Geschichten:Sehnsucht nach dem Frühling

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Teurer Vater!


Es mögen die Zwölfe Euch segnen, Euch Kraft und Gesundheit senden. Seid Euch meiner aufopferungsvollen und hingebungsvollen Zuneigung wie stets und für immer versichert.

Seit dem Mond des Grimmigen hat hier in Sertis geschneit, als ob der Herr Firun jeden Winkel des Reichsforstes bedeckt sehen wollte. Die weiße Pracht, die in den Tannenwipfeln wie kleine Sterne funkelt, reicht bis zum Horizont, bis unter den Rocksaum des Herrn Praios allgütigen Auges über ganz Dere. Es war mir vergönnt in den vergangenen Wochen mit leichter Armbrust und in angenehmer Jagdbegleitung aus Gareth und des hiesige Geweihten der Jagd durch die lichten Ränder des undurchdringlichen Reichsforst zu preschen und dem strengen Gevatter ein paar Rotpüschel als Opfer darzubringen.

Es war just gegen die Mittagszeit, als ein finsterer Schatten über die blanken Wipfel hinwegstrich. Ich wollte meinem Auge nicht trauen, aber was ich sah ließ mir und meinen Begleitern den Atem stocken. Ein echter Drache flog eine Runde über dem Reichsforst, von goldenen Schuppen und breiten Schwingen, eine Majestät des Himmels! Er verharrte einen Augenblick, trotz seiner unglaublichen Größe, wie ein Schmetterling am Firmament, um in Richtung Praios gen Boden zu schießen. So stimmen die Gerüchte über den goldenen Tykranor aus Tannwirk wohl doch, die Götter mögen uns Sterblichen ihren heiligen Schutz gewähren und uns tapfere Recken schicken, die uns von der Drachenplage erlösen!

Die Geschäfte der Pfalz gehen ihren geordneten Gang. Der Bau der neuen Waldglashütte wird im Frühjahr begonnen werden und alle sind guter Dinge, dass sie in wenigen Jahren Profit für die Pfalz abwerfen wird, obzwar es einen großen Disput zwischen dem Edlen von Hoxforst und dem Junker vom Eynweiher gab, an wessen Gestade des Eynweyher genau der Bau vorgenommen werden soll. Der Pfalzgraf entschied darob zu Gunsten des Hoxforsters und ordnete an, dass des Junkers Holz zur Asche und Feuerung zu einem gerechten Preise benützt würden. Auch einen Meister der Glasmacherzunft konnte nach Sertis gelockt werden, ein seltsamer Zeitgenosse aus dem Brabakischen, der sich Meister Bugiardo nennt. Es ist mein persönlicher Verdienst, diesen kunstfertigen Gesellen nach Waldstein zu holen, der mir aus den besten Garether Kreisen empfohlen worden ist.

Vor wenigen Tagen stattete des Pfalzgrafen Vetter aus dem Schlund der Pfalz einen Besuch ab, ohne sich vorher angemeldet zu haben. Er beliebte mich zu erkennen und grüßte mich mit großem Respekt und trug mir auf, Euch seinen verbindlichsten Gruß zu bestellen. Die beiden Hartsteener zogen sich in die Amtsstube der Pfalz zurück und disputierten bis in die Nacht. Mir schien es, als ob die Mitteilungen dem Pfalzgrafen nicht sehr behagten und seine durch die Fehde mit dem Höllenwaller Baron eh schon verdrießliche Laune noch mehr verschlechterte. Gewiss werden die Hartsteener über die ungewöhnliche Handlungen der Krone disputiert haben, die den Baron von Leihenbutt sein Lehen entband. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, was daran dem Pfalzgrafen so sehr die Laune verdarb. Am nächsten Morgen ritten sie dann mit dem gesamten Hofe aus, um Wild zu schießen, wobei der Pfalzgraf einen imposanten Achtzehnender vor die Armbrust bekam und mit einem meisterlichen Blattschusse erlegte.

Die gesamte Pfalz wartet sehnsuchtsvoll auf die lauen Frühlingstage, wenn der Grimm des Herren Firun durch seine gnädige Tochter gelindert worden ist und Mensch und Tier sich der neuen Blütenpracht erfreuen können. Ich hoffe und bete in meinem Herzen, Euch in Bälde wieder zu sehen und das geliebte Antlitz meiner Mutter küssen zu dürfen.


Es grüßet Euch und alle, in deren Herzen ich mich befinde

Euer treuer und untertänigster Sohn

Reo Rondriol

Pfalz Breitenhain, Mitte Tsa 1033 BF