Geschichten:Jäger wider Willen - Teil VI

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Viel weniger als die Jagd interessierte den Reichsritter die verbliebenen Praiosläufe der Inhalt des erbeuteten Briefes. Immer wieder hatte er ihn zur Hand genommen und seine Zeilen gelesen, wieder und wieder, sodass er ihn inzwischen auswendig herunterbeten konnte. Gut und gerne könnte er behaupten dass der Inhalt dieser Zeilen ihn nichts anginge, könnte er es damit bewenden lassen und sich stattdessen seiner eigenen, zahlreichen Probleme stellen. Allerdings entsprach dergleichen nicht seinem Charakter, es widersprach seiner Erziehung, seinem eigenen Ideal eines Ritters und wer wusste schon welche Konsequenzen sein Wegschauen nach sich ziehen würde. Er selbst war der festen Überzeugung dass die Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen mussten, dass sie sich nicht blind auf den Beistand der Götter verlassen konnten. Tatsächlich glaubte fest an die Mächte Alverans, er war aber kein religiöser Eiferer der Blind in allem den Willen der Götter hineininterpretieren wollte. Leubrecht glaubte fest an die Selbstbestimmung des Individuums, seine Selbstbestimmung! Dennoch kam er nicht umhin, in seinem Fund einen Wing der Götter in Betracht zu ziehen. Seit so langer Zeit hatte sich dieser Brief hier inmitten der Dämonenbrache versteckt und auf sein Widerauffinden gewartet. Hätte er es damals nur zu seinem Empfänger geschafft, womöglich würde der alte Graf dann noch immer leben. Stattdessen war er ungelesen in der Brache gelandet, hatten seine mahnenden Worte kein Gehör gefunden. Bis jetzt, bis er über ihn gestolpert ist. Hatten der Rabe der ihn begleitete und der Geist des alten Zauberers den er am Abend im Obergeschoss des Turmes kurz gesehen hatte, ebenfalls etwas mit alledem zu tun oder handelte es hierbei tatsächlich um Zufälle? War all das nur Zufall, war es Glück oder hatten die Götter beschlossen dass es höchste Zeit war Warnungen auszusprechen um dem Rattenkind Einhalt zu gebieten?

Während Alara ihren Weg bestimmte und sie durch die Dämonenbrache führte, wurde der Reichsritter immer wieder durch Gedanken an den Brief und seine Tragweite abgelenkt. Alara respektierte dies und beanspruchte seine Aufmerksamkeit nur wenn es absolut notwendig war, wobei Notwendigkeit auszulegen war. Anhand der von ihr gefundenen Spuren wählte sie ihre Route und erlegte nebenher einige kleinere Kreaturen die ihren Weg kreuzten, wobei sie stets eine Trophäe aufbewahrte und Notizen zu jedem einzelnen von ihnen machte. Derart verstrichen die restlichen Praiosläufe bis sie sich am sieben Tag dem Zwingstein näherten.

Misstrauisch kniete Alara nieder und beäugte einige Spuren im feuchten Untergrund. Sie waren frisch, verdammt frisch! Was auch immer diese Abdrücke hinterlassen hatte musste sich noch immer in der unmittelbaren Umgebung aufhalten. Sie brachte Leubrecht nicht daran erinnern leise zu sein, seitdem er den Brief gelesen hatte war er eh Schweigsam geworden und hing seinen Gedanken nach. Stattdessen war es an ihr ihn auf die unmittelbare Gefahr aufmerksam zu machen. Ihn bei den Schultern packend rüttelte sie ihn aus seinen Gedanken. Ihm mit ernster Miene direkt in die Augen sehend, holte sie ihn ins hier und jetzt. „Ihr müsst jetzt Wachsam sein! Irgendetwas ist hier, etwas Gefährliches!“ Flüsterte sie mit ernster Stimme und deutete dabei auf die Spuren am Boden, wohl wissend das der Reichsritter grundsätzlich wenig damit anzufangen vermochte, doch selbst ihm entging nicht wie groß und tief die Abdrücke waren. Schlagartig hatte er seine Grübeleien hin den Hintergrund gestellt und ließ seinen musternden Blick seiner blaugrauen Augen über ihr direktes Umfeld schweifen. Bisher hatte sie der Rabe, der sie noch immer auf dem Rücken ihres Packpferdes reitend begleitete, immer vor Gefahren gewarnt, nun aber machte er sich klein. Schnell prüften sie beide die Zugänglichkeit ihrer Waffen. Alara zog prüfend ihr Kurzschwert und spannte, zufrieden mit dem Ergebnis, im Anschluss ihren Bogen. Einen Pfeil auf der Sehne folgte ihr Blick den Spuren. Auch der Reichsritter zog prüfend sein Schwert, kontrollierte ob er seinen Schild schnell greifen konnte und vergewisserte sich das die Saufedern auf dem Rücken ihres Pferdes leicht zugänglich waren – erst im danach spannte er die Armbrust des Schlunders und legte einen Bolzen ein.

