Geschichten:Unruhige Zeiten - Kapitel 14

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Ende Phex 1043 BF, Kaiserlich Randersburg, Markt Randersburg, am späten Abend


Das Gasthaus neben dem Kasernengebäude war an diesem Abend gut gefüllt. Etwa zwei Dutzend Gardisten saßen bei Bier und Boltan an den Tischen und feierten ihren Sieg im heutigen Gefecht ausgiebig. Der Pfalzgraf hatte den Großteil der Burgwachen für die Nacht zusätzlich in die Kaserne befohlen, falls es den Söldnern einfallen sollte, entgegen der Absprache zurückzukehren. Immer wieder hörte man den einen oder anderen Gardisten auf die gefallenen Kameraden anstoßen. Als Wulfhelm, Jeswine und Gerion den Schankraum betraten, wurden sie von allen Seiten fast kumpelhaft begrüßt. Mochten sie im Gegensatz zu den kaiserlichen Soldaten auch von Stand sein, so waren sie doch am Morgen auf dem Schlachtfeld alle gleich gewesen und hatten sich unter den Augen der Hellebardiere mehr als achtbar geschlagen.

Die drei Neuankömmlinge nahmen am Tisch neben dem Kamin Platz, der einzge im Raum der mit Lehnstühlen ausgestattet war und der hier immer für die Kommandanten und Hauptleute reserviert wurde. Bei der Wirtin bestellte Wulfhelm vier Humpen, von denen er, Jeswine und Gerion je einen bekamen, während er den vierten an den leeren Platz am Kopfende stellte, wo Rothbert von Holdbrucken zu sitzen gepflegt hatte.

„Die erste Runde geht heute aufs Haus, Hohe Dame und Herren“, richtete ihnen der Schankknecht eilfertig aus und entschwand mit einer Verbeugung.

„Wohlan denn“, Wulfhelm räusperte sich und hob den Krug. „auf Rothbert von Holdbrucken! Möge seine Seele an Rondras Tafel weilen.“ Die drei leerten ihre Krüge in einem Zug und der Keilholtzer bestellte mit einem Fingerzeig zur Wirtin gleich die nächste Runde.

„Das wirst du aber bezahlen müssen“, meinte Jeswine nur halb im Scherz. „Ich habe meinen Sold für diesen Mond schon durchgebracht.“

„Natürlich zahlt er heute“, meinte Gerion trocken. „Immerhin ist er jetzt Edler zu Blaufelden und ein gemachter Mann!“

„Ich werde das sicherlich bereuen, aber es sei“, lachte der Greifenfurter herzhaft.

Zwei Stundengläser verstrichen. Wulfhelm und Jeswine leerten munter einen Humpen nach dem nächsten und auch an den Tischen der Soldaten wurde es lauter und lustiger. Nur Gerion hatte inzwischen seit einer halben Stunde dasselbe Bier vor sich stehen und musste sich bereits Sticheleien anhören, dass die Jugend einfach nichts mehr vertrüge.

„Lach du nur, Herr Schwertvater!“, gab er zurück. „Vor drei Götterläufen hättest du mir noch die Ohren langgezogen, wenn ich einen zweiten Krug genommen hätte.“

„Das ist wohl wahr“, gab der Keilholtzer freimütig zu.

„Was machst du jetzt eigentlich mit deinem neuen Lehen?“ Gerion war neugierig und hatte angefangen über die Zukunft nachzudenken. „Ich meine, deinen Bruder und deinen Neffen wird es sicherlich freuen, dass sie dich in Kressenburg nicht mehr durchfüttern müssen.“

„Ich denke in erster Linie wird es sie interessieren, dass dieses neue Lehen auch in der Familie bleibt.“ Wulfhelm gestattete sich ein Grinsen. „Wie wir heute gesehen haben, wäre selbst eine Hand voll Erben keine Garantie dafür, dass das Gut nach meinem Ableben in Keilholtzer Hand bleibt. Aber immerhin bestünde dann wenigstens überhaupt die Möglichkeit.“

„Hast du denn wirklich noch gar keinen Erben?“, fragte Jeswine interessiert dazwischen.

