Geschichten:Mich seht ihr nicht - Noch Fragen?

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Nachdem Ahrenstedt seinen Bericht, wie er von dem Unsichtbaren erfahren hatte, geendet hatte, blickte er mit einem wahren Wolfsgrinsen in die Runde: »Ihr seht, der Mann ist mordsgefährlich. Er kann überall sein und alles belauschen, wenn er will. Wir treffen uns mit ihm am ersten Tsa in Mittstätten auf dem Weg in den Wall. Noch Fragen?«

Selo meldete sich und stand auf: „Ihr sagtet er behauptete sich in der Zeit zu verschieben, nicht das ich Ahnung von sowas hätte, aber könnte die Mehlaktion dann punktuell gesehen nicht zur falschen Zeit geschehen sein, vielleicht ist nicht die Frage wo er irgendwann ist, sondern wann er irgendwo ist. Vielleicht hättet ihr einen Magier hinzuziehen sollen. Aber sei’s drum, trotzdem sollten wir dies im Auge behalten und uns vertrauliche Informationen nicht mündlich sondern ausschließlich schriftlich erteilen und hoffen, dass der Unsichtbare bei dieser Besprechung nun wirklich zu keinem Zeitpunkt zu gegen war.“, Selo war selbst überrascht über die Erkenntnis die er grade gehabt hatte und mit welcher Sicherheit sie vorgetragen hatte, er machte sich langsam. Was auch die Umsitzenden bemerkten, nicht nur wegen seinem Äußeren, das mittlerweile immer mehr nach Südperricum passte.

Wallbrord schüttelte nach Ahrenstedts Ausführungen mehrmals unwillig den Kopf, quittierte die Anmerkungen Selos mit einem anerkennenden Nicken und ergriff dann nach einer kurzen Pause selbst das Wort.

"Ich fasse zusammen: Wir jagen einen Verräter, den zumindest ich nicht kenne, aufgrund der Aussage eines doppelten Verräters, den ich auch nicht kenne, ja nicht einmal sehen kann - da bekommt man ja Kopfschmerzen. Kann ich noch ein Glas Wein haben?"

Nach einer kurzen Pause fuhr er, nun etwas weniger sarkastisch, fort.

"Also mal ganz abgesehen davon, dass das Alles eher nach einer Geschichte aus einem dieser unsäglichen horasischen Hellerromane klingt: Warum sollen wir dem großen Unsichtbaren vertrauen? Und wie uns im Bedarfsfall vor ihm schützen? Hat er - vom Anpusten mit Mehl abgesehen - irgendwelche Schwachstellen? Er scheint euren Worten zufolge nicht nur höchst unsichtbar sondern auch höchst gefährlich zu sein. Ich habe ja schon an einer ganzen Reihe von 'Sondereinsätzen' teilgenommen, aber dieser hier ist wahrlich außerordentlich sonderlich. Stünde nicht der Markgraf selbst dahinter, so riete ich jedem hier aufgrund der mehr als dürftigen Informationslage von einer Teilnahme an diesem Einsatz dringend ab. Aber da die Lage ist, wie sie ist, möchte ich nur noch eine letzte Frage stellen: Wann brechen wir auf? Der Baron zu Vellberg lehrte sein Glas in einem Zug und blickte danach die Versammelten einen nach dem anderen erwartungsvoll an.

Ahrenstedt bleckte die Zähne, als er grinsend antwortete: „Niemand hat vor, dem Bastard zu trauen. Er sollte uns ja auch nicht vertrauen. Natürlich hat er Schwachstellen, der Unsichtbare. Eine davon ist ja, dass er etwas von uns will, das heißt der Krone. Eine weitere ist die Tatsache, dass er für seine Tricks mit der Zeit – wenn ich es richtig verstanden habe – auf einen Fokus zurückgreifen muss, eine Trockenblume. Ich habe in Perricum einmal ein Blütenblättchen aufgelesen, das ich einem von Euch gern zur näheren Bestimmung überlassen kann. ich habe keine Ahnung, was das für ein Gewächs ist. Oder war.« Er reichte ein weißes Tüchlein weiter, das er aus seiner Reisetasche genommen hatte.

Die Gastgeberin nickte erst Selo anerkennend zu und ein feines Lächeln, das erste bislang, kam zu Tage. Zu Wallbrord gewandt sagte sie: "Morgen früh sollten wir aufbrechen. Wir können in Mittstätten unterkommen bis jener ankommt." Dann ergänzte sie weiter. "In der Tat, ein interessanter Aspekt hoher Herr von Pfiffenstock. Ich werde umgehend einen Boten an die Akademie senden und nach einem Magister fragen, der sich mit…Geistern oder Zeitfreveln auskennt. Das werdet ihr erledigen!“ meinte sie zu Roderick. „Das hat oberste Priorität. Nehmt eine Schatulle mit und setzt all Eure Befugnisse ein!“ Sie schaute ihn durchdringend an, bis er verstehend nickte, und sich sofort entfernte. Man hörte ihn im Gehen schon rufen: „Sattelt mein Pferd!“

„Ansonsten bliebe noch der hiesige Vorsteher des Praios Tempels, der, so Praios will, fähig ist Magie zu erspüren. Doch ich fürchte, dass derlei Geweihte eher das Mißtrauen dieses äußerst fragwürdigen Subjektes schüren würden, oder was meint ihr?“

