Geschichten:Von Hölle und Hasel - Stur wie ein Stein

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Baronie Haselhain, Festung Haselhain Armeenschild, Anfang Phex 1038 BF

Sein Arbeitszimmer war ein großzügiger Raum im Raulschen Flügel der ehrwürdigen Festung Hassal'han Ammayin. Er hatte Sicht auf den Wall, der ein zu ahnender Schatten am Horizont war. Neben seinem Schreibtisch, befanden sich mehrere Schränke und Regale, ein weiteres Stehpult in der Nähe der Fenster und sogar eine kleine Liege in dem Zimmer. Der größte Schmuck in der eher sonst schlichten Raulschen Kammer war der Khomteppich zu seinen Füssen. Es gab zwei Türen, die ein führte in den Gang, der alle Räumlichkeiten des Flügels zu verbinden schien, die andere direkt in große Schreibstube, dem Reich von Meister Rohalan Albentir. In der Ecke zwischen den beiden Türen saß auf einem kleinen Hocker einer seiner Diener, meist mit der Zubereitung von Tee beschäftigt, darauf wartend einen der vielen Botengänge für seinen Herrn zu übernehmen.
Die Großzügigkeit dieser alten oft umgebauten Festung faszinierte ihn immer wieder aufs Neue, kein Vergleich zu den zugigen, kleinen und kalten Kammern der Helburg, oder den modrigen Räumen von Nymphenhall. Er musste schmunzeln als er an die Vögtin von Höllenwall dachte, die Räumlichkeiten seiner ehemaligen Lehrmeisterin waren eine Besenkammer im Vergleich zu seiner Amtsstube. Auch wenn er sich zu Beginn gesträubt hatte, so war er dem Höllenwaller dankbar für die Vermittlung an den Hof zu Haselhain.
Mit einem Seufzer kehrte er zu seiner Arbeit zurück, der Kostenaufstellung für das Geschenk Selos an seine Gemahlin, und oh ja, er würde finanzielle Zuwendungen von Seiten des Barons brauchen. Musste es denn Marmor aus Höllenwall sein. Für die Helburger war es ein großes Glück an der Westflanke des Walles überhaupt vor Jahrhunderten Marmor gefunden zu haben, denn die großen Vorkommen des Walles lagen fast alle auf der östlichen Seite in Aranien oder den mhanadischen Gebieten, und wären deutlich leichter zu beschaffen. Aber natürlich erkannte er auch darin die Geste, die Selo an das Haus Helburg gab. Freundschaften durften durchaus etwas kosten bei den Nebachoten.
Immerhin, in seiner Jugend hatte er im Kontor von Niffelheim gearbeitet, bevor er zum ersten Schreiberling der Vögtin 1028BF wurde. Er kannte sich durchaus mit dem Baugestein Marmor aus und konnte im groben den Preis abwägen. Er war sich nur unschlüssig wie er vorgehen sollte, reichte es wenn allein das Baumaterial aus Höllenwall kam, oder wollte Selo auch noch die entsprechenden Steinmetzarbeiten dazu. Wirklich rentablen waren die Niffelheimer Marmorbrüche auch erst, seitdem der Höllenwaller einen halben Ferkinastamm versklavt hatte, und sie dort zu Tode schuften lies. Nein, es musste reichen das Material aus Höllenwall heranzuschaffen, die Fertigung des Zimmers würde man hier Vorort vornehmen müssen. Nicht das Bauarbeiten in Hassal'han Ammayin etwas Ungewöhnliches wären. Der gute Selo entwickelte bereits nebachotische Züge, äußerte einen Wunsch und ließ ihn andere verwirklichen, war es nicht gut bekam der Diener die Strafe. Neben ihm lag das kleine Büchlein mit der Saga, er hatte sich Notizen gemacht, was er bräuchte war ein Zeichner, einer der ihm die Wand skizzieren konnte, er schaute zur Tür der Schreibstube, da fiel ihm doch spontan einer ein. Ein derbes Klopfen riss ihm aus seinen Gedanken. Noch bevor er darauf reagieren konnte wurde die Tür bereits aufgestoßen, sein Diener sprang vor Schreck auf und hätte beinahe den frisch aufgebrühten Tee verschüttet.
