Geschichten:Spenden für die Ostmarken – Zum Gewürzwein beim Torfgrafen

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Stadthaus der Familie Zorbingen, Firun 1040 BF:

Firuns grimmiger Hauch hatte im Mond des Weißen Jägers auch die Reichsstadt Hirschfurt fest in seinem eisigen Griff. Unaufhörlich schickte der Grimme dicke Flocken vom Himmel, so dass die Stadtgardisten Mühe hatten, zumindest die Hauptstraßen der Stadt vom Schnee zu befreien. Selbst die milde Ifirn, die schwanengleiche Tochter des eisigen Jägers, wollte sich den Menschen dieser Tage nicht erbarmen.

Im Stadthaus der Familie Zorbingen, eines der prächtigsten Gebäude im Grafenviertel, war es hingegen angenehm warm. Die zahlreichen Kaminfeuer in der herrschaftlichen Residenz ließen einem fast das widrige Wetter draußen vergessen. An einem großen Eichentisch hatte Yorulf von Zorbingen, der Herr des Hauses, sowie Ratsherr der Reichsstadt Hirschfurt und Torfgraf vom Schwanenbruch, die Marktvögte von Silz, Tannwirk und Zweiflingen um sich versammelt. Ebenfalls weilte Yorulfs Tochter Aldessia an seiner Seite. Eine Magd hatte heißen Gewürzwein und getrocknete Früchte gereicht. Yorulf schaute mit kühl kalkulierendem Blick in die Runde.

Die silzer Marktvögtin Odilia von Albensteyn-Quellgrund war eine um Ausgleich bemühte Dame mit freundlichen Wesen. Viel zu naiv und unbedarft für die Reichsstadt, dachte sich der Torfgraf, aber sie hatte beste Beziehungen zu den Elfensippen des Forstes, das wog schwer. Die anderen beiden, die tannwirker Marktvögtin Samaria von Quellgrund und ihr zweiflinger Pendant Howarth Phexdan von Storchenhain, waren da schon eher Meister ihres Faches. Die Tannwirkerin hatte zudem direkten Zugang zu dem sich im Ausbau befindenden Elfenpfad und der Zweiflinger beste Verbindungen zur Phex-Kirche und natürlich Zugriff auf das Zweiflinger Salz und den Torf.

Mehrere Stundengläser plauderten die hohen Herrschaften in gelöster Stimmung über Handelsverträge, Abmachungen und Zollerleichterung für einzelne Waren. Die aufstrebenden Märkte am Grafenpfad waren für Hirschfurt nicht unwichtig. Gegen Ende erhob der Gastgeber noch einmal das Wort.

„Verehrte Herrschaften, ich bedanke mich für diesen konstruktiven Austausch. Ich bin froh, dass wir in vielen wichtigen Angelegenheiten einer Meinung sind. Trotz, oder gerade wegen des Ausbaues des Elfenpfades, ist es um den Zustand der waldsteiner Straßen schlecht bestellt. Was sich sehr anschaulich in der recht aufwändigen Anreise verdeutlichen lässt.“ Der Ratsherr hatte seine Gäste ganz bewusst mitten im Winter in die Reichsstadt geladen.

„Der Grafenstieg von Silz über Uslenried und weiter nach Hirschfurt ist in den Wintermonden unpassierbar, wie wir recht schmerzlich am eigenen Leibe erfahren mussten. Wir sollten daher auf den gräflichen Wegevogt einwirken, diesen Missstand auszumerzen.“ Howarth Phexdan von Storchenhain lehnte sich zurück und faltete seine Hände über seinen dicken Bauch. Der von Innen wärmende Gewürzwein hatte ihm sehr gemundet und etwas träge werden lassen. Jedoch nur nach Außen hin. Sein Verstand war noch so wach wie am Anfang der Unterhaltung.

