Geschichten:Zweifelfelser Zwist – Die Macht der Urmutter

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Irgendwo in den Wulfshöhen, 30. Rahja 1040 BF:

Dichte Nebelschwaden waberten durch die schwer zugänglichen Täler und schroffen Felsformationen der Wulfshöhen. Der Forst war hier noch sehr wild und ursprünglich, hatte er doch über die Jahrhunderte sämtlichen Rodungsversuchen getrotzt und doch hatten die Höhen eine große Bedeutung für die Menschen. Seit Rohal dem Weisen markierte der höchste Punkt der Wulfshöhen den gemeinsamen Grenzpunkt der drei Grafschaften Waldstein, Reichsforst und Hartsteen.

Zielstrebig und mit starren Blick, als würde sie einer Vision folgen, schritt Nartara durch das ungewöhnlich dichte Unterholz des Waldes. Dicht hinter ihr folgten Leomar und Rondriga halb in Trance. Die beiden waren nach Leumundes Duelltod die letzten beiden verbliebenen Aspiranten auf die Würde des Familienoberhauptes. Es hatte sich einen alles lähmende Pattsituation innerhalb der Familie eingestellt. Das wollte Nartara nicht hinnehmen.

Während sich die drei Kontrahenten in den letzten Monden erbittert und blutig bekämpft hatten, war Nartara nicht untätig gewesen. Die Oberhexe der Familie Zweifelfels hatte sich auf die Suche nach dem Grab der Urmutter der Familie gemacht. Sie hatte die alten, der Familie heiligen Stätten aufgesucht und das Land um Rat befragt. Die Visionen, die Nartara zuteil wurden, wurden immer intensiver – und immer klarer. In einer längst vergessenen Kultstätte war es der Hexe gelungen alte Inschriften aufzuspüren und zu entziffern. Sie sprachen von der Schwarzen Kriegerin und wiesen Nartara zu den Wulfshöhen.

Die drei erreichten einen Felsvorsprung. Hier schien kein Weiterkommen. Doch Nartara strich mit ihren krallenartigen und knöcherigen Fingern über die Felsoberfläche. Hier war etwas, das spürte sie. Sie breitete ihre Arme aus, glitt mit ihren Händen über die steinerne Oberfläche und berührte mit ihrer Stirn den kahlen Fels. Sie murmelte ein paar unverständliche Worte und mit einmal öffnete sich der Fels und gab einen engen Gang frei. Die giftgrünen Augen der Alten blitzten auf und sie gab Rondriga und Leomar ein Zeichen ihr zu folgen.

Der Gang führte sie tief ins Innere des Berges und endete vor einer weiteren Felswand. An der Seite reckte ein steinerner, mit Zähnen bewehrter Luchskopf aus dem Fels. Das Maul war eine Öffnung. Vorsichtig legte Nartara ihre Hand hinein. Ihr schmerzverzerrtes Gesicht verriet den anderen beiden, das etwas passiert war. Langsam zog die Hexe ihre nun blutende Hand aus dem steinernen Maul. Was immer auch geschähen war, es sorgte dafür, dass sich auch dieser steinerne Durchgang öffnete.

Als Nartara den Felsdurchgang durchschritt, entflammten sich unvermittelt unzählige Fackeln an den Wänden. So offenbarte sich eine große Halle. Die Felswände waren zum Teil naturbelassen, zum Teil bearbeitet und mit Inschriften versehen. Im Zentrum, umgeben von natürlich gewachsenen Säulen, stand auf einer Anhöhe ein steinerner Thron. Auf ihm ruhte ein Skelett. Hinter dem Thron standen drei, übermannsgroße Statuen. Die beiden äußeren stellten luchsköpfige Mischwesen dar. Die Körper waren die von Männern, die Speere hielten. Die mittlere, etwas größere Statue hatte einen pechschwarzen, weiblichen Körper und ebenfalls einen Luchskopf. An dem Skelett auf dem Thron waren noch Reste von Kleidung zu erkennen, sowie einzelne rote Haarbüschel. Den Hals schmückte ein geschwungenes Schmuckstück.

Leomar schritt als erster vor den Thron, legte sein Schwert Seelensäufer ergeben davor ab und fiel ehrfürchtig auf die Knie. Rondriga tat es ihm gleich. Nartara trat vor, breitete ihre Arme aus und schloss ihre Augen.

„Urmutter des Landes, Quell unseres Blutes, wir sind gekommen um dir zu dienen. Wir haben unser Blut für dich vergossen. Nimm unsere Opfer an und führe uns!“

So verbrachten Nartara, Leomir und Rondriga die Namenlosen Tage in den felsigen Tiefen der Wulfshöhen und warteten in Demut und Ergebenheit auf ein Zeichen der Urmutter. Was die drei nicht ahnen konnten, sie sollten tatsächlich erhört werden. Doch war es tatsächlich die Urmutter die zu ihnen sprach?

Glühende, bernsteinfarbende Augen beobachteten lauernd die Szenerie.