg ins Bornland. Zudem habe ich weder meinen Pagen noch meine Knappin an der Seite. Ich werde wohl wieder beim Stadtkommandanten nachfragen müssen, ob ich mir Hamfast wieder ausborgen kann. Und bei Gelegenheit kümmere ich mich um einen Zweitknappen.“ Mit einer entschlossenen Geste wischte er seine eigenen Bedenken beiseite. „Aber es sei wie es ist. Wir sollten schauen, dass wir weitere Unterstützung bekommen und die Nachbarn warnen, Eslamsroden voran. Praiossanctus, ich muss Greifwin warnen!“

Hier machte Rondrian eine Geste um ihm das Wort abzuschneiden. „Vielleicht solltest du das besser nicht tun Ardo. Wir wissen nicht wie vertrauenswürdig dieser Zweig deiner Familie ist. Immerhin ist der Finsterkammer einer der Anführer des Verrats. Du bist nur ins Vertrauen gezogen worden, weil du als Garafanist über jeden Zweifel erhaben bist und Urion dich persönlich sehr schätzt. Doch das gilt nicht für alle deine Anverwandten, so schmerzlich das für dich auch sein mag.“

„Greifwin mag mehr als ich auf seinen eigenen Vorteil bei allem bedacht sein, aber er stand immer loyal zur Mark!“ Erregt verteidigte Ardo seinen Vetter und musste sich zusammennehmen den Geweihten nicht ungebührlich anzubrüllen. Zähneknirschend gab er dann jedoch unter dem strengen Blick Rondrians nach. „Zugegeben, er wäre uns im Moment wohl auch keine große Hilfe. Er selbst ist mehr Krämer denn Ritter und seine Position als Baron ist nach wie vor so schwach, dass ihm abgesehen von seinen Geschwistern wohl keiner seiner Vasallen in den Kampf folgen würde. Doch ich fürchte die Entscheidung ihn nicht vor dem falschen Spiel des Nebelsteiners zu warnen, könnte meinen Vetter unwissentlich und ungewollt ins Lager der Verräter treiben.“

„Das ist ein Risiko welches wir eingehen müssen. Wichtiger als wirklich jeden einzelnen Streiter in unsere Reihen zu rufen ist es, den Verräter nicht eher als notwendig davon in Kenntnis zu setzen, dass seine Ränke aufgeflogen sind. Im Moment zieht er mit seinen Truppen vom Finsterkamm in Richtung Wildermark. Wir wissen nicht genau wo er gerade steckt, auch wenn Urion schon Meran auf dieses Problem angesetzt hat. Aber Tilldan schart auf seinem Weg sicherlich die ahnungslosen Vasallen der Greifin und die Landwehren um sich, was ihn Zeit kostet. So lange er sich unentdeckt glaubt, können wir ihn vielleicht noch stellen bevor er die Greifenfurter Grenzen verlässt. Ist er aber erst einmal aufgeschreckt wird er jedes weitere Zögern vermeiden und wir werden ihn nicht mehr aufhalten können.“

Ardo nickte einsichtig, wenngleich ihm der Gedanke Greifwin, Praiadne und ihre Brüder im Unwissen zu lassen trotzdem nicht gefiel. „Dann sollten wir trotzdem jene die wir gefahrlos erreichen können möglichst vollzählig unter dem Banner der Greifin versammeln. Zum Beispiel hat Urion Königsgau nicht bedacht. Die Mersingerin, wenn sie denn zugegen ist, aber auf jeden Fall die Königsgauer Junker und Ritter werden mit Sicherheit mit uns ziehen. Auerbach, Waldschatten, die Rübenhainer Ritter, sie alle könnten heute noch alarmiert werden und schnell in Greifenfurt sein.“

„Du hast Recht Ardo, der Gedanke ist uns nicht gekommen. Aber meine vorrangige Aufgabe war es dich zu warnen und an der Greifin Seite zu holen. Dabei bin ich wahrscheinlich sogar an einigen ihrer Höfe vorbeigeritten.“ Jetzt war es an Rondrian sich zu ärgern und er schlug mit Wucht seinen Armstumpf in die rechte Hand. „Du brauchst nicht noch einen Boten schicken, ich werde das auf dem Rückweg persönlich übernehmen. Hier ist alles gesagt und entschieden was ich wissen musste und ich werde es Urion getreulich berichten. Wir sehen uns dann in drei Tagen in Greifenfurt.“ Er reichte Ardo und Phexian die Schwerthand und ging eben so schnell wie er gekommen war den Turm hinunter zu seinem Ross. Keine fünf Minuten später hörte man den Geweihten vom Hof traben.

