Geschichten:Tsas Tränen - Einsame Entscheidung

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Feste Feidewald, Gräflich Feidewald, Anfang Peraine 1030 BF


Geismar war bereits erwacht. Er lag immer noch in seinem Bett und sinnierte über das Bevorstehende. Sein Kontrahent Luidor von Hartsteen hatte ein Heer versammeln lassen, und es war jedem klar, dass er es gen Feidewald schicken würde. Auch wenn dieser feige Hund versuchte allen vorzuspiegeln, dass man die Untriebe der Wildermark auszurotten gedachte.

Die Kleine neben ihm – Geismar hatte ihren Namen schon wieder vergessen und er interessierte ihn auch nicht – räkelte sich. Sie wandte sich ihm zu und schien daran interessiert, das Spiel der Nacht fortzusetzen. Geismar griff brutal die seinen Bauch entlang fahrende Hand seiner Gespielin. In ihren Augen konnte er den Schmerz seines Griffes sehen.

„Hinaus!“, befahl er barsch. Enttäuscht machte sich die Kleine daran, seinem Befehl zu folgen, und verließ fluchtartig das Schlafgemach des Grafen. Er würde sich nach einer anderen Beschäftigung umsehen müssen. Diese hatte zwar ihre Reize gehabt, doch war sie mittlerweile langweilig geworden und nicht von Bedeutung. Geismar rief nach seinem Kammerdiener und erhob sich.

Noch während er sich ankleidete, klopfte es an der Tür. „Herein!“, rief Geismar mit fester Stimme. Ein dürrer Lakai betrat das Zimmer. Geismar schaute ihn herausfordernd an. „Euer Hochwohlgeboren, wir haben neue Berichte über das Heer des Hartsteeners.“ – „Und?“ – „Der Zug hat definitiv den Weg nach Osten gewählt. Sie haben Bugenhog hinter sich gelassen und sind bereits in Moorsch.“ Geismar traute seinen Ohren nicht. Sollte er tatsächlich Glück haben und eine solche Gelegenheit geschenkt bekommen? Er sinnierte einen Moment über die Situation, während ihm sein Diener seine Schuhe anzog. Zu dem Lakaien gewandt sprach er: „Ich will meine Berater sprechen. Sorge er dafür, dass sie sich stante pede einfinden!“

Ein halbes Stundenglas später machte sich Geismar über sein Frühstück her, während sich die Berater um den Tisch im Speisezimmer versammelt hatten. „…offenbar sind die Güter der ausgezogenen Ritter nur rudimentär bewacht. Man ist tatsächlich voll und ganz darauf konzentriert, in den Norden zu ziehen. Hohenkamp, Sturmwacht, Ebenhain und Steinfelde sind den Berichten unserer Späher nach fast wie leer gefegt“, fasste Bendrich von Quintian-Quandt gerade die Berichte zusammen. Während sich die Berater darauf hin die Köpfe heiß redeten, aß Geismar genüsslich weiter und nahm einen Schluck Wein. Gerade riet Anselm, der Baron von Hutt dazu, weiter abzuwarten, was sich im Norden tun würde. Geismar missfiel dies.

„Ruhe!“, brüllte er in das allgemeine Gemurmel. Schlagartig war es ruhig. Geismar winkte einem Diener, Wein nachzuschenken und begann dann klar: „Wenn dieser Hundsfott von einem Hartsteen denkt, dass ich untätig bleibe, während er mit seinem Ritterheer losmarschiert, hat er sich geschnitten. Dies ist die Gelegenheit, auf die wir alle gewartet haben. Der Bericht sagt es deutlich: Alle Vasallengüter sind zur Zeit nicht besetzt. Schwingenfels, Ihr hattet den Auftrag dieses Gut Hohenkamp einzunehmen. Jetzt habt Ihr die Gelegenheit dazu!“ Der so angesprochene Zeugmeister schaute betreten drein, wusste er doch um die bisherigen Fehlversuche.

Es war Baron Anselm, welcher sich straffte und gegenüber dem Graf klare Worte fand: „Euer Hochwohlgeboren, ich denke, dass dies nicht im Sinne unserer Interessen ist. Wenn Luidor wirklich gegen die Wildermark zieht, dürfen wir ihm nicht in den Rücken fallen. Es wäre nicht ritterlich und ehrenhaft. Bedenket, wie wertvoll es gewesen war, dass wir Luidor nach der Schlacht um Puleth als hinterhältig und wortbrüchig darstellen konnten, was unsere Position gestärkt hat. Wir sollten …“

Barsch warf Geismar seinen Weinpokal an die Wand. Der gute Wein wurde über Tisch und Boden des Raumes verteilt. Geismar selbst war aufgesprungen und hämmerte bei jedem seiner Worte mit seiner Hand auf den Tisch: „Es geht hier – verdammt noch mal – nicht darum, die Turnierkrone zu erwerben! Was hat denn Ritterlichkeit mit dieser Fehde zu tun? Ich werde eine solche Gelegenheit nicht vergeuden! Wir werden angreifen! Jetzt! Umgehend und gnadenlos!“ – „Aber das wird unsere aufgebaute Position gegenüber den Ritterfamilien nicht bessern!“, warf ihm Anselm entgegen. Geismar hatte sich in Rage geredet: „Es gibt zwei Sorten von Ritterfamilien: Die einen sind von mir abhängig. Und die anderen folgen Luidor. Diese Ritterfamilien sind Verräter! Damit sind sie unritterlich und haben auch jedes Recht auf Ritterlichkeit verwirkt. Deine Pläne, Anselm, sind das Papier nicht wert, auf welchem Du sie niedergeschrieben hast! Du zauderst fortwährend, ich aber will diese Fehde gewinnen.“

Anselm wollte zu einer Erwiderung ansetzen, doch Geismar stand mittlerweile vor ihm und packte ihn. „Dies ist meine Entscheidung! Allein meine! Soweit ich mich erinnern kann, ist der Graf von Hartsteen Geismar von Quintian-Quandt, und nicht Anselm! Und jetzt raus mit dir, Du Elender! Ich bin deine ewige Zurückhaltung satt und kann sie nicht mehr hören! Du wirst unverzüglich dieser Jolea bestellen, dass sie meine Söldner zum Angriff bereit machen soll!“ Anselm taumelte in Richtung Tür, als hätte Geismar ihn gestoßen. „Und komm mir erst dann wieder unter die Augen, wenn Du brauchbare Vorschläge hast!“

Werdomar von Quintian-Quandt schaute betreten seinem Bruder hinterher, welcher von Geismar in Rage aus dem Zimmer getrieben wurde. Für einen Moment überlegte er, ihm zu folgen, als sich der Graf ihm zuwandte. „Werdomar, du wirst dafür Sorge tragen, dass diese Katterquellerin und der Helmensteiner ihre Truppen zum Abmarsch bereit machen!“ Werdomar sog hörbar Luft ein. „Wie Ihr wünscht, Euer Hochwohlgeboren!“ Geismar schaute ihn aus wütenden Augen an. „Ich will diese Güter brennen sehen!“ – „Zu Befehl!“ Werdomar verbeugte sich leicht und machte sich auf, die Pläne des Grafen weiterzugeben.

Geismar schaute seinen Zeugmeister Ludorand von Schwingenfels an. „Habt Ihr irgendetwas mit den Ohren, Schwingenfels? Ich sagte eben, dass ich will, dass Gut Hohenkamp eingenommen wird! Was macht Ihr noch hier?“ – „Verzeiht, Euer Hochwohlgeboren! Ich habe Euch missverstanden!“ Ludorand beeilte sich, dem Baron von Puleth hinterher zu eilen, um seine Truppen zum Abmarsch bereit zu machen.

Geismar blieb allein mit dem Burgkommandanten Bendrich zurück. „Was haltet Ihr von dem Almadaner und seinen Männern?“, fragte Geismar, während er den Diener herbei winkte, ihm ein neues Glas Wein zu bringen. „Zumindest jemand, der sein Handwerk versteht, Euer Hochwohlgeboren!“ Geismar nickte. „Gut, weist ihn an, den Schwingenfelser zu begleiten! Eins seiner Banner soll als Absicherung für Feidewald zurückbleiben! Gebt die Befehle entsprechend aus!“ – „Zu Befehl!“ Während sich der Burgkommandant entfernte, ging Geismar mit seinem Glas zu einem Fenster und schaute nach draußen. Zufrieden lächelte er über seine Entscheidung. Höchstmöglicher Ertrag bei geringem eigenem Aufwand, ein lohnendes Geschäft.