Geschichten:Schwarzer Weg - Amtsgeschäfte

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Reichsstadt Hartsteen, Boron 1038 BF

Praiodan von Steinfelde warf einen kurzen Blick auf das gut gefüllte Lederbeutelchen in der Hand seines Gegenübers.

„Freilich, eine Audienz beim Grafen kann ich Euch nicht versprechen, aber ich werde ihm die Sache mit Wohlwollen vortragen und dahin zu wirken suchen, dass er sich Eures Gesuches annimmt.“

Der junge Kaufmann stellte den Beutel auf dem Tisch ab, wobei der Inhalt ein verheißungsvolles Klimpern von sich gab: „Und bis wann kann ich mit einer Antwort rechnen?“

„Mein Lieber, ich weiß ja, dass es bei euch Kaufleuten heißt ‚Zeit ist Geld’, aber hier ist ein wenig Geduld vonnöten. Für den Grafen gelten nun einmal andere Maßstäbe.“

„Natürlich, das verstehe ich…“

„Dann ist ja alles gut. Kommt in einer Woche wieder, dann werde ich Euch sicher mehr sagen können.“

„Eine Woche?!“, entfuhr es dem Krämer, der offenbar mit einer günstigeren Antwort gerechnet hatte und seinen Missmut darüber nicht verbergen konnte.

„Es mag natürlich sein, dass ich meinen Schwager schon früher sprechen werde, doch gewiss ist das nicht“, setzte der Steinfelder an, „Ich will Euch davor bewahren, einen Gang umsonst zu tun. Und bei einem Mann, für den Zeit Geld ist, wäre das wohl ein schlechtes Geschäft."

„Nunja, eine Woche warten scheinen mir da nicht unbedingt die bessere Alternative, Wohlgeboren!“

Praiodan bemerkte den bedauernden Blick, mit dem der Kaufmann den Beutel auf dem Tisch streifte und redete beschwichtigend weiter auf ihn ein: "Seht Ihr, ich meine es doch nur ehrlich mit Euch und will Euch nichts Unmögliches versprechen. Also lasst Euch deswegen nicht verdrießen. Ich werde sehen was sich machen lässt und Euch sobald als möglich Bescheid geben. Wo habt Ihr Quartier genommen, im ‚Ritterstolz'?"

„In der Tat“, der Kaufmann nickte.

„Gut. Ich werde Euch einen Boten schicken.“

Der Gast verabschiedete sich und ging. Als er die Türe hinter sich geschlossen hatte, schlich sich ein Grinsen auf das Gesicht des Hartsteener Wegevogtes. Er bekam in letzter Zeit immer mehr Übung darin, den Pfeffersäcken das Gold aus der Tasche zu ziehen. Der Händler hier war schon vorbereitet gewesen und das war gut, denn das bedeutete, dass sich die neue Praxis herumgesprochen und bewährt hatte. Außerdem gab es dann weniger unangenehme Momente für ihn, weil er nicht selbst wie ein Krämer um Beträge feilschen musste. Zufrieden wog Praiodan den Beutel in der Hand, bevor er ihn in die kleine Lade auf dem Tisch legte und abschloss.

Das selbstgefällige Grinsen verzog sich jäh zu einer schmerzverzerrten Grimasse, als sich der Steinfelder erhob. Diese verflixte Verletzung machte ihm immer noch zu schaffen, und auch wenn er nun von der durch die Wunde erzwungenen Untätigkeit profitierte, hasste er doch den Umstand, der ihn dazu gebracht hatte. Noch immer konnte er an manchen Tagen kaum längere Zeit sitzen geschweige denn reiten. An solchen Tagen brachte ihn allein schon der Anblick eines Zwergs in Rage.

Langsam und mit einer Hand das malträtierte Hinterteil massierend, ging Praiodan zur Tür. Die Mittagszeit war heran und der Binsenbeck hatte ins Gildenhaus eingeladen. Als er die Stufen vor dem gräflichen Stadthaus hinabstieg, kam ihm vom Ratsplatz her zügigen Schritts eine Frau in den Farben des Königreichs entgegen, die ein Pferd am Zügel hinter sich führte.

„Zum Gruße. Seid Ihr Praiodan von Steinfelde?“

„Derselbe.“

„Dann habe ich eine dringende Nachricht für Euch.“

Sie griff in ihre Satteltasche und zog ein Lederetui heraus, dessen papiernen Inhalt sie dem Wegevogt überreichte. Der Steinfelder sah das Siegel des garetischen Kanzlers und seufzte. Das Mittagessen würde noch etwas auf sich warten lassen.