Geschichten:Natzungen im Frühjahr - 2. Efferdstunde

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Baronie Natzungen, 13. Tsa 1030 BF


„Ihr seht, Schwingenfels, Euer Stern ist am Sinken!“ Hadrumir wollte auf den Stadtvogt losgehen, doch die Wache zog ihr Schwert. „Das ist Verrat!“ Der Stadtvogt schmunzelte: „Nein, ich sorge dafür, dass das Recht nicht länger gebeugt wird!“ Hadrumir baute sich drohend auf. „Nennt es, wie Ihr wollt! Meine Männer werden Eurem schändlichen Treiben ein Ende setzen!“ Leomar schüttelte den Kopf. „Während wir uns hier unterhalten, werden die Schwingen in der Stadt eingekreist und festgesetzt. Eure Truppen können nicht entkommen!“

Tanira starrte in das Gesicht ihrer Herausforderin und schluckte schwer. Um sie herum brach Tumult aus, der aber schnell wieder Ruhe wich, als die Stadtwachen drohend die Waffen hoben. „Du?“ entfuhr es ihr dann. „Man sagte mir, du seiest gefallen.“ Bevor Tanira weiter reden konnte, schnitt ihr die Gestalt das Wort ab. „Du wurdest falsch unterrichtet von deinen Schergen. Und hattest doch nur im Kopf dich zur Baronin aufzuschwingen, um die Baronie zu verschachern. Wie viel hat dir Geismar dafür gegeben, dass er seine schmierigen Finger auf das Land legen konnte und seinen Bluthund Schwingenfels schicken konnte, es zu schröpfen? Was versprichst du dir davon, seine Brut auszutragen?“ Bei jedem der Vorwürfe war es Tanira, als würde ihr ins Gesicht geschlagen. Bilder zuckten durch ihren Kopf – sie erinnerte sich an die schweren Tage, als sie Natzungen erreicht hatte, ihren verzweifelten Kampf am Willen ihrer träumerischen Kusine nach Neutralität festzuhalten und schließlich die schwere Erkenntnis, dass dies unmöglich war. Im Inneren begann sich ihr Stolz aufzubegehren und sie wurde zornesrot.

Mit seinen Männern im Schlepptau stürmte Raul den Hof. Er schaute sich um. Eine Kutsche mit dem Wappen des Stadtvogtes stand direkt vor dem Ratsgebäude. Er beriet sich kurz mit Elgor. „Das riecht nach Ärger!“ Der Korporal nickte. „Wir müssen ins Gebäude!“ Der Korporal hob seine Gandrasch. „Ich denke, dass ich noch etwas vorhabe.“ Diesmal musste Raul nicken. „Männer, zum Stürmen bereit machen.“ Alle zogen ihre Schwerter, während sich Elgor aufmachte, einen Punkt zu finden, von dem er einen besseren Überblick hatte.

Leomar hatte sich in seinen Sessel gesetzt. „Noch heute Nacht wird Eure Gemahlin ihren Titel ablegen.“ „Niemals!“ Leomar faltete die Hände. „Sie wird gar nicht anders können, mein lieber Schwingenfels. Glaubt mir, diese Scharade wird heute beendet.“ Der Schwingenfelser funkelte ihn zornig an. „Ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, dass Ihr Euch Baron zu Natzungen nennen könnt?“ Sein Gegenüber antwortete nicht, so dass Leomar ungerührt fortfuhr. „Ihr habt tatsächlich an diese Scharade geglaubt? Oh, wie unglaublich rührend. Aber auch unglaublich dumm!“ Der Schwingenfelser ging auf den Schreibtisch zu. „Wache!“ rief Leomar. Diese reagierte sofort und holte mit dem Schwert aus.