Kressenburger Waffenschau

Kressenburg, Ende Phex 1034 BF

Seit mehr als zwanzig Götterläufen hatte man in der Stadt Kressenburg nicht mehr so viele Bewaffnete auf einem Fleck gesehen. Ein Dutzend Ritter aus der ganzen Baronie samt ihrem Gefolge, welche sich unter dem Banner Ardos darauf vorbereiteten nach Greifenfurt zu reiten.

Der verbitterte Junker Balduin, dessen Bogenschützen aus Kieselbronn einen sehr guten Ruf besaßen und der einst selbst ein begnadeter Bogenschütze gewesen war, bis Waldsteiner Marodeure ihm Anfang des Götterlaufs die Schildhand abgeschlagen hatten. Des Junkers jüngerer Bruder und sein Schwager, die Ritter Kasimir und Alwin, welche den Baron in den letzten Götterläufen schon oft bei anderen Gelegenheiten begleitet hatten. Der grimmige Ritter Wulfhart, der Vater des Barons und in Friedenszeiten Anführer der Kressenburger Ritterschar. Der strenge Ritter Braniborian, dessen praiosfrommer Blick keine Ungerechtigkeit und keinen Müßiggang duldete. Der beleibte Ritter Arnulf, in seiner Jugend ein begeisterter Tjoster, mit dreien seiner Töchter. Isolde, Bärlinde und Wolfhilde, die der alte Imminger selbst zu stolzen Ritterinnen ausgebildet hatte. Der fast greise Ritter Bernhelm, der sein kleines Gut am Rande des Reichsforstes seit beinahe vier mal zwölf Jahren durch allen Unbill der Zeiten seit Kaiser Reto führte. Der junge Eldwin, Gralshüter der Ritter von Korbronn. Zum ersten Mal seit dem großen Orkenkrieg sah man auch den betagten Vogt Phexian wieder in seiner alten Brünne hoch zu Ross, wenn er auch nur hier war um den Baron und die anderen zu verabschieden. Lediglich Junkerin Faralda fehlte, denn sie weilte mal wieder im Süden, bei einem ihrer dubiosen Bekannten aus ihrer bewegten Jugend.

Zusammen mit ihren Pagen und Knappen bildeten sie eine Streitmacht, die jeden im Ort vor Ehrfurcht staunen ließ und auch dem Baron ging das Herz auf als er seine Vasallen zum ersten Mal vollzählig und kampfbereit versammelt sah. Noch wusste niemand hier worum es eigentlich ging und die meisten Bauern fürchteten sich vor einem erneuten Einfall der Schwarzpelze. Und so sammelte sich viel neugieriges Volk als Ardo vor die in einer Reihe auf dem Marktplatz vor dem Praios-Kloster aufgestellten Ritter trat und mit lauter, weit tragender Stimme zu sprechen begann.

„Ihr tapferen Männer und Frauen Kressenburgs! Großes Unheil zieht über der stolzen Mark Greifenfurt herauf. Der Meister der Mark hat sich als schurkischer Verräter an Reich und Mark erwiesen. Seit dem Winter hielt er unseren Prinzen Edelbrecht und weitere treue Ritter auf einer Burg im Finsterkamm gefangen, weil sie seinen Ränken auf die Spur gekommen waren. Der Prinz und seine Getreuen konnten jedoch vor wenigen Tagen entkommen und haben uns eine Warnung geschickt. Der Meister der Mark aber schart zur Stunde bereits Truppen um sich. Die Landwehren des Nordens und Ritter, so wie ihr, die von seinem Verrat noch nichts wissen und im Glauben wider die Wildermark zu ziehen vom Finsterkamm gen Süden marschieren. Noch wissen wir nicht was seine Ziel ist und wohin er seine Truppen lenken wird, aber eines ist gewiss: Dass wir uns ihm entgegenstellen werden und dabei keinen Fuß breit märkischen Boden preisgeben werden, auf Gedeih oder Verderben!“

