Geschichten:Natzungen im Frühjahr - 1. Firunstunde

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Baronie Natzungen, 13. Tas 1030 BF, Firunstunde


Sie schrie ihren Schmerz heraus. Brutal hatte der Söldner ihr mittlerweile den dritten Zeh gebrochen. Der Hauptmann schüttelte bedauernd den Kopf. „Niemand wird dich hier hören.“ Roana atmete durch. Auf einen Wink des Hauptmanns näherte sich der Söldner erneut. Er löste die Fesseln und stieß Roana von ihrem Stuhl. Sie stöhnte leise und lag bäuchlings am Boden. Der Söldner schritt zu ihr und stieß seinen schweren Stiefel auf ihr rechtes Schulterblatt. Roana versuchte ihren Schmerz zu unterdrücken. Doch dann griff der Söldner ihren rechten Arm und bog diesen immer weiter auf den Rücken. Tränen rannen Roanas Wangen herab und sie schrie erneut, als der Arm brach. Der Hauptmann hatte langsam keine Geduld mehr. „Vielleicht müssen wir uns für dich noch was Anderes einfallen lassen.“ Er gab dem Söldner einen Wink. „Aber zunächst den anderen Arm auch!“

Fackeln erleuchteten die Mauer. Der Korporal hatte Hadrumir auf die Mauer geführt. Die Kampfspuren waren klar erkennbar. Hadrumir schaute sich im Fackelschein um. Blut war auf der Brüstung zu sehen. Die Soldaten äußerten Mutmaßungen, die Hadrumir viel zu weit gingen. „Habt Ihr schon Leute mit der Bergung beauftragt?“ fragte er die Soldaten. „Ja, Kommandant!“ Die Soldaten schauten sich betreten um. „Glotzt nicht Löcher in die Luft! Macht endlich diese Sauerei hier weg!“ Die Soldaten waren verunsichert und Hadrumir wusste, das verunsicherte Soldaten ein Problem waren. „Und kein Wort davon zu den anderen Soldaten!“ Hadrumir wandte sich zum Gehen. „Korporal, kommt mit!“

„Das wird nicht schön für dich! Warum wehrst du dich noch?“ Der Hauptmann redete immer wieder auf sie ein. Gerade hatte ihr der Söldner die rechte Hand abgehakt. Der Stumpf blutete gewaltig und Roana hätte sich am Liebsten zusammengekauert und nur noch geweint. Doch ihr geschundener Körper ließ dies nicht zu. Sie lag immer noch am Boden. „Egal, was ihr mir antut, ich habe einflussreiche Freunde, welche euch bis zu eurem Ende jagen werden“, warf sie dem Hauptmann entgegen. „Und wo sind die nun?“ fragte der Hauptmann salbungsvoll. Zu seinem Handlanger gewandt, sprach er: „Das rechte Auge!“ Der Söldner näherte sich Roana. Sie weinte bitterlich. Der Söldner packte ihren Kopf und zog ihn nach hinten. Roana sah einen Dolch aufblitzen. „Nein! Wartet! Ich sage Euch, was ihr wissen wollt! Aber bitte hört auf!“

Es hatte einige Zeit in Anspruch genommen, den Leichnam aus dem Graben um die Stadt zu bergen. Im Schein der Fackeln untersuchte Hadrumir den Leichnam. Der Hals war durch einen langgezogenen Schnitt durchtrennt. Die Soldatin schien mit ihrem Angreifer gekämpft zu haben. Hadrumir hatte gehofft, dass er eine Spur oder irgendeinen Hinweis auf den Angreifer finden würde, doch es gab nichts. Vielleicht war er paranoid, aber irgendetwas war hier nicht in Ordnung. Es beschlich ihn immer mehr ein ungutes Gefühl. Er schaute die Soldaten an: „Schafft den Leichnam unauffällig beiseite!“ „Zu Befehl!“ „Und denkt dran: Kein Wort darüber!“ Dieser Angriff passte nicht zu dem Windischgrützer, das wusste Hadrumir und das beunruhigte ihn noch mehr. Er würde Tanira aufsuchen müssen und versuchen, ihr die Gefahr schonend beizubringen.

„Siehst du, es war doch nicht zu schwer!“ Roana saß auf ihrem Stuhl und war notdürftig versorgt worden. Der Hauptmann hatte ihre Schilderungen überprüfen lassen. Sie schämte sich dafür, dass sie dem Hauptmann beigegeben hatte. Nun betrat der Söldner, welcher bei der Folter zugegen gewesen war, erneut den Raum. Roana konnte sehen, wie er den Daumen nach oben zeigte. Der Hauptmann tätschelte fast zärtlich ihre Wange. „Schön, dass du mich nicht angelogen hast.“ Er wandte sich an den Söldner. „Gehen wir!“ Er ging an Roana vorbei. Sie war froh, dass es vorüber war und ließ den Kopf sinken Erleichtert atmete sie aus. Plötzlich wandte sich der Hauptmann um, griff in Roanas Haar und riss ihren Kopf nach hinten, und zog seinen Dolch durch Roanas Hals. Ihren Körper stieß er vom Stuhl. „Tut mir leid, Schlampe, aber wir können keine Zeugen gebrauchen.“

Ein dünner Strich am Horizont zeigte das Morgengrauen. Träge krähte der Hahn Ugo auf seinem Misthaufen um gleich darauf vom Gong des Praiostempels zur Tsastunde übertönt zu werden.