„Es mag in der Wildermark das eine oder andere Kind geben, das meine Nase geerbt hat, aber einen Travia gefälligen Erben habe ich nicht vorzuweisen. Geschweige denn eine passende Frau dazu.“

„Du musst wissen Jeswine, er war immer mehr damit beschäftigt anderen den Schädel einzuschlagen“, stichelte der Sturmfelser wieder. „Da ergibt sich wenig Gelegenheit für die Brautschau.“

„Ist es nicht traurig, dass das was einem eigenen Kind auf Dere am Nächsten kommt, dieser verdorbene Lausbube hier ist?“, beklagte sich Wulfhelm mit gespielter Theatralik bei Jeswine. „Jahre meines Lebens habe ich geopfert, um ihn zu einem rechtschaffenden Ritter zu erziehen und jetzt muss ich mir so etwas anhören.“

„Du hast Recht Wulfhelm“, lachte die Pfortensteinerin und prostete Gerion zu. „Der Knabe ist dir wirklich nicht gut gelungen.“

„Na herrlich! Wenn ihr zwei euch so einig seid, warum tretet ihr dann nicht in den Traviakreis.“, meinte der Gefoppte etwas sauertöpfisch. „Ihr scheint ja wunderbar zusammenzupassen. Dann machst du ihr noch ein paar eigene Kinder, Wulfhelm, und versuchst es bei denen mit der Erziehung besser machen.“

Wulfhelm und Jeswine sahen sich einen Moment an und fingen dann zugleich an zu lachen.

„Also ehrlich Gerion, den alten Knacker soll ich nehmen?“ Ihre Augen blitzen schalkhaft, als sie den älteren Ritter ansah. „Wulfhelm ist doch mindestens zehn Götterläufe älter als ich.“

„Sogar fast zwölf!“, rief der Sturmfelser grinsend und den Protest Wulfhelms ignorierend. „Aber du hast die dreißig auch schon hinter dir Jeswine. Viel Auswahl wirst du als Drittgeborene in deinem Alter nicht mehr bekommen.“ In gespieltem Ernst hob er den mahnenden Zeigefinger. „Außerdem hat er jetzt ein Lehen, mit dem er in Greifenfurt jeden Junker ausstechen würde. Du wärst deine Geldsorgen los und müsstest zum Monatsende nicht mehr ständig anschreiben lassen. Und du Wulfhelm“, wandte er sich jetzt an seinen Schwertvater, „müsstest nicht erst lang auf Brautschau gehen oder dir von deinem Bruder eine Braut aufschwatzen lassen, was sonst sicherlich passieren wird, so wie ich deine Familie kennengelernt habe. Jeswine ist nicht mehr die Jüngste“, sprach er wieder grinsend weiter, während er einem halbherzigen Schlag der Ritterin auswich, „aber immer noch jung genug, um dir Erben zu schenken.“

„Das hast du dir schön ausgerechnet, Junge. Aber du hast es selbst gehört, sie will den alten Sack nicht.“ Der Keilholtzer zuckte mit der Schulter und griff sich seinen Humpen, um ebenfalls grinsend einen tiefen Schluck zu nehmen.

„Och weißt du Wulfhelm“, sagte Jeswine mit gespielt nachdenklichem Gesicht, „mir kommt gerade die Idee, dass wenn du so alt bist, ich doch dann auch viel schneller erben könnte.“

Der Ritter spuckte einen halben Schluck Bier aus, den er plötzlich in den falschen Hals bekommen hatte und hustete heftig.

„Hey, erst nach der Hochzeitsnacht krepieren, hörst du. Sonst habe ich ja nichts mehr davon.“

Gerion eilte seinem ehemaligen Schwertvater lachend zu Hilfe und klopfte ihm ein paar Mal herzhaft auf den Rücken.

„Wie sehr ihr euch doch um den alten Mann sorgt. Na danke. Ich nehme es mit euch beiden noch zusammen auf, ihr Jungspunde.“ Schwer atmend und sich räuspernd kam Wulfhelm wieder zu Luft. „Immerhin wüsste ich bei dir woran ich bin und muss mich an niemanden neues gewöhnen.“

Jeswine warf energisch die langen Haare zurück, fuhr sich langsam mit den Fingern über den schlanken Hals und schenkte ihm ein aufreizendes Lächeln. „Nun, wie sieht es aus, alter Mann? Mir beginnt Gerions Idee ernsthaft zu gefallen. Kommen wir ins Geschäft?“

„Oho, immer langsam mit den jungen Pferden. Da müssen wir aber noch ein paar Sachen klären vorher! Den Namen der Kinder zum Beispiel. Die werden nämlich meinen bekommen, da wird es keine Diskussion geben!“

„Aber nur wenn ich meinen behalten darf! Ich habe mich zu sehr an Pfortenstein gewöhnt und hier in Reichsforst ist der auch viel mehr wert als deiner. Zumal mir Keilholtz auch nicht besonders gefällt.“, stichelte die Ritterin den Gegenüber an.

