Geschichten:Sonnendämmerung - Dorn statt Rose

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„Komm her, mein unbeugsamer Streiter“, befahl sie dem unterwürfigen Stammeskrieger, dessen Gesichtsausdruck so flehentlich nach Aufmerksamkeit und Liebe seiner Dame heischte, dass Selindes Herz sich mit dem Raureif des Neides überzog. Ihr war es noch nie gelungen, einen dieser stolzen Nebachoten in ein schnurrendes Kätzchen zu verwandeln. Aber das eiskalte Aas Fridega schien in dürrem Körper irgendeinen spitzen Knochen zu besitzen, mit dem sie den Panzer dieser Männer aufbrechen konnte.

Fridega hatte den Befehl gesprochen, ohne seine Wirkung zu verfolgen. Sie war sich dessen sicher und studierte lieber weiter die Depeschen und Berichte ihres Agenten aus Brendiltal. „Agent“ war ein Begriff, der viel besser klang als „dienstbarer Reichsverräter mit einschlägigen Talenten“. Talent als Agent zum Beispiel. Während ihr völlig gleichgültig war, dass ihre Kämmerin und der ebenfalls anwesende Hofmagier Jandor von Nesselregen mitbekamen, mit welchem Mann die Reichsvögtin gerade wieder spielte und wie sie es tat, hätte sie den Namen ihres Gewährsmannes nicht genannt. Was sie mit Uriel von Zwickenfell anfing, wickelte sie über das alte Dromedar Doranthe ab.

Hasran Khoram’Ar stellte sich nahe Fridegas auf und wartete darauf, abgesprochen zu werden. ‚Irre‘, dachte Selinde mit einem grünen Schleier über ihrem inneren Auge, ‚wenn seine Stammesbrüder ihn so sähen, würden sie ihn in die Wüste schleifen und den Geiern überlassen.‘

„Also, mein Großer“, wandte sich Fridega dem Nebachoten zu, hob aber ihren Blick nicht weiter als bis zu dessen Körpermitte, „ich danke dir, dass du dich so weit in das Gebiet deiner Brüder von den Bahr aI Danal gewagt und mein Auge und Ohr gewesen bist. Ich blicke durch eure Stammesgeschichten soweit durch, dass ich verstanden habe: Bahr ai Danal und Kur’Barun sind wie Harsteen und Schlund, eigentlich aus dem selben Haus, aber gerade deshalb spinnefeind.“

„Shaw’ka, du bist weisä …“ – „Ich brauche deine Einschätzung meiner Weisheit nicht, Hasran“, unterbrach ihn Fridega.

Selinde zuckte beinahe über die schroffe Zurechtweisung des stolzen Mannes. ‚Sha'wka, ha!‘, dachte sie. ‚Die meisten Frauen werden Rose genannt, nicht Dorn, aber für Fridega passt es. Fast so gut wie I'ibra. Hat sie davon, dass sie im Lande draußen nur noch die Nadel genannt wird!‘

„Diesen Martok werde ich mir beizeiten mal selbst angucken. Ich glaube, der ist für die Krone noch nicht verloren, wenn er nicht wie sein Sohn in den Flammend es Götterfürsten aufgeht. Schade um seine Brut. Aber Alrik von Korbrunn, der ist gefährlich. Sehr gefährlich.“ Fridega, die laut gedacht hatte, verstummte und dachte nach. „Jendor, schick doch mal unser Rondralied nach Perricum und reise selbst mit. Diese Dokumente hier müssen zum Seneschall nach Perricum, ob's ihn interessiert oder nicht. Und du, mein treues Ross, bekommst jetzt deine Belohnung. Und danach geht’s zurück nach Sebarin.“

Selinde schauerte innerlich über die Vulgarität ihrer Herrin.