Geschichten:Mich seht ihr nicht - Weder Leib noch Seele

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Dorf und Herrschaft Mittstätten, Baronie Gnitzenkuhl, Markgrafschaft Perricum, Ende Firun 1038 BF

Geduld ist eine Tugend

Für Perricumer Verhältnisse war es kühl. Die Kälte ließ die zahllosen Darpatochsen in den Ställen dichter zusammen drängen, auch weil die zusätzlichen Pferde dort Unterkunft fanden, wo man sonst nur das Vieh beherbergte. Lautstark hörte man muhende wie wiehernde Unmutsäußerungen von den Stallungen her. Vieh wie Mensch waren angespannt. Das Warten meißelte den auserwählten Gästen von Baronin und Krone langsam den Gram ins Gesicht und auch hier fiel manches Wort härter aus, als es zu anderen Zeiten üblich gewesen wäre. Die wenigen Räume, die zur Verfügung standen, sowie die auch dort herrschende Enge machte das Warten zu einer echten Geduldsprobe. Auch die kleinen Wonneproppen der Keilholtzerin konnten nur wenig dazu beitragen, dass die Stimmung sich besserte.

Weitere Streiter waren hinzugekommen, die speziell ihre Kampfkraft stützen sollten. Der erste Ritter Hlutharion von Sturmfels sowie sein Schwager Anshelm von Mistelstein. Dazu noch der Umstand, dass hier Vasallen der Krone zusammen gekommen waren, die teilweise ein angespanntes Verhältnis zueinander hatten. Auch wenn die Baronin von Gnitzenkuhl und der nordperricumsche Wallbrord von Löwenhaupt-Berg doch noch froh waren, mit dem umgänglichen Selo und nicht mit seinem Bruder oder noch schlimmer dessen blutgeifernden Kumpanen hier schon einige Tage sitzen zu müssen. Doch das allerschlimmste war, dass man nicht genau wusste, zu welcher Gelegenheit dieser verfluchte Leiblose nun endlich auftauchen würde, oder ob er in der Tat wie verabredet, am 1. Firun zu ihnen stoßen würde.

Ein bis zwei schwierige Situationen und Missverständnisse - oder waren es Provokationen gewesen - hatte man so schon umschiffen müssen. Die Hausherrin Leomara von Keilholtz, noch nie bekannt für ihren Langmut, goss dabei eher noch Öl ins Feuer, als mäßigend einzuwirken, bis Geshla hart durchgegriffen hatte, verbal. Zumindest was ihre Vasallin anging, wofür Wallbrord ihr sehr dankbar war, denn er war selbst kurz davor, sich Leomara zur Brust zu nehmen, was den Eklat dann komplett gemacht hätte. Danach war man sich weitestgehend aus dem Weg gegangen, um den Bogen nicht zu überspannen.

Hlutharion, der sich tatsächlich als recht diplomatisch in derlei Dingen erwiesen hatte, fand sich häufiger als Bote wieder, wollte man doch das gesprochene Wort meiden.

Magische Unterstützung

Phex sei’s gedankt war nach zwei Tagen Roderick samt Magus eingetroffen, bevor es zu ernstlichen Problemen gekommen war. So hatte man schlussendlich die Pflicht den Konflikten vorschieben können.

Der Magier hatte sich alles von Ahrenstedt ein weiteres Mal beschreiben lassen und das Blütenblatt als vermeintlichen Teil des Fokus aushändigen lassen. Ab da hatte man auch endlich wieder freier Sprechen können, da der Magus bei wichtigen Besprechungen immer wieder auf magische Weise die Räumlichkeiten im Blick hatte. Was aber auch dazu führte, dass seine Untersuchungen am Blütenblatt eher schleppend voran gingen, da die magische Hellsicht ihm viel Kraft abforderte. Das blöde Blütenblatt – konnte der Magus bestätigen – war ein Fokus. Doch das hatte man schon vermutet. Die Blüte kam aus dem gemäßigten Norden oder vielleicht aus einem Mittelgebirge im Neuen Reich. Es war langwierig. Und so hatte er die Umstände bis zum jetzigen Tage noch nicht gänzlich klären können, war aber bester Dinge. Trotzdem war die Stimmung mittlerweile stark angeschlagen und die Luft knisterte Förmlich vor Anspannung. War man doch – als wären die allgemeinen Ärgernisse nicht schon genug – nicht sonderlich erfreut darüber dem einen Verräter etwas vorzugaukeln um mit seiner Mithilfe erst noch einen anderen Verräter dingfest zu machen, bevor man sich ihn selber schnappen konnte. Das barg einige Gefahr und vor allem Verärgerung über solch schlechte Gesellschaft, wenn diese denn überhaupt auftauchen würde.

