Geschichten:Mit Samthandschuhen (in Mendena) - Der Spion

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Mendena, 15. Efferd 1037 BF

Der Soldat stand in Hab-Acht-Stellung in der Arena. Er war ein kräftiger Mann um die dreißig und von seiner Haltung, ja von seinem ganzen Auftreten, konnte sogar der Unaufmerksame erkennen, daß dieser Mann im Kämpfen geschult war.

Er war aber nicht der einzige Soldat. Fast seine ganze Einheit befand sich hier. Doch nicht zum Kämpfen standen sie in der Arena; sie erwartete hier kein grausamer Tod, wie bei vielen anderen Kämpfern und Gladiatoren, die hier im staubigen Sand standen und nur darauf warteten sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen oder daß die Löwen aus den geöffneten Käfigen auf sie zustürmten.

Nein, sie waren hier um den Mann auf dem Eisernen Thron zu beschützen, der hier einmal die Woche Hof hielt – und dafür den Thron eigens mit fliegenden Dämonen aus der Burg hierher fliegen ließ – und verschiedene Bittsteller die Gnade einer Audienz zuteil werden ließ. Dieser Mann, der mit seiner Genialität ganze Reiche ins Wanken bringen konnte und viele Herrscher schlaflose Nächte bereitete, saß auf seinem Thron, ein bizarres Monstrum aus Metall und scharfen Kanten, und betrachtete nachdenklich, ja fast schon ruhig, den Bittsteller, der vor ihm stand und sein Anliegen vorbrachte. Den Bart den er trug, hatte er sich erst seit kurzem wieder wachsen lassen; wohl mehr als Symbol denn als Mode. Denn vor vielen Jahren war sein Leitspruch gewesen: „Wenn ich diese Schlacht verliere, dann rasiere ich mich!“

Dieser Mann war niemand geringeres als Helme Haffax, ehedem Reichserzmarschall und nun Fürstkomtur von Maraskan und Mendena – und Erzfeind des Mittelreiches.

Haffax. Man verehrte Haffax. Bis in die niedrigsten Ränge des Militärs hatte sich ein wahrer Personenkult um ihn gebildet, um den Kriegshelden und größten, lebenden Strategen! Und Xandros Elmeth, so hieß übrigens der Soldat – oder besser: so wurde er genannt –, konnte es verstehen. Auch er bewunderte Haffax.

Xandros gehörte zum ersten Banner der Karmothgarde, der Leibwache des Fürstkomturs, an. Er konnte es noch immer kaum glauben, daß er es bis hierher, in die Nähe von Haffax selbst, geschafft hatte. Erst vor zwei Wochen war er nämlich noch ein einfacher Stadtgardist in Mendena gewesen.

Der Soldat beobachtete den Bittsteller. Dieser war ein kleiner, dürrer Kerl im Ornat eines Efferd-Geweihten und er konnte Schweißperlen erkennen, die von dessen Stirn perlten. Kein Wunder auch: Schließlich hatte Haffax den vorherigen Bittsteller mit seiner schwarzen Klinge geköpft, weil diesem eine Dämonenbeschöwung mißlungen ist und der Dämon frei durch die Felder streifte und mehrere Bauern mit in die Niederhöllen riß. Dieser hatte um Gnade gebeten, aber Haffax duldete keine frei herumstreundenden Dämonen in seinem Reich.

Schließlich war die Audienz beendet und der dürre Geweihte, hatte keinen Grund gehabt sich zu fürchten. Haffax hatte sein Anliegen ruhig angehört und ihm gestattet alle sieben Tage ein Gottesdienst am Flußufer abhalten zu dürfen. Das Predigen an anderen Tagen wurde ihm allerdings untersagt. Mit deutlich erleichtertem Gesichtsausdruck verließ der Geweihte die Arena. Er war der letzte Bittsteller.

Doch nun erhob sich Haffax und seine dröhnende Stimme hallte durch die Arena: „Volk von Mendena! Heute sollt Ihr noch erfahren, was mit Spionen geschieht, die für Rohaja von Gareth, der Kaiserin des Mittelreiches, spionieren. Soldat Xandros Elmeth! Tretet vor!“

Xandros blieb das Herz stehen. Hatte man ihn durchschaut? Hatte Haffax herausgefunden, daß er in Wahrheit ein Agent des Mittelreiches war? Er trat vor, wie ihm befohlen; da hatte er keine Wahl. Er hatte seine Waffen bei sich. Wenn sie ihn jetzt verurteilen wollten, so würde er sich so teuer verkaufen, wie möglich.

Was Xandros erst jetzt bemerkte war, daß man einen Gefangenen in die Arena führte und er atmete erleichtert aus. Ihm war nicht bewußt gewesen, daß er die Luft angehalten hatte.

Dieser Gefangene sah mitgenommen aus. Seine Haare waren verfilzt und man konnte deutlich die Blutergüße erkennen, die er am ganzen Körper hatte. Ohne Zweifel ist er gründlich verhört worden und da war man sicherlich mit den Methoden nicht zimperlich gewesen. Schließlich wurde der Gefangene auf die Knie gedrückt, wo er mit gesenktem Haupt verblieb.

Haffax war vom Thron heruntergestiegen und stand nun neben Xandros. „Zeigt mir Eure Treue, Soldat, und verrichtet Euer Werk“, raunte er ihm zu und beobachtete den Soldaten mit seinen aufmerksamen blauen Augen.

Xandros schritt auf den Knieenden zu und zog sein Schwert aus der Scheide. Dieser blickte zu ihm auf. In seinen braunen Augen konnte er das stumme Flehen sehen, ein Flehen um Gnade. Dieser Mann war bereits Tod. Und er wußte es auch. Wenn er die Tat nicht vollbrachte, würde es ein anderer tun und er hätte versagt. Er mußte es tun. Nur um in der Nähe von Haffax bleiben zu können. Er hatte keine Wahl.

"Es tut mir leid", flüsterte er den Knieenden zu. Dann holte er mit seinem Schwert aus und schlug zu.