„He‘Effendi, där Kassalim Asadan vär‘langht eirer ärschainen!“, unhöflich, barsch und beinahe jegliche Etikette missachtend, in Nareb hatte der Kastellan den perfekten Botengänger für seine Anliegen an die Raulschen gefunden. Ungerührt und ohne jegliche Mimik blickte Malphorus den ungeschlachten Nareb an: „Ay, dann sag deinem Herren das ich hier noch ein wichtiges Anliegen zu erledigen habe. Danach werde ich ihn aufsuchen, so in etwa wenn man die Sanduhr zum zwölften Male gedreht hat.“. Nareb erbleichte, diese Antwort seinem Herren zu überbringen hatte er nicht erwartet, und er fürchtete die Reaktion darauf. Im Allgemeinen reichte die Überbringung um die Empfänger der Nachrichten in Hektik zu versetzen, der neue Majordomus tat dies jedoch nicht.
Innerlich verwünschte Malphorus den Kastellan, der meinte über ihn nach Belieben bestimmen zu können. Er wiederum war nicht gewillt sich zu fügen, sicherlich, der Kastellan stand Rangmäßig über ihm, doch Asadan war nur der Herr der Festung, nicht des Hofes, dessen Anliegen leitete wiederum er als Majordomus, was durchaus zu einer Vielzahl an Überschneidungen an Kompetenzen führte, mit den daraus entstehenden Reibereien. Denn Malphorus war nicht gewillt sich die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Er machte sich noch ein paar Notizen bezüglich des Auftrages von Selo, nahm dann die Dokumente und schloss sie weg. Inzwischen vertraute er so leicht Niemand mehr auf der Festung, nicht einmal die ihm zur Seite gestellten Diener. Dann trank er genüsslich seinen frisch gebrauten Tee und mit ein wenig honigüberzogenem süßlichem Gebäck, bevor er sich auf den Weg zum Kastellan machte.

„Werter Kastellan, oh Meister der Festung, ihr wünschtet mich zu sprechen!“, mit honigsüßen Worten begrüßte Malphorus den Kastellan Asadan von Pfiffenstock, wie immer mit unbewegter Miene, trotz der langen Wartezeit vor dessen Amtsstube.
Mit gebeugter Haltung saß der Kastellan auf einem Diwan, auf dem niedrigen Tisch vor ihm stand Tee und Gebäck, und es lagen einige Dokumente daneben. Eine einzige Tasse, halb Gläschen halb Tasse, welcher Asadan gerade zu seinen Lippen führte, zeugte von der Geringschätzung seines Gegenübers. Aus seinen kleinen Augenschlitzen sah er über den Tassenrand zum Majordomus hinüber. Die glänzende Halbglatze mit dem schwarzgrauen Haarkranz und der lange Bart waren wie immer reichlich geölt.
„Mir ist zsu Ohr‘rän gäkommen, dass där Wain fur die Die‘närschaft inzwischän mit sziemlich viel Wassär värdunnt wird. Auch die Gardä beschwärt sich. Was szoll das?“
„Nun, es wurden für die Feierlichkeiten um Kashgars Helm die Keller geplündert, dass was vorhanden ist steht in erster Linie den Herrschenden zu. Die Schatzmeisterin hat aufgrund der hohen Ausgaben von damals, entsprechend die Mittel gekürzt, und wir haben weniger Wein im Keller für den Hof, daher muss er gestreckt werden. Zum anderen auch weil unsere althergebrachten Lieferanten im Travia diesen Jahres ganz ungehörig hohe Preise gefordert haben.“
„Das ist un‘annähmbar. Ich värlange dass mähr Wain gäkauft wird, die Gardistän murrän schon. Ihr said där Maj‘ordomus däs Hoffäs, und solangä där Hof auf diesär Fäs‘tung wailt fällt äs in eier Auf’gabän‘gäbiet. Also kummärt eich gäfälligst dar‘um, odär uberfordärt das eier viel‘gäschätztes Kennen?“
Der Majordomus glühte innerlich vor Wut, an dem Engpass war mit Sicherheit der Kastellan beteiligt. Die Händler, allesamt Nebachoten, die den Hof seit Jahren belieferten, hatten mit Malphorus Amtsantritt die Preise beinahe verdoppelt und die verfügbare Menge reduziert. Seltsamerweise waren alle Kontrakte aus den Bezügen davor unauffindbar, doch heimlich hatte sie ihm Jemand auszugsweise zugestellt. Doch trotz oder alledem hatte die Schatzmeisterin kein Einsehen und sich geweigert mehr Gold für den Ankauf von Wein zur Verfügung zu stellen. Eine verzwickte Situation, wo ihm bisher noch keine brauchbare Lösung eingefallen war. Er kannte noch zu wenig die Begebenheiten in Haselhain, es fehlten ihm die Kontakte zu alternativen Händlern, und die Nebachoten mauerten eh.
