Geschichten:Winter im Feidewald - Mühlenklappern

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Teklasmühle, Baronie Hutt, Hesinde 1036 BF

Wie jedes Jahr hatte zuerst der Kahle Schirch eine weiße Haube aufgesetzt bekommen. Von ihm ausgehend hatte sich der Neuschnee wie ein frisches Leinentuch über das Hutter Land gebreitet. Zugleich hatte sich tiefe Ruhe eingestellt, die nur ab und zu von den Rufen der dahinziehenden Graugänse und in den Dörfern und Höfen durch das Bellen eines Hundes unterbrochen wurde.

Mehr rutschend als gehend bugsierten zwei Männer einen mit Säcken beladenen Karren über die Brücke über die Buge, denn die gefrierende Gischt des die Brückenpfeiler umschäumenden Flusses panzerte die Planken mit Eis. Das zweirädrige Gefährt war wohl eigentlich dazu gedacht, von einem Ochsen gezogen zu werden, doch nun mühte sich der ältere der beiden mit dieser Aufgabe ab, während der jüngere von hinten schob. Beider Gesichter wirkten trotz der Bärte hager und waren von der Anstrengung gerötet und nur langsam näherten sie sich der Wassermühle. Als der vordere aufsah und ein Stück vor sich einen Bewaffneten erblickte, der am Tor des Mühlenhofs auf seiner Wache von einem Bein aufs andere trat, hielt er inne.

„Was is denn?“, erkundigte sich sein Kumpan.

„Da vorn, das is doch der Karstrich aus Oberkessel“, antwortete der ältere.

„Der Büttel?“, neugierig schaute der andere hinter dem nunmehr stillstehenden Karren hervor.

„Genau der.“

„Was der wo hier will? Bei der Prügelei aufm Richtfest in Kesseling da hatter von mir eine gelangt bekomm. Weiß nich mehr was röter war: seine Birne als er angerannt kam, um mich un den Fassbinder Rumpold zu trennen oder das Blut, das ihm hinterher auser Nase troff. Da war für ihn der Spaß vorbei. Aber was musser sich auch direkt in mein Schlag werfen.“

„Ich kann mir eh denken, warum der hier is. Zurück könn wir leider nich mehr. Also komm.“

Als die beiden vor dem Hoftor ankamen, stellte sich ihnen der Mann mit dem Speer in der Hand in den Weg.

„Grüß dich Karstrich. Wie geht’s der Nase?“, erkundigte sich der Jüngere.

Die Erinnerung flammte in den Augen des Büttels auf und er verzog den Mund. „Dir wird das Lachen gleich vergehn, Herdmund.“

„So? Da bin ich aber gespannt.“

„Dann hör zu: Die hohen Herrschaften geruhn, in der nächsten Zeit ein Fest zu feiern – ein Hochzeitsfest. Und der Landvogt hat die Müllerin zu diesem Anlass angewiesen, den Herrenanteil entsprechend zu erhöhn, wies üblich is. Und damit auch keiner von euch Kerlen auf dumme Gedanken kommt, hat der Quintian-Quandt gemeint, dass jemand aufpassen soll, dass es keine Zwischenfälle gibt. Und dieser Jemand bin ich. Also keine Sperenzchen, klar?“

Die beiden Hörigen sahen sich einen Moment erschrocken an und der ältere fragte zaghaft: „Wieviel solln das sein?“

„Vier von zehn Sack Mehl“, gab der Büttel zurück.

„Was?! Wie sollen wir dann durchn Winter komm?“, entfuhr es dem Jüngeren.

„Keine Ahnung. Ich bin auch nicht derjenige, der das entschieden hat. Kannst ja zum Landvogt gehen und ihm deine Bedenken selbst mitteilen“, entgegnete der Büttel kühl, „Aber überleg dir das gut. Ich hab gehört, dass der letzte, der das gemacht hat, direkt rausgeworfen wurde und darüber hinaus seinen Hof oben in Aldewied und alles andere verlorn hat. Der kann jetzt sehn, wie er auf der Straße bis zum Lenz kommt.“

„Lass gut sein, Herdmund“, sagte der Ältere schnell, bevor sein Kumpan aufbrausen konnte, „Bis jetz ha‘n wirs immer geschafft“, und an den Büttel gewandt, „Du siehst, wir ha’n viel zu tun, Karstrich. Also lass uns endlich durch.“

Der Ordnungshüter trat zur Seite und sah Herdmund hämisch nach, der mit verkniffenem Gesicht den Karren durchs Tor in den Hof schob und unter dem Klappern des Mühlrades kaum hörbar vor sich hin murmelte: „Wenn sich die hohn Herrn gerad nich die Köppe einschlagn, feiern sie Feste. Aber bezahln müssn immer wir, die Bauern.“



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2. Hes 1036 BF zur mittäglichen Ingerimmstunde
Mühlenklappern


Kapitel 1

Wändewackeln
Autor: Steinfelde