In überraschte und erboste Gesichter blickend machte Ardo eine Pause um Luft zu schöpfen. In den Reihen der Bürger um ihn herum kam Unruhe und lautes Gemurmel auf. Seinen Vasallen diese schlechte Nachricht zu verkünden war ihm nicht leichtgefallen, doch war es seine Pflicht und Aufgabe als ihr Baron und Lehnsherr. Er war sehr froh darüber, dass er ihnen wenigstens einen kleinen Hoffnungsschimmer mit auf den Weg geben konnte und wandte sich bei den folgenden Worten nicht nur den Ritter vor ihm, sondern auch den Menschen um sich herum zu.

„Doch verzaget nicht, ihr tapferen Männer und Frauen Kressenburgs, denn es gibt Hoffnung! Wisset, dass in dieser verzweifelten Stunde, wo das Schild des Reiches zu wanken und zu weichen scheint, unsere geliebte Markgräfin nach langer Krankheit endlich zu uns zurückgekehrt ist!“

Lauter Jubel aus hunderten Kehlen unterbrach Rede des Kressenburger Barons, als Ritter und Bürger wie aus einem Mund ihrer Freude und Erleichterung Luft machten. Ardo musste einige Moment abwarten bis sich alle wieder soweit beruhigt hatten, dass man ihn über das allgemeine Gemurmel wieder hören konnte.

„Die Greifin höchst selbst steht an der Spitze der reichstreuen märkischen Truppen und ruft ihre Getreuen zum Kriegsrat nach Greifenfurt! Zu dieser Stunde strömen Ritter und Bewaffnete wie wir zum Herz der Mark, dem Ruf der Greifin folgend. Unter ihrem Banner ziehen wir gegen den Verräter und mit der Götter Segen werden wir ihn niederwerfen!“

Noch lauter war das Gejohle als Ardo geendet hatte. Seiner Ritter schlugen die Schwerter an die Schilde als würde es just in diesem Moment in die Schlacht gehen. Er genoss den erhebenden Anblick seiner Getreuen und gab ihnen dann das Zeichen sich marschbereit zu machen. Während die Ritter sich vorbereiteten, lenkte der Baron sein Pferd neben seinen Vogt, der ihn mit einem aufrichtigen Lächeln begrüßte. „Du verstehst es zu begeistern mein Junge.“

„Motivation ist so wichtig wie die reine Kampfkraft, das lernt man schnell in der Armee. Vor allem bei den öden Nachtwachen. Ich hoffe darauf, dass uns dieser Kampfeswille uns Stärke und Flügel verleiht. Denn Tilldan wird deutlich mehr Truppen um sich scharen können als wir und er ist uns einige Tage voraus.“ Ardos Miene zeigte Besorgnis und Unsicherheit ob der vor ihnen liegenden Aufgabe. „Wenn wir das Glück haben ihn noch auf märkischen Boden stellen zu können, werden wir Rondras ungeteilte Aufmerksamkeit und ihres ganzen Wohlwollens bedürfen, um den Reichsverräter auf offenem Feld schlagen zu können. Wir müssen darauf vertrauen, dass die Greifin seinen unwissenden Gefolgsleuten die Augen öffnet und sie auf unsere Seite zieht bevor es zum Kampf kommt. Aber die wahren Verräter werden sich wohl kaum kampflos unserer Gnade ergeben, dafür sind sie zu weit gegangen.“

Phexian nickte nachdenklich und sah dann gen Firun. „Also brecht ihr nun auf?“

„Das tun wir. Aber ich möchte dich bitten die Landwehr so schnell wie möglich nach Greifenfurt zu führen. Ihr werdet mit Tross und Gepäck sicherlich länger brauchen und erst in ein paar Tagen dort eintreffen, aber ich will noch heute Abend im Heerlager sein. Ich muss einfach dabei sein wenn die weiteren Schritte entschieden werden, allein um zu zeigen, dass nicht alle aus meiner Familie Verräter sind. Es ist schlimm genug, dass der Finsterkammer sich als ein solcher erwiesen hat. Deswegen kann ich nicht auf die Landwehr warten.“