„Der Grafenpfad ist seit Amtsantritt des Feenwasser hingegen tadellos in Ordnung und ganzjährig für Händler benutzbar“, sprang Odilia von Albensteyn dem nicht anwesenden Wegevogt bei, dessen Bemühungen sie sehr schätzte. „Es liegt auch vielfach an den Baronen, die es versäumen ihre Straßen nicht von Forst zuwuchern zu lassen.“

„Der Feenwasser ist ja auch das Schoßhündchen der Zweifelfelser, oder etwa nicht, Storchenhain?“ Samaria von Quellgrund strich mit ihren schlanken Fingern eine weißblonde Strähne ihres Haares aus ihrem Gesicht, während der Storchenhain nur vielsagend grinste.

„Es ist im Interesse der Reichsstadt Hirschfurt gute Handelsbeziehungen mit den Märkten des waldsteiner Ostens zu unterhalten, dafür muss der Grafenstieg zumindest bis Silz wieder in Stand gesetzt werden. Daher werde ich den Wegevogt in Kürze hier vorladen und mit Nachdruck unser gemeinsames Anliegen vortragen.“

„Verehrte Marktvögte, hiermit schließen wir unsere Zusammenkunft. Wir wünschen eine angenehme Heimreise.“ Mit diesen Worten erhob sich Aldessia von Zorbingen und die weitgereisten Gäste taten es ihr gleich. Unbemerkt von den anderen, berührte die Tochter des hirschfurter Ratsherren die gerade noch neben ihr sitzenden Samaria von Quellgrund leicht am Arm und deutete ihr so, noch zu bleiben.

„Ich habe mit meinem Vater gesprochen“, flüsterte Aldessia zu der schlanken, sehr körperbetont gekleideten Adligen, nachdem die anderen den Raum verlassen hatten „Er wird deine Ambitionen unterstützen.“

„So? Wird er das? Da muss ich dir wohl danken.“ Ein sanftes, leicht kokettes Lächeln huschte über Samarias volle Lippen. Dabei trat sie etwas näher an Aldessia heran, so dass sich ihre Körper fast schon berührten. Glitzernde, bernsteinfarbene Augen tauchten in das Eisblau ihres Gegenübers. Langsam näherten sich ihre Lippen. Doch Samaria hielt inne.

„Was will dein Vater dafür?“, hauchte die weißblonde Schönheit, der im Gegensatz zu ihr eher spröde wirkenden Frau, ins Ohr.

„Eine Verbindung unserer Familien.“ Aldessias Anspannung war zum Greifen. Sie schloss für einen Moment ihre Augen und atmete schwer aus.

„Die haben wir doch bereits“, säuselte Samaria.

„Du weißt was ich meine … er möchte Geldar mit deiner Tochter Yendara vermählen.“ Ihr Bemühen um Sachlichkeit fruchtete nicht, was sie innerlich ärgerte. Sonst war sie nicht so nachsichtig mit sich. „Ein Bund unserer beider Kinder, vor den Göttern geschlossen … ist das nicht … erquickend? Unser Fleisch und Blut, endlich vereint.“

„In welchem garether Schundroman hast du das denn gelesen?“ Samaria ließ abrupt von Aldessia ab. „Mir ist klar worum es hier wirklich geht, dein Vater möchte seinen Teil der Beute.“

„So ist das Geschäft.“ Aldessia war froh sich nun wieder gefangen zu haben.

„So ist das Geschäft.“ Samaria äffte die Worte nach und schritt dabei um die Tochter des Torfgrafen herum, lauernd wie eine Wildkatze. „So sei es also, unsere lieben Kinder werden heiraten!“ Ein Lächeln huschte über das alterslose Gesicht der Marktvögtin von Tannwirk. „Wie besiegeln wir unser Bündnis?“

„Was meinst du …. ?“

„Ah ich weiß!“ Samaria gab der verdatterten Aldessia einen leidenschaftlichen Kuss. „Mögen die Mächte des Waldes mit uns sein!“ Mit diesen Worten verließ sie den Raum.

Umgehend öffnete sich knarrend eine Tür, gut verborgen hinter der Holzvertäfelung, und Yorulf von Zorbingen trat ein.

