Geschichten:Mittel der Markgrafschaft - Intermezzo - Geld, Mittel und Planung

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7. Boron 1042, Gut Langenmarsch

Es war kalt geworden.
Die Sonne war bereits seit einigen Tagen hinter einer dicken, grau-weißen Wolkendecke verschwunden. Nur mühsam tauchte sie den hellen mehrstöckigen Stammsitz der Familie Gerben in Mitten der brach liegenden Felder in ein kühles aber sanftes Zwielicht.
Die Fenster waren fest verrammelt und nur der dunkle Rauch aus dem Kamin zeugte vom Feuer, das in der Stube brennen musste. Wären die weitläufigen Felder zu dieser Jahreszeit nicht so menschenleer hätte man bereits aus einiger Entfernung die aufgebrachte Frauenstimme aus dem Inneren hören können.
“Du musst darüber Bescheid wissen”, mit einem Satz war Yanda aus dem Lehnsessel vor der offenen Feuerstelle aufgesprungen.
Gorond von Gerben ließ sich von der aufbrausenden Art seiner Tochter nicht beeinflussen. Mit einem langsamen Knarzen des Sessels drehte er sich zu seiner Tochter, “ich habe Dir doch schon gesagt, dass ich nicht weiß wer dieser neue Mann ist. Aber was geht es mich auch an. Der Seneschall kann sich doch nach belieben neue Berater an seinen Hof bestellen. Kind das ist nun wirklich nichts ungewöhnliches”.
Yanda schaute sich demonstrativ in der geräumigen Stube um. Die Wände hingen mit allerlei Trophäen und Urkunden voll.
Die zwei Miniaturschiffe, die von der Decke hingen, schwangen leicht hin und her.
“Und dass dieser Mann eine Schmugglerbande...”, begann Yanda.
“Du hast doch selbst gesagt, dass du ihn nur bei Nacht gesehen hast. Nachts sind alle Katzen grau. Manche Leute schauen sich eben sehr ähnlich. Wieso sollte der Seneschall denn überhaupt Geschäfte mit irgendwelchen Schmugglern machen?”, das Familienoberhaupt hievte sich langsam aus seinem Platz und ging langsam zum Holzhaufen neben der Feuerstelle.
“Daran hatte ich auch schon gedacht, als mir Dara von dem Mann erzählt hatte. Ich wollte nicht direkt voreilige Schlüsse ziehen. Also habe ich letzte Woche noch ein Treffen auf Schloss Perringrund einberaumt, um mir diesen Mann mal etwas genauer ansehen. Und sobald er den Mund aufgemacht hatte, wusste ich, dass er es war! Er versucht uns seither ständig zu sabotieren und schlecht zu reden”, Yanda krallte sich mit ihren Fingern in die lederne Lehne, als müsste sie sich abreagieren, “und er wusste genau wer ich war. Das habe ich an seinem süffisanten Grinsen sofort ablesen können”.
“Ich denke du reagierst etwas über, mein Kind”.
“Hör auf mich so zu nennen! Ich bin kein Kind mehr!", Yanda schlug mit der Faust auf die Lehne.
"Ich reagiere also über? Dieser Mistkerl ist dafür verantwortlich dass mein Adjutant fast zu Boron gegangen wäre. Obendrein ist eine Verschwörung und die Verkommenheit der Hauptstadt bereits am Hof des Markgrafen angekommen und nicht einmal mein eigener Vater scheint etwas dagegen unternehmen zu wollen", beim letzten Satz hielt Gorond, dem man die ersten Zeichen des Alters bereits deutlich ansah, kurz inne, bevor er einen weiteren Holzscheit vorsichtig ins Feuer legte. Anscheinend traf ihn das Gesagte und er überlegte wie er darauf reagieren sollte. Yanda war außer sich und durchmaß die Breite des Raumes mit großen Schritten, wie ein eingesperrtes Tier. “Ich werde dem Markgrafen einen Brief schreiben. Ich will von ihm wissen wo er diesen Kerl her kennt und wer er ist. Das ist ein Skandal! Und wenn ich auch nur den kleinsten Beweis in die Finger bekomme, dass der Seneschall da mit drin steckt, dann… Dann schreibe ich dem Markgrafen höchstpersönlich, jawohl!”, sichtlich zufrieden mit ihrem Plan unterbrach Yanda ihren Dauerlauf.
