Geschichten:Verschollene Eber - Der Bote als Braten

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Boronshof

Answin von Boronshof, Verwalter des gleichnamigen Gutes fuhr vom Schreibtisch auf als er draußen das Singen einer Bogensehne und kurz darauf einen Einschlag in die Dachschindeln über sich hörte. Er unterdrückte nur mühsam einen Schmerzenschrei als sein steifes Bein gegen die Tischplatte knallte. Stattdessen starrte er fassungslos auf den großen Fleck der sich schnell auf den wohlgeordneten Pergamenten ausbreitete und seinen Ursprung in dem umgestürzten Tintenfass hatte, in das er gerade eben die Feder getaucht hatte um die letzten Zeilen der monatlichen Einkünfte und Ausgaben niederzuschreiben.

Fluchend und mit hochrotem Kopf stürmte er zum Fenster um einen Blick auf den Hof zu werfen und nach eventuellen Angreifern Ausschau zu halten. Es wäre nicht dass erste Mal, dass sich die dreckigen Schwarzpelze in der Gegend zeigten auch wenn sie bisher noch keinen Angriff auf den befestigten Hof gewagt hatten und auch jetzt war von hier aus niemand zu sehen. Erneut surrte eine Bogensehne und er hörte die Stimme Firnmars, eines der beiden Boronshofer Waffenknechte: "Hab' sie! Dieses dämliche Viech hätte eben nach deinem Fehlschuss gleich davonfliegen sollen." In diesem Moment stürzte etwas von oben an Answin vorbei und schlug federstiebend im Hof auf, während gleichzeitig die beiden Schützen in sein Blickfeld geschlendert kamen.

"WAS in der Zwölfe Namen hat euch geritten eure Pfeile auf das Dach meines Zimmers abzuschießen? Und wieso ist keiner von euch im Turm? Ihr glaubt wohl, die Orks schlafen?" Die Stimme des Gutsverwalters schallte über den ganzen Hof als er aus dem Fenster zu seiner Strafpredigt ansetzte. "Aber Euer Wohlgeboren, da saß eine Taube und wir dachten ein schöner Braten...", unter dem strafenden Blick seines Herrn wurde Firnmar zusehends leiser bevor seine Stimme ganz erstarb. "Eine Taube also!" antwortete Answin und seine Stimme war nun ebenfalls ganz leise, was den Schützen nur noch mehr in sich zusammensinken ließ. "Bring er sie mir herauf, und zwar plötzlich!"

Nur wenige Augenblicke später klopfte der bleiche Waffenknecht außer Atem an die Tür des Arbeitszimmer, die er nach einem geknurrten "Herein" öffnete, nur um gleich im Türrahmen stehen zu bleiben. "Bring er die Taube her!" Answin stand immer noch am Fenster, so dass Firnmar gegen das Licht nur seine Silhouette wahrnehmen konnte. Langsam ging er auf seinen Herrn zu, die Hand mit dem Vogel vor sich ausgestreckt. Dessen Stimme bebte vor verhaltenem Zorn als er seine Vermutungen bestätigt fand: "Dass, er von Hesinde verlassener Hohlschädel, ist - war - eine Brieftaube." Vor den entsetzen Blicke Firnmars löste er eine kleine Kapsel vom Vogelbein und entrollte die darin enthaltene Nachricht, die er schnell überflog.

"Bring er die Taube in die Küche, die Magd soll sie als Wegzehrung braten und noch etwas Brot und Käse und eine Flasche Zwetschg dazutun. Weiterhin sattle er mein Pferd und belade den anderen Gaul mit Rüstung, Lanze und Schwert!" Eilig wollte der Waffenknecht das Zimmer verlassen ohne noch zu fragen wohin der Verwalter so eilig aufbrach, als ihn die letzten Worte Answins unter der Tür wie ein Keulenschlag trafen. "Sein Lohn ist natürlich gestrichen, bis die Brieftaube abgegolten ist!"

Kaum ein Stundenglas später saß der Junker auf seinem bereits etwas in die Jahre gekommenen Streitross, trotz des steifen Beines immer noch erstaunlich sicher im Sattel, und gab letzte Instruktionen, bevor er den palisadenumsäumten Hof im Galopp hinter sich ließ. Der Duft der Taube, die Firnmar so viel Pech gebracht hatte und jetzt mit Answin von Boronshof gen Greifenfurt zog, wehte noch aus der Küche herüber und ließ ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen.