Geschichten:Trotz niederen Geblüts - Teil 2

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Dorf Rond in der Grafschaft Eslamsgrund. Efferd, 1010 BF

Scheu warf Ulinai einen vorsichtigen Blick in die Stube.
Ihr Vater saß voller Unbehagen am Tisch, ihm gegenüber Ritter Halgan, mit dem sie vor wenigen Tagen einen Zusammenprall auf den Feldern hatte, als der junge Herr ihren Bruder mit der Gerte traktierte. Sie konnte erkennen, dass ihr Vater sich große Mühe gab, es dem Sohn des Gutsherren recht zu machen. Jener saß ihm herrisch gegenüber, bewahrte eine, für seine Verhältnisse, höfliche Distanz und blickte sich gelegentlich um, vermutlich darauf hoffend, einen Blick auf Ulinai zu erheischen.

Plötzlich wurde sie am Arm gepackt und vom Türspalt fort gezerrt. „Ich habe dir gesagt, dass du sie nicht stören sollst!“ fauchte Ulinais Mutter ihrer Tochter an, und schloss die Tür zur Stube leise zu.

„Aber Mutter, ihr könnt ihm doch nicht zustimmen!“ klagte Ulinai empört auf.

Die Mutter zischte Ulinai zur Ruhe mahnend an. Dann klopfte sie ihrer Tochter beruhigend auf den Rücken. „Ach Kind. Du hast großes Glück! Nicht oft kommt so etwas vor.“

Schluchzend ließ sich Ulinai aufs Bett fallen und erste Tränen kullerten ihre Wangen hinab. „Ich liebe ihn nicht Mutter. Er ist so ein brutaler Rüpel.“

Seufzend setzte sich die Mutter zu ihrer Tochter und streichelte ihren Kopf. „Junge Männer sind eben so. Du solltest froh sein, dass er sein Herz an dich verloren hat. Damit kannst du ihn sicher zu etwas Mildtätigkeit beeinflussen. Ich habe ihn nie so umgänglich erlebt, wie heute abend.“ lächelte die Mutter aufmunternd.

„Ich will ihn aber nicht beeinflussen! Ich will nicht, dass er mich ansieht, anfasst, geschweige denn heiratet!“ Ulinai gab sich große Mühe nicht wie ein störrisches Kind zu klingen, sondern wie eine Frau, der großes Unrecht angetan wird.

„Nun ist aber Schluss mit diesem Gerede!“ der Ton der Mutter wandelte sich ins Ernste. „Sei nicht so egoistisch! Denke lieber daran, dass du deiner Familie damit einen großen Dienst erweist. Er hätte dich auch einfach skrupellos gegen deinen Willen in irgendeiner Scheune nehmen können, vermutlich hättest du dann ein Bastardkind von ihm, und er hätte mit einer Dame von Stand den Traviabund bezeugt. Aber nein, er will dich ehelichen, was dich in ihre Kreise aufsteigen lässt. Sei froh Kind!“

Ulinais Schluchzen ebbte nicht ab.
Die Mutter seufzte schwer, und klang wieder etwas versöhnlicher. „Was sollen wir denn machen, Kind? Was denkst du, was er mit uns anstellt, wenn wir ihm deine Hand verweigern?“ „Ist mir gleich!“ nun klang Ulinai doch wie ein trotziges Mädchen, und das obwohl sie es nicht so meinte.

Man hörte den Ritter nebenan zufrieden auflachen. „Sehr gut, dann ist es besiegelt! Wo ist meine Braut?“
Stühle scharrten über den Boden. „Wartet einen Moment, Hoher Herr.“ sagte Ulinais Vater, und bald schon öffnete sich die Tür.

Ihre Mutter hatte bereits Ulinai rasch auf die Füße gezogen, richtete ihre Haare und wischte das Tränenüberströmte Gesicht mit dem Ärmel trocken. „Ach, wie siehst du denn aus, Kind. Lächle etwas erfreut!“

„Was geht hier vor?“ fragte der Vater bestimmt leise, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Dein künftiger Gemahl will dich sehen, mach nicht so ein Gesicht!“

Ulinai schniefte nur noch ausdruckslos, während sie das zurecht machen von ihr mit abgestumpften Sinnen wahrnahm. Sie hatte sich ihre Zukunft immer anders ausgemalt. In ihren Mädchenträumen war es stets ein strahlender Ritter, der ihr Herz im Sturm eroberte.
Als sie dann etwas reifer wurde, wurden ihre Träume auch bodenständiger. Später wünschte sie sich einfach nur einen aufrichtigen tüchtigen Mann, dem sie ihr Herz schenken konnte, mit dem sie Kinder bekommen und zusammen glücklich und alt werden konnte.
Doch nun musste sie alle ihre Träume umwerfen und sich ihre neue Zukunft ausmalen. Geworfen in eine Welt, die sie nicht kannte, an der Seite eines Mannes, den sie im Grunde ihres Herzens verachtete. Im Schatten einer Familie, welche die Bauerstochter vermutlich ebenfalls verachten wird. In diesem Moment wünschte sie sich, dass Boron Erbarmen mit ihr habe und sie ins Reich der Toten holen ließe.

Mit sanft aber unnachgiebig wurde Ulinai zur Tür gebracht. Ihre Füße trugen sie unbewusst dahin. Es war als gehörte ihr Körper bereits nicht mehr ihr selbst, was im Grunde auch stimmte.