Die Gestalt beobachtete wie bei ihren Worten Tanira nun zornig wurde und fast zu wachsen schien. Sie winkte den Stadtwachen: „Nehmt sie fest und sperrt sie ein!“ Fast amüsiert sah sie Taniras Blick fassungslos werden, während vier Stadtwachen im Saal auf die junge Frau zumarschierten. Diese besann sich dann aber doch und ihre Hand fuhr zum Schwert, welches sie an der linken Hüfte gegürtet hatte. Die Gestalt schüttelte den Kopf – hatte dieses Kind nicht einmal genug Verstand, zu erkennen, wann man verloren hatte?

Raul stürmte an der Kutsche vorbei. Seine Männer an seiner Seite wissend streckte er mit brachialer Gewalt die Wache am Tor nieder. Vor ihm tauchten sechs weitere Soldaten auf. Mit energischen Hieben holte Raul aus. Er musste in dieses Gebäude. Das Leben der Baronin schien davon abzuhängen. Wie hatte er nur so blöd sein können? Wie ein verdammter Anfänger hatte er sich ausmanövrieren lassen.

Hadrumir griff gekonnt in die Bewegung seines Angreifers und packte das Handgelenk des Waffenarms. Brutal stieß er die Hand mehrfach auf den Tisch. Das Schwert fiel seinem Kontrahenten aus der Hand. Mit brachialer Gewalt stieß er den Mann gegen die Wand, um ihm dann mit einem Fußfeger die Beine weg zu ziehen, während er den Kopf des Mannes in Richtung des Tisches bewegte. Ehe der Mann reagieren konnte, knallte er mit seinem Kopf auf die Tischkante. Hadrumir haute seinen linken Ellbogen auf den Kopf, während er seinen Körper auf den des Mannes warf, bis er das grässliche Geräusch vom Brechen der Knochen vernahm und der Körper erlahmte.

Tanira sah die Männer auf sich zukommen. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken, wurden Möglichkeiten gegeneinander abgewogen, nebenbei formte sich langsam ein Bild. Plötzlich ergaben für sie die Vorkommnisse der Nacht einen Sinn und nun drehten sich ihre Gedanken um eine Frage – wo war Hadrumir? Was hatte ihn abgehalten zur Sitzung zu kommen? Doch dann konzentrierte sie sich auf ihr vorrangiges Problem. Vier Männer versuchten sie festzunehmen. Ihr Schwert lag mit dem abgegriffenen Leder am Heft in ihrer Hand. Sie durfte sich nicht so einfach festsetzen lassen. Waren ihr beim ersten Erkennen noch Erleichterung durch die Glieder gefahren – Erleichterung die Bürde doch nicht tragen zu müssen – so wuchs nun in ihr die Erkenntnis, dass sie sie nicht zurücklehnen durfte in die Hände dieser Träumerin. Sie war es dem Volk von Natzungen schuldig, den eingeschlagenen Weg weiter zu folgen und es auf seinem Weg durch die Grafenfehde zu führen, bis die Königin sich entschieden hatte. Nur kurz dachte sie an das Kind in ihrem Schoss und an seinen Vater, welchen sie durch eine andere Entscheidung auch verlieren würde. Dies ließ sie die Hand noch mehr um den Griff des Schwertes klammern. Kurz huschten ihre Augen durch den Raum auf der Suche nach einem Fluchtweg.

Mit einem ysilischen Wolfsbiss zog Raul seine Klinge einer jungen Frau durch die Kehle. Er hatte sie schon einmal irgendwo in der Stadt gesehen. Langsam bildete sich Klarheit bei ihm heraus: Dies waren Zustände wie in einem Bürgerkrieg und er war mittendrin. Sein Gegenüber sackte derart schwer getroffen zusammen und Raul warf sich zur Unterstützung seiner Männer in den zu seiner linken immer noch tobenden Kampf einer Schwinge mit einer Stadtwache.

Hadrumir sprang sofort auf. Der Gerstunger hatte sich feige hinter den Schreibtisch gestellt und mit Schrecken gesehen, wie Hadrumir die Wache mitleidlos niedergestreckt hatte. Er konnte die Angst in den Augen des Stadtvogtes sehen. Hadrumir entschied sich, dass er das Spiel des Stadtvogtes jetzt beenden musste. Er würde ihn hier und jetzt erledigen. Und so machte er sich auf den großen und mächtigen Schreibtisch zu umrunden, während der Gerstunger ihn weiter gebannt anstarrte.

