Geschichten:Schattenzug – Rauschen des Windes

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Gut Achenpflock, Junkertum Untergardeln, Baronie Vierok, Anfang Rahja 1040 BF:

Zu so einem verschwörerischen Unterfangen zu gehören, lässt das Herz unweigerlich höher schlagen. Zumindest geht es mir so. Sonst verbringe ich meine Tage im Arbeitszimmer meines Herren, beim ungezwungenen Plausch mit dem Seneschall, oder in den schier endlos erscheinenden Fluren von Gerbaldsaue. Kurzum, ich bin nicht dafür gemacht den ganzen Tag eingezwängt in einem hölzernen Gefährt zu verharren – noch dazu in fast völliger Dunkelheit. Nur schemenhaft kämpften sich einzelne Lichtstrahlen durch die Holzfugen. Mit mir im Wagen kauerten der Feenwasser mit seinem elfisch anmutenden Magier - wegen dem ich ich immer noch eine kaum in Worte fassendes Unwohlsein empfinde – sowie eine Handvoll der Waldsteiner Gardisten. Die Höllenwaller Söldner hatten sich auf die anderen Wagen verteilt. Der junge Händlersohn gehörte leider auch zu ihnen, was ich sehr bedauerte. Dieser schelmisch-kecke Blick des Blondschopfs ging mir einfach nicht aus dem Kopf. So dämmerte ich also, in freudiger Erwartung den Mann meiner Begierde an unserem Zielort wiederzusehen, vor mich hin und versuchte stoisch die Unannehmlichkeiten zu ertragen.

Wir hatten uns etwas umständlich und äußerst unbequem um die beiden großen, Eisen-bewehrten Truhen positioniert. Was da wohl für Reichtümer drin lagen? Das war kaum vorstellbar für mich. Im schemenhaften Dunkel starrte ich immer wieder in Richtung des Magiers, nur um mich kurze Augenblicke später wieder zu Räson zu zwingen. Wenn wirklich elfisches Blut in seinen Adern floss, dann konnte er im Dunkeln weit besser sehen als wir anderen. Was auch bedeuten würde, dass er meine angsterfüllten Blicke sah. Ich fühlte mich ertappt und beobachtet.

Unsere Reise verlief von äußeren Störungen unberührt. Unsere Notdurft mussten wir in einem dafür vorgesehenen Behälter verrichten, der dann immerhin nach draußen gereicht wurde. Etwaigen Spähern sollte verschleiert werden, was die Wagen an Innenleben mit sich führten. Von außen betrachtet waren wir nur ein einfacher Handelszug. Ich fühlte mich furchtbar und erniedrigt. Das Reichsgefängnis auf den Efferdstränen konnte kaum schrecklicher sein.

Am frühen Abend erreichten wir unser Ziel, das Gut Achenpflock in der Baronie Vierok. Als die schweren Tore sich geschlossen hatten, konnten wir uns endlich aus unserem dunklen Verlies befreien. Welch Wohltat sich endlich wieder strecken zu können, endlich wieder die frische, würzige Luft der Goldenen Au zu atmen. Mein Gesäß schmerzte ungeheuerlich und das Pochen meines Kopfes verriet mir, dass die Wundermixturen des Magiers an Wirkung nachließen. Doch das kümmerte mich nicht, denn ich hatte einen unvorstellbar großen Hunger. Es brauchte nicht mehr viel, ich hätte wohl meine gute Kinderstube vergessen und alles an Essbaren in mich hinein geschlungen was ich nur finden konnte.

Unser Gastgeber war Roban Leuenstolz vom Berg, ein junger, stattlicher Ritter, der zum Gefolge des Kaisermärker Landrichters Trenck gehörte. Er gehörte zur sogenannten Männerunde des Zweifelfelsers und meines Herren. Ihm konnten wir also vertrauen. Aus einem der Gebäude stieg mir Bratenduft in die Nase. Endlich würde ich Erlösung finden, denn augenscheinlich hatte der Gutsherr für uns bereits ein deftiges Mahl vorbereiten lassen.

Während ich das Essen in mich hineinschlang und mich wie eine ausgemergelter Bettler aus dem Südquartier fühlte, wanderten meine Blicke immer wieder verstohlen zu dem blonden Mann mit dem verwegenen Ausdruck. Doch er erwiderte meine Blicke nicht, zu sehr schien er mit dem Feenwasser in ein Gespräch vertieft. Im Nachhinein war ich froh, dass er mich nicht so sah, wie ich so völlig maßlos den Braten in mich hinein stopfte. Das musste wahrlich kein rahjagefälliger Anblick gewesen sein. Etwas schockiert musste ich hingegen feststellen, dass mich der Magier fest in seinem kalten Blick hatte. Augenblicklich schauderte es mich.

