Geschichten:Kressenburger Neujahrsstechen 1042 BF - Teil 15

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Fußkampf, Runde 1

Vor den Toren Kressenburgs, Baronie Kressenburg, Praios 1042 BF

Algirdas seufzte schwer und scheidete das Schwert. Er hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt, doch stattdessen streckte er der albernischen Geweihten die Hand zum Kriegergruß entgegen und gab irgendeinen höflichen Stuss von sich, damit sie ja nicht dazu kam, selbst etwas zu sagen. Er wollte weder Hohn noch Verständnis für seine armselige Vorstellung. Dass er sich am Ende nicht aus Versehen die eigene Klinge in den Leib gerammt hatte, war wohl noch das Beste, was man über seine Darbietung sagen konnte. Zaghaft, Nervös. Blind und blöd. Das alles traf zu. Bereits nach ein paar Herzschlägen war er gestolpert und hatte das Ganze so unfreiwillig beendet, bevor es überhaupt richtig losging. War vielleicht auch besser so, denn auf die Art konnten die Zuschauer das ganze Ausmaß seines Unvermögens höchstens erahnen und hatten keinen klaren Beleg dafür.

Erster Kampf im ersten Turnier ... ein guter Zeitpunkt, um wieder aufzuhören, wie es schien. Er nickt der Albernierin zu und wandte sich ab, ohne ihr Gelegenheit zu einer irgendwie gearteten Erwiderung zu geben. Mit gesenktem Kopf stapfte Algirdas hernach auf Aardor und Fählindis zu, die an der Bande lehnten und ihm entgegenblickten. Als er das spöttische Grinsen auf den Zügen seiner Base erspähte, war der junge Stockacher erleichtert. Das konnte ja nur bedeuten, dass sie ihn foppen würde, statt Mitleid zu Ausdruck zu bringen. Ihm war das deutlich lieber, denn mit Hohn konnte er besser umgehen. Den war er als Bankert eines völlig unbedeutenden Rittergeschlechts aus dem Nirgendwo wenigstens gewohnt.

„Was für ein Glück, dass ihr euch vor dem Kampf noch einen hinter die Binde gekippt habt und du dadurch so schön locker warst“, ätzte die Habechhegen, als er in Hörweite war.

Algirdas kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie einfach nicht anders konnte und es auch nicht böse meinte. Wenn sich ein dummer Spruch anbot, dann machte sie den, egal ob ihr dafür Schmerz oder der Verlust eines Freundes drohte. So natürlich auch in diesem Fall. Aardor hingegen kannte sie nicht so gut und warf ihr einen erschrockenen Blick zu.

„Mach dir nichts draus, Algirdas, ist doch kein Beinbruch“, bemühte er sich zu beschwichtigen und tat damit im Grunde genau das Falsche. „Es war dein erster Kampf auf einer Turney. Da zahlen wir alle Lehrgeld.“

„Ach, ist das so?“, schnappte der junge Stockacher und bedachte seinen Vetter mit einem giftigen Blick. „Ich nehme an, du hast deinen ersten Kampf im Kosch vergangenes Jahr auch auf dem Allerwertesten sitzend beendet?!“

„Öhm ... naja ... also ...“

„Dachte ich mir!“

„Du solltest nicht so ein Sturkopf sein und dir ansehen, was dein Vater zu zeigen hat, wenn er sich schon erbietet“, meinte Fählindis leichthin. „Er könnte dir eine Menge beibringen. Unter anderem, worauf es in solchen Fällen zu achten gilt.“

„Nicht über die eigenen Füße zu stolpern, meinst du? Das sollte ich an sich schon aus meiner Knappenzeit wissen, oder etwa nicht? Mit irgendwas werde ich mir die Schwertleite ja hoffentlich verdient haben?!“,schnappte Algirdas.

