Geschichten:Unter Rabenschwingen – Verlorene Federn

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Verlorene Federn

In der Schweigenden Wacht zu Waldfang, 1. Travia 1028 BF

Nachdenklich blickte Atheran auf das Schreiben der Großmeisterin. Dreimal hatte er es nun gelesen. Vor nicht allzulanger Zeit war die Schweigende Wacht noch Heimstatt für sieben Ordensmitglieder gewesen, doch die Ereignisse der letzten Monate hatte die kleine Gemeinschaft am Waldfanger Borontempel zusammenschrumpfen lassen. Die Erinnerungen krochen wieder in Atheran herauf und hüllten seinen Geist in ein nebliges, graues Leichentuch...

Bruder Borwulf, sein ehemaliger Adjutant, im Reichsforst gegen die verderbten Rubinbrüder gefallen, kaum das man die Vermißten der Reichsforst-Expedition wiedergefunden hatte.

Den Bruder Alrik verloren im Kampf gegen den endlosen Heerwurm. Der junge Knappe Heldan, erst auf eigenen Wunsch und Drängen des Komturs nach Krähenwacht abkommandiert, kurz nachdem er den Ritterschlag erhalten hatte, ebenfalls in den Inneren Kreis aufgenommen.

Bruder Marbold hingegen seit Wehrheim vermißt.

Die Knappin Saderya schon kurz nach ihrer Aufnahme in den Orden wieder verloren, als sie zu früh der Ruf des Herrn ereilte. Und nun... Der Komtur verschollen, sein Nachfolger ein Quintian-Quandt, was die Sache in der Wildermark - Atheran hatte sich noch immer nicht an diesen Ausdruck für die Grafschaft Hartsteen gewöhnt - nur noch schwerer machen mochte. Mehr noch als anderswo lief es in Garetien immer wieder darauf hinaus, in die weltlichen Dinge des Adels verstrickt zu werden.

Später beim Abendmahl, eröffnete der Landmeister seiner Ordensgeschwistern die Nachrichten der Großmeisterin. Jeldan, in seinem letzten Jahr las Knappe, blickte nur mißmutig auf sein halb leeren Teller und stocherte in den gebratenen Eiern herum. Alara hingegen, nach Borwulfs Tod nunmehr zur Adjutantin aufgestiegen, sah ihn fragend an.

"Und, was wird nun geschehen? Werden auch wir neue Brüder und Schwestern in unserem Hause aufnehmen können?" Alara klang, als würde sie die Antwort bereits wissen.

Atheran zuckte mit den Schultern. "Wer weiß. Schau uns an. Drei sind wir noch. Ein Landmeister, eine Adjutantin, ein Knappe. Sind wir es überhaupt noch wert, uns dieser Titel zu bedienen?" Er nahm einen Schluck Tee aus seinem Becher. " Seit wir hier sind, haben wir keine Erfolge vorzuweisen gehabt. Dieses Ordenshaus existiert nur aufgrund des Wunsches ihrer Hochgeboren Tsaburga. Ja, wir wachen, aber die Frevler, die das Verderben einst an diesen Ort brachten, haben wir noch immer nicht ihrer borongefälligen Strafe zuführen können."

Alara entgegnete nichts. Jeldan aber blickte auf. " Es ist uns aber nicht gegeben, einfach zu hadern und aufzugeben. Das kann nicht Borons Wille sein. Und der Wille der Großmeisterin ist es auch nicht!"

Atheran sah ihn an. "Du magst recht haben. Wir sind nahe an der Wildermark; so nahe, wie es sonst nur Gareth ist. Es ist an uns, dort die Wacht zu halten!" Und flüsternd setzte er hinzu: " Vielleicht erhalten wir doch noch Verstärkung..."