„Und ich nehme an diese Ehre wird mir zuteil, weil ich jeden Kressenburger seit Geburt und mit Namen kenne, wie es manches Mal hinter meinen Rücken gesagt wird?“

„Genau.“ Unwillkürlich musste Ardo lächeln. Natürlich kannte Phexian diese Sprüche, auch wenn ihm dies nie jemand ins Gesicht gesagt hätte. So gut wie nichts in Kressenburg blieb dem tüchtigen Vogt verborgen. Manchmal war dem Keilholtzer das fast unheimlich. „Dich kennen die Leute, du bist ihnen seit vielen Götterläufen ein vertrautes Gesicht. So entsteht am wenigsten Unruhe, denn wenn die erste Euphorie in ein paar Stunden verflogen ist, werden bei den Leuten die alten Sorgen wieder aufbrechen. Bring die Truppe vollzählig zur Stadt, damit wir unsere Pflicht für die Mark erfüllen können.“

„Wohlan, dann reite mit meinem Segen Junge. Wir kommen so schnell es geht hinterher.“

Ardo nickte seinen ehemaligen Schwertvater dankbar zu, schwenkte sein Pferd scharf um und setzte sich neben Junker Balduin an die Spitze seiner Ritterschar. Alle senkten die Köpfe für ein letztes Gebet vor dem Praios-Kloster, von dessen Stufen aus Prätor Badilak ihnen Praios’ Segen mit auf den Weg gab. Dann ritten der Baron und seine Getreuen unter dem Jubel der Städter an und folgten dem Verlauf der Hauptsraße den Berg hinab. Bis zum Stadttor rannten ihnen die Kinder nach und im Zwergenviertel säumten viele Angroschim den Weg um ihnen zuzuprosten. Hinter dem Stadttor bog die Gruppe auf die Straße nach Greifenfurt ein und schon nach wenigen Minuten waren die Ritter hinter der nächsten Hügelkuppe verschwunden.

Die Dorfbewohner aber machten sich nach und nach auf und gingen in ihre Handwerksstuben oder auf die Äcker. Krieg hin oder her, Sensen mussten geschmiedet, Tische gehobelt, Schuhe besohlt und die Felder bestellt werden, bevor in ein paar Tagen die kräftigsten Männer und Frauen für den Baron in den Kampf zogen. Aber so war es schon immer gewesen, ob gegen den Ork, falsche Kaiser oder den schrecklichen Feind im Osten.

Kressenburger Stadtgeflüster

Praios’ Wille

Gespräch zwischen Phexian von Kieselholm und Badilak von Praiostann im Praios 1034 BF über den neuen Praiostempel.

„Was soll das heißen der Baron ist nicht anwesend?“ Der Lichthüter wäre fast von seinem Stuhl aufgesprungen, bewahrte jedoch im letzten Moment die Fassung. Gerade gegenüber dem Vogt wusste er, dass er sich keine Blöße geben durfte. Aber er wartete nun schon seit Wochen darauf dieses Gespräch zu führen und jedes Mal war der junge Keilholtz wegen irgendeines fadenscheinigen Grundes nicht zu sprechen. „Gestern bei den Praiostagsfeierlichkeiten war er sehr wohl zugegen. Wo bitte ist er denn abgeblieben?“

„Verzeiht das Ungemach Ehrwürden, doch Seine Hochgeboren ist auf dem Weg nach Hundsgrab. Er folgt einer Einladung des Junkers von Pechackern und dem praiosgefälligen Bund des Garafan, in dessen Reihen er dorten aufgenommen werden soll.“ Phexian ließ sich mit keiner Regung anmerken, wie sehr ihn die Unwissenheit des obersten Praios-Geweihten Kressenburgs belustigte. Auch, dass Badilak von Praiostann nun bereits zum dritten Mal umsonst vorstellig geworden war schien dem alten Vogt ein ausgesprochen amüsanter Schachzug Phexens zu sein und er konnte es sich nicht verkneifen Salz in die Wunde zu streuen. „Hernach wird Seine Hochgeboren in Eslamsroden weilen wo er im Auftrag des Meisters der Mark die Ausbildung der Landwehren leitet. Wenn Ihr ihn also noch vor der Ernte sprechen möchtet, so müsstet Ihr Euch nach Broien bemühen.“