„Sehr schön, ich finde das riecht nach einem Ehevertrag.“ Gerion rief den Schankknecht und bestellte neben drei weiteren Humpen auch Pergament, Feder und Tinte, was dieser mit offener Verwunderung zur Kenntnis nahm und verschwand. „In dir steckt doch mehr von deiner Familie als du zugeben magst Wulfhelm.“

Die Reichsforsterin sah ihn spöttisch zweifelnd an. „Hast du bei dem Greifenfurter Waldschrat hier überhaupt schreiben gelernt?“

„Nee, der kann so gerade seinen eigenen Namen buchstabieren“, frotzelte der Sturmfelser angeheitert. „Schreiben konnte ich schon bevor ich zu ihm in Knappenschaft gegeben wurde. Und dank der Praiostagsschule in Kressenburg, habe ich auch nicht allzu viel verlernt.“

Der Schankknecht kam eilfertig mit dem Bier und den gewünschten Schreibutensilien, stellte alles vor Gerion auf und eilte weiter zum nächsten Tisch.

„Dann wollen wir mal.“ Gerion nahm noch einen Schluck, öffnete dann das Tintenfässchen und besah sich die frische Federspitze. Dann strich er so gut es ging das Pergament auf dem Schanktisch glatt und begann zu schreiben. Die Buchstaben und Zahlen waren einfach und unverschnörkelt, aber sauber und in gerader Linie angeordnet. „Gegeben am vierundzwanzigsten Tag des Herrn Phex im Jahre Tausenddreiundvierzig nach Bosparans Fall. Ehevertrag zwischen Seiner Wohlgeboren Wulfhelm von Keilholtz, älteren Hauses, und Ihro Wohlgeboren Jeswine von Pfortenstein.“ Fragend blickte er zu den beiden anderen auf. „Habt ihr außer den Namen eigentlich noch andere Bedingungen, die ich festhalten soll?“

„Eigentlich nicht…“, fing Wulfhelm an.

„Auf jeden Fall!“, unterbrach ihn die Ritterin. Alle drei lachten und brauchten einen Moment sich wieder zu fassen.

„Schieß los Jeswine, ich schreibe alles nieder!“

„Da du ja vermutlich lange vor mir sterben wirst lieber Wulfhelm, wünsche ich lebenslanges Wohnrecht auf unserem Gut. Vor allem wenn du es nicht schaffst mir ein Kind zu machen, deine feine Verwandtschaft einen anderen Erben einsetzt und mich vom Hof jagen will.“

„Oho, na daran soll es nicht scheitern!“

„Das kannst du nicht wissen! Immerhin hast du selbst gesagt, dass du gar nicht weißt ob du überhaupt schon jemals ein Kind gezeugt hast“, stichelte die Reichsforsterin heiter.

„Pah, völlig unnötig. Aber schreib es mit rein Junge. Nicht dass sie dann auf ihre alten Tage nochmal zum Hardt rennen und nach einer Anstellung betteln muss.“

Gerion schwieg konzentriert und ließ die beiden jetzt machen. Außer vom Kratzen der Feder war von seiner Seite gerade nichts mehr zu hören.

„Und natürlich kommt er für meine Schulden auf. Wenn ich schon so einen Tattergreis heirate, will ich wenigstens alle anderen Sorgen los sein.“

„In wie vielen Schänken hast du denn noch anschreiben lassen.“, fragte Wulfhelm halb besorgt und halb im Spaß.

