Geschichten:Tsas Tränen - Vor dem Sturm

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Vor den Toren der Feste Feidewald, 13. Peraine 1030 BF


Boraccio drängte seinen Rappen durch die Reihen seiner Mercenarios und lies den prächtigen Yaquirtaler gute 50 Schritt vor die Tercios traben, die sich grade zur Schlacht formierten. Zufrieden sah er zu, wie die Sergeanten mit quergehaltener Hellbarde die Spießhaufen zu einer Reihe formierten. Die schweren Rüstungen der Doppelsöldner in den ersten Reihen blinkten wie bei einer Parade und die farbenfrohen, geschlitzten Gewänder der Landsknechte sahen adrett aus, ein sicheres Zeichen dafür, daß so mancher von ihnen unlängst im Thronfolgekrieg des Horasreiches gutes Silber verdient hatte.

Weniger zufrieden betrachtete er die wilden Haufen links und rechts von seinen eigenen Tercios. Andergaster Söldlinge, rohe Burschen in runtergekommen Kleidern, von denen keine zwei die gleiche Waffe in Händen hielten. Boraccio runzelte mißmutig die Stirn. Hoffentlich würde sich der Hauptstoß des Feindes gegen das Zentrum ihres Heeres richten, also gegen ihn. Die Andergaster würde sicherlich einem Ansturm der Hartsteener Ritter nicht standhalten und wenn die Flanken wegbrachen, dann würden auch die almadanischen Spießhaufen in Bedrängnis geraten. Aber die Quintian-Quandts, Krämerseelen die sie waren, hatten sich nicht dazu überreden lassen mehr Geld für zuverlässigere Truppen auszugeben. Innerlich fluchte Boraccio, es war doch überall und in jeder Armee das Gleiche: der Geldbeutel siegte über den Verstand.

Mittlerweile hatten sich die Tercios formiert und eine kompakte Wand aus Menschen, über denen an langen Stangen die Spitzen der Piken, Hakenspieße und Hellebarden schwebten, stand Boraccio gegenüber. Zeit für einen letzten Drill. Er zog seinen Säbel blank, hielt in sichtbar hoch und blickte zu seinem Leutnant. Dieser nickte kurz und Boraccio senkte den Säbel. „Die Wehr ... zum Angriff!“ erscholl das Kommando, „DIE WEHR ZUM ANGRIFF!!!“ antwortete es aus hunderten von Kehlen. Die Stangen senkten sich und ein Wall aus hunderten von Spitzen starrte dem Condottiere entgegen.

„Heilige Scheiße, dagegen möchte ich jedenfalls nicht anreiten müssen!“ dachte sich Boraccio in Erinnerung an seine eigene Zeit bei der Kavallerie. Er hob seinen Säbel wieder an und es ertönte das nächste Kommando „Die Wehren auf!“, wieder im Chor beantwortet „DIE WEHREN AUF!!“. Die langen Spieße richteten sich wieder auf zu einem Wald stählener Spitzen. Boraccio legte den Säbel vor sich auf den Sattel, was das nächste Kommando zur Folge hatte: „Die Wehren ab!“ Hunderte von hölzernen Stangenenden wurden lautstark auf dem Boden abgesetzt. „DIE WEHREN AB!!“.

Er trieb sein Pferd bis vor die Reihen seiner Leute. „Hört alle her! Jeder kennt seinen Platz! Keiner weicht von seinem Platz ohne daß der Befehl dazu gegeben wurde, weder vor noch zurück! Wer flieht wie ein Feigling wird niedergemacht! Heute gilt es Euer Silber zu verdienen, das Ihr versaufen wollt!“

Er machte eine kurze Pause und lies den Blick über die Reihen der Mercenarios schweifen, die alle seiner Ansprache lauschten. „Und jetzt aufgepaßt! Wer mir eine Cabellara oder einen Caballero von Stand bringt, der soll den fünften Teil des Geldes bekommen, daß die Familie zahlt um sie auszulösen. Ein weiteres Fünftel soll an sein Banner gehen, und noch eines an alle. Aber bringt sie lebend, tot bringen sie nichts mehr ein!“

Jubel erscholl angesichts der Aussicht auf reichte Beuteanteile, Boraccio aber hoffte damit zu verhindern, daß zu viele Adelige zu Boron gingen. Wenn zu viele Geschlechter ihre Sprößlinge in diesem Kampf verloren, dann würde es nur noch mehr Fehden geben. Er lies nun seinen Rappen vor den Reihen auf und ab tänzeln, dann hob er seinen Säbel und rief den Namen seines Haufens „Sturmfalken!“ „HURRAH!!“ antwortete es ihm aus hundert Kehlen. Boraccio wendete sein Pferd. Nun konnte der Feind kommen!