Geschichten:Wehrübungen in Perrinmarsch

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Dramatis personae:


Perrinmarsch, Gut Matlakur, Anfang Peraine 1034 BF

„Bei den Göttern! Der alte Gießenknecht würd‘ sich im Grabe umdrehen, wenn er euren traurigen Haufen sähe.“

Laut schallte die Stimme über die Wiesen nahe des Jagdgutes Salcaprea in den efferds gelegenen Perinmarschen. Adressiert war die Tirade an eine Gruppe von vielleicht drei Dutzend Frauen und Männern, die sich in unordentlichen Reihen aufgestellt hatten und sich in der Sommerhitze schwitzend verzweifelt an ihren langen Stangen festhielten, während sie weiter angekeift wurden. Urheberin ihrer verbalen Unbill war dabei eine stämmige Frau in den späten Fünfzigern, die Ihr ergrautes Blondhaar kurzgeschoren hatte. Das von einer Narbe am Kinn gezierte Gesicht war aufgrund der Temperaturen und durch ihren Unmut tief gerötet. Dennoch ließ sie es sich nicht nehmen, vollständig in Kettenhemd, Arm- und Beinschienen aufzutreten – lediglich den Helm trug sie unter dem linken Arm. In der rechten Faust hielt sie ein Kurzschwert, mit dem sie freigiebig herumfuchtelte, um ihre Worte zu unterstreichen.

„Dreifach gestaffelt antreten… zack, zack!“

Sie wies mit ihrer Waffe eine Linie, die sie wohl als vorderen Abschluss der Formation dachte. Mehr oder minder eilig formierten sich die Eingezogenen um. Dabei kam es zu einigen Rempeleien, als Nachzügler ihr Versäumnis nachholen wollten und ihnen dabei weniger motivierte Kameraden in den Weg kamen. „Wenn ich lahme Rindviecher sehen wollte, ginge ich auf eine Weide. Kommt da wohl mal Bewegung in eure Hufe? Drei Reihen sollt ihr machen, nicht zwei und drei halbe … muss ich euch drei Künstlern dahinten mal die Hand zurechtstutzen, damit das mit dem Zählen klappt? Heda, du … was ist so komisch? Hast du einen Elfen gefrühstückt oder willst du mich verarschen? Und du! Ich schieb dir gleich was in den Rachen nach, wenn du weiter so krumm stehst. Los, Arsch rein, Möpse raus, Kinn gerade. Geht doch.“

Nach diversen herzhaft vorgebrachten Korrekturwünschen schien die Ausbilderin mit ihren Schützlingen einigermaßen zufrieden und ging über zum nächsten Akt des Dramas: „Riposte!“ Die Holzstangen senkten sich aus der Front der Angetretenen heraus. Einige wackelten dabei bedenklich.

„Was soll das denn werden? Das ist kein Spießwald, das ist ein trauriges Büschel. Damit könnten wir glatt erfolgreich sein … wenn Haffax das sieht, lacht er sich noch tot.“

Beherzt schlug sie mit der flachen Seite ihres Kurzschwertes auf das Ende einer der Übungswaffen, die dadurch flach zu Boden fiel.

„Ich glaub ich spinne! Was verstehst du denn unter Zupacken? Dass ist kein Blumensträußchen für deine Mama, Bürschchen. Im Ernstfall ist das das einzige, was zwischen dir und deinem Tod steht. So kannst du dich dann gleich neben das Ding legen. Glotz nicht so, hoch damit und diesmal festgehalten! So, das ganze nochmal: Stillgestanden! Das darf aber auch ein wenig strammer sein ... Riposte … Ich krieg gleich einen Anfall, ihr Taugenichtse … das wollt ihr nicht erleben …“

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Etwas abseits des Trubels im Schatten einiger Bäume beobachtete Ritter Marbert von Golinwarf das Treiben. Die Stimme der Frau war laut genug, um zu ihm und seiner Übungspartnerin hinüber zu tragen und veranlaßte ihn immer wieder zum Schmunzeln und Kopfschütteln.

„Wo habt ihr die denn aufgetrieben? Wenn wir nicht aufpassen, schindet sie die Leute noch zu Tode.“

Leodane von Firunslicht ließ sich von seinen Worten nicht ablenken, während sie das Ziel in etwa fünfzig Schritt Entfernung anvisierte, den Atem kurz anhielt und den Pfeil von der Sehne fliegen ließ. Tief sank das Geschoss in das Zentrum des roten Flecks auf der Brust der Strohpuppe.

„Damit führe ich jetzt um 8 Punkte. Euer Schuss, Marbert.“

Der Ritter zog einen weiteren Pfeil aus dem Boden zu seinen Füßen und legte ihn auf, während die Edle von Salcaprea seine Frage beantwortete.

„Ein paar Kontakte habe ich noch in die alte Heimat. Helmlind Lohgerber war Korporal in der wehrheimer Garde und zum Ende hin Weibel und Ausbilderin beim zweiten Regiment. Nach dem Jahr des Feuers ist sie zu ihrer Familie ans Ochsenwasser zurückgekehrt – ein Glücksfall, dass sie noch zu haben war.“ Marbert unterbrach sie mit einem kurzen Ruf der Enttäuschung, als er nur einen der stilisierten Arme der Puppe traf. Dann stimmte er ihr zu: „Wehrheim habe ich schon fast vermutet. Hauptsache, sie verursacht nicht schon hier und heute die ersten Opfer.“

Leodane schüttelte den Kopf. „Unsinn, sie ist genau die richtige, um aus diesen Bauernlümmeln einen bewaffneten Haufen zu formen, der zumindest die Möglichkeit hat, meinem Mann zu gefallen.“

Jetzt erst schaltete sich der etwas abseits Sitzende Edle von Sabadonn ein. Deromir von Sandern hatte bislang eher teilnahmslos mit geschlossenen Augen an einen der Bäume gelehnt im Schatten gesessen und seine Pfeife genossen. Jetzt deutete er mit deren Stiel auf die beiden Bogenschützen.

„Schleifen allein wird nicht reichen. Wenn es los geht, kommt es auf das Herz an, nicht darauf, wie laut der Weibel brüllen kann. Die da …“, nun deutete er auf die Übungsformation in einiger Entfernung, „... sind doch eher Futter als ernsthafte Gegner für die Bluttempler oder professionelle Söldlinge.“ Nedarna von Trollsteige nickte zustimmend. Ebenfalls im Schatten sitzend, hatte die Reshminianerin dem Gespräch gelauscht, während ihre Augen aufmerksam das Tun der Ausbilderin verfolgten.

Leodane griff nach einem weiteren Pfeil und legte ihn auf die Sehne. „Wahrscheinlich. Aber man kann es ja versuchen, nicht wahr? Ein paar Ideen, um sie zumindest etwas abzuhärten habe ich schon …“ Dann zog sie die Sehne durch und ließ sie nach kurzem Zielen zurück schnellen.

Marbert stöhnte kurz auf. „Bei Firun! Wie macht ihr das? Schon wieder ins Herz …“



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Texte der Hauptreihe:
Tra 1034 BF
Wehrübungen in Perrinmarsch


Kapitel 1