Blitzschnell richtete sich Gorond auf und ging noch während er zum sprechen ansetzte einige Schritte auf seine Tochter zu, “bist du jetzt komplett übergeschnappt? Das wäre unser Untergang. Wir könnten nie wieder einen Fuß nach Perricum setzen. Du musst den Verstand verloren haben!”, er schlug die Hände über dem Kopf zusammen und kam wenige Spann vor Yandas Gesicht zum Stehen.
Langsam hob er den Zeigefinger wie eine Armbrust und richtete ihn direkt auf Yandas Kinn, “wenn du das tust... Enteigne ich dich, auf der Stelle. Dann musst du dich hier nie wieder blicken lassen!”
“Ach ja jetzt nimmst du also schon Schmuggler in den Schutz und drohst dafür sogar deiner eigenen Tochter”, beide blieben wie in Stein gemeißelt stehen während sie sich gegenseitig musterten, “so weit ist es in diesem Haus schon gekommen. Praios bewahre!”, Yanda brach als erstes aus der Starre aus und wandte sich zum Portal, das zum Gang mit der Haustür führte.
Mit weicherer Stimme setzte Gorond nach: “Ich will doch nur das Beste für unsere Familie. Wir sind so nah an einem Lehen wie nie. Man kennt uns wieder in der Stadt - auch Dank Dir!”, direkt im Bogen blieb Yanda stehen und drehte sich nochmal zu ihrem Vater um.
“Nur noch ein paar hundert Dukaten Bestechungsgelder und schon haben wir das was wir immer wollten, oder? Du denkst immer nur an dich!”, Gorond kam ihr noch ein paar Schritte hinterher, blieb aber am Rand des warmen Feuerscheins stehen. “Das ist nicht wahr! Ich denke an uns. Ich will das Beste für unsere Familie. Versprich mir, dass du den Seneschall dort nicht mit rein ziehst!”, die Stimme des Grauhaarigen nahm einen flehenden Ton an, “ich spreche noch einmal mit ihm wegen der Finanzierung des Stützpunktes. Vielleicht kann ich ihn noch mit ein wenig... Nachdrücklicheren Argumenten überreden, wenn du verstehst was ich meine”.
Yanda schaute ihrem Vater direkt in die Augen, “du widerst mich an. Macht doch weiter euer kleines scheinheiliges Spielchen, wenn ihr es nicht lassen könnt. Als Wächterin vom Darpat werde ich weiterhin das tun, was für die Markgrafschaft und vor den Göttern richtig ist. Das ist das letzte Mal, dass du mich hier sehen wirst!”, Yanda warf sich den Mantel über und öffnete die Haustür, “mögen die Götter deiner Seele gnädig sein, wenn du einst vor sie trittst. Auf nimmer wiedersehen!”, mit einem Ruck schloss sie die schwere Holztür hinter sich.
Die Kälte kroch ihr bereits in den Mantel bevor sie diesen bis zum Kinn schließen konnte. Es würde ein langer Fußmarsch werden bis in die Stadt. Den hatte sie jetzt auch nötig.
Runter kommen.
Einfach in die kalte Boronsnacht hinein laufen.
So stapfte sie, den morastigen Stellen im Weg ausweichend, den schmalen Stieg zum Hügel hinauf, hinter dem die Reichsstraße in einer kleinen Senke nach Osten Richtung Perricum verlief.
Mit jedem tiefen Atemzug stieß die Kapitänin eine Säule von weißen Dampf aus. Schon als Kind war sie davon fasziniert, als sie im Schnee hier auf den Ländereien herumtobte und kleine Firunsmänner baute.
Yanda wurde immer langsamer bis sie schließlich am höchsten Punkt der Anhöhe stehen blieb.
Von diesem Hügel aus hatte sie immer zurückgeblickt auf ihr Elternhaus.
Jedes einzelne Mal wenn sie wieder zur Ausbildung in die Flottenakademie aufgebrochen war. Ihr Vater stand dann immer im Hof und hatte ihr gewunken bis sie in der Senke verschwunden war.
Doch dieses letzte Mal würde sie sich nicht umdrehen.
Dort hinten gab es nichts mehr für sie.
Ein leichtes Stechen durchzog ihren ganzen Körper. Ihr Stiefel klatschte in den nassen Dreck.

Trenner Perricum.svg

Gorond fasste sich an die Brust als er Yanda hinter dem Hügel verschwinden sah.
Mit zittriger Hand zog er die schwere Holztür zu.