„Senk die Waffe und ergib dich!“ klang die nun sanfte Stimme der zierlichen Person durch den Saal. „Nie, Aldare!“ spie Tanira den Namen das erste mal aus, bevor sie mit einem großen Schritt zuerst auf ihren Sitz und dann auf den Tisch sprang um über ihn hinweg zu springen um ihn zwischen sich und die näher kommenden Stadtsoldaten zu bringen. Wütend funkelte sie ihre Kusine an, die unwillkürlich sich umwandte und in eine Ecke der in U-Form aufgebauten Tische zurückwich. Tanira entschloss sich ihr nicht zu folgen sondern schnellstmöglich aus dem Gebäude zu kommen. Ihr war klar, dass sie schnellstmöglich Kontakt zu loyalen Verbündeten brauchte. Sie sprintete auf die Türe des Saals zu. Im Vorbeirennen griff sie noch in eine Vitrine an der Türe in welcher seit ihrer Hochzeit das Schwanendiadem wieder seinen Platz in Natzungen gefunden hatte, ebenso wie das schlanke Band, welches die Krone der Baronie darstellte. Beides stopfte sie im Weitereilen in ihren Wappenrock und stürmte in den Flur.

Raul warf sich mit seinem gesamten Gewicht gegen die Tür des Amtshauses. Zu seiner Rechten sah er Bosper. „Das dauert zu lange, Hauptmann!“ Bosper schlug mit dem Ellbogen das Fenster ein und kletterte kurz darauf in das Gebäude. Raul wollte gerade folgen, als auch schon die Tür von innen geöffnet wurde und der Soldat Bosper ihn angrinste. „Gute Arbeit! Weiter, Männer!“

Wutentbrannt schrie Aldare auf, als sie sah, was Tanira dort gerade erbeutet hatte. „Ergreift sie!“ herrschte sie die Wachen an. „Die Verräterin darf das Gebäude nicht verlassen! Bringt mir Krone und Diadem! Aber tötet sie nicht – ihrem Kind darf nichts passieren!“ „Eurer Hochgeboren, das Diadem ist ein Hochzeitsgeschenk für Tanira gewesen“, wagte Meister Krambusch einzuwerfen. Aldare fuhr zu ihm herum: „Eine Heirat, die ich nicht erlaubt habe. Damit ist sie das Papier nicht wert auf dem der Vertrag aufgesetzt ist. Ich bin das Familienoberhaupt!“ Aldare bebte vor Zorn und ihr Blick loderte, als sie Krambusch ansah, der den Kopf etwas einzog. So kannte er Aldare von Natzungen, die nicht belehnte Baronin, Erbin von Maline von Natzungen und angeblich gefallene Vorgängerin von Tanira nicht wieder.

Leomars Geist hatte immer noch nicht begriffen, was gerade vor seinen Augen geschehen war, doch er sah den Schwingenfelser wutentbrannt vor sich. In seinem Kopf rasten alle Gedanken durcheinander. Vor sich sah er das Schwert der Wache liegen und er fand für einen Moment genug Klarheit und packte das Schwert. Leomar holte zum Schlag aus.

Die Wachen stürmten aus dem Saal. Aldare trat an die großen Flügeltüren und schloss sie. „Meine Herren, meine Damen, ich muss sie bitten, den Saal nicht zu verlassen, bis einige Dinge zu meiner Zufriedenheit gelöst sind.“ Sie legte den dunklen Mantel nun ab und enthüllte den Wappenrock der Familie Natzungen – das Schwert mit den zwei Schwänen. Sie wandte sich mit einem Lächeln an die Ratsleute. „Nun wird wieder Ruhe und Ordnung in Natzungen einkehren.“

