Geschichten:Von Land und Leuten - Dappertiner

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Von Land und Leuten - Dappertiner

Die Geschichte von Heiri, dem Dappertiner

Sankt Dappertin, Hesinde 787 BF

Handschrift aus dem Ifirnskloster zu Königlich Mardershöh

Heiri.jpg

Wie immer trottete Heiri einige Schritte voraus. Wir kamen vom Dorf Perainsgarten mit neuen Lebensmitteln für das Kloster. Der Winter war sehr hart und schneereich. Auch jetzt blies mir ein scharfer Wind riesige Schneekristalle in die Augen, so dass diese wie Niederhöllenfeuer brannten. Ich hielt meinen Mantel fest an den Körper gedrückt und hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, um mich gegen die beissende Kälte besser schützen zu können.

Heiri hielt unvermittelt inne. Seine gespannte Körperhaltung verriet mir, dass etwas Ungewöhnliches in der Luft lag. Es vergingen einige Augenblicke, als plötzlich der Boden unter mir zu Beben begann. Danach erfolgte ein lautes Getöse und ein riesiges Schneebrett donnerte vor uns auf die Strasse. Heiri musste die Lawine gespürt haben, noch bevor sie abging. Er hatte mir unzweifelhaft das Leben gerettet.

Ich wollte mich zu ihm runter beugen und ihn für seine Voraussicht loben. Er mochte es, wenn man ihn hinter den Ohren kraulte. Doch auf einmal rannte Heiri los auf den Lawinenhügel zu. Es war unmöglich, ihm zu folgen. Viel zu behände bewegte sich Heiri im tiefen Schnee und schon bald hatte ihn die Dunkelheit verschluckt. Alles Rufen nützte nichts. Ich stutze, denn Heiri hatte bisher immer allen meinen Befehlen Folge geleistet. Doch dieses Mal war es anders. Ich wartete etwa ein Stundenglas, bevor ich mich wieder schweren Herzens auf den Weg machte. Heiri würde den Heimweg schon schaffen, dachte ich bei mir. Den Weg von Perainsgarten bis zum Kloster hatten wir schon unzählige Male gemeinsam unter die Füsse beziehungsweise Pfoten genommen.

Im Kloster herrschte zu meiner Verwunderung grosse Betriebsamkeit. Einige Bauersleute aus dem nahen Dorf waren auf dem Hof versammelt. Wie mir mitgeteilt wurde, vermissten die Bauersleute eine junge Mutter mit ihrem zwei Götterläufe alten Kind. Ihr Mann war an Dumpfschädel erkrankt, und sie war aufgebrochen, um beim Kräuterweib einen Sud gegen die Krankheit zu holen. Sie hätten schon vor einem halben Tag wieder heimkehren sollen, doch sie blieb verschwunden. Der Schneesturm wurde zusehends schlimmer, so dass man kaum mehr seine Hand vor dem Gesicht sehen konnte. Wir mussten mit unserer Suchaktion warten, bis der Sturm abgeflaut war.

Auch Heiri blieb immer noch verschwunden. Voller Sorge ging ich in den Gebetsraum des Klosters, um bei Ifirn für milderes Wetter zu beten. Schon bald übermannte mich die Müdigkeit, und ich begab mich zu meiner Schlafstätte. Es wäre besser, wenn ich mich ausgeruht auf die Suche machen würde, dachte ich.

Ich weiss nicht mehr, zu welcher Nachtstunde ich plötzlich ein aufgeregtes Scharren und Gewinsel an der Pforte zu unserem Kloster ausmachen konnte. Ich legte mir rasch meinen Mantel um und stürzte hinaus in die Nacht. Als ich die Pforte öffnete, fand ich Heiri erschöpft im Schnee liegen. Auf seinem Rücken befand sich ein mit den Lederriemen befestigtes Bündel. Schnell band ich es los und fand in Tücher gewickelt das Kind. Es war unterkühlt, trotzdem konnte ich einen schwachen Puls ausmachen. Ich liess sofort ein wärmendes Bad mit wohl riechenden, ätherischen Kräutern aufsetzen, um die Kälte aus den steif gefrorenen Gliedern des Mädchens zu vertreiben.

Nun wurde mir klar, dass Heiri mich nicht nur vor der Lawine gerettet hatte, sondern er zudem bemerkt haben musste, dass die Mutter mit ihrem Kind beim Abgang verschüttet wurde. Schnell rief ich die beiden Akoluthen herbei, sie sollten die Männer und Frauen im Dorf holen und mit der Suche beginnen. Ich beschrieb ihnen den genauen Standort des Lawinenhügels. In der Zwischenzeit kümmerte ich mich weiter um das Kind.

Schon bald kamen die beiden Akoluthen und die Männer und Frauen aus dem Dorf zurück. Sie hatten die Frau dank meiner Beschreibung des Orts rasch gefunden. Sie war sehr erschöpft und am Bein verletzt, so dass sie ohne fremde Hilfe nicht mehr laufen konnte. Doch sie war am Leben. Mutter und Kind konnten sich wieder in die Arme schliessen. Und die Dorfbevölkerung pries die Güte und Milde unserer Herrin Ifirn. Einzig Heiri schien der ganze Rummel um die wundersame Rettung von Mutter und Kind wenig zu beeindrucken. Er lag beim Ofen in der guten Stube, an der er sich ausnahmsweise aufwärmen durfte, und kaute genüsslich auf der riesigen Wurst herum, die ihm die Dorfbewohner aus Dankbarkeit geschenkt hatten.


Texte der Hauptreihe:
9. Per 1033 BF
Dappertiner


Kapitel 1

Kuhfladenbingo
Autor: Rahjadan