„Ich werde sehen was ich tun kann.“, zischend kamen die Worte hervor, seine Beherrschung geriet ins Wanken, aber er bekam sich wieder ein.
„Und dann He‘Efendi Ahmadi, wasz sollän diesä Ärlaub‘nisschaine fur aine Bau‘huttä? Ich wusste nicht dasz szur Zait aine greßeäre Um‘bauarbait an der Fäs‘tung stattfindät?“ Wie immer weigerte sich der Kastellan den Majordomus bei seinem raulschen Namen anzusprechen, seit der dessen Zweitnamen erfahren hatte führte er nur noch diesem im Umgang mit ihm.
„Das wisst ihr nicht? Nun dann, der Efendi Selo wünscht als Geschenk für seine Gemahlin, das ihr Gemach umgestaltet wird. Und zwar mit Marmor. Da solcherlei Arbeiten nun einmal am besten Vorort erledigt werden ist die zeitweilige Errichtung einer Bauhütte unabdingbar. Hierfür müssen wir ja nur die alten Quartiere verwenden, es bedarf allein der Genehmigungen, damit sich die Arbeiter in der Festung bewegen dürfen.“
„Szo‘so, ayay, Mar‘morh.“, im Gesicht des Kastellan arbeitete es, ganz offensichtlich war ihm der Wunsch Selos unbekannt gewesen. „Wasz soll diesär Shnick‘shnack mit däm Mar‘morh, warum nicht ainfach ain Wandtäppich? Sagt ihm Mar‘morh sai nichts, nur ain Wandtäppich spiegält die nebachotische Säle.“ Asadan war bei diesen Worten aufgesprungen, ganz offensichtlich ärgerte ihn diese Entwicklung.
„Nun oh Kastellan, der Marmor dient nur dem Rahmen, den die Gemahlin Fatime bringt aus Perricum Wandteppiche mit.“, wohlweislich verschwieg Malphorus das ein zentrales Fries aus Marmor entstehen sollte. An für sich ging es den Kastellan auch nichts an.
Lauernd fixierte Asadan den Majordomus, die Augen war nun kaum noch zu erkennende Schlitze: “Die Stainmätze, dasz sind doch Nebachotän, andäre kommän mir nicht auf die Fäs‘tung!“
Jetzt erst recht, flammte es in Malphorus auf:“ Darüber ist noch nicht entschieden, ich werde sehen wo ich die besten Arbeiter für dieses Geschenk auffinden kann, auch wenn es keine Nebachoten sein sollten!“
"Nain, das habän wir schon immär so gä'macht. Wagt äs nicht mir Raulschä anszu’schläppen, die bähärschen unsäre Kunstfärtigkait wa’und al’Fo…und die Form‘sprachä.“ Der Kastellan war kurz vor lauter Ärger ins nebachotische Tulamidya gerutscht.
„Warum nicht, der Marmor kommt ja auch aus Höllenwall.“ Asadan japste nach Luft: „Hellen‘wall?“ und begann zu lachen.
„Sicher, Efendi Selo, der in seinem Geschenk übrigens vom Baron unterstützt wird, zeigt damit die Verbundenheit zwischen den beiden Familien. Sicherlich auch in Gedenken an Kashgars Helm.“
Der Kastellan ließ sich zurück auf seinen Diwan plumpsen, dass feiste Grinsen in seinem Gesicht war ein unverhohlenes Versprechen die Sache scheitern zu lassen: „Dann wollän wir doch dän Wunschän unsärer Härren gä‘rächt wärden! Där Listigä mit eich He‘Effendi, ihr wärdet äs brauchän.“, und mit einem Wink, derart wie man eine lästige Fliege verscheucht, entließ der den Majordomus.