Edelgunde erwachte mit brummendem Schädel. Ihre Glieder schmerzten als würde sie gleich zerreißen. Mit Entsetzen stellte sie fest, dass man ihre Hände gefesselt hatte und sie daran aufgehängt hatte. Ihre Beine baumelten einen knappen Schritt über dem Erdboden. Ein Mann erhob sich von einem nahen Lagerfeuer und trat auf sie zu. „Aufgewacht, wie?“ Nur mühselig brachte Edelgunde hervor: „Wer seid Ihr?“ „Das spielt keine Rolle!“ „Was wollt Ihr?“ „Von dir? Nichts! Aber von deinem werten Papilein!“

Tanira keuchte – mit ihrer Kondition war es nicht mehr weit her. Sie rannte langsam den Gang entlang auf die Tore zum Marktplatz zu. Langsam fing sie wieder an zu überlegen. Was war geschehen? Ihre Kusine, ihre Vorgängerin war wie von den Toten auferstanden wieder aufgetaucht und beschuldigte sie des Kronraubes. Die Zwölfe wussten, wie ungern sie sich zum Oberhaupt der Baronie hatte machen lassen von Gerstungen. Doch sie hatte die Verpflichtung schließlich angenommen, da sie sich in ihrem Ehrbegriff nichts anderes hatte vorstellen können. Doch was nun? Aldare klagte sie ungerechtfertigt an, wollte sie festsetzen lassen. Kurz huschte die Überzeugung durch ihren Kopf, dass sie anhalten sollte und sich ergeben, da nach Familienrecht durch Beschluss von Maline tatsächlich Aldare Oberhaupt war. Kurz wurden ihre Schritte langsamer – doch dann widersprach sie sich selbst in Gedanken. Aldare war durch den Gerstunger für tot erklärt worden, sie war vereidet und belehnt. Außerdem stand ihr kurz der Passus im Ehevertrag mit Hadrumir vor Augen – sollte sie den Titel verlieren, würde die Ehe aufgelöst. Aber um nichts auf Dere wollte sie auf diesen Mann an ihrer Seite verzichten. Laut keuchend beschleunigte sie ihre Schritte wieder, während sie die Tritte der Stadtwachen in ihrem Rücken näher kommen hörte. Gerade schwangen kurz vor ihr die Eingangstüren zum Ratshaus auf und es stürmten weitere Männer herein. Nur kurz sah sie blaue Wappen aufblitzen. Innerlich stöhnte sie auf, da sie dachte in eine Falle gelaufen zu sein. Doch dann erkannte sie Raul Zornbold und schloss kurz erleichtert die Augen, ehe sie ihm weiter entgegenstolperte.

Hadrumir wich schwer getroffen zurück. Blut troff schwer aus der Wunde an der linken Schulter. Der Gerstunger holte erneut mit einem maraskanischen Schädelspalter aus. Doch Hadrumir gelang es das Handgelenk des Gerstungers mit beiden Händen zu greifen und den Hieb über seinem Kopf abzufangen. Er versuchte, seinem Kontrahenten die Waffe aus der Hand zu drehen. Doch der Gerstunger ließ nicht locker und beide rangen um die Waffe.

Raul erfasste die Situation mit einem Blick. Geistesgegenwärtig packte er zu und bewahrte die junge Frau vor einem Fall. Ein kurzer Wink zu seinen Begleitern sorgte dafür, dass diese sich an den Beiden vorbei schoben, um sich den Stadtwachen, welche Tanira verfolgten, entgegenzustellen. Diese blickten verunsichert auf die Schwerter der Schwingen, welche deutlich zeigten, dass sie heute schon Blut geschmeckt hatten. Die Stadtwachen blieben stehen und hoben abwehrend die Waffen, doch die Schwingen sicherten nur ihre Baronin. Tanira schnappte nach Luft und wollte zu einer Erklärung ansetzen, doch Raul hob beschwichtigend die Hand. „Später, Euer Hochgeboren, wir sollten erst einmal sehen, dass wir Euch hier heraus bekommen.“ Tanira nickte zustimmend und ließ es zu, dass Raul sie für die weiteren Schritte erst einmal am Oberarm stützte.

