Geschichten:Schimpf und Schande - Teil 18

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In Ihrem Schatten – Anderer Leute Angelegenheiten

Kaiserliche Pfalz Gerbaldsberg, Mitte Firun 1033 BF


»Auf ein Wort, Hochedelgeboren!«

Giselbert von Streitzig j.H., gerade durch die Gänge der Pfalz Gerbaldsberg eilend, hielt inne und drehte ich um. Eigentlich hatte er genug um die Ohren; schließlich war es der erste Winter, den er nun als Pfalzgraf hier im Eslamsgrund verbrachte. Die Kaiserin hatte das Winterquartier ihres Hofes hier in ihrer wichtigsten Pfalz aufschlagen lassen, und entsprechend geschäftig ging es zu. Giselbert hatte alle Mühe, Augen und Ohren offen zu halten und jederzeit am rechten Ort zu sein; schließlich wollte er die unverhoffte Ehre seines neuen Amtes nicht schon alsbald wieder verlieren.

Aus einer der tiefen Fensternischen trat Silvano von Hagenau-Ehrenfeldt in den Gang, die Hände in den Ärmeln seines Geweihtenornats verschränkt, und ging gemessenen Schrittes auf ihn zu. Der Praiospriester war Hofkaplan auf der Pfalz und, das hatte Giselbert nunmehr schon des öfteren mitbekommen, nachzu wie ein Schatten des Kaiserlichen Hofgeweihten Arrius von Wulffen, wann immer dieser auf dem Gerbaldsberg weilte. Vermutlich wollte er sich in dessen Glanz sonnen und die Aufmerksamkeit der Kaiserin auf sich ziehen; zumindest gab sich der Hofkaplan immer so, als wäre er eigentlich zu höherem berufen.

»Praios zum Gruße, Hochwürden«, floskelte Giselbert daher höflich, den Befehlston des Geweihten ignorierend. Geduldig wartete er, bis Silvano herangetreten war; er sah es gar nicht ein, ihm entgegenzugehen, zumal der Priester als Angehöriger des Pfalzgräflichen Hofes keinesfalls über ihm im Protokoll stand.

»Habt ihr von den Neuigkeiten aus der Königlichen Kanzlei gehört? Wie steht Ihr dazu?« setzte der Geweihte denn auch umgehend an, wobei er eine Mine aufsetzte, der Giselbert das Prädikat verschwörerisch gegeben hätte.

»Was meint Ihr?« entgegnete er daher unverbindlich, um sich nicht durch falsche Antworten allzu eilig auf eine Meinung festzulegen.

»Die neuesten Entscheidungen des Ersten Königlichen Rates selbstredend. Ich dachte. Ihr hättet bereits davon gehört. Die ganze Pfalz spricht mittlerweile hinter vorgehaltener Hand davon.« Es klang, als wolle der Praiot den Pfalzgrafen ob dessen vermeintlicher Unwissenheit tadeln.

»Darf ich Euch daran erinnern, dass mich die Belange des Kaiserreiches weitaus mehr zu interessieren haben als der neueste Klatsch aus Gareth? Was immer der Schroeckh verbrochen hat, ist für das alltägliche Tun hier auf der Pfalz von wenig Belang; dies ist Kaiserland. Und so schlimm wird es schon nicht sein.«

»Dann wisst ihr es noch gar nicht!« stellte Silvano wichtigtuerisch fest und fuhr fort: »Der Staatsrat hat dem Baron Nimmgalf von Hirschfurten das Lehen Leienbutt entzogen.«

»Ach, dass meint Ihr. Natürlich habe ich davon gehört.« Der Pfalzgraf sah den Praioten auffordernd an, um diesem zu verstehen zu geben, er möge auf den Punkt kommen.

»Habt Ihr doch? Und was sagt Ihr dazu?«

»Nichts. Es wird Gründe dafür gegeben haben, mit denen er diese Entscheidung rechtfertigt; schließlich ist er Ihrer Majestät erster Rat für das Königreich. Und wenn nicht, so kann ich es auch nicht ändern.«

Aus dem Gesicht des Geweihten sprach Enttäuschung ob dieser Aussage des Pfalzgrafen. »Im übrigen wäre es ist nicht an mir, darüber zu befinden; jenes wird Ihre Majestät selbst tun, falls sie es für nötig erachtet.«

»Und der Gräfliche Senneschall zu Waldstein? Ich hörte, er habe die Entlehnung angeregt. Gehört er nicht auch zu Eurer Familie?« hakte der Praiospriester nach.

»Sicher«, anwortete der Pfalzgraf. »Aber das heißt noch lange nicht, dass er die Meinung der Familie vertritt.« Sein Tonfall machte deutlich, dass er von Coswin nicht allzu viel hielt.

»Verstehe. Und wie steht die Familie zu jenem Vorfall?« Der Hofkaplan legte eine derartige Intesität in diese Frage, dass das Bohren fast körperlich spürbar wurde.

»Dass solltet Ihr seine Hochgeboren Baron zu Uslenried fragen, nicht mich. Meine Meinung kennt ihr ja nun bereits; doch ich maße mir nicht an, mit der Stimme der Familie zu sprechen.« Der Pfalzgraf wurde innerlich zornig ob der Nachfragen des Praioten und fragte sich, was dieser damit bezwecken mochte; äußerlich hingegen bewahrte er die Ruhe.

»Ich nehme an, dass Ihre Majestät auch Euch um Rat gefragt hat, wie zu verfahren sein?«

»Nein. Und wenn es so wäre hätte ich dennoch keine Veranlassung, mit Euch darüber einen Disput zu führen. Ihr seid ein Priester des Götterfürsten, Hagenau«, bewusst unterschlug der Pfalzgraf den Namensteil Ehrenfeldt des Geweihten, »ich hingegen der Verwalter dieser Pfalz. Beide haben wir den uns von Praios gegebenen Platz in dieser Welt inne, also überlassen wir die Hohe Kunst der Politik jenen, die der Götterfürst dafür vorgesehen hat. Der Kaiserin und ihren Räten. Und nun entschuldigt mich, ich haben zu tun.« Damit drehte er sich um und eilte hinfort, einen Hofkaplan und dessen Zorn ob der unbefriedigten Neugier zurücklassend.