Geschichten:Kressenburger Neujahrsstechen 1041 BF - Vater und Sohn, Teil 2

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Kressenburger Neujahrsstechen 1041 BF - Vater und Sohn, Teil 2
28. Praios 1041 BF, Kressenburg, Tjost 3.Runde

Wilfred von Gugelforst blickte auf das Banner auf der gegenüberliegenden Seite der Tjostbahn. Der rote, aufrecht schreitende Wolf auf Gold knatterte stolz im Wind. Es war ein Blason, welcher sich auch auf dem Schild seines nächsten Konkurrenten finden sollte. Genauso wie auf seinem eigenen. Es war nicht alltäglich, dass man im ritterlichen Wettstreit gegen einen Familienangehörigen antrat, schon gar nicht gegen seinen eigenen Vater. Wilfred kniff angestrengt seine Augen zusammen. Andîlgarn von Gugelforst streifte sich soeben seine Panzerhandschuhe über.

Nächstes Jahr, 1042 nach Bosparans Fall, war es 200 Winter her, dass seine Familie in den Adelsstand erhoben wurde. Es war jedoch keine Sache, wegen der übermäßig viel Stolz verspürte. Nicht weil die Gugelforster damit immer noch zu den eher jüngeren hochadeligen Geschlechtern des Reiches zählten, sondern weil seine damals belehnte Ahnin, Myria, ein Hexenweib und die Hure eines Fürsten gewesen sein soll, der eine alte Burg im Gugelforst, am Fuße der Trollzacken, zum Geschenk gemacht wurde. Dieses Dämonenweib soll immer noch auf dem Dererund wandeln und, so erzählt man es sich, jedes magiebegabtes Kind von ihrem Blute zu sich in den dunklen Gugelforst holen. Wilfred rang der Gedanke daran nur ein verächtliches Schnauben ab, doch sein Vetter Hainrich hat ihm erst vor Kurzem von einer Begegnung mit ihr erzählt und ja, sie holte seinen magiebegabten Sohn zu sich - und das gegen seinen Willen.

Der Ritter verdrängte diesen unwichtigen Gedanken sogleich wieder und konzentrierte sich auf den bevorstehenden Lanzengang. Lustlos und ohne sie eines Blickes zu würdigen bat er seiner neben ihm stehenden Gemahlin seinen Arm dar, damit diese ihm ihr Gunstbändchen umbinden konnte. Es war ein in seinen Augen sinnloser Brauch, aber der Form musste genüge getan werden. Dann setzte er sein mächtiges Ross in Bewegung. Genauso wie sein Vater am anderen Ende. In der Mitte der Tjostbahn trafen sie aufeinander um sich ritterlich mit der Schwertfaust zum Herzen zu begrüßen. Stolz lächelte Andîlgarn ihm zu.

"Möge der Bessere gewinnen...", entgegnete ihm Wilfred grimmig. Sein Vater galt immer noch als einer der besten Tjoster der Bärenlande, auch wenn er nicht mehr ganz so gut im Saft stand wie in seiner Jugend. Wie oft hatte ihm der alte Mann erzählt, dass er in seiner Jugend orkische Khurkach mit seinen bloßen Händen erwürgt hatte. Nun war es endlich so weit, dass er sich mit ihm messen konnte.

Wortlos setzten beide ihre Helme auf, ritten zu ihrer Ausgangsposition zurück und ließen sich ihre Lanzen reichen. Es sollte nur einige Herzschläge lang dauern bis der Turnierrichter das Flaggensignal gab und die beiden Kontrahenten wie zwei entfesselte Naturgewalten auf einander zu ritten. Beide erlaubten sich nicht den kleinsten Fehler und ließen den jeweils perfekt geführten Stoß des anderen mit noch perfekterer Verteidigung abgleiten. Nicht nur beim ersten, sondern auch beim zweiten Anritt.

Wilfred musste sich eingestehen, dass er wohl noch nie einem so disziplinierten Gegner gegenüber gestanden war. Seine Technik war perfekt, doch egal was er die ersten beiden Anritte auch versuchte, sein Vater hatte die passende Antwort parat - und umgekehrt. ´Sieht so aus als kommt dein Ruf nicht von ungefähr, alter Mann´, dachte er grimmig und nahm erneut Aufstellung. Dieses Mal musste es klappen, wollte er sich nicht auf einen Fußkampf einlassen. Und tatsächlich offenbarte sein Vater nun erstmals Schwächen. Der alternde Kämpe hielt seinen Schild etwas zu tief und bat ihm somit einiges an Angriffsfläche. Nun flogen erstmals Späne und Wilfreds Lanze brach an der Rüstung seines Vaters. Triumphierend lächelnd warf er die Reste seiner Lanze zur Seite, zog sich den Helm vom Kopf und warf ihn seiner warteten Knappin zu.

Erst als er sein Pferd wendete und auf die andere Seite blickte merkte er, dass der Tralloper seines alten Herrn ohne diesen auf der anderen Seite der Arena stand. Geistesgegenwärtig setzte er sein Pferd noch einmal in Bewegung und ritt auf seinen am Boden liegenden Vater zu. Dort angekommen schwang er sich gewandt vom Rücken seines Kampfgefährten und bot Andîlgarn seine Hand an, um ihn wieder auf die Beine zu helfen.

"Ich werde zu alt für diesen Scheiß...", hörte man aus dem Helm des Altbarons hervor dröhnen, dann packte er die Hand seines Sohnes und ließ sich von ihm hoch helfen.

"Nicht schlecht, alter Mann...nur an deiner Sattelfestigkeit müssen wir noch etwas arbeiten...", entgegnete ihm dieser und lächelte kalt. Dann fielen sich die beiden in die Arme...