Geschichten:Olimone Lindenpfad - Tanz der Blätter

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Schattenwald, Sommer 983 BF

Die Hitze tanzte über dem Waldboden. Fliegen summten zwischen den Stämmen der Kiefern. Waldbienen brummten in der gestauten Luft. Ein Specht war der Hitze nicht überdrüssig und hämmerte sein Lied der Arbeit laut durch die Halle des Waldes.

Odo wischte sich den Schweiß von der Stirn und erhob sich vom Lager aus Kleidungsstücken über dem Bett aus Tannennadeln. Sein junger Körper bewegte sich geschmeidig wie ein Windhund. Muskeln und Sehnen prägten ausdrucksstark die Landschaft seiner Haut. Sein sonst so verkniffener Mund war sanft gebogen zu einem unwirklichen Lächeln. Odos Augen schweiften ziellos durch die Weite des Sommers, senkten sich dann langsam auf das Lager, blieben an der schlanken Gestalt haften, die sich zu seinen Füßen ergoss - erschöpft, ermattet, überderisch. Sooft er auch mit Olimone schlief, er konnte seine Empfindungen, seine Lust und sein Begehren nicht mit dieser Welt vereinbaren. Es war, als würden sie gemeinsam aus der Zeit heraustreten, Satinavs Ketten abwerfen und sich in einem warmen, seichten Traum der Elfenwelt auflösen. Nur langsam kehrte Odo in das Hier und Jetzt zurück, betrachtete weiter lange seine Geliebte, sein erste Geliebte, und fragte sich zum wiederholten Mal wie er nur jemals eine Frau würde lieben können, nachdem er eine Göttin geliebt hatte. Denn das musste sie sein: eine rätselhafte, zeitlose, zum Sterben schöne Göttin.

Olimone schlug die Augen auf. Augen von klarem Grün, schräg über hohe Wangenknochen aus der Ewigkeit in diese Zeit zu blicken schienen. Sie lächelte und pustete eine Strähne ihres weißen Haares aus dem Gesicht. Nicht ein Tropfen Schweiß glänzte auf ihrer Haut.

»Iamanda, Odi'ama«, hauchte sie und lud ihn mit graziler Geste, sich wieder zu ihr zu legen. Doch Odo zögerte. Ein Tropfen Galle war in den Honig ihrer Zweisamkeit gefallen. Ein einzige Wort hatte es aus der Zeitlosigkeit ihrer Vereinigung bis hierher geschafft. Ein Wort, das borstig geworden war auf diesem Weg, Widerhaken bekam und das der gelbe Hauch des Zweifels umwehte. Odo zögerte, doch dann fragte er doch: »Wer ist Rongr'ama, Liebste?«

Olimone legte den Kopf schief und blickte fragend zurück.

»Rongr'ama. Das hast Du gesagt, mehrfach, während wir …«, Odo wies hilflos mit der Hand auf das zerwühlte Lager. »Rongr'ama.«

Olimone lächelte und antwortete ohne arg: »Sala lurinagaa. Deine Sippe, Odi'ama. Dein Vaterbruder Rond-ager

»Mein Onkel? Wieso mein Onkel?« Odo zog argwöhnisch die Augenbrauen zusammen. »Was hast du mit meinem Onkel zu tun?«

Olimone spürte den Ärger in Odo und richtete sich auf. Erhob sich und sog mit bebenden Nasenflügeln die wachsende Wut des Jünglings ein. »Er ist sala lurinagaa. Ich kenne ihn schon lange, Seit er ein tweldan'za ist, ein junger Mann. Wie du. Ihr seid eins. Ein Blut. Ein Atem.«

»Bitte?« Odos Zorn wuchs und pocht in den Adern auf seiner Schläfe. »Du machst mit meinem Onkel rum? Und dann mit mir? Und dann wohl später mit meinen Neffen - oder wie?«

»Aî.«

Odo stockte kurz der Atem, dann raffte er seine Sachen zusammen und schritt von dannen. Er fühlte sich verletzt, benutzt, verraten, hinters Licht geführt, um seine Gefühle betrogen. Mies, traurig, zornig. Vom eigenen Onkel betrogen! Odo wünschte sich, er hätte dieselbe gleichgültige Beziehung zu Frauen wie sein Vater oder wie Base Rudina.

