Geschichten:Schimpf und Schande - Teil 5

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In der Villa Geldana, Kaiserlich Raulsmark


"Er hat WAS?"

Burggraf Oldebor schnappte nach Luft und setzte sich kerzengerade in dem Sessel hinter seinem Schreibtisch auf. Ungläubig starrte er seinen Secretarius an. Friedwart Wiesenbach wiederholte ungerührt seine vorangegangenen Worte:

"Der Staatsrat hat den Baron von Hirschfurten entlehnt."

"Das hatte ich schon richtig verstanden", grummelte Oldebor. "Ich konnte es nur nicht glauben. Hat der Schroeckh denn jetzt völlig den Verstand verloren?"

Meister Wiesenbach hielt die Hand vor den Mund und räusperte sich dezent. "Über den Passus 'jetzt' könnte man trefflich disputieren, Euer Edelhochgeboren."

Der Burggraf unterdrückte ein Auflachen. Noch immer allerdings ließ die Nachricht ihn mit dem Kopf schütteln. Einen Moment lang schwieg er, bevor er ansetzte: "Ich hätte nicht gedacht, dass ich das jemals wieder sagen würde - aber ich freue mich auf die nächste Sitzung des Zedernkabinetts. Ich bin gespannt wie ein Elfenbogen, wie Horbald das erklären will."

"Soll ich Meister Gsevino bitten, diesen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen?", erkundigte sich der Secretarius.

"Ja. Oder besser ... nein", erwiderte Oldebor gedehnt. Ein hämisches Grinsen setzte sich in seinen Mundwinkeln fest. "Jedenfalls nicht unter diesem Titel. Der gute Prutzenbogen soll es als 'Allgemeine Lehnsangelegenheiten' aufs Tapet bringen. Nur für den Fall, dass der Schroeckh ausnahmsweise einen Blick auf die Papiere wirft, bevor er uns wieder zusammenruft." Die Augen von Burggraf und Secretarius trafen sich in einem mitleidig-wissenden Blick.

Wieder etwas entspannter lehnte sich Oldebor in seinem Sessel zurück. "Eine Entscheidung von solcher Tragweite", fuhr er fort, "wird der gute Horbald sicherlich so gut durchdacht haben, dass er sie auch ohne weitere Vorbereitung nachvollziehbar erklären kann, wenn man ihn vor dem versammelten Zedernkabinett danach fragt."

"Weiß die Königin davon? Was sagt sie denn dazu?", ergänzte der Secretarius. Es klang mehr nach einem Zitat als nach einer eigenen Frage.

"Meister Wiesenbach, Ihr nehmt mir die Worte aus dem Mund."