Heroldartikel:Im Lärm der Schlacht

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Erlebnisse einer Novizin des Draconiter-Ordens

Nachfolgender Brief wurde seiner Eminenz E.Q. Eternenwacht, dem Erzabt des Draconiter-Ordens von einer Ordensnovizin zugeleitet und wird im Gedenken an die Gefallenen der 3. Dämonenschlacht veröffentlicht. Möge Boron ihren Seelen Frieden schenken!

Eminenz!

Wieder richte ich das Wort an Euch, wie es mir die Pflicht als Novizin gebietet, ermutigt durch Eure stete Freundlichkeit und Güte mir gegenüber. Mit Freuden habe ich vernommen, dass Ihr wohlauf an Leib und Seele seid und Erleichterung erfüllt mich ob Eures Wohlbefindens! Und doch habe ich zu beichten, Zu beichten, Euren Rat missachtet zu haben, dem Ruf meines unsteten Herzens gefolgt zu sein, das mich dereinst noch ins Verderben führen wird. Vielleicht aber war es auch eine andere Stimme, die mich geleitet hat, die mich oft dorthin führt, wohin ich nicht gehen möchte, mich auffordert, zu sehen und zu berichten. Doch ist es anmaßend, solche Vermutungen anzustellen, wo ich doch auf Euer Verständnis, Euren Trost, auf lindernde Worte hoffe.

Denn ich war dort. Und niemals wird die Gnade des Vergessens meinen Schmerz lindern. Doch lasst mich berichten, das Wissen zu teilen, das ich erfuhr, wie es die Lehren der Herrin Hesinde gebieten.

Rot. Glühendes Rot. Wie das warme Blut, das über verstümmelte Körper rinnt. Wie das lodernde Glühen, welches tief in alten Augen, die seit langem nicht mehr sehen sollten, unstet brennt. Wie das Banner, das nicht fallen will. Und doch ist es nur die Sonne, die mit prächtigem Farbenspiel die Bühne verlässt, das Firmament für das Mahl der Mada freigibt, sich über Feder und Pergament ergießt. Warum habe ich es mir angetan! Das Schwert ist mir nicht fremd, doch die Feder ist mein Bruder und die Laute meine Schwester.

Warum hat mich mein vermaledeites Herz gedrängt, zugegen zu sein, Lehen und Seelenheil zu riskieren! Die Gewissheit, dass meine Augen es sehen mussten, damit die Opfer der Gefallenen in meinen Liedern Gedenken finden! Ich weiß es nicht. Letztendlich weiß ich nichts mehr von dem, was war, bevor ich an dieser unheiligen, niederhöllischen Mauer stand. Einer fetten Bestie gleich, von schmierigem Öl und klebrigem Schleim jettschwarz glänzend, die arkanen Symbole und bewehrten Türme eine mächtige Drohung, die aufgespießten, angenagelten Toten eine höhnische Machtbezeugung. Wie eine schwane Witwe schien sie zu lauern, bebend von Ungeduld und Gier auf die törichte Beule, die sich ihr näherte. Narrten mich die furchtsamen Augen, oder lief da ein erregtes Beben über den mächtigen Leib des alten Kolosses! Nie zuvor habe ich mehr Angst und Grauen verspürt!

Zu meiner rechten Stand ein junger Rondrianer, gerade 18 Götterläufe mochte er gesehen haben. Sein bleiches Gesicht war von schmerzlicher Entschlossenheit geprägt, die Augen zusammengekniffen im Angesicht des Todes. Seine Lippen aber formten fast lautlos Gebete und Lobpreisungen zu Ehren der Leuin, und keine Bitte um Beistand oder Stärke wich von ihnen, sondern nur der Dank, für sie sterben zu dürfen.

Zu meiner linken aber stand ein Mann mittleren Alters, mit einem schartigen Schwerte gerüstet. Sein wettergegerbtes Gesicht wies ihn als Bauern aus. Er blickte starr auf die Mauer, aber sein Gesicht war überströmt von den Tränen, die unablässig aus seinen hellblauen Augen rannen. Er schien alle Trauer Deres in sich zu vereinen. Eine Therbuniterin fasste mich an der Schulter und forderte mich auf, ihr zu folgen, um bei den Verletzten zu helfen. Offensichtlich wirkte ich nicht gerade wie eine Kämpferin. Wir eilten zu einem provisorischen Unterstand und bald begann das Gebrüll der Bestie Kampf zu toben. Ihre Stimme tönte laut, das Schreien der Kämpfenden, das Klirren der Waffen, das Stöhnen der Verletzten, das Seufzen der Sterbenden, das Hufgeklapper der schnaubenden Rösser und das Sirren der Bogensehnen. Ein brausender, dröhnender Choral des Todes.