Zu den Annehmlichkeiten unserer nächtlichen Bleibe zählte ein Badezuber, gefüllte mit dampfend warmen Wasser und wohlriechenden Kräutern. Es war mittlerweile schon später Abend, das Praiosmahl war schon hinter dem Horizont verschwunden und so langsam kehrte Ruhe auf diesem beschaulichen Herrensitz ein. Die Söldner, die nicht zur Bewachung unserer Fracht eingeteilt wurden, hatten sich schon zur Ruhe gelegt. So lag ich also im Bade und genoss die wohltuende Wärme auf meiner Haut. Ich hoffte inständig, auch das Pochen in meinem Schädel würde bald verschwinden. Die Badekammer war eigentlich die Waschküche, was auch deutlich an den unzähligen Leinentüchern zu erkennen war, die hier aufgehängt waren. Kerzen hüllten das Gewölbe in schummeriges Licht. Wie in Trance betrachtete ich die durch einen Luftzug leicht im Raum tänzelnden Leinen. Sie hatten eine beruhigende Wirkung auf mich. Meine Gedanken drehten sich, wie so oft seit Beginn dieser Mission, nur um ihn, den blonden Schönen. Wenn er mich ansah, lief es mir heiß und kalt den Rücken herunter, wenn er mit mir sprach, war es so als würde mein Herz aus meinem Brustkorb springen. Dieser unwahrscheinlich charismatische Mann, verwegen und selbstsicher zugleich, hatte mich komplett in seinen Bann gezogen. So langsam fühlte ich die Hitze vom Inneren meines Körpers aufsteigen.

Willentlich gefangen in meinen lustvollen Tagträumen, merkte ich erst nicht was sich um mich herum tat. Zu fesselnd waren die Bilder in meinem Geist, zu erquickend meine nach Erlösung sehnenden Berührungen auf meinem Körper. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als das er jetzt bei mir wäre, ich seine Berührungen spüren würde. Ein lauer, aber stärker werdender Luftzug zerrte mich zu meinem Unglück aus meinen Fantastereien und hauchte eine Gänsehaut auf meine Haut. Hatten sich die überall im Raum hängenden Leinentücher schon die ganze Zeit sanft hin und her bewegt, tobten sie nun wie die Gischt an felsigen Gestaden, geführt wie Marionetten des allmächtigen Windes. Ich fühlte auf einmal ein tiefes Unwohlsein in mir aufsteigen. Meine Nackenhaare stellten sich auf und ich empfand ein beklemmendes Gefühl der Angst.

Doch so schnell wie der Spuk gekommen war, war er auch schon wieder zu Ende. Von einem Moment auf den anderen hingen die Leinentücher schlaff herunter als wäre nichts gewesen. Kein Lüftchen schien den Raum mehr zu durchströmen. Erleichtert, den Schreck noch in meinen müden Gliedern, ließ ich mich in den Badezuber zurück sacken. Mein Körper entkrampfte sich wieder. Hatte ich mir alles nur eingebildet? Ich hätte es besser wissen müssen, denn nur wenige Augenblicke später zeigte die Angst wieder ihre geifernde Fratze. Mein Herzschlag hatte sich gerade wieder beruhigt, als ich einen schweren Atem in meinem Nacken spürte. Panisch sprang ich auf und wandte mich um. Kalt blickten mich nachtschwarze Augen an.

Was soll ich sagen, im Nachhinein weiß man alles besser. Hätte ich es erahnen müssen? Ja, das hätte ich, doch war ich nicht bei klaren Verstand. Mein pochender Kopf, mein in der Lust verlorener Geist, ach, ich will es nicht schön reden und kann es auch nicht. Ich hätte die Zeichen erkennen MÜSSEN. Doch hatte ich so sehr gehofft.

Mit purem Entsetzen auf mein Gesicht geschrieben, sprang ich auf, nur um wenige Augenblicke zu bemerken, dass ich komplett nackt vor ihm stand. Mit einem süffisanten Lächeln stand er da, sein Blick wanderte meinen nackten Körper entlang. Aus Reflex, der viel früher hätte kommen sollen, bedeckte ich mit beiden Händen meine Scharm. Unsere Blicke trafen sich, eine gefühlte Ewigkeit wie mir schien. Dann stellte er wortlos einen Becher mit dampfenden Inhalt auf einen Podest neben dem Badezuber und im nächsten Augenblick war die Gestalt mit den langen, weißen Haaren auch schon wieder verschwunden. Irritiert ließ ich mich wieder in das warme Wasser gleiten. Was hätte ich gegeben, wenn es doch mein schöner Held gewesen wäre.



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4. Rah 1040 BF
Rauschen des Windes
Handelsreisende


Kapitel 3

Zehrende Gier
Autor: Bega