„Ich werde nichts dergleichen tun!“ Wütend fuhr die Faust des Geweihten auf den Tisch. „Bin ich denn ein Laufbursche? Wenn Seine Hochgeboren nicht zu sprechen ist, dann werdet eben Ihr Euch anhören was ich zu sagen habe. Immerhin seit Ihr der Vertreter und habt als Vogt alle Vollmachten. Oder hat der junge Keilholtz Euch etwa an die kurze Leine genommen?“ Ein herausforderndes Glitzern trat in seine Augen.

Phexian erwiderte den Blick ruhig und äußerlich gelassen, aber die unterschwellige Beleidigung durch den Praiostann wurmte ihn. „Seid versichert Ehrwürden, dass ich in Abwesenheit des Barons weiterhin die volle Entscheidungsgewalt habe um die Baronie zu Praios’ Wohlgefallen zu führen. Was immer Ihr Seiner Hochgeboren zu sagen habt könnt Ihr mir anvertrauen und ich werde es ihm getreulich weitergeben.“

„Schön, sehr schön.“ Badilak strich sich das Gewand zurecht, das durch seinen kleinen Ausbruch ein paar unerwünschte Falten geworfen hatte. „Ich habe nämlich in den letzten Monden mehr und mehr den Eindruck gewonnen, dass es um die Gunst und das Wohlgefallen des Götterfürsten hinsichtlich Kressenburgs nicht sonderlich gut bestellt ist. Diesen Zustand halte ich für untragbar und verlange, dass dem Abhilfe geschaffen wird.“

„Darf ich erfahren, wodurch sich Eurer Eindruck gefestigt hat, dass Herr Praios mit uns unzufrieden ist?“ Phexians Stimme war vorsichtig, fast lauernd..

„Es ist doch ganz offensichtlich!“ Der Prätor stand erneut kurz vor einem Ausbruch, weil der alte Kieselholmer ihm offensichtlich nicht folgen konnte. Oder wollte, was er bei einem Spross dieser von Praios verlassenen Familie eher annahm. „Wenn Ihr die Zeichen nicht erkennt, was wahrscheinlich von einem einfachen Mann auch zu viel verlangt ist, so will ich sie Euch nennen.“ Wieder beobachtete er genau wie seine Spitze auf den Vogt wirkte. Vielleicht war es sogar besser, dass der junge Baron nicht anwesend war, so konnte er den Kieselholmer endlich einmal in seine Schranken weisen.

Phexian bemühte sich um Ruhe. In ihm brodelte es, doch nach außen strahlte er nichts als interessierte Gelassenheit aus. „Ich bitte darum, Ehrwürden. Erleuchtet mich.“

„Ich werde mich bemühen, auch wenn ich da wenig Hoffnung hege.“ Badilak verzog die Lippen zu einem Hohnlächeln. Die Wortwahl seines Gegenüber machte ihm deutlich, dass seine Kritik an der Lehensführung wohlgetroffen hatte. „Nehmen wir als erstes die Umtriebe der Druiden, welche zudem ihren Ursprung in Eurer Familie haben, zumindest teilweise.“ Wieder weidete sich der Prätor einen Moment am Unwillen des Vogtes der die Lippen fest aufeinander presste um keine ungehörige Erwiderung zu geben. „Zwar haben ich, mit ein wenig Hilfe durch den Baron und Eurer Anverwandten, einen dieser Schwarzmagier im letzten Götterlauf unschädlich machen können, doch ist uns auch einer vom Scheiterhaufen entwischt und das wäre ihm ohne Hilfe weiterer Schwarzkünstler nicht möglich gewesen. Ohne jeden Zweifel streunen sie noch immer in den Wäldern herum und warten nur auf die nächste Gelegenheit uns götterfürchtigen Menschen zu schaden.“

Der Lichthüter machte eine Pause um Phexian Gelegenheit zu geben sich über die Anschuldigungen und Andeutungen wider seine Familie zu beschweren, doch der Vogt setzte sich nur bequemer hin, da er erwartete noch eine längere Liste zu hören zu bekommen. „Bitte fahrt fort Ehrwürden, ich bin ganz Ohr.“