Die Tür wurde geöffnet und der Vater schob sie voraus in die Stube. Ungeduldig stand der hünenhafte Ritter in der Stube. Er hatte sich zum Anlass tatsächlich fein her gemacht. Seine festliche Tunika war aus gutem Stoff und bortenverziert. Selbst Haare und Bart waren frisch gewaschen und gestutzt. Sogar das Schwert an seiner Seite schien er zum Anlass poliert zu haben. Die Gerte jedoch konnte sie nirgends an ihm entdecken.
Als Halgan sie erblickte, wandelte sich seine sonst herrisch grimmige Miene in erfreutes Lächeln. Scheu senkte sie ihren Blick und faltete die Hände vor dem Schoß.
„Nun, da ist sie, Hoher Herr. Ist sie nicht bildhübsch.“ Hörte sie die Worte ihres Vaters kriecherisch.

Halgan wollte gerade auf sie zugehen, hielt dann aber inne. Es kostete ihm wohl große Selbstbeherrschung dieses zarte Geschöpf nicht einfach in seine Arme zu schließen. Lange Zeit betrachtete er zufrieden seine Braut, und ließ sich vom Gerede des Vaters nicht stören. Er war scheinbar auch in seiner Zukunftsträumerei gefangen, ebenso wie Ulinai in ihrer.
„…dann können wir im nächsten Göttermond die Hochzeitsfeierlichkeiten einberufen.“

Dies holte Halgan aus seiner Starre. „Nächsten Mond? Nächste Woche, mein Guter! Ich will nicht länger warten.“

Ulinai krampfte sich das Herz zusammen. Schon nächste Woche sollte sie mit diesem Mann ihr Lager teilen.
„Natürlich natürlich, hoher Herr!“ ihr Vater nickte mehrmals. „Doch bedenkt, dass es um den Bund besser bestellt wäre, wenn er im Travia-Mond besiegelt wird.“

Dieses Argument schien zu wirken. Der junge Ritter atmete tief ein, und nickte brummend. Man konnte ihm deutlich ansehen, dass diese geduldige Zurückhaltung ihm viel Kraft kostete. „Also nächsten Mond!“
Noch lange Augenblicke ruhte seine Blick auf die hübsche Ulinai, ehe er sich abwandte und das Bauernhaus verließ.



„Das kommt gar nicht in Frage!“ ein lautes Klirren folgte dem aufgebrachten Zetern.

„Es ist beschlossene Sache, Mutter!“ konterte die tiefe Stimme des Ritters.

Halgans Mutter war vom Speisetisch aufgesprungen und stierte ihren Sohn fassungslos schnaubend an. „Wir haben dir bereits potentielle Bräute raus gesucht, eine von denen kannst du heiraten.“

„Alles Pferdegesichter mit edler Abstammung.“ Erwiderte Halgan gelassen und speiste ungerührt weiter. „Ich will sie!“

„Sie ist eine Magd!“ der Kopf seiner Mutter war rot angelaufen und sie kreischte aufgebracht. „Nimm sie dir, wenn dich der Hafer sticht, aber bringe nicht so ein Geschmeiß in unsere Familie!“

Zornig funkelte Halgans Blick seine Mutter an. „Sei vorsichtig, wie du sie nennst, Mutter.“ Knurrte er die Hausherrin an. Dann beruhigte er sich rasch wieder und lehnte sich im Stuhl zurück. Seinen Weinbecher führte er an die Lippen. „Gewöhn dich besser an Ulinai, bald werdet ihr zusammen an einer Tafel sitzen.“

Der Tonbecher wurde ihm aus der Hand geschlagen und zerschellte an den Holzdielen. „Niemals, hörst du! Eher wirst du vom Gut gejagt!“

Scheppernd flog der Stuhl zurück, als Halgan aufgebracht aufsprang. „Und wer will das machen, Mutter?!“ brüllte er Gunelde zorneserfüllt an, während er sich vornübergebeugt mit den gewaltigen Pranken auf die Tischplatte stützte. „Vater liegt dar und ringt um sein Leben. Selbst wenn er sich erholt, wird er nie wieder sehen können. Angrist ist noch zu jung, und du alleine kannst nicht das Lehen führen. Ich vertrete Vater bereits, seit ich meine Schwertleite erhalten habe... Also sag mir, WER will mich vom Hof jagen?!“

Schnaubend suchte Gunelde nach Worten. Aber so sehr sie sich auch bemühte, ihr wollte keine würdige Konter einfallen. Wortlos starrte sie ihren Sohn an, welcher den Blick stumm schnaubend erwiderte.

„Dachte ich es mir doch.“ beendete schließlich Halgan den Disput und richtete sich wieder auf, und nahm eine Gänsekeule von der Tafel. „Am Tag der Treue ist die Hochzeit. Such dir etwas Angemessenes raus, und lächle wie eine glückliche Mutter.“ Spöttelte Halgan und entfernte sich aus dem Saal, biss dabei in seine Wegzehrung.

„Ich lasse mir also einen Kartoffelsack aus dem Lager holen!“ rief die Gunelde ihrem Sohn hinterher, auch wenn sie wusste, dass diese Spitze nichts mehr ändern würde.



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Texte der Hauptreihe:
K1. Teil 1
K2. Teil 2
K3. Teil 3
Eff 1010 BF
Teil 2
Teil 1


Kapitel 2

Teil 3
Autor: Nellkir