„Bist ein Trottel“, kam es daraufhin deutlich leiser von seiner Base. „Mach nur so weiter, dann wirst du den Rest deines Lebens immer schön auf der Stelle treten. Wir sind Familie und nicht irgendwelche dahergelaufenen Fremden, die dir Übles wollen. Begreif das endlich mal und zieh den Kopf aus deinem Arsch!“

Algirdas starrte sie einen Moment schweigend an. Irgendwo im hintersten Winkel seines Bewusstseins war ihm klar, dass ihre Worte viel Wahres einhielten. Aber jetzt gerade war er zu wütend und zu enttäuscht, um sich damit vernünftig auseinandersetzen zu können. Also tat er es den anderen gleich: richtete seinen Blick auf nächsten den Kampf und verfolgte das Treiben aufmerksam. Erst als sich Aardor für seinen Einsatz bereitmachte, geriet auch in Fählindis und Algirdas wieder Leben. Sie prüften den Sitz seiner Rüstung und entließen ihn mit den besten Wünschen in den Kampf gegen Waldhold von Leufels – ebenfalls ein Ritter Weidens und vor allem einer, der Aardor einiges an Jahren, Erfahrung und Können voraus hatte.

Umso faszinierter verfolgte Algirdas das Kräftemessen der beiden. Aardor ließ sich den Schneid nicht abkaufen, sondern hielt tapfer gegen, als der Sichler ihn mal um mal triezte – zweifelsohne mit überlegener Technik. Aber was ihm in der Hinsicht mangelte, machte der Rauheneck mit seinem eisernen Willen und der für einen so kurz geratenen Kerl überraschend großen Kraft wieder wett. Nicht lange hin und die Splitter aus den Schilden der beiden Streiter flogen kreuz und quer über den Kampfplatz: Wo Schwert und Streithacke auf das verstärkte Holz trafen, blieben tiefe Scharten zurück.

Zu jenem Zeitpunkt war Aardor längst ins Hintertreffen geraten, schien aber einfach nicht einsehen zu wollen, dass sein Stündlein geschlagen hatte. Stattdessen hielt er Finten wie wuchtigen Schlägen mit stoischer Ruhe stand und verschaffte sich so offenbar Respekt bei seinem Gegner. Vielleicht hatte der auch nicht mit so erbitterter Gegenwehr gerechnet? Auf jeden Fall war da plötzlich in Zögern in den bis dahin mehr oder minder ohne Unterlass auf den Jungritter einprasselnden Attacken – und just diesen Moment nutzte er, um zum Gegenangriff überzugehen. Trocken, schnörkellos und abermals mit roher Gewalt. Das war nicht unbedingt schön anzusehen, aber effektiv.

Irgendwie schaffte es Algirdas’ Vetter, den Leufelser in eine Rückwärtsbewegung zu zwingen und seinen Schild beiseite zu stoßen – dann beschrieb die Streithacke auch schon einen silbrigen Bogen, zischte mit gehöriger Kraft in Richtung des gegnerischen Halses und konnte vom eilends gehobenen Schwert nicht mehr aus der Bahn geworfen werden. Zum Glück war der Angriff auch präzise gewesen: Aardor bremste in einer völlig ungefährlicher Entfernung vom Leib des Leufelsers ab – und wie es schien wechselten die beiden hernach einen Blick. Aus Ferne konnte Algirdas nur mit Gewissheit sagen, dass der Sichler seinem Bärwaldener Gegner zunickte. Dann streckte er die Waffe und trat drei Schritte zurück. Der Kampf war entschieden. Und er war anders ausgegangen, als irgendeiner von ihnen erwartet hätte.

Algirdas sah zu Fählindis hinüber und erkannte in deren Augen die gleiche Überraschung, die auch in seinen funkeln musste. Bei Aardor verhielt es sich nicht viel anders: Als er zu ihnen an die Bande zurückkehrte, war sein Kopf zwar hochrot vor Anstrengung – lila fast – aber zugleich wirkte er ungemein zufrieden. Ekstatisch nahezu. Er konnte gar nicht aufhören zu grinsen, und sie grinsten mit ihm. Egal, was heute noch passierte: Der Tag war gerettet. Dass einer von ihnen die zweite Runde erreichte, war eine kleine Sensation. So konnte Fählindis leichten Herzens in den Ring steigen, als es so weit war.