„Wie Ihr wünscht. Eine Sache an die ich Euch wohl kaum erinnern brauche ist die Situation in Immingen. Es ist keine zwölf Götterläufe her, als der Namenlose selbst dorten der Entfesselung durch seine Anhänger gefährlich nahe war. Ich bin mir bewusst, dass sich die Draconiter diesem Ort angenommen haben. Aber unter ihnen sind auch Magier, die ich für denkbar ungeeignet halte sich an solch einem Ort der Versuchung aufzuhalten. Zumal ich das Problem für einen solchen Orden mit begrenzten Mitteln und weitläufigen Zielsetzungen für nicht dauerhaft lösbar halte.“ Badilak machte keinen Hehl aus seiner geringen Meinung. Seine Stimme troff förmlich vor Überheblichkeit. „Ich bin mir sicher, dass sie bald das Interesse an Immingen verloren haben werden und uns mit diesem ungelösten Problem zurücklassen.“

„Die Brüder und Schwestern haben uns bisher sehr geholfen, Ehrwürden. Ihren Einsatz als Fehlschlag herabzuwürdigen käme mir anmaßend vor. Zumal es seit dem zweiten Angriff keine weiteren Vorfälle mehr gegeben hat.“ Phexian war ehrlich erstaunt, dass der Praiostanner den Hesinde-Geweihten eine Lösung des Problems nicht zutraute. Es war offensichtlich, dass es den Praioten ärgerte, dass der Imminger damals nicht die Kirche des Götterfürsten zur Hilfe gerufen hatte.

„Der nächste kritische Punkt ist die stete Ausweitung der Wildermark“, fuhr der Prätor erbost über den Widerspruch fort. „Inzwischen kommen die Verbrecher auch zu uns nach Kressenburg, obgleich wir abgelegen und weit weg scheinen. Erst im letzten Rahja wurde wie Ihr wisst eine Band Rauschkraut-Schmuggler gestellt und gerichtet. Hierbei hat Seine Hochgeboren zwar beeindruckende Entscheidungsfreudigkeit gezeigt, doch bin ich besorgt über sein Rechtsverständnis und die Selbstverständlichkeit mit der er sich bei der Aburteilung des Hagenbronners über gängige Rechtspraktiken hinweggesetzt hat. Ich fürchte um seine Seele wenn er sich in solche Nähe zum Herren der Rache begibt.“

„Ardo hat völlig korrekt gehandelt und der Meister der Mark hat sein Urteil bestätigt! Zudem wurde sämtliches Schmuggelgut Euch überstellt um eine zukünftige Verwendung zu unterbinden.“ Der Vogt nahm sich mit Mühe zurück. Die Anschuldigungen waren natürlich haltlos, da Ardo in den Augen aller auf die es ankam richtig gehandelt hatte. Selbst die Praios-Kirche hatte den Vorfall bisher kommentarlos abgenickt. Des Prätors jetziger Vorstoß war in seinen Augen eine unerhörte Eigenmächtigkeit.

Badilak indes lächelte. Hier also war der wunde Punkt des alten Mannes. Die Vorwürfe gegen sich und seine Familie kannte er und wusste sie einzuordnen aber einen Angriff auf seinen ehemaligen Knappen schien er nicht so kaltblütig hinnehmen zu können.

„Ob das Handeln des Barons vor Praios’ Augen korrekt war kann weder der Meister der Mark noch dieser Laienorden in den Seine Hochgeboren nun wohl als Belohnung für sein Handeln aufgenommen werden soll wirklich beurteilen. Die Kirche des Götterfürsten hält sich indes eine abschließende Beurteilung noch vor, aber ich will nicht in Abrede stellen, dass der Baron im Glauben, das Beste für die Mark zu tun, gehandelt hat. Gleichwohl“, sprach er mahnend den Finger hebend weiter, „müssen wir bedenken und beobachten welche Folgen seine Taten auf die Einigkeit nicht in der Mark sondern im Reich haben. Denn ich bezweifle, dass gerade die Waldsteiner der Rechtsauffassung seiner Hochgeboren und des Meisters der Mark folgen werden. Hier ist Zwietracht gesät wo wir sie nicht gebrauchen können, dräut uns im Osten doch ein größerer Feind.“

Wieder nahm der Vogt das Gehörte wortlos in sich auf. Widerworte, hatte er erkannt, fruchteten beim Lichthüter nicht, so begründet sie auch waren. Der Prätor war mit einem klaren Ziel hierher gekommen und Phexian wartete ungeduldig darauf, wann sein Gesprächspartner den eigentlichen Grund seines Kommens offenbaren würde.

„Zudem ist mir zu Ohren gekommen“, wechselte Badilak scheinbar zusammenhanglos das Thema, “dass Seine Hochgeboren nach seiner Belehnung vollmundig versprochen hat dem Götterfürsten seinen Dank auszudrücken. Ein Fest zu seinen Ehren wollte er ausrichten, doch habe ich bisher weder von eine Feier gehört, noch habe ich Vorbereitungen dazu wahrgenommen. Das lässt mich befürchten, dass der Baron seine Versprechen und Verpflichtungen Praios gegenüber nicht sonderlich ernst nimmt oder aber nicht in der Lage ist diese zu erfüllen.“

Phexian schwieg zuerst weiter, doch dann wurde offensichtlich, dass der Prätor nun eine Erwiderung erwartete. Der Vogt zögerte, denn die Beweggründe Badilaks waren ihm nicht gänzlich offenbar. Der Lichthüter wollte etwas von Ardo, etwas Großes und Wichtiges. Aber was?

„Ihr seid also hier um den Baron daran zu erinnern, dass er dem Götterfürsten noch ein Festmahl schuldig ist?“

„Wenn man es so will“, meinte Badilak listig, „ist ein Fest tatsächlich Teil dessen was Praios von Seiner Hochgeboren erwartet. Denn was wäre eine Tempelweihe ohne eine angemessene Feier?“

„Ein Tempel?“, fragte Phexian ungläubig. Der Vogt glaubte seinen Ohren nicht trauen zu können. „Einen neuen Tempel für den Götterfürsten? Aber warum? Euer Kloster ist doch jetzt schon das größte Götterhaus in Kressenburg. Und wie glaubt Ihr sollen wir das bezahlen? Die Baronie wirft kaum genug ab um alle die darin wohnen zu ernähren und die vorhandenen Tempel und Schreine zu unterhalten. Euer Fest könnt Ihr meinethalben haben, aber wir können keinen Tempelneubau stemmen ohne Kressenburg auf Generationen zu ruinieren.“

„Baut meinem Herren ein neues Haus, damit sein Name und jedes Gebet an ihn wieder mit Ehrfurcht gesprochen wird! Wie Ihr das anstellt ist mir völlig gleichgültig, Kieselholm.“ Badilaks Stimme war kalt wie Eis. „Aber Praios wird sich angesichts der Zustände in diesen Landen nicht mit weniger zufrieden geben als ich in seinem Namen verlangt habe.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem fast diabolischen Lächeln als er sich zum Gehen erhob. „Sagt dem jungen Keilholtz, es sei eine jener Questen denen er anscheinend so gerne nachjagt, dann ist er vielleicht zugänglicher wenn Ihr ihm Praios Wunsch mitteilt. Sollten die Belange des Götterfürsten aber weiterhin so sträflich missachtet werden, könnt Ihr Euch sicher sein, dass die Kirche die Fähigkeit des Barons, und auch Euer Urteilsvermögen in dieser Sache, einer eingehenderen Untersuchung unterziehen wird.“

„Ich nehme Euch beim Wort Ehrwürden.“ Phexian hatte sich schnell gefangen und seine Stimme war so nüchtern und berechnend wie immer wenn er ein Geschäft abschloss. Nachdem der Praiostanner seine höfliche Maske hatte fallen lassen und die unverhohlene Drohung in den Raum gestellt hatte war ihm klar, dass sein Schützling diesmal ein Problem hatte vor dem er nicht einfach zum nächsten Turnier davon reiten oder zu seinen Freunden flüchten konnte.

„Das solltet Ihr auch! Praios mit Euch.“

Mit diesem kurzen Gruß wandte sich der Lichthüter zur Tür und ließ den verhassten Vogt allein zurück.


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