Geschichten:Verräter und Getreue - Ehesinn und Standesehre

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Hof der Garetien:Dotzenburg bei Duchrow, 14. Rondra 1033 BF

Gierig tranken die schweißbedeckten Pferde aus den bereitgestellten Eimern, nachdem die Reiter abgestiegen waren und von den dienstbeflissenen Burgleuten umringt und in Empfang genommen wurden. Einzig Oderik von Schwingenfels, der wegen der Fesseln an den Füßen nicht allein absteigen konnte, saß noch, hämisch begafft und mit einzelnen Schmähworten bedacht, mit finsterer Miene auf seinem Gaul.

„Willkommen auf der Dotzenburg, Wohlgeboren Haldora.“ Thalacker von Gneppeldotz deutete mit übertrieben schwungvoller Geste auf das alte Gemäuer des Palas, dessen wenige kleine Fenster wie schwarze Löcher die hofseitige Wand des Gebäudes durchbrachen, „Bis wir Euch nach Ebenhain zurückgeleiten können, wird es noch ein wenig dauern. Derweil möchte ich Euch bitten, Euch hier wie zu Hause zu fühlen.“

Haldora wusste nicht recht, ob sie sich freuen oder fürchten sollte. Der lange und scharfe Ritt durch das Dickicht des Feidewaldes, durch tiefe Schluchten und über schmale Grate hatte sie sehr erschöpft. Die Aussicht, die nächste Zeit in diesem dunklen Loch zu verbringen, dem deutlich anzusehen war, dass das Geld der Besitzer schon lange nicht mehr für Ausbesserungsarbeiten ausreichte, ließ sie innerlich schaudern. Und dass der Gneppeldotzer Ebenhain erwähnt hatte, ließ sie zusätzlich unruhig werden. Gleichwohl bemühte sie sich, ein möglichst freundliches Gesicht aufzusetzen als sie antwortete: „Ich danke Euch Gneppeldotz für Eure Einladung und ich muss sagen, ich werde immer neugieriger auf Eure Erklärung des Ganzen.“

„Die sollt Ihr alsbald bekommen. Wohlgeboren.“ Dann klatschte der Burgherr in die Hände und rief laut: „Los, richtet den Saal her und stecht ein Fass an! Uns klebt von dem langen Ritt die Zunge schon am Gaumen und ihr wollt uns doch nicht etwa mit Wasser abspeisen wie die braven Gäule hier!“ Sofort kam Bewegung in die Dienerschar.

„Und was machen wir mit dem Schwingenfelser?“ Erkundigte sich Falk von Gneppeldotz, der Oderiks Pferd die ganze Zeit am Zügel gehalten hatte bei seinem älteren Bruder.

„Na wohin wohl? In die gute Stube im Turm natürlich. Ich hoffe, Kedio hat letzten Herbst frisches Stroh auslegen lassen.“

„Verflixt, ich wusste, dass ich da etwas vergessen hatte“, antwortete der. Das Gelächter der rauen Männer dröhnte über den Burghof, während die beiden jüngeren der Gneppeldotzer Brüder Oderiks Beine losbanden und ihn vom Pferd zogen.

Haldora überlegte nicht einen Augenblick: „Nein!“ Die entgeisterten Gesichter der Umstehenden hätte sie unter anderen Umständen sicher zum Lachen gebracht, aber das hier war zu ernst. „Ich dulde nicht, dass Ihr ihn schlechter behandelt als mich, Wohlgeboren Gneppeldotz!“

Verständnislos starrten sie sie an.

„Ich verlange, dass er bei mir bleibt.“

„Ich fürchte, ich verstehe nicht...“

„Oderik von Schwingenfels ist mein Mann.“

Ein Anflug von Unmut schlich sich in die Mienen der Ritter. „Euer traviagefälliges Pflichtbewusstsein ehrt Euch, aber ich glaube, das ist hier fehl am Platz, Wohlgeboren. Ich werde sobald als möglich einen Pfaffen kommen lassen, der die Ungültigkeit dieser erzwungenen Ehe erklä....“

„Nein!“ Haldora war selbst überrascht von der Festigkeit in ihrer Stimme, mit der sie dem Gneppeldotzer das Wort abschnitt. „Ich habe der Hochzeit aus freier Entscheidung zugestimmt, um dieser verfluchten Fehde ein Ende zu setzen, die meine Familie ins Unglück gestürzt hat! Niemand musste mich dazu zwingen.“

Unsicher schauten Falk und Kedio zu ihrem Bruder hinüber. Der gab ihnen unwillig das Zeichen, den gefesselten Schwingenfelser loszulassen.

„Wie Ihr wünscht, Wohlgeboren Haldora. Ich stelle ihn hiermit unter Eure Aufsicht. Aber er wird sein Ehrenwort geben, die Burg nicht zu verlassen, zu fliehen oder sonst irgendetwas zu tun, was uns schaden könnte. Sollte er jedoch beim Versuch zu dergleichen ertappt werden, kommt er in den Turm.“

Oderik sah den Gneppeldotzer hasserfüllt an – und schwieg. Um die Situation zu retten sprach Haldora darum schnell: „Ich gebe Euch mein Ehrenwort, dass er nichts dergleichen unternehmen wird.“

„Das ist überaus liebenswert von Euch, aber...“, setzte der Junker noch einmal an.

„Ich denke, es sollte Euch genügen, Herr Thalacker“, scharf sah sie Oderik in die Augen, der schnell den Kopf senkte.

Der Gneppeldotzer nickte schließlich und meinte dabei: „Nun gut. Im Gegensatz zu den Schwingenfelsern respektieren wir schließlich die Ehre unserer Standesgenossen, auch wenn sie unsere Feinde sind.“