Gerade war eine weitere dieser mittlerweile sehr lästigen und wenig ergiebigen Besprechungen beendet und ein Streit zwischen von Berg und der Lanzenruherin nur gerade noch abgewendet worden. Die verärgerte Junkerin verabschiedete sich dementsprechend wortlos von der Besprechung und schlug die Tür heftig hinter sich zu. Dieses inakzeptable Verhalten konnte die temperamentvolle Hausherrin nicht auf sich beruhen lassen. Sie setzte der Frau nach, stolperte dabei aber fast über Muschka, die Katze, der Tochter, die von links nach rechts ihren Weg kreuzte. Sie scheuchte sie ungehalten weg in die Zimmerecke und wollte sich daran machen die Tür auf zu reißen und der unverschämten Nebachotin hinterher zu brüllen. Doch die Tür klemmte und Leomara zog immer heftiger daran als die Tür nachgab, aufsprang und die Ritterin beinahe unrühmlich zu Fall kam. Um nicht zu stürzen, taumelte sie einige Schritt nach hinten, derweil die Tür wieder zufiel. Das versetzte Leomara in noch größere Wut und sie lenkte ihren Schritt erneut gen Tür. Hielt aber plötzlich inne als dieselbe Katze aus derselben Richtung ihren Weg kreuzte. Verdutzt schaute sie sich zur Ecke um in das anhängliche Tier gerade gescheucht hatte. Nichts. Dann schweifte ihr Blick zu den ebenfalls verwunderten Mitstreitern. Während die anderen noch nicht richtig begriffen, begann der Magus leise eine Formel zu rezitieren und Geshla schob sich alsbald ein eigenartiger Geruch in die Nase, den sie erst nicht richtig fassen konnte, da er kaum wahrnehmbar war, doch dann, es roch klamm.

Der Tod ist unter uns

Der Magus hatte seine Formel geendet, und blickte sich im Raum um, als eine Stimme mit einem Male ertönte. Merkwürdig schrill und doch auch diffus. Ein Wiederhall klang mit, die es schwer machte, genau den Ort auszumachen, woher sie stammte, doch sowohl das gescholtene Tier, Leomara von Keilholtz, wie auch Geshla von Gnitzenkuhl visierten die Raumecke an, in der sich merkwürdiges zugetragen hatte. Der Magister nickte diesen bestätigend zu. Dort war er - dort stand der Verräter!

„Ich grüße euch Gesandte der Krone, stellt Euch einfach vor, ich verbeuge mich und neige das Haupt vor Euch, ... oder nein lasst das, ich will Euch nicht anlügen!“ Ein Lachen, das heiser klang und sich beängstigend steigerte, folgte, dann ein Husten. Nach einigen Momenten wurde die Stimme aus anderer Richtung laut, und klang dieses Mal aber deutlich näher, sodass der Mann, der Boron nahe stand, fast das Gefühl hatte, in einer kalten Kaverne zu stehen, so sehr erinnerte der Geruch ihn an jene feuchten Gewölbe, die er schon kannte!

„Ihr müsst verzeihen, das mit dem förmlichen Händedruck, das habe ich für eine Weile hinter mir gelassen, daher lasst uns gleich zum eigentlichen Sinn und Zweck dieser illustren Runde kommen!“ Ein Räuspern, oder war es ein Kleppern und Scharren, war zu hören.

„Ja Hochgeboren, ich bin in der SACHE die uns verbindet loyal. Die erste Frage, die ihr stellen wolltet, halte ich für … irrelevant! Ihr habt Eure Pläne und ich die meinen, und das eint uns, nicht wahr?“ Die verkniffenen Lippen und aufgerissenen Augen der Baronin zeigten, dass sie nicht mit einer solchen Demonstration gerechnet hatte.

„Auch Eure Fragen, Wallbrordt von Löwenhaupt-Berg, sind an sich nur teilweise relevant. Wüsste ich nicht genau, wo ich ihn und seinesgleichen finde, würde ich kaum erhalten, wonach mich dürstet, nicht wahr?“ Wallbrord nickte kurz mit sichtlich skeptischer Miene. Die Argumentation des Unsichtbaren hatte durchaus was für sich, dennoch hielt er ihn weiterhin für weitaus gefährlicher als diesen Kollberger, bei dem man wenigstens wußte, woran man wahr.

„Haltet mir dieses rasende Mädchen vom Hals!“ sprach er in Richtung des anwesenden Ritters von Sturmfels - „wenig zivilisierter als die Ferkinas in den Bergen! Wie ich hörte, habt auch ihr Kriegserfahrungen gemacht! Ach ja, auf die solltet Ihr Euch alle einstellen! Ferkinas! Er treibt sich mit denen rum! Da könnt ihr einmal wieder die Kriegerin in Euch heraus lassen, werte Vögtin von Haselhain. Lange nichts von Euch gehört - wart in der Heimat gewesen, nicht wahr, bei den lieben Kleinen! So wie ihr wieder im Schoß der Familie angelangt seid.“ Hier war augenscheinlich Selo gemeint. Eine Machtdemonstration eines Mannes, der es gewohnt war, besser zu wissen, mit wem er es zu tun hatte, hinterließ bei den meisten einen schalen Geschmack und mehr.

„Ihr solltet Eure Pferde satteln lassen, wir reisen umgehend los, ich gebe Etappenziele an, die der ein oder andere sicher erkennt. Dort treffen wir uns am Abend, oder wann ihr es eben schafft da zu sein … und vergesst nicht! Meine Augen und Ohren sind überall! Wir sehen uns am Grenzstein von den Ziegenhirten aus Gnitzenkuhl gen Wall! Dieser Bock, der ein Gemächt hat wie ein Stier … eines eurer frühen Werke nehme ich an?“ Spott troff nur so aus den Worten und der Ritter Anshelm von Mistelstein schaute wutentbrannt in die Richtung wo er den Geist vermutete.

„Bis dorthin schaffen wir es noch bis Sonnenuntergang! Los, auf zur Hatz, machen wir den Jäger zum Gejagten!“