Nervös ruckten die Ohren des Pferdes immer hin und her, versuchte eine Gefahr auszumachen. Plötzlich schnaubte es und stieß ein kläglich, ängstliches Wiehern aus. Es war da! Rot leuchteten seine Augen im Zwielicht der Bäume. Nur langsam vermochten sie ganzen Körper der Kreatur erkennen, dann tat es einen Schritt vor und offenbarte sich. Ein großer kräftiger Bär, unzählige Narben zeichnete sich in seinem Fell ab. Von einem Prankenhieb der ihn quer durch das Gesicht gezogen worden war, aber auch von Schnitten und Stößen. Die beiden Menschen erblickend richtete sich das Wesen auf und maß urplötzlich gewiss drei Schritt in der Höhe. Sein Anblick war Furchteinflößend, doch als sie eigentlich ein markerschütterndes Brüllen erwarteten sahen sie eine lange gespaltene Zunge hervorschnellen, sodass es ihnen eiskalt den Rücken hinunter lief. Jedes Zögern konnte den Tod bedeuten, also zögerten sie eben nicht. Sie beide gaben Schüsse ab. Kam das der Bolzen davongeschnellt war, ließ Leubrecht die Armbrust fallen und schnappte sich die beiden Saufedern vom Rücken des langsam rückwärts tänzelnden Packpferdes.

Sein Bolzen steckte inmitten der Brust des Untieres, schien dieses aber nicht weiter zu stören. Der von Alara abgegebene Pfeil hatte im Gesicht des Bären die Haut durchschlagen und war nach wenigen Fingern wieder ausgetreten, sodass er den Eindruck eines ungewöhnlichen Schmuckes vermittelte. Böse funkelte sie die rot glühenden Augen an, schätzten sie ein, während die abstoßende Zunge des Wesens sich um den Pfeilschafft wickelte und ihn entzweibrach. Mit nur einem Schritt hatte sich ihre Distanz dramatisch verkürzt, da flog bereits der zweite Pfeil Alaras. Er streifte die Schnauze und hinterließ einen blutigen Kratzer. Ein weiterer Schritt auf sie zu und ihnen beiden war klar das noch höchstens zwei folgenden würde eh er an sie herangekommen wäre. Mit ihrem dritten Schuss landete Alara einen guten Treffer, direkt ins linke Auge. Während sie ihren Bogen fallen ließ und die zugeworfene Saufeder auffing, machte die Kreatur einen weiteren Schritt auf sie zu. Dabei wickelte sie ihre unnatürliche Zunge um den, im Augen steckenden, Pfeil und zog diesen heraus. Ein Übelkeit erregendes Poppen begleitete die ruckartige Bewegung und hinterließ eine leere Augenhöhle. Leubrecht und Alara fächerte auseinander um das Wesen flankieren zu können, als dieses den letzten Schritt auf sie zu machte und mit seiner mächtigen Pranke nach der Bogenschützin ausholte. Diese duckte sich geistesgegenwärtig darunter weg und stach mit ihrer Waffe dem Bären in den Bauch, dabei durchdrang die Spitze ihrer Waffe das zähe Fell nur minimal. Auch Leubrech nutzte die Gelegenheit und zwei schnelle Stöße auf das Tief einprasseln, verlieh angesichts der geringen Wirkung seines ersten Treffers dem zweiten Stoß mehr Wucht, glitt jedoch nur wirkungslos über das Fell. Erneut zischte der Bär sie an, wobei sie insgeheim sich beide einige waren, dass ein spielreiches Gebrüll ihnen lieber gewesen wäre. Ein weiteres Mal drehte sich Alara grad noch rechtzeitig aus dem Schlag heraus, entfernte sich dabei jedoch zu weit um selbst noch zustoßen zu können. Mit voller Kraft stieß gleichzeitig Leubrecht zu. Anders als beabsichtigt blieb das Blatt aber nicht stecken, von einer Rippe abprallend schlitzte er stattdessen die Seite des Bären auf einer Länge von gut zwanzig Fingern auf.

