Geschichten:Sonnendämmerung - Blut der Kinder im Tal der Pferde Teil III.

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Kloster Praiseneck, Baronie Herdentor, Namenlose Tage 1042 BF:

Die Namenlosen Tage waren im Praios-Kloster Praiseneck eine besondere Zeit. Das alltägliche Leben ruhte vollkommen und alle Bewohner verbrachten die dunkle Zeit im stillen Gebet oder in Meditation, noch mehr als sonst schon. Es galt seine Seele rein zu machen vor dem bevorstehenden Mond des Herrn Praios, der Zeit des Lichts.

Für Amalion bedeutete dies, das Studium der heiligen Schriften zu unterlassen und sich ganz und gar dem seinem Gott im Gebet hinzugeben. Angetan war der junge Novize in ein weißes Büßergewandt, wie alle anderen auch, doch, was hatte ein 12-jähriger schon zu büßen? Einzig das Greifenamulett zierte seinen schlanken Hals. Es war zu seinem treuen Begleiter geworden, sein Weg seinem Herrn – aber auch seinem Vater - nahe zu sein.

In dem Jungen reifte die Erkenntnis, dass der Herr Praios einen Plan mit seinem entrückten Vater verfolgte. Doch anders als Amalion ursprünglich gedacht hatte. Martok war im nebachotischen Bruderkrieg ein grausamer Heerführer gewesen, der sich wenig um die Gebote des Götterfürsten geschert hatte. Machtgier war seine Motivation gewesen. Erst spät, nachdem Martok zum Baron ernannt worden war, kam die Zuwendung zu Herrn Praios und die Abkehr von seinem früheren Ich. Doch was wäre, wenn diese späte Läuterung nicht genug war? Hatte sich der gleißende Richter von seinem Vater abgewandt? Versagte er ihm deshalb den Einritt in Praios' Lichtpalast?

Seit 20 Monden verharrte sein Vater in einem entrückten Dämmerzustand. Unfähig zu sprechen, oder anderweitig einen klaren Gedanken nach außen zu tragen. Tag ein Tag aus blickten leere Augen gen Himmel, auf eine Offenbarung oder Erlösung wartend. Doch der Götterfürst erhörte ihn nicht.

Amalion glaubte erkannt zu haben, dass sein Vater seine Hilfe brauchte um göttliche Erlösung zu erfahren. Die vergangenen Taten, die begangenen Frevel wiegten zu schwer. Es musste seine Aufgabe sein, die Seele seines Vaters vor Praios wieder rein zu waschen.

Doch wie sollte er das tun? Noch mehr Beten? Noch mehr Meditieren? Noch mehr heilige Schriften lesen? Das heilige Wort des Herrn Praios in die Welt hinaus tragen? Nein, das konnte nicht genügen. Es brauchte ein größeres Opfer. Welch größeres Opfer konnte es geben als sein eigenes Leben?

So stand er da, in einem der vielen Innenhöfe des Klosters und blickte seinen Vater an. Dieser kniete wie immer in demütiger Pose dort und starrte aus leeren Augen gen Himmel. Vorsichtig, beinahe zaghaft berührte er die linke Wange seines Vaters. Es war eine Berührung die ohne Reaktion blieb. Tief drinnen, so war er sich sicher, würde die Seele seines Vaters noch in diesem Körper wohnen, gefangen und dem göttlichen Herrn so fern. Er musste sie befreien.

Amalion, Sohn des Martok, aus der Familie Beshir a Danal, zwölfgöttergfällige 12 Sommer alt, stand mit festem Blick vor seinem Vater. Er küsste das Greifenamulett, das er um seinen Hals trug, dann nahm er die Öllampe und befreite ihren Inhalt. Unschuldig in der Sonne glitzernd, floss die Flüssigkeit den Körper herab. Er nahm eine Fackel und ließ sie immer näher an seinen Körper heran. Die Flammen lechzten geradezu nach Leben. In wenigen Augenblicken hatten die Flammen ihn fast vollständig umschlungen.

"Praios, göttlicher Richter unserer Seelen, nimm dieses Opfer an meines Vaters statt an. Mein Leben für sein Leben. Vergebe ihm!"

Die Flammen fraßen sich blitzschnell durch den jungen Körper und es dauerte nicht lange bis er sein Leben aushauchte. Ohne Wehklagen, stolz und ungebeugt würde er seinem Herrn gegenübertreten. Die eilig herbeigeeilten Glaubensbrüder standen ehrfürchtig vor dem heiligen Feuer. Einzig Martoks Antlitz zeigte keine Regung. Sein leerer Blick richtete sich immer noch gen Himmel.

Das war der dritte Streich.