„Och, ein halbes Dutzend werden es sein im Reichsforst. Hornbach, Nuzell, Radeberg, Dachsfell“, begann sie an den Fingern abzuzählen, „Mindestens zwei in Luring und Samlor habe ich länger nicht mehr besucht, weil mir die Wirte nichts mehr geben wollen bis ich die alten Rechnungen beglichen habe. Die anderen werden mir wieder einfallen, wenn ich darauf angesprochen werde“, grinste sie frech. „Aber das sollte für so einen wohlhabenden Mann wie du jetzt einer bist ja kein Problem darstellen.“

„Von mir aus, wenn es wirklich nur ein paar Wirtshausrechnungen sind.“ Warnend hob er den Finger. „Aber bilde dir nicht ein mein Geld verprassen zu können. Wenn es mir zu viel wird, drehe ich den Hahn zu.“

„Sei unbesorgt“, prostete sie ihm noch immer grinsend zu und nahm einen tiefen Schluck aus dem frischen Krug, „ich habe nicht vor unseren Kinderchen das Erbe wegzusaufen.“

„Hast du noch was auf dem Herzen, Wulfhelm?“, fragte Gerion belustigt dazwischen.

Der Angesprochene winkte ab. „Mir ist nur die Namensfrage wichtig, damit mir mein Bruder nicht in den Ohren liegt und mir meine Ruhe lässt. Im Grunde ist es mir egal was mit dem Gut nach meinem Tode passiert. Ich weiß ja auch noch gar nicht was überhaupt es abwirft. Immerhin hatte Rothbert passende Stiefel, einen eigens für ihn gefertigten Harnisch und ein Schlachtross. Für Jeswines Wirtshausrechnungen sollte es also gerade noch reichen“, spöttelte er in Richtung der Ritterin. „Aber ich hatte vorher nichts außer Pferd und Schwert und nach Alveran kann ich sowieso nichts mitnehmen.“

Gerion sah zu der Ritterin, die aber auch verneinend den Kopf schüttelte. „Sehr gut, hier ist meine Unterschrift als Zeuge, jetzt fehlen noch eure Namen.“ Der Sturmfelser gab erst Wulfhelm das Pergament, der es erst mühsam durchlas und dann mit krakeliger Schrift seinen Namen daruntersetzte. Dann reichte er es über den Tisch zur Pfortensteinerin.

Jeswine las deutlich schneller und nickte dann zufrieden. „Wann und wo wollen wir eigentlich heiraten?“, fragte sie unvermittelt.

„Ich dachte da an den kommenden Praiosmond“, gab Wulfhelm zurück „Wir wollten doch sowieso zum Turnier nach Kressenburg reisen. Mein jüngerer Neffe ist Travia-Geweihter, er könnte uns dann dort trauen.“

Die Reichsforsterin legte keck den Kopf zur Seite. „Wie wäre es mit morgen früh hier in Randersburg? Der Travia-Tempel ist direkt auf der anderen Straßenseite und deine Familie kann nicht mehr dazwischenreden, wenn wir sie im neuen Götterlauf besuchen.“

„Ach davor fürchtest du dich.“ Wulfhelm lachte auf und nickte. „Von mir aus auch gleich morgen. Ändern wird es so oder so nichts.“

„Sehr gut, dann habe ich nur noch eine weitere Bedingung.“ Beschwichtigend hob sie die Hand. „Keine Sorge, die muss auch nicht mit in den Vertrag.“ Verführerisch lächelnd sah sie den Greifenfurter an. „Wir ziehen die Hochzeitsnacht vor.“

„Ganz wie du willst.“ Der Keilholtzer lehnte sich grinsend zurück und meinte dann trocken; „Aber trinke jetzt nicht mehr so viel. Ich trage dich nämlich weder die Treppe hinauf, noch über die Türschwelle. Du weißt, das Alter…“

Gerion schüttelte lachend den Kopf. „Hast du denn gar keine Angst, dass er morgen früh einen Rückzieher macht und dich vielleicht mit einem Bastard sitzen lässt?“

„Kein bisschen“, sagte Jeswine frech, während sie die Feder griff und ihren Namen unter den Vertrag setzte. „Wenn er das versucht, nehme ich den Wisch hier und gehe damit zu den Travia-Geweihten. Ob er will oder nicht, dann wird er mich heiraten müssen!“


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24. Phe 1043 BF 21:00:00 Uhr
Kapitel 14
Kapitel 13


Kapitel 14

Wenn das Bier nicht mehr schmeckt
Autor: Keilholtz