Geschichten:Kressenburger Neujahrsstechen 1042 BF - Teil 10

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Hackt’s?

Vor den Toren Kressenburgs, Baronie Kressenburg, Praios 1042 BF

„Sagt mal, träum ich das, oder seid ihr da wirklich gerade am Saufen?“ Fählindis stemmte die Fäuste in die Hüften und sandte einen tadelnden Blick auf ihre Vettern hinab, die – immerhin bereits voll gerüstet – auf krummen Schemeln vor dem rauheneckschen Turnierzelt saßen. Jeder von ihnen hielt ein nicht eben kleines Trinkhorn in der Hand und das war irgendwie ... skandalös! Da ließ man sie mal einen Augenblick allein und schon ...

„Also, ich würd das jetzt echt nicht ‚Saufen‘ nennen, Fäh“, widersprach Aardor reichlich unbeeindruckt. „Es sind doch nur ein paar kleine Schlückchen. Und es ist hier ja auch ziemlich heiß. Da muss man den Körper hin und wieder mit ein bisschen Flüssigkeit versorgen, sonst kippt er irgendwann um.“

„Was ist das, was ihr da sauft?“ Fählindis beließ die Fäuste, wo sie waren, und mühte sich, ein gefährliches Blitzen in ihre Augen zu zwingen – frei nach dem Vorbild des rauheneckschen Familienoberhaupts, das bei diesem Manöver allerdings nichts erzwingen musste, weil es ihm in etwa so leicht fiel wie atmen.

„Es ist nur Met. Ehrlich. Willst du auch was?“ Algirdas sah fragend zu ihr auf und bot sein Horn dar, ehe sie auch nur einen Ton sagen konnte.

„Ihr trinkt in dieser Bullenhitze also ...“, Fählindis Blick fiel auf die leere Flasche, die Aardor nicht gut genug unter seinem Schemel versteckt hatte, „... /ein paar Schlückchen/ Met, obwohl ihr genau wisst, dass es hier gleich Kämpfe zu Ehren Rondras und der Mittnacht zu bestreiten gibt? Schöne Weidener seid ihr mir!“

„Nicht obwohl, sondern gerade weil“, Aardor lächelte unbefangen, während auch er sein Horn hob und es Fählindis hin hielt. „Sicher, dass du nichts willst?“

„Wieso ‚gerade weil‘?“, fasste die Habechhegen nach, statt eine Antwort auf diese dämliche Frage zu geben oder gar nach einem der halbleeren Trinkgefäße zu greifen.

„Na, weil unser Vetter hier, der gute Algirdas ... der hat ein bisschen angespannt gewirkt, als er erfuhr, dass es für ihn gleich in der ersten Runde gegen eine Dienerin der Leuin geht. Da dachte ich mir, ich lockere ihn wieder ein bisschen auf. Wär ja schlecht, wenn wir ihn gleich aufs Feld der Ehre schicken und er erstarrt wie ein Karnickel im Angesicht der Schlan...“

„Halt doch den Rand, du Dämlack!“, zischte der so Gefoppte leise. „Als ob ich im Angesicht eines guten Zweikampfs erstarren würde. Ich glaub, es hackt!“

Fählindis legte den Kopf schief und maß Algridas mit einem prüfenden Blick. Sie wollte nicht weiter in der Wunde bohren, doch auch ihr war nicht entgangen, wie ihm die Gesichtszüge entglitten, als verkündet wurde, gegen wen er streiten sollte. Daran war sicher nicht zuletzt die Erfahrung seines Vaters im vergangenen Jahr bei der Turney im Kosch schuld: Nach einem ungefährdeten Durchmarsch bis unter die letzten zehn Zweihandkämpfer war Widderich von Rauheneck – in der ganzen Sichelwacht nicht nur als Baronsmörder, sondern auch als unverbesserlicher Heide verschrien – ausgerechnet von einem Rondrageweihten aus dem Rennen geschmissen worden.

Sah aus, als sei da gerade eine neue Familientradition am Werden. Wenn dem nicht Einhalt geboten wurde jedenfalls. Wofür die Chancen denkbar schlecht standen, sollte Algirdas seine Gegnerin gleich doppelt sehen.

„Ja, genau: Hackt’s eigentlich?“, wiederholte Fählindis daher und schüttelte energisch den Kopf, als die Herren der Schöpfung sie irritiert anstarrten. Ohne Zögern – und vor allem ohne ein Wort der Erklärung – griff sie nach den Trinkhörnern, entriss sie ihren Besitzern und goss den güldenen Inhalt mitleidlos auf die Wiese.

„Heeee, was soll das denn?“, fuhr Aardor auf und erhob sich, um seinem Protest mit einer empörten Geste mehr Nachdruck zu verleihen. „Spinnst du?“

„Das könnt ihr nachher noch machen“, entgegnete Fählindis, ohne mit der Wimper zu zucken. „Jetzt hilft mir erst mal einer von euch Trotteln in die Rüstung. Mir scheint, ich bin hier leicht im Nachteil“, meinte sie mit einer Geste auf die blitzenden Kettenhemden ihrer Vetter.

Die schienen mit einem Mal gar nicht mehr so erzürnt über den Verlust ihres Mets und erboten sich beide grinsend, Hand anzulegen. Ja, wirklich: Es waren Trottel! Aber von der netten Sorte.


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Autor: Nics-e