„Sie hat also angebissen. Sehr gut!“ Der alte Mann verzog keine Miene.

„Hältst du Geldar für den Richtigen?“

„Wir haben keine Wahl, deine Kinder sind alle zu weich. Genau wie deine Brüder.“ In Yorulfs Stimme klang purer Abscheu. „Der eine ist Spieler und Taugenichts und der andere ein Möchtegern-Ritter beim waldsteiner Niederadel. Eure Mutter war zu nachsichtig mit euch.“

„Wie die Spatzen von den Dächern pfeifen, hat Ludomir die Aufmerksamkeit des gerbaldsmärker Reichsvogtes erregt und der soll ihm im Namen Rahjens sehr zugetan sein. Und Wulfrik mag uns als Auge und Ohr beim eigensinnigen waldsteiner Niederadel auch nützlich sein. Wie du siehst, geht alles seinen Weg.“

„Da du gerade von dem Reichsvogt sprichst, seine Almosensammlerin war hier. Ich habe sie gleich raus werfen lassen. Verdammtes Bittstellergesindel. Der Stadtrat mag sich zwar mehrheitlich für eine Spende ausgesprochen haben, aber von mir persönlich kriegt sie keinen Heller.“

In diesem Moment stürmte ein Mädchen in den Raum, gemächlichen Schrittes gefolgt von zwei älteren Herren.

Lysindra mein Kind, was gibt es?“ Für einen kleinen Moment meinte Aldessia auch nur ein Anzeichen eines Lächelns auf dem verhärmten und stets ernst drein blickenden Gesicht ihres Vaters erkannt zuhaben.

„Großvater, Onkel Eberhelm und Großonkel Praiosmar sind hier.“

„Aldessia, Lysindra, verlasst uns nun. Wir haben hier etwas zu besprechen.“ Der Ton des Alten war wieder wie gewohnt barsch.

Die Männer setzten sich an den langen Eichentisch, während eine Dienerin den Herrschaften etwas von dem heißen Gewürzwein einschenkte.

„Wo bei den Mächten des Waldes habt ihr beide euch denn bei diesem niederhöllischen Wetter rumgetrieben?“, grummelte der Alte.

„Ich war auf Durchreise in der Stadt und habe mich im Badehaus zu entspannen versucht und da traf ich auf deinen Bruder, selig planschend mit zwei jungen Maiden. So musste ich natürlich auch hier beim Torfgrafen meine Aufwartung machen.“ In der Stimme des Junkers von Garnelsand klang für Yorulfs Geschmack zu viel Ironie mit.

„Auf Durchreise … so , so!“

„Ja, ich habe nun wieder die Muße für mein altes Steckenpferd, die Historie unseres geliebten Garetiens und beschäftige mich diesbezüglich mit den Alten Schwertern der Goldenen Au. Wie man hört hab ihr hier in Waldstein gleich drei Schwertträger.“

„Gewiss“, pflichtete ihm Praiosmar bei, „zwei davon sogar im benachbarten Schwanenbruch.“

`Hier in Waldstein´, wiederholte Yorulf die Worte des Kaisermärkers noch mal gedanklich. HIER war man nicht in Waldstein, schließlich war Hirschfurt eine Stadt des Reiches und auch Stolz darauf.

„Der Nadlau ist sogar öfters hier in der Reichsstadt, den habe ich schon im Badehaus getroffen. Zu schade, dass er heute nicht da war.“ Die Worte des Praioten drückten ehrliches Bedauern aus.

„Yorulf, mein Bester, könntest du die Güte haben uns mit ihm bekannt zu machen? Wenn der Torfgraf einlädt, wer kann da schon nein sagen.“ Eberhelm von Garnelsand grinste breit und nahm einen kräftigen Schluck von seinem Gewürzwein.

Der alte Mann nickte nur kurz. Wieder war es dieser Unterton, der dem hirschfurter Ratsherren missfiel.



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Texte der Hauptreihe:
K41. Geißel
K50. Im Loch
K64. 2 Selos
Autor: Bega