Geschichten:Sonnendämmerung - Martoks Erben Teil III.

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Kloster Praiseneck, Baronie Herdentor, Hesinde 1042 BF:

Mit festen Blick waren seine Augen auf seinen Vater gerichtet. Regungslos kniete der ehemalige Krieger da, den Kopf nach oben gen Praiosmahl gerichtet, direkt in die Sonne starrend. Sehen konnte Martok im Diesseits schon lange nichts mehr. Seit seiner Verblendung während der Sonnenprozession 1041 BF wurde erst sein Verstand von Nebel umgeben, das Augenlicht brannte Herr Praios ihm später aus. Dennoch saß er jeden Tag von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang in einem der Gebetshöfe des weitläufigen Klosters und starrte mit leeren Augen gen Himmel.

Der Sohn blickte zu seinem Vater, dessen Augen ein weißer Schleier durchzog. Ehrfurcht und Verehrung lagen in seinem Blick. Martok hatte alles weltliche abgestreift und befand sich nun seinem Herrn Praios ganz nahe.

Er war sich sicher, Praios hatte noch etwas mit seinem Vater vor, er sollte ihm noch als Werkzeug dienen; sonst hätte er ihn sicherlich schon lange zu sich gerufen, oder seiner Seele einen neuen Körper geschenkt. Nach nebachotischem Glauben war Praios der höchste Richter der Menschen, der nach dem Tod die Seele eines Verstorbenen prüfte. War sie 12 Lebenszyklen rein und ohne Frevel, gewährte Praios der Seele den Eintritt in eines der 12göttlichen Paradiese. Der immer wieder aufs neue beginnende Kreislauf aus Tod und Wiedergeburt war durchbrochen, die Seele hatte ihre endgültige Bestimmung erreicht. Doch befand Praios die Seele noch für nicht würdig, oder waren die 12 Lebenszyklen noch nicht erreicht, wurde sie zurück in die diesseitige Welt geschickt. Je nach dem wie sehr das vorige Leben nach den Gesetzen Praios und dessen Geschwister gelebt wurde, wurde die Seele in einen niederen oder höheren Stand geboren als vorher.

Diese Weisheiten des Götterfürsten hatte man ihm von klein auf verinnerlicht. Sie bestimmten nicht nur sein Leben, sondern auch das aller Menschen hier im Kloster. Das Kloster war wie ein Spiegelbild des nebachotischen Praiosglaubens. Seine Bewohner kannten eine sehr ausgeprägte Hierarchie, ein ehernes Gesetz an dem es nicht zu rütteln galt. Die letzte, höchste Instanz war der Abt, der bei den meisten Glaubensgeschwistern wie ein Heiliger verehrt wurde. Wahrlich, Hochwürden Sulman von Greifenwacht war ein weiser Mann. Sein Wissen über Recht und Tradition der Nebachoten galten als vollendet, er galt schon fast als Bruder des - zurückgezogenen - Al'Hareshs. Nicht selten wurde er als Schlichter für besonders heikle oder festgefahrene Streitigkeiten herangezogen. Sein Wort galt viel und das weit über die Klostermauern hinaus.

Der Lauf der göttlichen Sonne bestimmte den Tagesablauf im Kloster. Bei Sonnenaufgang versammelten sich die Klosterbewohner in den vielen Innenhöfen um das Antlitz des Götterfürten im stillen Gebet und Meditation zu begrüßen. Die von Praios Auserwählten, die hoch in der Hierarchie standen, wurden vom Praiosgong jede volle Stunde zum Gebet gerufen. Diese besonders von ihrem göttlichen Herrn Geküssten waren auch von den derischen Alltagspflichten befreit. Ihre einzige Aufgabe war es in die göttliche Wahrheit durch Gebete, Meditationen und Trancen einzutauchen.

Er gehörte zu den Auserwählten, denn der Abt hatte in ihm das göttliche Feuer erkannt. Die Tageszyklen verbrachte er somit mit dem Studium der alten Schriften und der Meditation. Die Zyklen der Meditation und des Gebets verbrachte er oft an der Seite seines Vaters. Er hoffte so sehr zu ihm durchdringen zu können, damit dieser seine Weisheit mit ihm teilen konnte. Er hoffte auf ein göttliches Zeichen.

Dieses Zeichen meinte er in Form eines kleinen Amuletts erkannt zu haben, dass sein Vater in seiner linken Hand fest umschlungen hielt. Als er die linke Hand seines Vaters berührte, fiel das Amulett zu Boden. Es zeigte einen goldenen Greifen mit ausgebreiteten Flügeln. Er nahm es an sich und umschloss es fest mit seiner Hand. War das das ersehnte Zeichen?