Während sie das tat, wandte sich Aardor Algirdas zu und bedachte ihn mit einem nachdenklichen Blick. „Ich will keinen Streit anfangen, Mann, aber mit einem hat sie recht“, sagte er. „Wenn du weiterkommen willst – im Leben wie im Kampf – musst du deinen Frieden machen und auf den Rat von Leuten hören, die älter und klüger sind als du. Widderich ist, zumindest was das Zweitere betrifft, kein schlechter Ansprechpartner. Als ich letztes Jahr mit ihm im Kosch war, hat er mir ein paar wertvolle Kniffe gezeigt.“

Algirdas schniefte leise und wollte eigentlich etwas erwidern – doch just in dem Moment eröffnete Ingmar von Keilholtz, der Vetter des Gastgebers, den Kampf. Da wandten sie beide die Köpfe lieber dem eigentlichen Geschehen zu – und verfolgten staunend, wie ihre Base das Schwert des Gegners mit dem Speer abfing, statt es auf den Schild niedergehen zu lassen. Die Bewegung wirkte fast nachlässig und erweckte irgendwie den Eindruck, sie würde die Sache nicht ernst nehmen. Dazu passte auch das breite Lächeln in ihrem Gesicht, das immerhin verriet: Sie hatte ihren Spaß.

Leichtfüßig, allerdings auch ohne gefährlich zu werden, tänzelte sie um ihren Gegner herum, der den Schneid nach seiner ersten Attacke verloren zu haben schien und sich erst mal nicht mehr vor wagte. So ging es eine Weile: Der Keilholtzer errichtete mit seinem Schild ein undurchdringliches Bollwerk, während die Habechhegen ihren ganz zu vergessen schien und lieber Spielchen trieb – wie eine selbstvergessene Katze. Irgendwann wurde das dem Greifenfurter aber offenbar zu dumm, denn er wagte sich erneut aus seiner Deckung.

Damit schien Fählindis nicht gerechnet zu haben, jedenfalls wenn Algirdas das erstaunte Blitzen in ihren Augen richtig deutete. Da sie einen offenen Helm trug, war es recht gut zu erkennen. Auch die völlig verunglückte Attacke, mit der sie in den Angriff des Keilholtzers hinein funken wollte, verriet ihre Planlosigkeit. Niemals wäre die Spitze des Speers auch nur in die Nähe eines gefährlichen Treffers gekommen. Dennoch riss ihr Gegner den Schild hoch, als sei sein Leben bedroht – und haute ihn sich dabei gegen das eigene Kinn.

Ein ungläubiges Raunen ging durch die Menge, als der glücklose Streiter sich den bisher schwersten Treffer in diesem Kampf selbst beibrachte, erst taumelte und dann in die Knie ging. Auch Fählindis schien fassungslos. Sie senkte den Speer und stand einen Moment wie vom Donner gerührt. Dann huschte ihr Blick ratlos zu Aardor hinüber, der ihr mit einer knappen Geste bedeutete, nach dem gestrauchelten Gegner zu sehen. Nicht, dass er sich am Ende den Kiefer gebrochen hatte oder so. Sie kam dem wortlosen Ratschlag sofort nach und beugte sich mit besorgter Miene über den mittlerweile ganz flachliegenden Ritter.

„Siehst du“, brummte Aardor derweil lakonisch und lächelte Algirdas zu. „Es können auch noch deutlich schlimmere Dinge passieren, als dass man sich im ersten Kampf auf seiner ersten Turney vor einer Rondrianerin auf den Hosenboden setzt ...“


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Autor: Nics-e