Geschichten:Wisshardts Vermächtnis

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Mit einem vernehmlichem Laut fiel die schwere Holztür zum Treppenaufgang ins Schloss. Die Halle im Rommilyser Turm der Firunslichts lag in düsterem Glosen aus einigen niedergebrannten Scheiten des Kamins. Der Neuankömmling atmete einmal tief durch. Dieser Raum war eines der weniger bekannten Machtzentren in Darpatien. Hier waren die meisten Entscheidungen seines Vaters gefällt worden, von hier aus hatte Wisshardt die Familie mit fester Hand geführt.

Edric fand seinen Vater in einem der hochlehnigen Stühle um den Kamin vor, in eine dicke Decke eingehüllt, den berüchtigten Stock an sein Knie gelehnt. Letztendlich hatte das Alter den so rüstig scheinenden Patriarchen doch eingeholt. Von einer schweren Erkältung hatte sich Wisshardt seit dem Hesindemond nicht mehr völlig erholt. Müde war der Geheime Rat geworden, auch wenn sein Geist noch immer wach war, so schlief der Mann doch inzwischen viel. Das machte Edrics Anliegen nicht gerade leichter.

"Vater, ich bringe euch wichtige Kunde ...", hob er nicht allzu laut an. Tatsächlich war der Angesprochene wach, der Kopf mit dem schneeweißem Haar hob sich und die berüchtigten Augen fixierten den Junker von Cravolds Haag und Darpatien.

Edric räusperte sich kurz und fuhr dann fort. Wie ein Peitschenknall schnitt die Bedeutung seiner Worte durch den Raum. "Die Trollpforte ist gefallen. Es heißt, Razzazors gesamtes Heer marschiert. Die Fürstin hat zu den Waffen gerufen, in der Stadt herrscht Unruhe." Edric machte eine kurze Pause und vergewisserte sich, dass Wisshardt ihm zugehört hatte. Das Gesicht des Altjunkers war steinern, seine Blicke bohrten sich in die Glut des Kamins. "Aldron ist schon aufgebrochen, zum Cronfeldherrn nach Perlenblick. Seine Einheiten sind wie alle in Bereitschaft."

Edric stockte in seinem leisen Erzählfluss und setzte sich nun ebenfalls auf einen der Stühle. Seine Blicke lag auf seinem Vater, doch Wisshardt schwieg.

Als der Junker schon dachte, der alte Mann sei eingenickt, erhob dieser seine Stimme. Sie war ein wenig rau aber gut verständlich. "Du hast doch getan, was ich dir gesagt habe?" Offenbar war Edrics Verwunderung gut erkennbar. "Nach dem Orakel der Gänse. Du hast doch getan, was ich dir auftrug?", herrschte er fast ungeduldig seinen Ältesten an. Edric verstand und nickte. "Ja. Es hat uns einiges gekostet." Wisshardt fuhr ihm harsch ins Wort. "Besser einiges als alles. Mach dich reisefertig und nimm es mit. Und nimm auch das Mädchen mit." Das Mädchen - das war Tsarahja, Edrics junge Gemahlin.

Deren Gatte wiegte offenbar ein wenig verwirrt den Kopf. Nervös schob er seine feine Brille auf der Nase zurecht. "Reisefertig? Wohin sollte ich wohl jetzt reisen? Ihr meint doch nicht etwa..." - "Doch, ich meine. Pack und zieh los. Dein Bruder ist ein weitaus besserer Soldat als du. Überlass ihm das Retten von Fürstin und Vaterland, rette du das Haus und die Zukunft." - "Aber was wird aus euch, Vater?", warf Edric besorgt ein. Der alte Patriarch schien trotz der Gewalt seiner Worte inzwischen so hilfsbedürftig.

Schweigen war eine ganze Weile die Antwort. Dann schließlich sprach Wisshardt leise. "Ich bin Darpatien. Stirbt meine Heimat, sterbe ich mit ihr. Ich bleibe in Rommilys."

Edric schnürte es den Hals leicht zu und er musste schlucken. "Geh jetzt, Edric. Bereite alles vor und achte darauf, dass es ohne Aufsehen geschieht."

Der Sohn nickte, erhob sich schwerfällig, als hätte man die Verantwortung in Form von Mehlsäcken auf seine Schultern gelegt. Langsam verließ er den Raum, die Tür fiel wiederum hörbar ins Schloss.

Der Zurückgebliebene murmelte leise. "Travia schütze dich, mein Sohn. Travia schütze uns alle..." Seine Augen wollten feucht werden. Niemand hatte ihn je weinen sehen in den letzten fünfzig Jahren. Selbst den Tod seiner geliebten Salvadne hatte er stur ertragen. Doch nun gestattete er den Tränen, frei zu fließen.