Von der Schützin ablassend, funkte der Bär nun Leubrecht mit seinem verbliebenen Auge böse an und zischte. Offensichtlich hatte es ihn als neue, größere Bedrohung eingestuft. Als die Pranke in seine Richtung niederfuhr musste der Vairninger einen Satz nach hinten machen, dennoch erwischte der Hieb seine Saufeder und zertrümmerte den Schaft. Nur mit großer Mühe konnte Leubrecht verhindern das ihn die schiere Wucht des Treffers aus dem Gleichgewicht brachte. Sich seitlich wegrollend gewann er ausreichend Abstand um den nutzlosen Schafft gegen Schwert und Schild einzutauschen. Immer wieder Stach derweil Alara auf den Bären ein, vermochte jedoch kaum mehr als kleine Nadelstiche zu verursachen. Der folgende Schlagabtausch war ermüdend und erschien darüber hinaus auch noch wenig fruchtbar. Mit seinem Schwert mangelte es Leubrecht an Reichweite um seinem Gegner gefährlich zu werden, gleichzeitig musste er sich außerhalb des Bereiches seiner Pranken halten. Auch wenn er einen Schild hatte, so wollte er sein Glück dennoch nicht herausfordern und diesen zur Wehr einsetzten. Inzwischen blutete der Bär aus vielen kleinen Stichen, nicht doll aber er blutete. Erheblich mehr Lebenssaft verlor er über die klaffende Wunde an der Seite, dabei zeigte sich das der Bär schneller Träge wurde als es die beiden Menschen taten. Soeben war es Leubrecht gelungen den Schlag der Kreatur zu Unterlaufen und einen ersten Treffer mit dem Schwert zu erzielen, als plötzlich die andere Pranke auf ihn zu schwang. Es war pures Glück das es die durch das Schild geschützte Seite war, dieses in Weg reißend fuhren die Krallen des Bären über das darauf aufgemalte Wappen. Mit ansehend wie dicke Spänen aus dem Holz gekratzt wurde war sein Besitzer froh sich nicht uneingeschränkt verlassen zu haben.

Um eine Erfahrung reicher ging Leubrecht nun mit mehr Bedacht vor und dennoch wurde sein Wappenrock von einem Schlag zerfetzt, bis er endlich nach einer schieren Ewigkeit eine Lücke entdeckte. Seine Klinge in den Leib des Bären rammend drang diese nur langsam tiefer in das zähe Fleisch ein. Plötzlich knickte der Bär ein, Alara hatte ihn von hinten günstig ins Bein getroffen, allerdings für ihren Dienstherren zu einer ungünstigen Gelegenheit. Zu nah am Gegner stehend konnte er nicht nach hinten weichen ohne in die Pranken zu laufen. Während er unter der Bestie begraben wurde, ließ er ein Schwert los und wandte er alle zur Verfügung stehenden Reserven auf um sein Schild zu halten um nicht zerquetscht zu werden. Doch das Vieh war so verdammt schwer, nur mit aller Mühe gelang es ihm sein Schild zu halten. Bereits beim Aufschlag auf den Schild hatte sich der anfänglich abgeschossene Bolzen zur Gänze in den Körper gedrückt und mit jedem weiteren Finger den der Bär tiefer sank, drückte er sich die Waffe des Ritters tiefer in den Leib. Dann erschlaffte er plötzlich endgültig.

Vollkommen unter dem Untier begraben, bekam der Vairningen kaum noch Luft. Er bemühte sich den Bären von sich herunter zu rollen, doch aus seiner Position war das Biest schlichtweg zu schwer. Nur gedämpft drangen seine schwächer werdenden Rufe bis zu Alara vor, bis diese ihrem Herrn endlich Erleichterung verschaffen konnte. Nach Atem ringend lag Leubrecht am Boden, den Wappenrock zerfetzt, sogar einige Kettenglieder hatte es aufgerissen, und über und über mit Blut besudelt. Erschöpft wie sie waren, verspürten sie keine Lust mehr ihre Trophäe zu erbeuten. Stattdessen schmissen sie den überflüssigen Ballast aus den Taschen des Packpferdes, luden sich selbst einige Dinge auf und ließen das Pferd dem Korpus die letzten 250 Schritt aus der Brache herausschleifen.

Jetzt wollten sie nur noch baden, essen und schlafen!



 20px|link=[[Kategorie:|Jäger wider Willen - Teil VI]]
29. Bor 1042 BF
Jäger wider Willen - Teil VI
Tag 5


Kapitel 49

Tag 5
Jäger wider Willen - Teil V


Kapitel 7

Autor: Vairningen