Geschichten:Nie Wider Fron und Lehen - Wenn Krähen fliegen lernen

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Burg Yossenfels, 16. Travia 1036 BF

Thordenin und Walderion saßen in dem kleinen Turmzimmer am Tisch und verzehrten das karge Essen, dass die Magd ihnen gerade gebracht hatte. Während Thordenin sein Brot mit dem Wasser hinunterspülte, sah sein Sohn mit leerem Blick auf den Teller.

„Was ist mit dir,“ wollte Thordenin wissen.

„Ach nichts...“ entgegenete Walderion kopschüttelnd.

„Ist es wegen der Belagerung? Keine Sorge, dein Bruder hat einen schönen Sieg davon getragen, er holt uns bald hier ...“

Walderion unterbrach seinen Vater indem er mit dem Arm durch die Luft strich und aufgebracht entgegenete: „Es geht einmal nicht um meinen Bruder, Vater!“

Thordenin zog die Augenbrauen hoch, überrascht von dem plötzlichen Ausbruch. Ruhig verlangte er: „Jetzt spuck schon aus Junge, was ist es dann.“

Walderion rutschte jetzt unruhig auf seinem Stuhl hin und her, er schien verlegen fiel Thordenin auf. Was seiner Verwunderung weitere Nahrung gab. Endlich fing Walderion an stockend zu sprechen. „Es ist..“ setzte er an, „Es geht um das Mädchen, Thyria. Heute kam sie nicht um uns das Essen zu bringen ...“

Thordenin brach in schallendes Gelächter aus und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Walderion funkelte ihn derweil finster an. „Ein Mädchen!“ entfuhr es Thordenin. „Unser Leben steht auf dem Spiel und mein Sohn denkt an ein Mädchen! Götter segnet die Jugend!“

Polternd lachte er weiter. Walderion sprang gerade auf um seinen Vater ein paar Worte an den Kopf zu werfen, die er später bereuen würde, als die Tür zur Kammer kraftvoll aufflog. Die beiden Bewohner sahen verwirrt zur Tür. Zwei Bewaffnete kamen stampfend herein, angetan mit Kettenhemden und verstärkten Lederhelmen. Sie gaben sogleich die Tür frei für eine ähnlich bewaffnete Frau. Der stolze Wappenrock wies sie allerdings als Offizierin aus. Mit knappen Worten befahl sie: „Schnappt euch den Jungen!“

Ohne zu zögern packten die beiden Kämpfer Walderion und hielten ihn in eisernem Griff, so dass all seine Versuche sich zu entwinden im Leeren verliefen. „Vater!“, rief Walderion mit flehendem Blick. Thordenin wollte seinem Sohn zu Hilfe eilen. Doch die Offizierin ging dazwischen, mit gezogenem Schwert.

„Macht jetzt nichts dummes, Euer Wohlgeboren!“ Thordenin blieb stehen. Wie ein gehetztes Raubtier sprangen seine Augen zwischen der Offizierin und Walderion, hin und her. „Abführen!“, schnitt ihre Stimme wieder eisig durch den Raum.

Die beiden Wachen zerrten Walderion aus dem Zimmer, während dieser schrie: „Vater! Hilfe!“ Angst zeichnete seine Züge.

Die Offizierin zog sich ebenfalls langsam zurück, die Spitze ihre Schwertes weiter auf Thordenin gerichtet.

„Wartet!“ Thordenin hatte seine Hand flehend erhoben. „Was geschieht mit ihm!“

„Das liegt in den Händen der Götter!“ entgegnete die Offizierin. „und denen des Yossensteiners“ setzte sie leise hinzu. Damit zog sie die Tür mit einem Krachen in Schloss.

Thordenin blieb wie erstarrt zurück. Taumelnd, fiel er beinahe nach hinten um, als sein Hand die Tischkante ergriff. Langsam sank er in seinen Stuhl zurück, als ihn die Verzweiflung ergriff und er sein Gesicht in seinen Händen vergrub. Sein Wehklagen, drang bis hinaus auf das Treppenhaus, wo die Schritte der Soldaten langsam verhallten.



Thyria eilte die Wendeltreppe nach oben. Den Dolch hielt sie verborgen unter dem Gewand, so dass ihn niemand sah. Sie hatte den Turm bereits halb erklommen, als ihr Schritte entgegen kamen. Schnell zog sie sich in eine Nische zurück um nicht im Weg zu stehen. Drei Leute kamen die Treppe hinunter. Zwei Wachen hielten einen der Nordens fest. Erschrocken musste Thyria feststellen, dass es der junge Norden war. Er lächelte sie immer so nett an. Erst jetzt bemerkte sie, dass eine der Wachen Hane war, der sie nun entdeckte.

„Verschwinde hier kleine Krähe,“ sprach Hane sie an. „Die beiden bedürfen deiner Dienste nicht mehr.“

Thyria wollte gerade etwas erwidern und Hane fragen, was das soll, als dieser ihr zuvorkam.

„Geh lieber wieder Wasser holen. Und bleib am besten da unten, ja kleine Krähe?“ Hane hatte eine Traurigkeit in seinem Blick den Thyria nicht verstand.