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Es dauerte Wochen, bis Odo sich wiedergefunden hatte, sich in die schützende Festung seiner von Disziplin und Härte zu sich selbst erschaffenen Charakterstärke zurückgefunden hatte. Dennoch war nun alles anders. Odo wusste es: Diese erste Liebe war vorbei und sie würde alle zukünftigen Lieben seines Lebens beeinflussen. Sollte er dem Werben Herwendas nachgeben, der Knappin seines Onkels, so wäre dies eine andere Liebe als der rauschhafte Traum, den er mit Olimone erlebt hatte.

Es war am Tage der ersten fallenden Blätter, als er Olimone wieder traf. Er war ausgeritten, um mit seinem Schwertvater Helmbrecht von Luring-Cronenfurt die Aufzucht der Schlachtrösser in Trügenheim zu begutachten. da trat sie ihnen einfach in den Weg, am Waldrand. Begrüßte sie beide und schickte Junker Helmbrecht einfach weg. Odo rang mit sich, doch raffte er sich. Trotzte dem Drang wegzugehen oder sie fortzustoßen.

»Sanya, Olimone. Was willst du?«

Doch die Elfe antwortete nicht. Stattdessen nahm sie Odos Hand, der es geschehen ließ, und führte ihn durch den Waldrand zu einer von Birken umstandenen Lichtung. Hier wirkte alles hell und freundlich. Die bunten Blätter sammelten sich auf einem kleinen Teich, tanzten auf den sich kräuselnden Wellen auf der Mitte der Lichtung. Olimone setzte sich an seinen Rand, Odo daneben. Olimone nahm die Hand des jungen Mannes, und diesem schien, dass Wärme und Kraft in ihn floss.

Und Olimone sprach, den Blick auf den Teich und den Tanz der Blätter gerichtet: »Die sala lurinagaa sind meine dha, Odi'ama, mein Schicksal. Euer nurdra ist meines, euer Werden und Vergehen sind meine Jahreszeiten. Ich sehe euch, denn euer dha ist iamanda mit lohn und seinen valvaa, berboa, talaa. Verstehst du? Eure Sippe kann im Einklang mit dem Land leben und es lenken. Es ist ein Geschenk. Und ich sehe euer dha. Das dha jetzt. Und davor. Und danach. Ich sehe: Du bist lohn'var für Adhama yar'min, der Beschützer des kleinen Bogenschützen Adhemar. Er ist das Herz der sala lurinagaa und du sein Wächter.«

»Adhemar? Das ist ein geschwätziger Naseweis.«

»Nein, sein Sohn. In den Tagen danach. Es werden kommen dunkle Tage, zerza und dhaza. Du wirst es sehen. Es wächst schwarz und krank aus eurer Sippe heraus, wie es auch schon zuvor wächst. Als Firun'ya'za euer dha bedrohte.«

»Du kannst in die Zukunft sehen?«

»Ich sehe, was das Lied mir spielt, Odi'ama. Ich sehe zwei Rongra'var'jaha aus deiner sala: Rongr'ama und Dany'ama. Sa'talaa, gute Menschen. Ich sehe tala'zaa, dhaza, in ihnen, nach ihnen. Odi'ama: Du musst helfen zu wachen. Versprich es.«

Odo nickte konsterniert. Sein Zorn war längst verraucht, Was er hier über Rondger und Danos hörte, verstörte ihn. Olimone schien die alten Lurings noch persönlich zu kennen. Und er wollte gar nicht wissen, wie vielen sie noch näher gekommen war.

Sollte er sich für die Zukunft verpflichten? Einer Elfe gegenüber? Dieser Elfe?

Er tat es: »Versprochen, bei meiner Sippe.«



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Texte der Hauptreihe:
12. Ron 983 BF
Tanz der Blätter
Zertaubra'dharza


Kapitel 2

Autor: BB