Ich hatte kaum noch Zeit zu atmen, so schnell wurden Verletzte heranbezerrt. Wir arbeiteten im Akkord, versuchten klaffende Wunden zu verbinden, quellende Organe zurückzudrängen, Verbrennungen zu kühlen, Wir traten gegen den Tod an. Aber es schien, als würden wir versuchen, das Meer mit der hohlen Hand leer zu schöpfen. Wir waren so wenige. Fast schien es mir, als könne ich das Rauschen von Golgaris Schwingen um mich herum hören. Das Blut und die Schreie brachten mich fast um den Verstand, überall lagen stöhnende und sterbende Körper, junge und alte, magere wie fette, Männer neben Frauen. Die Luft schien mir zum Schneiden dick von den Seelen, die den Toten entwichen. Die Zeit blieb stehen. Kräuter und Verbandszeug waren bald zu Ende, die Feldscher und Medici griffen zu Mitteln, die mich schaudern ließen. Bald waren Unterrock und Hemd verbraucht, wurde die Kleidung der Toten zur Rettung der Lebenden zerrissen. Irgendwann begann der Strom der Verletzten zu versiegen, jedoch nicht, weil das Töten nachließ. Nein, kaum konnten die wenigen erschöpften Helfer noch vordringen, ihr barmherziges Werk zu verrichten, und auch von ihnen waren viele gefallen. Als der Tag sich zu neigen begann, wurde ich zu einem Nachschubwagen wegen Fackeln gesandt, denn die Finsternis brach rasch hinein und uns verlangte nach hellem, schützendem Licht.

Ich ritt in die düstere Dämmerung hinaus und erblickte das Grauen. Dunkel war der Tag geworden und heiß ohrfeigte mich der verwesende Wind, der über das Feld der Schmerzen blies. Und wo einst Erde war, da lagen nun Leiber, Hunderte und Aberhunderte, und sie übersäten den Boden wie fleischgewordene Blüten, in rotglänzender Pracht. An der Mauer fielen sie noch immer und es tobte der Kampf. Der Wind trug es eifrig herüber, das Heulen der Untoten, die Schreie von Pein und Schrecken, das Johlen der Dämonen. Hier aber, zu meinen Füßen, da lagen die, die bereits ihren Blutzoll erbracht hatten. Mit jedem Schritt stieß mein Fuß an einen anderen Körper, namenlos und unbekannt. Hunderte Augen, im Tode verdreht, blickten fragend zum Firmament und kraftlose Hände flehten erkaltend um Hilfe.

Warum! Götter, warum! Ich sah den Bauern und ich sah den Rondrianer, und sie waren beide gleich im Tod, und keiner von ihnen blickte erlöst oder stolz ob seines Opfers. Ich sah Maiden und Recken, doch sie waren nicht mehr denn blutend dreckverschmierte Pflastersteine auf dem Weg zum Ziel, und keiner würde sich ihrer erinnern, es sei denn die einsamen Lieben, die nun ohne sie bestehen mussten. Ich sah einen Jungen, einen Trommler. Seine Hände umklammerten die zerborstene Trommel, aber seine Augen waren nicht mehr. Ich sah eine Maid, schön und zart wie eine Königin, aber ihr Kiefer war zerfetzt und ihre weiße Brust offenbarte ihr ruhendes Herz. Rot und feucht war die Erde, getränkt von Blut und Leid. Welch Blüte kann hier noch sprießen, welches Kraut hier gedeihen! Siehe, die Ernte, die heute gehalten, sie verdarb für alle Zeiten die Saat. In Ewigkeiten werden die Steine vom Leide singen, wenn der Wind die unsterblichen Seelen an diesem Ort vorbeiträgt! Gibt es einen Frieden nach solchem Leid?

Ich weiß nicht, wie die Schlacht geschlagen wurde. Ich sah nicht die Bosheit des Bethaniers, obgleich ich das mordlüsterne Flüstern seines Heerwurms hörte. Ich bekam nicht das Antlitz der Verräter zu Gesicht und spürte nicht das Schwert ihrer Schergen. Aber wahrlich, ich schmeckte das bittere Opfer, das wir brachten und ich badete im Blut, das wir vergossen, und ich erkannte den schrecklichen Zoll, der gezahlt wurde Ich weiß nur eines: Niemals werde ich vergessen. Niemals verstehen. Niemals verwinden. Und niemals, niemals vergeben.

Möge die weise Herrin über Eure Wege wachen. Mir bleibt nichts, denn zu beten, um Ruhe und Frieden für mein gepeinigtes Herz ebenso wie für unser geschundenes Volk. So verbleibe ich in der Hoffnung auf baldiges Wiedersehen mit den besten Wünschen für Euch und Euer Wohlbefinden und den herzlichsten Grüßen

Amber



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Texte der Hauptreihe:
23. Ing 1021 BF zur abendlichen Perainestunde
Im Lärm der Schlacht
Die Greifenfeder


Kapitel 37

Die Zusammenkunft zu Mersingen
Autor: M. Noeth