Bevor sie noch etwas sagen konnte, waren die Wachen auch schon wieder eine Biegung weiter unten. Als nächstes kam Hauptfrau Rowina die Treppe herunter. Sie war gerade dabei ihr Schwert wieder in die Scheide zu stecken. Erschrocken fuhren Thyrias Hände zum Mund. Hatten sie den anderen umgebracht! War sie zu spät?

Rowina bemerkte Thyria. „Was macht Ihr hier, Pagin?“

Thyrias Augen wanderten von Rowinas Schwert zu ihrem Gesicht. „Ich ...“, begann sie zu stammeln, während ihr Blick wieder auf das Schwert fiel. Rowina bemerkte ihren Blick. „Keine Sorge, junge Dame, ein Schwert kann auch zum Verhandeln genutzt werden.“

Mit verbissenem Ausdruck und leerem Blick fuhr sie fort: „Für seine anderen Zwecke wird es wohl noch früh genug eingesetzt werden.“ Dann schüttelte sie kurz den Kopf und sprach Thyria erneut an: „Nun, Fräulein von Rond, ihr habt meine Frage nicht beantwortet. Was macht ihr hier?“

Thyria wollte ihr schon alles ausplaudern, dann fiel ihr ein, dass das den Mann mit der Klaue wohl nur gegen sie aufbringen würde. Ihr schauderte bei dem Gedanken. Nein, um keinen Preis auf der Welt würde sie das riskieren. „Der hohe Herr Helmbrecht hat mir befohlen, das Turmzimmer zu bewachen“, log sie stattdessen und war von sich selbst überrascht, wie leicht ihr dies über die Lippen kam.

Rowina zog eine Augenbraue hoch. Thyria glaubte zu hören wie sie vor sich hinfluchte: „Dieser wahnsinnige Yossensteiner! Auch noch Kinder mit hinein zuziehen!“ Danach wandte sie sich wieder an Thyria. „Wie er meint. Seid ihr bewaffnet?“

Thyrias Augen weiteten sich vor Schreck.

Rowina fuhr fort: „Also nicht. Ich weiß nicht, was sich euer Herr dabei gedacht hat, euch unbewaffnet zu solch einer Aufgabe abzustellen.“ Rowina griff zu ihrem Gürtel, an die Scheide ihres Dolches und zog diesen heraus. Mit dem Griff voran reichte sie ihn Thyria. „Ich hoffe ihr werdet ihn nicht brauchen.“

Thyria starrte verdutzt auf das Heft der Waffe vor sich. Ehe sie sich besann und danach griff. Rowina wandte sich ohne ein weiteres Wort ab und ging die Treppen weiter hinunter. Thyria blickte ihr verwundert hinterher. „Warum bei allen Göttern geben mir heute alle Waffen in die Hand!“

Kopfschüttelnd rannte sie die Treppen weiter nach oben. Bis sie die Tür zum obersten Zimmer erreichte. Ein jämmerliches Schluchzen drang an ihre Ohren, als sie an der Tür lauschte. Sie atmete tief durch straffte sich und klopfte an. Das Wimmern hörte sofort auf. Sie hörte ein Rumpeln und Knacken. Es folgte nach einem Räuspern: „Was wollt ihr?“

„Ich bin es hoher Herr, Thyria von Rond.“ erwiderte Sie.

„Fräulein von Rond?“ hallte es erstaunt aus dem Zimmer.

Das war Thyrias Stichwort und sie entriegelte die Tür. Thordenin von Norden stand in dem Zimmer. In seinen Händen hielt er einen, Knüppel? Es war ein Stuhlbein erkannte Thyria. „Ich bin gekommen um Euch ...“, Thyria fummelte an ihrem Gewand um den Dolch zum Vorschein zu bringen, „dies hier zu geben.“ Sie streckte Thordenin den Dolch mit dem Knauf zuerst hin. Dieser war sprachlos, nach einem kurzen Moment des Zögerns lies er den Knüppel fallen und nahm die Klinge von Thyria entgegen.

„Wer, warum?“ stammelte Thordenin während er den Dolch in den Händen drehte.

Der Mann mit dem Eisenarm, sagt ich solle Euch den bringen.“

Thordenin sah Thyria in die Augen. „Meinen Sohn, wisst Ihr wohin sie meinen Sohn geschleppt haben, Fräulein von Rond?“

„Ich sah nur wie sie ihn den Turm herunterführten. Ich hoffe sie wollen Walderion ...“ Thyria räusperte sich „ich meine dem jungen Herrn von Norden, nichts antun.“

Thordenins Blick verfinsterte sich. Er raffte sich auf und ging zur Tür hinaus. „Das gilt es herauszufinden.“

Thyria stand noch immer in dem Turmzimmer völlig überwältigt von den Ereignissen. Kurz darauf steckte Thordenin seinen Kopf wieder zur Tür herein. Ein grimmiges Grinsen im Gesicht „Fräulein von Rond, wenn ihr je eine Knappin sein wollt, dann folgt mir besser.“