Geschichten:Rollende Steine - Alte Schwüre neu geschworen

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Am Morgen des 22. Ingerimm BF1037

Der gestrige Abend war lang gewesen, dennoch erwachte Lyn wie gewohnt in den frühen Morgenstunden. Und wie gewohnt griff sie zu dem Platz an ihrem Hals, an dem bis vor ein paar Tagen seit nun mehr zwei Götterläufen ein kleiner grüner Stein geruht hatte. Kurz tastete sie ins Leere, dann erinnerte sie sich wieder warum er fehlte und ein Lächeln trat auf ihr Gesicht.

Sie dachte zurück an den Raum in dem unterirdischen Teil des mächtigen Baus, der wohl einst Gaftarions Schwurplatz war, nun aber in Trümmern lag. Zurück an den Altar und wie sie dort versammelt standen. Der Gallsteiner und der Höllenwaller, beides Bundesbrüder von Ra’oul sowie der Heermeister und der Junker, den der Greifenhorster an seiner statt gesandt hatte.

Die Geschichte von Tedesco von Perricum und natürlich auch die Tatsache, dass das riesige Steinwesen von hier gekommen war, hatte sie alle zu diesem Platz geführt und erneut gingen ihr, als sie dort stand, die Worte aus der Legende durch den Kopf „Und sein achtes Opfer an das Land war sein eigen Blut. Von der Stelle seines Todes trugen ihn seine Getreuen und verborgen seinen Leichnam im Wall, auf dass er hundert Jahr Wacht halte. Und hundert Jahre wird Perricum gedeihen, bis ein neuer die Eide leistet oder sich der Fall Nebachots wiederholt.“ Ein Blick auf Aldron reichte um zu sehen, dass er dasselbe dachte wie sie. Dass auch er bereit war, dieses Opfer zu bringen.

Und in diesem Moment spürte sie auch, dass sie es nicht nur um Ra’ouls Heimat Willen tun wollte, sondern dass diese Heimat auch ein Teil von ihr geworden war. Dass dies ihre Heimat war und sie bereit war, ihr Leben dafür zu geben.

Die Worte der anderen rissen sie aus ihren Gedanken, vor allem als ihr klar wurde, dass der Schwur nicht durch Opferung des eigenen Lebens sondern eines Esels erneuert werden würde.

Sich immer noch die Bedeutung ihres inneren Bekenntnisses bewusst machend, sah sie den Gallsteiner verschwinden, hörte ihn kurz danach nach Malepartus rufen. Erst der Ausruf „Kesghars Helm“ schreckte sie aus ihrer Grübelei und ließ sie nachschauen gehen.

Da der Höllenwaller beim Bergen des Helmes auch auf eine Kammer mit Opfergaben gefunden hatte war für alle ersichtlich, dass es galt, den Schwur nicht nur mit Blut sondern auch einem persönlichen Opfer zu besiegeln.

Keinen Moment zögerte sie da und ihre Finger umschlossen zum letzten Male den Stein an der Kette. Den Stein, der ihre Erinnerung an ihre Bitte an Tsa war. Ihre Erinnerung an den Wunsch, wieder zu leben statt nur zu sein. Und so nahm sie die Kette ab, so wie der Gallsteiner den Ring seiner Tochter, Aldron sein Kettenhemd, Malepartus seinen Anderthalbhänder und der Junker seinen Schild.

Die Worte die nun ein jeder sprach wurden mit Blut besiegelt und waren Ausdruck der persönlichen Verbundenheit mit dem Land.

Lyn schloss die Augen für einen Moment, als sie ihre Gedanken weiter wandern ließ.

Sie dachte daran, wie sie nach den Questen wieder auf Selo traf. Wie er vor ihr stand, ihr Säbel und Wappen Selinas entgegenhaltend. Und wie sich unter die Trauer auch Hochachtung mischte. Selina, die ihr ganzes Leben in den Dienst Rondras gestellt hatte, war nun von ihnen gegangen, gefallen wie es ihr gebührte. Im Kampf gegen einen würdigen Gegner, zum Schutz der Schwächeren.

Der letzte Gedanke ließ Lyn seufzen, erinnerte er sie doch an die Gespräche des gestrigen Abends.

Die Worte Selos halten in ihrem Kopf nach „Vielleicht lag es an mir, dass die Queste so ein Ende nahm. Vielleicht war es mein unwürdiges Blut…“ Sie würde die Nebachoten in diesem Punkt wohl nie verstehen, doch hoffte sie, dass ihre Worte Selo halfen, den richtigen Weg zu finden. Und seinen Platz in dieses Land, in das er genauso wenig hineinzupassen schien wie sie selbst, und dass dennoch ihnen beiden als Heimat galt.

Lyn nahm die flache Hand von ihrem Hals und spürte dabei, dass Selo in diesem Punkt Recht hatte. Sie braucht den Stein nicht mehr, um Kraft zu schöpfen, die Kraft die sie zum Leben brauchte, floss durch dieses Land direkt in sie hinein und gab ihr so Halt und Stärke.


 Wappen Mittelreich.svg  Wappen Markgrafschaft Perricum.svg  
 Wappen Kaiserlich Gerbenwald.svg
 
22. Bor 1037 BF zur abendlichen Boronstunde
Alte Schwüre neu geschworen
Der Vögtin Hilferuf


Kapitel 5

Nachspiel auf Barbenwehr
Autor: Lyn