Elgor hatte sich in Position begeben. Seine Gandrasch war geladen. Kurz fluchte er, dass er keinen zweiten Mann zur Seite hatte. Er schaute sich um und fluchte innerlich. Durch die Hauptstraße stürmten weitere Truppen heran. Truppen, welche das Gerstunger Wappen trugen.

Tanira blinzelte, als ihr die Frühlingssonne in die Augen stach. Sie hörte Tumult und Geräusche, die darauf hindeuteten, dass sich Bewaffnete näherten. Raul hatte die Situation mit einem Blick erfasst. Hier würden sie ohne Karstrands bewährte Hilfe nicht heraus kommen. Suchend blickte er sich um und sein Blick blieb an der Kutsche im Hof hängen. Die Pferde würden ihnen weiterhelfen. Die Kutsche wäre zu unbeweglich in der Stadt – doch mit den Pferden würden sie selbst durch kleinere Gassen reiten können. Er zog Tanira weiter auf den Hof, um mit ihr die Kutsche vor den Truppen zu erreichen, die gerade um die Ecke bogen. Seine Männer brauchten keine weitere Aufklärung, sie erfassten, was er vorhatte und deckten ihn weiter.

Ludegar war mit dem Sattel gerade auf dem Weg zurück zum Stall, als er Tumult am Tor hörte. War das nicht Waffenlärm? Er schlüpfte durch die Tür zurück in den Stall und rannte zur Stute der Baronin. Doch als er dort war, verharrte er. War es nicht seine Pflicht, zu prüfen, was vor sich ging? Er schlich zurück zur Tür und öffnete sie einen Spalt.

Raul erreichte die Kutschpferde und musste innerlich den Kopf schütteln – wer leistet sich den unhandlichen Luxus vierspännig in Natzungen zu kutschieren? „Herrin – ich helfe Euch hinauf!“ raunte er Tanira zu um sie dann gleich auf das erste Tier zu heben. Tanira, immer noch nicht wieder in der Lage zu sprechen, reagierte nur passend. Sie schwang das Bein über den Rücken des Tieres und zog sich an den Geschirrteilen ganz hinauf. Mit schnellen Schwerthieben zerteilte Raul die Zugstränge und Zügel, um alle Pferde zu befreien. Er griff nach einem Tier und zog es heran, um auf den Rücken zu springen. Seinen Männern rief er zu, sie sollten sich je ein Tier teilen. Er drückte sein Reittier herum, um sich in den Kampf zu werfen. Innerlich fluchte er, als er spürte, dass er mit seinen Hilfen auf zähen Widerstand traf – er saß auf einem Tier, das wohl selten geritten worden war. Mit diesen Tieren hätten sie keine Chance gegen die Fußsoldaten.

Elgor wusste, dass er wenig würde ausrichten können, dennoch legte er an und nahm sein erstes Opfer ins Visier. Kurz hielt er den Atem an und feuerte. Gekonnt schnappte er sich einen neuen Bolzen und begann damit die Armbrust erneut zu spannen.

Hadrumir versuchte den Gerstunger niederzuwerfen. Doch das wollte ihm nicht wirklich gelingen. Die beiden Kontrahenten warfen sich hin und her. Das Schwert war zu Boden gestürzt. Hadrumir spürte seine Schulter kaum noch und doch wollte er nicht klein bei geben. Er durfte nicht aufgeben.

Raul atmete auf, als der erste Gegner mit einem Bolzen im Hals vor ihm hinsank. Elgor war auf dem Posten. Einen weiteren Gegner hatten gerade seine Männer niedergestreckt und die nicht so gedrillten Stadtwachen verharrten kurz. Angst blitzte in ihren Augen und Raul wusste, dass es noch ein oder zwei Bolzen brauchen würde und sie würden sie durchlassen. Er drängte sein Pferd neben das der Baronin, um sie zu decken um im rechten Moment dafür zu sorgen, dass es sich wie gewünscht verhalten würde. Tanira selbst verknotete gerade die langen, durchtrennten Leinen, um sich dadurch mehr Handlungsfreiheit für die Waffe zu verschaffen. Mit leichtem Zischen drang der zweite Bolzen Elgors in den Kampf und ein weiterer Soldat brach mit lautem Schrei zusammen. Raul sah die Reihe weiter schwanken und eine deutliche Lücke. Er schlug dem Gaul der Baronin die Breitseite des Schwertes auf die Kruppe und dieser schoss erschreckt wiehernd los und wie gewünscht durch die Bresche. Sofort setzten er und seine Männer nach und lösten sich von dem Kampf.

