Geschichten:Winter im Feidewald - Wändewackeln

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Irgendwo tief im Feidewald, Hesinde 1036 BF

Irgendwo im Feidewald stand eine aus dicken Bohlen gezimmerte Hütte, umgeben von kahlen Eichen. Schwer drückte der Schnee deren Äste nach unten und aus dem Schornstein kräuselte schwacher Rauch. Ein Mann, ein Hüne von Gestalt, trat nach draußen und zog ein kleines Kind von etwa drei Jahren mit sich. Gemeinsam stapften sie durch den tiefen Schnee und er fluchte, als er über irgendetwas, das unter dem Weiß verborgen war, stolperte. Ihr Weg führte sie halb um die Hütte herum und ein Stück den Abhang hinab, an dessen Rand das Gebäude errichtet worden war. Dort ächzte ein auf zwei Pfähle gestütztes hölzernes Vordach unter der Schneelast. In dessen Schatten verbarg sich eine grobgezimmerte Tür, die in den Hang hineinführte. Der Mann schob sie auf und eine Wolke abgestandener Luft schlug ihm entgegen, eine Mischung aus Rauch, altem Schweiß und nassen Kleidern, Erde und angebrannter Grütze.

„Ho, Camilla. Darf ich reinkomm? Ich hab auch jemand mitgebracht“, brummte der Mann, der nicht nur den Kopf einziehen, sondern sich richtig bücken musste, um sich durch die enge Türöffnung zu quetschen.

Eine dick vermummte kleine Frau saß hustend an einer glimmenden Feuerstelle, deren Rauch die mit einfachen Holzbohlen ausgelegte Erdhöhle füllte. „Verdammich meinetwegen, jetzt biste eh schon halb drin, Fidubert. Hauptsache, du machst das Loch schnell wieder zu, ‘s wird kalt.“

„Jaja, gleich“, der Hüne schob das Kind vor sich her und zog die Tür hinter sich zu.

„Was willste eigentlich hier und warum bringste den klein Racker hier mit?“, erkundigte sich Camilla und begann wieder in dem irdenen Topf zu rühren, der mitten in der Glut stand.

„Die Hauptfrau wollte mit Abdulmar unter vier Augen ‚sprechen‘“, er begleitete seine Worte mit einer eindeutigen Geste, „und ich soll derweile Kindermädchen spielen.“

Der kleine Junge, schwarzhaarig und mit einer schmutzigbraunen Gesichtsfarbe, war derweil nahe an den Herd gekrochen und steckte einen Finger in den Topf. Die Frau gab ihm einen Klaps auf die Hand, die er darum erschrocken zurückzog. „Na, Kleiner, du weiß, was deine Eltern machen, häh?“

„Rein – raus“, krähte der Dreikäsehoch.

Fidubert lachte rauh: „Lass das mal kein Rahjapfaffen nich hörn.“

„Als ob die sich je hierher verirrn würdn“, Camilla schüttelte den Kopf. Der Hüne grinste immer noch: „Dann muss man ebn selbst für Spaß sorgn.“

„Was die an dem Südländer hat frag ich mich schon. Immerhin hat sie’n von und zu im Nam und könnt jedn andern aufreißn, dern bissl Geld und nen anständges Leben hat.“

„Dann musses wohl Liebe sein“, unbeeindruckt vom Schicksal seines kleinen Genossen tunkte auch Fidubert seine Pranke in den Topf.

„Liebe? Verdammich!“, Camilla schlug dem Hünen mit dem Löffel auf die Pranke, aber das hielt ihn nicht davon ab, sich etwas von der Grütze in den Mund zu schieben, „Da kehrt eher der Answin aufn Kaiserthron zurück.“

„Zumindest Spaß ha’n sie tüchtig. Da obn wackeln die Wänd“, merkte Fidubert an und wischte mit den abgeleckten Fingern ein paar kleine Erdklumpen von seinem Kittel, die gerade von der Decke gefallen waren.

„Macht sicher nen gutn Eindruck auf die Neuen“, Camilla seufzte.

„Ach, um die schert sich eh keiner“, winkte der Mann ab, „Nur wenn die den Winter überstehn, dann erst werdn die richtig in die Bruderschaft aufgenomm.“

„Ja, wenn sie’s schaffen. Und wenn sie verrecken is es nich schlimm für uns. Der Eichenblatt schickt solche wie die als Ablenkung und Schwertfutter für den Wegevogt los und holt sich dann seine richtge Beute an andrer Stell. Gerissn wie ein Fuchs is der. Braucht so fast keine überzählgen Mäuler stopfn und hat genug über. So kommt man zu was, sag ich dir.“

Fidubert straffte sich: „Is ja nich so, dass Rapidora das anders machen wird.“

„Ach. Wann soll’s losgehn?“, ein Flackern schlich sich in das graue Gesicht der Frau.

„Bald. Ich erzähls dir später“, raunte er und deutete mit einer schüttelnden Kopfbewegung auf den Jungen, der es sich mittlerweile in einer Ecke der Höhle beim Spiel mit ein paar knöchernen Würfeln gemütlich gemacht hatte, aber nun neugierig herüber schaute.

Camilla lächelte ihm zu und entblößte dabei die wenigen braunen Zahnstumpen, die noch in ihrem Mund vorhanden waren: „Na Kleiner, kannste noch das Lied, das ich dir beigebracht hab?“

Der Dreikäsehoch nickte eifrig und begann mit klarer Stimme zu singen:

„Lustig is das Räuberlebn in dem Feidewald juchei
Ohne Büttel, Fron und Pfaffn sind wir alle frei, zwei, drei.
Niemals müssn acht wir gebn auf der Herren Wort, drei, vier
Denn die wahren Herrn des Waldes, ja das sind doch wir allhier.



5. Hes 1036 BF zur abendlichen Boronstunde
Wändewackeln
Mühlenklappern


Kapitel 2

Stubentratschen
Autor: Steinfelde