Selo nickte bestätigend und konnte nicht umhin sich über die Zusprüche des Vellbergers und der Gnitzenkuhlerin zu freuen, galten sie doch beide nicht gerade als den Nebachoten offen, aber vielleicht sahen sie ihn auch gar nicht als solchen, wie auch wenn er es selber nicht immer tat. Wie dem war, wollte gerade die Stimme erheben, als Arishia von Lanzenruh ihm zuvor kam: „Viellaicht die beste Lö‘sung, werte Härrschaften, auch wenn mir die Zunft der Magiär mir nicht immer ganz ge‘heier ist, doch wenn man es mit so einer Erschainung zu tun hat wohl das Beste. Dän‘noch würde ich mich nicht allein darauf värlassen, den anderen Vorschlag seiner Wohl‘geboren Pfiffenstock, halte ich auch für eine durchaus sinn‘vollä Idee, an die wir unsz alle dringänd halten sollten. Des‘waiteren kenne ich mich im Wall und vor‘allem im Weiß‘barûner Tail recht gut aus. Wenn der Un‘sichtbare uns versuchen sollte in die Irrä zu führen sollte ich das bämerken, ich werde darauf achten. Zudem haben wir noch saine Gnadän Tikalen in unserän Reihen, falls es sich bei dem Verräter um mehr als nur ainen solchen handeln.“

Glücklicher Weise, betrat nach einem Klopfen der Gemahl der Baronin, Valtoron von Zollipantessa, zügig den Raum, sodass sich für die Gnitzenkuhlerin nicht mehr die Gelegenheit ergab, eine Bemerkung zu der ungeliebten nebachotischen Ausspracheproblematik der anwesenden Arishia zu tätigen. Bis jene zum Ende gekommen war, hatte sich das Anlitz der Baronin nämlich gehörig verdüstert, konnte sie doch nicht nachvollziehen, wie man solange hier leben konnte, ohne den Zungenschlag der Region zu beherrschen. Stattdessen hellte sich ihre Miene mit einem Schlag auf, und Sie begann umgehend damit die Herrschaften einander vorzustellen.Doch natürlich galt es die Planungen noch zu einem Ende zu bringen, daher wandte sie sich hernach wieder der Frau aus nebachotischem Hause zu.

„Hohe Dame von Lanzenruh, ich werde gerne ausreichend Pergament richten lassen, dass sich jeder damit morgen noch ausrüsten kann, damit wir diesem Verräter nicht unsere wahren Pläne verraten durch unbedachte Worte.“ Der Baronsgemahl schaute nach diesen Worten leicht verwundert, schwieg aber hierzu. Er war soeben erst von seinem Weingut nahe der Reichsstadt eingetroffen, und bemühte sich nicht zu ungeduldig zu wirken, doch sah man ihm seinen Wissensdurst geradezu an. Da das Abendessen bereits eingenommen war, zog sich das Ehepaar darum auch zurück, und wünschte allen eine gute Nachtruhe, da man in der Frühe zu Leomara von Keilholtz und deren Gut in Mittstätten aufzubrechen gedachte.

Vater Bishdaryan, so die korrekte Anrede des Manns, hatte während der gesamten Unterredung geschwiegen. Niemand hatte von dem Borongeweihten etwas anderes erwartet. Der Mehlstaub hatte ihn wie durch ein Mirakel weitgehend verfehlt und lediglich den Saum seiner Robe weiß gesprenkelt. Als sich jetzt die Versammlung zu zerstreuen begann, lenkte er mit einer überraschend befehlsgewohnten Geste die Aufmerksamkeit der noch Anwesenden auf sich:

„Wartet.“ Ruhig und freundlich blickte er jeden in der Runde an. Dann schaute er etwas ernster drei: „Ihr solltet jede Unterstützung annehmen, die Ihr gewinnen könnt. Aber das richtige Ziel rechtfertigt nicht jedes Mittel. Bedenkt das auch jetzt, auf dass Eure Seelen vor Rethon nicht zu leicht sein werden.

Mit der Spitze seines Reiterstiefels zeichnete der Boroni wie in Gedanken ein Taubensymbol in den Mehlstaub, eher er fortfuhr: „Wenn der Verräterverbündete eine Art Geisterwesen ist, kann man mit starkem Glauben seinen Aufenthaltsort erkennen. Wenn man seinen Aufenthaltsort kennt, kann man ihn mit starkem Glauben zwingen, Gestalt anzunehmen. Wenn es an der Zeit ist, sollt Ihr mit mir zu Marbo und Boron? beten. Der rechte Glaube verbindet uns, die Feinde sind durch ihre Eigennützigkeit und Ichbezogenheit schwach.“

Zuletzt griff Bishdaryan von Tikalen in seine Gürteltasche und zog ein zerlesenes Büchlein heraus, voll klein gedruckter Buchstaben und mit dem Bild eines halbverfallenen Herrenhauses auf dem Umschlag. Dieses reichte er Baron Wallbrord: „Ihr kennt Euch mit horasischer Literatur aus? Fein. Dann solltet Ihr auch diese Geschichte lesen. Sie handelt von der Begegnung eines Borongeweihten mit einem Geistwesen. Im Horasreich lesen das die einfachen Leute, aber es enthält genug kirchliche Gelehrtheit, dass es auch einen Baron erbauen kann.“ Der Geweihte zog sich mit einem wohlwollenden Nicken zurück, während Wallbrord noch die verschnörkelte Schrift auf dem Buchtitel entzifferte: „Spuk in der Villa Delgravo“