Geschichten:König Bodars Banner - Hartsteener Addendum

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Staatscantzley, Kaiserstadt Gareth, Anfang Phex 1035 BF

»Und davon brauche ich bis zum nächsten Rohalstag eine knappe und bündige Zusammenfassung und natürlich die üblichen Kopien für das Zedernkabinett in doppelter Ausfertigung«, türmte Horbald von Schroeckh einen ganzen Packen Pergamente auf das eh schon überquellende Schreibpult seines ältesten Sprosses Ludemar. »Oder, ach nee, mach das doch lieber schon bis zum Erdtag fertig. Das letzte Mal hatte sich Sighelmsmark doch beschwert, dass er keine Zeit gehabt hätte, sich in die Materie einzuarbeiten.«

»Äh, Vater, Erdtag ist doch aber schon morgen?«, schluckte der Sekretär der Staatskanzley trocken. »Wie soll ich denn das schaffen? Von den vier Schreibern haben sich drei diese Woche den Dumpfschädel geholt, weil die Fenster undicht sind und der Winter sich so hartnäckig hält.«

Vor dem Fenster hatte wieder leichter Schneefall eingesetzt und puderte die schlammigen Straßen vor der Staatskanzlei in ein firungefälliges Weiß. In der Schreibstube glomm ein Kohlebecken und etwa jedes halbes Stundenglas versuchte Ludemar seine eisblauen Finger einigermaßen aufzutauen, um seine Schreibfeder weiter halten zu können. Das Große Kabinett und die Kabinettstjoste warfen ihre Schatten voraus, und langsam zeigte sich, was für einen riesiger Aufwand es darstellte, den gesamten Adel Garetiens, Greifenfurts und Perricums in die Kaisermark zu laden. Listen über Listen mussten erstellt, die Feierlichkeiten organisiert und die vielen Anfragen der Adligen bearbeitet werden. Ludemar hinkte dem Zeitplan weit hinterher, und innerlich hatte er es bereits aufgegeben daran zu glauben, bis zum Ingerimm alles Notwendige organisiert zu haben.

»Und wenn sie sich beim Kaiser Alrik an der Schlafkrankheit angesteckt hätten, die Sache muss bis morgen fertig werden. Bleibst du halt ein wenig länger hier, Ludemar, du machst das schon. Ich werde mich dann mal nach Sonnentor aufmachen und schauen, womit der Markvogt so seine Zeit vertreibt. Vielleicht ist ja heute ein Platz an seinem Tisch frei?«

Ludemar fluchte leise vor sich hin und blickte düster seinem ausgelassen pfeifenden Vater hinterher, der sich dicke Pelzfäustlinge überzog und eine gestrickte Mütze auf den Kopf zog. An Tagen wie diesen wünschte er, mit Prutzenbogen tauschen zu können, denn immerhin war es besser, nicht arbeiten zu müssen und sich beim Raulsmärker durchfüttern zu lassen. Verdrießlich griff er nach dem obersten Papier auf dem Stapel und überflog die Zeilen, unter denen das Siegel des Grafen von Hartsteen gesetzt war.

»Einen Moment, Vater! Was ist denn das hier?«

»Wovon sprichst Du, Ludi?«, drehte sich Horbald fragend um.

»Na von der Erweiterung der Traktandenliste, wie der Graf von Hartsteen es verlangt.«

»Wieso will denn der neue Graf von Hartsteen ein Addendum zur Traktandenliste der Verhandlungen auf dem Großen Kabinett einbringen? Ich dachte, das Kabinett soll nur über den neuen Marschall und die Verteilung der Landwehrregimenter entscheiden?« Horbald hatte offensichtlich keine Lust, sich mit dieser Frage zu befassen.

»Ach, es scheint so zu sein, dass in der Vergangenheit die Grafen an den Tagen des Großen Kabinetts ebenfalls vom König wichtige Beschlüsse für ihre eigenen Lehen fordern können. Das steht da alles irgendwo auf einem Zettel in diesem großen Papierstapel auf meinem Pult. Hatte ich Dir doch vorgelegt! Stammt aus dem Jahr 800, als die Grafen im Süden von den anderen Grafschaften des Königreichs tatkräftige Unterstützung gegen die Ferkinas aus dem Wall gefordert und dafür das Kabinett einberufen haben. Im Gegenzug dafür haben dann die einzelnen Grafschaften auf verschiedene Privilegien für ihre Grafschaften gepocht. Und genau das will der neue Graf von Hartsteen jetzt auch machen. Verstanden?« Ludemar reichte den Brief an seinen Vater, der ihn umständlich zwischen die Fäustlinge fasste.

Horbald überflog das ausführliche Schreiben und schüttelte verständnislos den Kopf. »Aber warum fordert er das Große Kabinett denn auf, sich für den beschleunigten Wiederaufbau der Rabenbrücke einzusetzen? Warum sollen denn die Adligen auf dem Kabinett für so eine Sache abstimmen?« 

Ludemar grinste. »Jetzt, wo die Fehde entschieden ist, kann er die Raubritter auf seinen Straßen nicht mehr gebrauchen. Aber die Hartsteener Ritter sind alle bis über beide Ohren verschuldet und es ist nur die Frage, bis der erste von denen seine Zahlungsunfähigkeit eingestehen und Bankerott erklären muss. Wenn die Warenströme aus Perricum nach Gareth wieder durch Hartsteen liefen, dann wäre mittelfristig eine Entspannung wieder abzusehen, und die Säckel der Ritter könnten sich wieder füllen wie vor der Fehde. Jedes Jahr aber, das die alte Rabenbrücke in Trümmern liegt, füllt auf Kosten der Hartsteener den Zwergen in Wandleth die Taschen, die gleichzeitig die Schuldscheine der Hartsteener horten.« 

»Wie wollen die Hartsteener denn die Adligen dazu bringen, so einen Entschluss durchzubringen? Die anderen Grafschaften werden sich doch nicht darum scheren, ob sich die Situation der Hartsteener verbessert oder nicht.« Horbald reichte das Hartsteener Schreiben leicht zerknüllt zurück.

»Dann müssen die Hartsteener halt versuchen genügend Stimmen im Kabinett zu sammeln. Und wenn sie dafür einen Greifenfurter oder Perricumer zum Marschall ernennen müssen«, lächelte Ludemar seinen Vater an, der auf den Zehenspitzen seiner gefütterten Stiefel herumzappelte.

»Heißt das etwa, dass wir damit rechnen müssen, dass noch mehr Grafen auf die Idee kommen, solche Zusätze zur Traktandenliste einzubringen?«

»So ist es, Vater. So ist es.« 

Der Staatsrat stutzte kurz, dann drehte er sich kommentarlos abrupt um und winkte seinem Sohn zum Abschied zu. »Das wird viel Arbeit für dich! Und vergiss nicht, bis morgen müssen die Schriftstücke fertig sein, damit die Hochgeborenen Herrschaften sich in ihre Materien einarbeiten können.«


GG&P-Con 2012 Garetien-, Greifenfurt- und Perricum-Con 2012


Dieser Artikel verweist auf die Handlung des GG&P-Cons 2012.