Edelgundes Gedanken rasten. Was konnte dieser schmierige Typ vor ihr nur von ihrem Vater wollen? Ihre Familie besaß nicht viel von Wert und so würde ein Lösegeld für sie wohl kaum den Ansprüchen dieses Räubers genügen. „Macht Euch keine Hoffnungen darauf, dass Ihr ein sattes Lösegeld einstreichen könnt“, gab sie ihrem Gegenüber matt entgegen. Der Mann lachte dreckig. „Zerbrich dir nicht meinen Kopf, Schätzchen.“ Er wandte sich zum Gehen. „Dein Papilein wird schon wissen, was wir von ihm wollen.“ Er schaute kurz über die Schulter. „Und wenn er das erledigt hat, lassen wir dich vielleicht gehen.“ Edelgunde schaute ihn stumm an. In den Augen ihres Gegenübers blitzte es kurz auf. „Vielleicht aber auch nicht!“ Der Mann lachte dreckig und machte eine obszöne Geste, als er sich wieder an das Lagerfeuer setzte.

„Verehrte Ratsherren!“ begann Aldare. „Ich wünsche, dass Natzungen wieder zu einem Hort der Ruhe und des Friedens wird. Keiner der beiden Grafenanwärter hat etwas für Natzungen getan. Unsere Herrin Rondra hat uns gelehrt, wie wir uns mit Feuer und Stahl verteidigen werden. Nun werden wir beweisen, dass wir ihrer würdig sind. Seid versichert, dass ich alles tun werde, um das Chaos, in welches euch meine unfähige Kusine gebracht hat, zu beseitigen!“ Sie schaute entschlossen in die Runde. „Das wäre es fürs Erste!“ Mit einem kurzem Nicken verließ sie den Ratssaal.

Raul trieb sein Tier vor das seines Schützlings und griff nach ihren Zügeln. „Wartet, ihr wisst nicht, wo wir hinwollen!“ entschuldigte er sich, um dann die Reiter durch verschiedene Gassen zu führen, so dass es für Verfolger schwierig werden würde, sie wieder zu finden. Tanira klammerte sich an den Geschirrteilen fest um bei den Richtungswechseln und den immer wieder rutschenden Hufen des Tieres nicht vom Pferd geschleudert zu werden. Ihr kam es vor, als wären Ewigkeiten vergangen, als Raul schließlich anhalten ließ, ihr vom Pferd half und die Zügel der Tiere seinen Männern gab, damit sie sie wegbrachten. Dann hämmerte er an eine schmale Türe und verlangte Einlass.

Hadrumir zog sein Knie an und trieb es dem Gerstunger in die Weichteile. Dieser taumelte zurück. Sofort setzte Hadrumir mit einem Sprung nach. Der Gerstunger wurde durch die Wucht des Aufpralls weiter nach hinten gedrängt. Hadrumir hatte ihn an der Kehle gepackt, als der Gerstunger sein Gleichgewicht verlor und nach hinten weg sackte. Hadrumir konnte den Sturz nicht stoppen – zu schnell und zu heftig war sein Sprung. Die beiden Körper durchbrachen das Fenster und stürzten in die Tiefe.

Endlich war die Frau auf dem Heimweg mit einem guten Hahn im Sack. Zappelnd entließ sie den Neuen in den Stall. Nachdem er sich kurz orientiert hatte, wurde er Emma gewahr, welche er sofort für sich in Besitz nahm. Das schrille Gackern der Henne wurde vom Gong zur Traviastunde übertönt.